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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 05.03.2003
Aktenzeichen: 13 B 2338/02
Rechtsgebiete: GG, RettG NRW


Vorschriften:

GG Art. 3
GG Art. 9
GG Art. 12
GG Art. 14
RettG NRW § 19
RettG NRW § 22
RettG NRW § 29
Zur Übertragung eines Rettungsunternehmens einschließlich der Genehmigung mit Bestandsschutz.
Gründe:

Die Beschwerde mit den Anträgen, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die dem Antragsteller zu 1. erteilte Genehmigung zur Ausübung von Notfallrettung und Krankentransport vom 22.12.1999 vorläufig auf die Antragstellerin zu 2. zu übertragen, hilfsweise, die genannte Genehmigung vorläufig auf die Antragstellerin zu 2. umzuschreiben, hat bei Zugrundelegung des Vorbringens in der Beschwerdeschrift keinen Erfolg.

Wie schon das VG (für den Hauptantrag) zutreffend festgestellt hat, ist es den Antragstellern nicht gelungen, den für eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.

1) Einem solchen mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch steht vielmehr - einfachrechtlich - § 22 Abs. 1 Satz 3 RettG NRW entgegen. Dieser lautet in seiner auch schon im Gesetz über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer vom 24.11.1992, GV. NRW. S. 458, (RettG a. F.) enthaltenen und unverändert gebliebenen Fassung: "Eine Übertragung der Genehmigung ist ausgeschlossen."

Der Senat hat allerdings zunächst erwogen, dass zwischen der Übertragung einer einem Privaten oder seiner Firma nach §§ 18 ff RettG erteilten Genehmigung und der hier vorgesehenen Übertragung des gesamten Betriebes einschließlich der Genehmigung zu unterscheiden sein könnte. Er hat hierfür jedoch keinen Anhaltspunkt gefunden. Im Gegenteil muss aufgrund der Materialien zu § 22 RettG a. F. - vgl. LT-Drucks. 11/3181 des Regierungsentwurfs zu § 22 - von einem umfassend gewollten Ausschluss der Möglichkeit einer Genehmigungsübertragung ausgegangen werden. Dort heißt es nämlich zu § 22 RettG a.F. insgesamt, die Vorschrift entspreche "im wesentlichen den in §§ 3 und 9 PBefG enthaltenen Regelungen". Schon das damalige Personenbeförderungsgesetz enthielt seit dem 5. Änderungsgesetz zum PBefG vom 25.2.1983, BGBl. I S. 196, in seinem § 2 Abs. 2 Nr. 2 eine Genehmigungsbedürftigkeit für "die Übertragung der aus der Genehmigung erwachsenden Rechte und Pflichten (Genehmigungsübertragung)" hinsichtlich von Genehmigungen nach jenem Gesetz einerseits und andererseits die Sonderregelung des § 2 Abs. 3 PBefG hinsichtlich von Taxi-Genehmigungen, die lautete: "Abweichend von Abs. 2 Nr. 2 dürfen im Verkehr mit Taxen die aus der Genehmigung erwachsenden Rechte und Pflichten nur übertragen werden, wenn gleichzeitig das ganze Unternehmen oder wesentliche selbständige und abgrenzbare Teile des Unternehmens übertragen werden." Der Gesetzgeber des Rettungsgesetzes kannte also diese Unterscheidung zwischen genehmigungspflichtiger Genehmigungsübertragung und einer Übertragung der Genehmigung nur zusammen mit dem ganzen Unternehmen oder wesentlichen selbständigen und abgrenzbaren Teilen. Wenn er seine Regelung einerseits an den §§ 3 und 9 PBefG, andererseits nicht aber an der differenzierten Genehmigungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 2 und/oder Abs. 3 PBefG orientiert hat, so spricht dies dafür, dass der Ausschluss der Genehmigungsübertragung in § 22 Abs. 2 Satz 3 RettG a. F. umfassend sein sollte.

2) Auch der - auf Umschreibung gerichtete - Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Die Rückgabe der Genehmigung und die Benennung einer anderen Person, die diese Genehmigung nach eigener Antragstellung erhalten soll, - "Umschreibung" genannt - mögen geeignet sein, einverständlich mit der Behörde sicherzustellen, dass sie die Genehmigung nicht einzieht oder einem Dritten erteilt oder um eine schlichte Namensänderung bei gleichbleibendem Genehmigungsinhaber vorzunehmen. Jedoch ist keine solche Konstellation im vorliegenden Fall gegeben. Insbesondere vermag der Senat die behauptete Identität zwischen den Antragstellern zu 1) und 2) nicht anzuerkennen. Zwar mag der Antragsteller zu 1) Gesellschafter der GmbH (Antragstellerin zu 2)) sein. Jedoch handelt es sich dabei nicht nur juristisch um verschiedene Rechtspersönlichkeiten, sondern die GmbH könnte durch Veränderungen im Gesellschafterbestand bis hin zum Ausscheiden des Antragstellers zu 1) wirtschaftlich eine ganz eigene Entwicklung nehmen, was einer Genehmigungsübertragung erheblich nahe käme.

Richtigerweise ist die Genehmigungsbehörde bei "Umschreibung" beim Wechsel des Genehmigungsinhabers verpflichtet, einen solchen Antrag des Übernehmers wie einen Antrag auf erstmalige Erteilung einer Genehmigung zu behandeln.

Vgl. Prütting, Rettungsgesetz NRW, 3. Aufl. 2001, § 22 Rz 8.

Dies ist hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen in § 19 Abs. 1 bis 3 RettG ohne weiteres einleuchtend. Es dürfte allerdings grundsätzlich auch einschließen, dass die Behörde eine etwaige Anwendung der Funktionsschutzklausel des § 19 Abs. 4 RettG prüft, wenn deren Eingreifen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Hierzu fehlen alle Ausführungen in der Beschwerdeschrift, obwohl zur Auseinandersetzung damit auch deshalb Anlass bestanden hätte, weil es in dem von den Antragstellern selbst herangezogenen Kommentar von Prütting, a.a.O., Rz. 9, im Anschluss an die von ihnen zitierte Stelle weiter wie folgt heißt:

"Obwohl das Unternehmen mit den selben betrieblichen und im Übrigen personellen Voraussetzungen "weiter betrieben" werden soll, kann sich eine neue Unternehmerin oder ein neuer Unternehmer nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es gelten nicht die erleichterten Voraussetzungen des § 19 Abs. 6. Die Genehmigung für den Betrieb des Unternehmens ist personenbezogen und daher nicht übertragbar."

3) Die Frage, ob die beantragte Übertragung oder "Umschreibung" der Genehmigung wegen der Wirkung der Grundrechte aus Art. 3, 9, 12 und 14 GG mit dem bisherigen Inhalt zu geschehen hätte, wodurch der nach § 29 i.V.m. § 19 Abs. 6 RettG erworbene Bestandsschutz für den Übernehmer gesichert würde, wird auch im Hinblick auf § 19 Abs. 4 und 6 RettG nicht in der Beschwerdeschrift erörtert, obwohl hier ein weiteres Problem des Falles liegt. Insofern reichen die Ausführungen im letzten Absatz auf S. 5 der Beschwerdeschrift nicht, denn sie laufen auf die schlichte Behauptung hinaus, der Übertragungsantrag sei begründet, weil der Antragsteller zu 1) Bestandsschutz genieße, die Antragstellerin zu 2) nicht, weshalb eine Aufgabe dieses Bestandsschutzes bis zur abschließenden Entscheidung über die Genehmigungsübertragung oder "Umschreibung" im Sinne der Antragsteller diesen nicht zuzumuten sei. Somit ist nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im vorliegenden Beschwerdeverfahren diese Problematik nicht im Einzelnen zu entscheiden, da nach der genannten Vorschrift das Oberverwaltungsgericht nur die "dargelegten Gründe" prüft.

Zudem drängt sich auf, dass auch ohne Bestandsschutz die geltend gemachten Grundrechte aus Art. 9 und 12 GG - im Rahmen der geltenden Vorschriften - ohne weiteres wahrgenommen werden könnten. Für einen Anspruch auf Verlängerung des Bestandsschutzes ist in diesem Zusammenhang auch nichts ersichtlich. Er könnte sich allenfalls aus Art. 14 GG ergeben und nur für den Antragsteller zu 1), tut es aber letzlich nicht: Übergangsregeln wie die in § 29 RettG dienen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch Vertrauensschutz für die vor der Gesetzesänderung (oder vor einem den Vertrauensschutz sonst ausräumenden früheren Zeitpunkt) im Beruf Tätigen umfasst sowie den Besitzstandsschutz für genehmigte Unternehmen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3.9.1998 - 13 A 1048/98 -, VRS Bd. 96, S. 300.

Dass für Fälle wie dem Vorliegenden durch Art. 14 GG eine - wie auch immer geartete und genannte - Möglichkeit der Unternehmensübertragung einschließlich der Genehmigung und des bisher bestehenden Bestandsschutzes gewährleistet würde, ist zu verneinen. Auch Art. 14 GG erlaubt, dass durch Gesetz eingeräumte Rechtspositionen im Rahmen des Gestaltungsrechts des Gesetzgebers umgestaltet und zeitlich begrenzt werden.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15.7.1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300, 348 f. und vom 6.11.1985 - 1 BvL 22/83 -, NVwZ 1986, 197.

Ein Verstoß gegen Art. 14 GG hinsichtlich der Übertragbarkeit eines Unternehmens einschließlich der bestandsgeschützten Genehmigung lässt sich auch deshalb nicht erkennen, weil seit dem maßgeblichen Stichtag 30.7.1989, vor dem gemäß § 29 RettG der Bestandsschutz durch tatsächliche Ausübung des Berufs als Rettungsdienstunternehmer im eingerichteten und ausgeübten Betrieb begründet worden sein muss, eine erhebliche Zeit vergangen ist und dem Antragsteller zu 1) der Bestandsschutz nach § 19 Abs. 6 RettG auch im Fall einer Wiedererteilung der Genehmigung verbleibt. Durch die lange Dauer der Nutzungsmöglichkeit der wiederholt erteilten Genehmigungen mit Bestandsschutz wird auch der - an sich zutreffende - Hinweis der Antragsteller auf die Einsatzleistung des Antragstellers zu 1) hinsichtlich von Arbeit und Kapital zur Förderung des Unternehmens und Schaffung eines Kundenstammes relativiert, zumal die Genehmigungserteilung nach § 22 Abs. 5 RettG ohnehin zu befristen ist und die fragliche Genehmigung am 31.12.2003 abläuft.

Hinzu kommt, dass nach der Auffassung des zuständigen (Landes-)Ministeriums im Fall gesetzlicher Erbfolge § 22 Abs. 1 S. 3 RettG nicht entgegensteht, was die Auswirkungen des rechtsgeschäftlichen Übertragungsverbotes mildert. Dieser Auffassung zur gesetzlichen Erbfolge tritt der Senat bei und hält überdies eine Einbeziehung der gewillkürten Erbfolge - aber nicht einer vorweggenommenen Erbfolge vor dem Todesfall - für im Hinblick auf § 22 Abs. 1 S. 3 RettG im Lichte des Art. 14 GG erwägenswert, weil im Fall der gewillkürten wie der gesetzlichen Erbfolge der eingetretene Tod des Genehmigungsinhabers eine Gleichbehandlung nahe legt; dabei würden auch nach Auffassung des Senats die Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeiten nach § 26 RettG unberührt bleiben.

Schließlich ist auch Art. 3 GG nicht verletzt und ist aus ihm keiner der geltend gemachten Ansprüche abzuleiten. Auf die Äußerungen der Oberbürgermeister der Städte W. und B. kommt es schon deshalb nicht an, weil die Träger hoheitlicher Gewalt nur zur Gleichbehandlung in ihrem Zuständigkeitsbereich verpflichtet sind.

Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 9.8.2001 - 1 BvR 1262/01 -, NJW 2001, 3324.

Dass der Antragsgegner sich selbst schon der "Umschreibungspraxis" im Sinne des Begehrens der Antragsteller bedient hätte, ist weder ersichtlich noch vorgetragen, was zu erwarten gewesen wäre, da der Antragsteller zu 1) als marktkundiger Unternehmer im Bereich des Antragsgegners dies beobachtet hätte.

Ende der Entscheidung

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