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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 22.07.2008
Aktenzeichen: 13 A1834/06
Rechtsgebiete: AMG, VwGO


Vorschriften:

AMG § 24a
AMG § 24b
VwGO § 43
Eine Klage, mit der ein pharmazeutischer Unternehmer im Vorgriff auf etwaige Zulassungsverfahren von Konkurrenten die Feststellung begehrt, dass die von ihm im Zulassungsverfahren für ein Arzneimittel vorgelegten Unterlagen den Schutz der §§ 24a, 24b AMG genießen, ist unzulässig.
Tatbestand:

Die Klägerin ist ein Pharmaunternehmen und vertreibt ein Arzneimittel, das im November 2001 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen worden ist. Im April 2002 wandte sich die Klägerin an das BfArM und bat um eine Bestätigung, dass die von ihr im Zulassungsverfahren vorgelegten Unterlagen von einem etwaigen Zweitanmelder nicht verwendet werden dürfen. Das BfArM teilte der Klägerin mit, die Voraussetzungen für einen entsprechenden Unterlagenschutz nach § 24a AMG (a. F.) lägen nicht vor. Daraufhin erhob die Klägerin Klage mit dem Ziel der Feststellung, dass die von ihr eingereichten Unterlagen Schutz genießen. Das VG wies die Klage als unzulässig ab. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

...

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

...

Das VG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, sie sei unzulässig. Ihr stehe der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) entgegen. Darüber hinaus fehle es auch an einem berechtigten Interesse an der begehrten Feststellung. Diese Einschätzung des VG ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Ob der Zulässigkeit der Feststellungsklage bereits der in § 43 Abs. 2 VwGO enthaltene Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht, der von der Rechtsprechung eher zurückhaltend angewandt wird, vgl. BVerwG, Urteile vom 5.12.2000 - 11 C 6.00 -, BVerwGE 112, 253, und vom 29.4.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2534, mag dahinstehen. Es fehlt jedenfalls an dem für die Erhebung einer Feststellungsklage vorliegend erforderlichen qualifizierten Feststellungsinteresse. Zu berücksichtigen ist nämlich, wie das VG zu Recht betont hat, dass es sich hier um eine "vorbeugende Feststellungsklage" handelt. Eine solche vorbeugende Feststellungsklage liegt vor, wenn es um die Feststellung der Rechtmäßigkeit künftiger Maßnahmen einer Behörde geht. Dies ist hier der Fall. Der von der Klägerin geltend gemachte "Unterlagenschutz" nach § 24a AMG a. F. bzw. §§ 24a, 24b AMG n. F. würde nämlich erst dann relevant, wenn ein Konkurrent der Klägerin die Zulassung für ein Arzneimittel unter Bezugnahme auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen bei der Beklagten begehrt, was bislang offenbar nicht geschehen ist.

Soweit die Klägerin anführt, es gehe nicht um vorbeugenden Rechtsschutz, sondern um die Klärung eines "bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt streitigen Rechtsverhältnisses", nämlich der Frage, ob Unterlagenschutz bestehe, vermag dies nicht zu überzeugen. Wollte die Klägerin nämlich die Klärung einer zwischen ihr und der Beklagten unabhängig von einem konkreten Sachverhalt streitigen Rechtsfrage erreichen, so wäre dieses Ansinnen von vornherein unzulässig. Rechtliche Beziehungen eines Beteiligten zu einem anderen haben sich erst dann zu einem konkretisierten Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.1.1992 - 3 C 50.89 -, BVerwGE 89, 327 m.w.N.

Die Regelung des Unterlagenschutzes in §§ 24a, 24b AMG setzt ein Drei-Personen-Verhältnis voraus. Konkrete Bedeutung erhalten diese Vorschriften erst, wenn ein Konkurrent einen entsprechenden Zulassungsantrag bei der Beklagten gestellt hat und wenn diese einen Zulassungsbescheid unter Bezugnahme auf die Unterlagen der Klägerin erteilen will. Diesem Handeln der Behörde vorzubeugen, kann nur Zweck des vorliegenden Verfahrens sein.

An das Feststellungsinteresse sind bei einer solchen vorbeugenden Feststellungsklage hohe Anforderungen zu stellen, und zwar insbesondere dann, wenn, wie hier, um vorbeugenden Rechtsschutz gegen einen unter Umständen zu erwartenden Verwaltungsakt nachgesucht wird. Dies beruht darauf, dass die Verwaltungsgerichtsordnung, dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgend, ein System des grundsätzlich nachgängigen Rechtsschutzes, gegebenenfalls abgesichert durch vorläufigen Rechtsschutz, bereitstellt. Ein Abweichen von dieser Grundentscheidung kommt nur dann - ausnahmsweise - in Betracht, wenn der nachgängige Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen für den Betroffenen verbunden wäre und deshalb dem verfassungskräftigen Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) nicht mehr genügte. Dies kann etwa der Fall sein, wenn durch die zu erwartende behördliche Maßnahme vollendete Tatsachen oder irreparable Schäden zu befürchten wären. Fraglich ist letztlich, ob dem Betroffenen ein Abwarten des behördlichen Tätigwerdens zugemutet werden kann oder nicht. Ist eine entsprechende Ausnahmesituation nicht gegeben, so ist das Begehren auf vorbeugenden Rechtsschutz unzulässig.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.6.2008 - 7 B 24.08 -, juris; Urteil vom 6.11.2002 - 6 C 8.02 -, juris; Urteil vom 30.9.1999 - 3 C 39.98 -, DVBl. 2000, 636; Urteil vom 7.5.1987 - 3 C 53.85 -, BVerwGE 77, 207 m. w. N.

Vorliegend ist eine Notwendigkeit für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes nicht erkennbar. Der Klägerin ist zuzumuten, etwaige Zulassungsverfahren von Konkurrenten abzuwarten und gegen eine unter Bezugnahme auf ihre Unterlagen zustande kommende, positive Zulassungsentscheidung der Beklagten Drittrechtsschutz in Form des Widerspruchs und der Anfechtungsklage, gegebenenfalls auch des vorläufigen Rechtsschutzes, in Anspruch zu nehmen. § 24a und § 24b AMG vermitteln die insoweit erforderliche drittschützende Wirkung.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 26.6.2008 - 13 B 345/08 -, juris, und vom 3.5.2006 - 13 B 2057/05 -, Pharma Recht 2006, 274; OVG Berlin, Urteil vom 23.9.1999 - 5 B 12.97 -, juris.

Wie das VG zutreffend hervorhebt, wird die Zulassung von Arzneimitteln gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AMG im Bundesanzeiger bekannt gemacht, so dass die Klägerin auch tatsächlich in die Lage versetzt wird, sich gegen Zulassungen, durch die sie sich in ihren Rechten verletzt sieht, zur Wehr zu setzen. Soweit die Klägerin dem entgegen hält, unter Umständen wolle sie sich gar nicht gegen die Verwendung ihrer Unterlagen wehren, sondern nur eine adäquate Gegenleistung für die Verwendung aushandeln, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Wenn der zukünftige Antragsteller sich entsprechenden Verhandlungen unter Hinweis auf fehlenden Unterlagenschutz entziehen und auch die Beklagte davon ausgehen sollte, dass den Unterlagen der Klägerin kein Schutz zukommt und wenn dies unzutreffend sein sollte, dann kann die Klägerin sich gegen die Zulassungsentscheidung zur Wehr setzen und auf diese Weise entsprechende Verhandlungen über die Verwertung ihrer Vorleistungen erzwingen.

Der Einwand, dass dann eventuell das gesamte Zulassungsverfahren erneut durchlaufen werden müsste, verfängt nicht. Diesen Einwand könnte allenfalls der zukünftige Konkurrent erheben. Dass aber die Klägerin durch ein auf diese Weise in die Länge gezogenes Zulassungsverfahren des Konkurrenten beeinträchtigt werden könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Dasselbe gilt für die Bemerkung der Klägerin, der Konkurrent müsse gegebenenfalls Investitionen für das Zulassungsverfahren tätigen, ohne mit Sicherheit von der Verwertbarkeit ihrer Unterlagen ausgehen zu können. Es mag vor diesem Hintergrund für den Konkurrenten wünschenswert sein, dass bereits zu Beginn des Zulassungsverfahrens Klarheit über den Unterlagenschutz besteht, da er andernfalls das Risiko eines erheblichen Zeitverlusts eingeht, wenn er die fehlenden Unterlagen später nachreichen muss. Ein Bedürfnis der Klägerin nach vorbeugendem Rechtsschutz kann dies indes nicht begründen.

Ende der Entscheidung

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