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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: 13 A 5160/05
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 105
AMG § 109a
§ 105 Abs. 5 AMG findet auch im Nachzulassungsverfahren für Traditionsarzneimittel nach § 109a AMG Anwendung.

Ein Beanstandungsschreiben nach § 105 Abs. 5 AMG muss deutlich als solches erkennbar sein.

Eine Bescheidungsklage nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO hat keinen Erfolg, wenn offenkundig ist, dass der Kläger auch nach Ausspruch der Verpflichtung zur Neubescheidung keine ihm günstige Entscheidung erlangen kann.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrte die Nachzulassung eines Arzneimittels nach § 109a AMG. Die Beklagte lehnte eine Nachzulassung ab. Das VG verpflichtete die Beklagte zur Neubescheidung. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Das VG ist zu Recht davon ausgegangen, dass § 105 Abs. 5 AMG auch im Nachzulassungsverfahren für Traditionsarzneimittel Anwendung findet. Das Regelungsgefüge des § 105 AMG gilt grundsätzlich auch für die Nachzulassung der sog. Traditionsarzneimittel nach § 109a AMG. Nur wenn durch die Vorschrift des § 109a AMG die Regelungen des § 105 AMG konkret verdrängt werden, tritt § 105 AMG zurück.

So auch Brixius/Schneider, Nachzulassung und AMG-Einreichungsverordnung, 2004, S. 208.

Das "Verfahren" nach § 109a AMG trifft nur Sonderregungen für die sog. Traditionsarzneimittel innerhalb des Nachzulassungsverfahrens nach § 105 AMG und ist kein eigenständiges Verfahren. Das zeigt sich bereits daran, dass die Vorschrift keine eigenständige Grundlage für die Nachzulassung zur Verfügung stellt, vielmehr bleibt es bei § 105 Abs. 4f AMG. Insoweit nimmt § 109a Abs. 1 AMG denn auch ausdrücklich Bezug auf § 105 Abs. 3 AMG (wobei der Verweis ungenau ist, da nach § 105 Abs. 3 AMG keine Verlängerung der Zulassung "erteilt" wird). Auch bestätigt der Umstand, dass die Regelungen der § 109a Abs. 2 und 3 AMG die § 105 Abs. 4 Satz 2 und § 105 Abs. 4a Satz 1 AMG konkret verdrängen, dass es im Übrigen bei einer Geltung des § 105 AMG auch für die Traditionsarzneimittel bleiben soll. Weiter ist die Regelung des § 109a AMG zu lückenhaft, als dass sie als eigenständige Verfahrensregelung verstanden werden könnte. Weder ist eine Regelung von Versagungsgründen enthalten (vgl. § 105 Abs. 4 f AMG) noch wird zur Möglichkeit von Auflagen Stellung genommen (vgl. § 105 Abs. 5a AMG). § 109a Abs. 4 AMG ändert daran nichts. Selbst wenn aus dieser Vorschrift abgeleitet werden könnte, dass entweder das "normale" Nachzulassungsverfahren oder das Nachzulassungsverfahren für Traditionsarzneimittel durchzuführen ist, besagt dies noch nichts darüber, wie das Verfahren für Traditionsarzneimittel konkret ausgestaltet ist. Im Übrigen entspricht allein dieses Verständnis des Verhältnisses zwischen § 105 und § 109a AMG der Verwaltungspraxis. Stellte das Verfahren nach § 109a AMG ein gänzlich eigenständiges Verfahren dar, könnte innerhalb dieses Verfahrens § 105 Abs. 5b Satz 1 AMG nicht zur Anwendung kommen - und die Beklagte hätte für alle Traditionsarzneimittel das Widerspruchsverfahren durchführen müssen. Dies hat sie indes - zu Recht - nicht getan.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass § 105 Abs. 5 AMG durch die Regelungen des § 109a AMG konkret verdrängt wird. Ein ausdrücklicher Ausschluss der Anwendung der Vorschrift des § 105 Abs. 5 AMG für Traditionsarzneimittel lässt sich § 109a AMG nicht entnehmen. Es sind aber auch keine Gründe für einen sinngemäßen Ausschluss ersichtlich. Allein der Umstand, dass mit § 109a AMG das Nachzulassungsverfahren für die Traditionsarzneimittel vereinfacht und beschleunigt werden soll, gibt für eine Unanwendbarkeit des § 105 Abs. 5 AMG nichts her. Zwar mag die Möglichkeit, ohne Durchführung des Verfahrens nach § 105 Abs. 5 AMG zu entscheiden, vordergründig eine Beschleunigung und Vereinfachung herbeiführen. Diese Beschleunigung und Vereinfachung ist indes nur eine scheinbare, da ohne Durchführung des Verfahrens nach § 105 Abs. 5 AMG fehlende Erklärungen und Unterlagen im Klageverfahren nachgeschoben werden können. Umgekehrt zeigt die Regelung des § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG, dass gerade die Durchführung des Beanstandungsverfahrens nach § 105 Abs. 5 AMG der Beschleunigung und Vereinfachung dient.

Vgl. zum gesetzgeberischen Ziel der Beschleunigung und Vereinfachung durch § 109a AMG BT-Drucks. 12/7572 S. 8 und 14/3320 S. 16.

Die Besonderheiten der Vorschriften des § 109a Abs. 2 und 3 AMG ändern an dem Gesagten nichts. Zwar knüpft § 109a Abs. 2 AMG zunächst einmal an eine verfahrensmäßige Erklärung - und nicht an "materielle Unterlagen" - an. Dies führt indes nicht zu einer Unanwendbarkeit des § 105 Abs. 5 AMG. Zum einen sind die Begriffe der "Beanstandungen", der "Mängel" und der "Unterlagen zur Mängelbeseitigung" weit zu verstehen. Erfasst werden alle durch Unterlagen und Erklärungen grundsätzlich beseitigbaren Mängel und Beanstandungen, mögen sie auch schwerwiegend sein. Dazu gehören auch Mängel, die durch - im Prinzip nachholbare - verfahrensmäßige Erklärungen behoben werden können (nicht aber - nicht behebbare - materielle Rechtsmängel). Übermäßigen Verzögerungen kann durch Setzen kurzer Fristen vorgebeugt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26.9.2006 - 13 A 2727/04 - und 19.4.2007 - 13 A 2975/06 - (zur Vorlage von Unterlagen nach dem EDMF-Verfahren).

Zum anderen zeigt der Umstand, dass die Beklagte hier - da ihr die vorgelegte eidesstattliche Versicherung nicht hinreichte - Unterlagen zur Qualität und Prüfung der Ausgangsdrogen, zur Herstellung des Extraktes sowie zur Haltbarkeit anforderte, dass sich die Nachzulassungsverfahren nach § 105 Abs. 4 Satz 2 AMG und § 109a Abs. 2 AMG ähneln können, wenn und soweit die Glaubhaftmachung durch die eidesstattliche Versicherung nach § 109a Abs. 2 AMG fehlgeschlagen ist. In der Folge muss auch § 105 Abs. 5 AMG einschlägig sein.

So auch Brixius/Schneider, a.a.O., S. 211.

Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus § 109a Abs. 3 AMG. Hinsichtlich einer fehlenden Listenposition ist das Beanstandungsverfahren nach § 105 Abs. 5 AMG nicht durchzuführen, da es sich insoweit um einen (nicht behebbaren) materiellen Rechtsmangel handelt.

Weiter ist das VG zu Recht davon ausgegangen, dass hier ein Mängelbeanstandungsverfahren nach § 105 Abs. 5 AMG nicht durchgeführt worden ist. Die Schreiben vom 12. 4. 2001 sind nicht als Beanstandungsschreiben nach § 105 Abs. 5 AMG gekennzeichnet. Eine ausdrückliche Kennzeichnung von Beanstandungsschreiben entspricht aber der Verwaltungspraxis der Beklagten, so dass die Klägerin ohne diese nicht davon ausgehen konnte, dass es um eine Beanstandung nach § 105 Abs. 5 AMG ging. Auch bedarf vor der Hintergrund der einschneidenden Folgen der Mängelbeanstandung (§ 105 Abs. 5 Satz 2 und 3 AMG) und in Übereinstimmung mit der Verwaltungspraxis der Beklagten ein Beanstandungsschreiben der Kennzeichnung als solches; nur so kann eine Abgrenzung zu einer Anhörung zu einer Zulassungsversagung (vgl. § 28 VwVfG) erreicht werden. Im Übrigen hat das VG zu Recht darauf abgestellt, dass selbst wenn ein Beanstandungsschreiben vorgelegen hätte, die gesetzte Frist von zwei Wochen zu kurz gewesen wäre. Dabei ging es hier nicht - jedenfalls nicht eindeutig - allein um die Vorlage bereits vorhandener Unterlagen. Denn die Beklagte hatte selbst die materielle Richtigkeit der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung unter Hinweis auf mangelhafte (ältere) Unterlagen angezweifelt. Im Übrigen war jedenfalls mit den Schreiben der Klägerin vom 30. 4. 2001 klar, dass sie über keine vollständigen Ergebnisse hinsichtlich der von ihr beanspruchten Haltbarkeit verfügte. Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte die Frist verlängern müssen, um eine rechtmäßige Frist - die von der Klägerin nichts Unmögliches fordert - in die Welt zu setzen.

Vgl. Brixius/Schneider, a.a.O., S. 129.

Auch aus § 46 VwVfG ergibt sich nicht, dass der hier vorliegende Verstoß gegen § 105 Abs. 5 AMG unbeachtlich wäre. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheidet aus, da § 46 VwVfG schon seinem Wortlaut nach nicht für Verpflichtungsklagen - die Bescheidungsklage ist nur ein Unterfall der Verpflichtungsklage - gilt. Eine andere - und zu bejahende - Frage ist, ob im Rahmen der Bescheidungsklage der Offensichtlichkeitsgedanke des § 46 VwVfG in dem Sinne zur Anwendung kommt, dass dem Erfolg einer Bescheidungsklage entgegen steht, dass ein Erfolg des Klägers letztendlich offensichtlich nicht möglich ist.

Vgl. zu § 46 VwVfG OVG NRW, Urteile vom 3.10.1978 - XV A 1927/75 -, OVGE 33, 274, und 28.10.1980 - 18 A 1211/79 -, NJW 1981, S. 936; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 46 Rdnr. 12; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 46 Rdnr. 44. Zur Bescheidungsklage OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2006 - 13 A 2727/04 -; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand April 2006, § 113 Rdnr. 73.

Hier ist nicht offensichtlich, dass die Durchführung des Beanstandungsverfahrens dazu führen würde, dass die von der Klägerin erstrebte Zulassungsverlängerung zu versagen wäre. Dass die Klägerin die von der Beklagten geforderten Unterlagen nicht vorlegen kann, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Klägerin im Klageverfahren im Rahmen der Anlage K 8 Unterlagen vorgelegt, die Vorlage von Unterlagen nach der EU "Note for guidance on stability testing of existing active substances and related finished products" (CPMP/QWP/ 556/96) ist offen.



Ende der Entscheidung

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