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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 29.04.2003
Aktenzeichen: 13 B 2344/02
Rechtsgebiete: TAL-VO, TKG


Vorschriften:

TAL-VO Art. 3 Abs. 2
TAL-VO Art. 4 Abs. 2
TAL-VO Art. 4 Abs. 3
TKG § 33 Abs. 1
TKG § 33 Abs. 2
TKG § 34
Wortlaut und Erwägungsgrund (5) der gemeinschaftsrechtlichen TAL-VO sprechen dafür, dass der Teilnehmeranschluss in Glasfaserversion nicht den Regelungen dieser Verordnung unterfallen.

Ein 'gerechtfertigter' Fall i.S.d. Art. 4 Abs. 2 und 3 TAL-VO liegt vor, wenn der Standardvertrag des gemeldeten Betreibers den Anforderungen und Geboten der Verordnung nicht Rechnung trägt.

Das Fairnessgebot des Art. 3 Abs. 2 TAL-VO erfordert eine allseits ausgewogene Interessenberücksichtigung.


Tatbestand:

Die Antragstellerin gewährt den Wettbewerbern Zugang zu ihren Teilnehmeranschlussleitungen (TAL) auf der Grundlage eines Standardvertrages. Nach Beschwerden der Wettbewerber über eine wettbewerbshinderliche TAL-Zugangsgewährung gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin durch auf Art. 4 Abs. 2 TAL-VO und § 33 Abs. 2 TKG gestützten Bescheid auf, den Standardvertrag in mehreren Punkten binnen gesetzter Frist wie vorgegeben zu ändern, u.a. bezüglich der Bereitstellungsfristen (Ziffer 1.b), der Vertragsstrafenregelung (Ziffer 1.c) und der Zugangsermöglichung zur V 93-Schnittstelle der TAL in Glasfaserversion. Das VG ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen diese Anordnungspunkte an. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin war erfolglos.

Gründe:

1. Die Interessenabwägung bezüglich der Anordnungen in Ziffer 1. b) fällt zu Ungunsten der Antragsgegnerin aus, weil die Anordnungen mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sind.

Es kann offen bleiben, ob diese Anordnungen, soweit sie dem Zugang zur TAL in Glasfaserausführung dienen, auch auf die TAL-VO gestützt werden können, obgleich diese nach dem eindeutigen und insoweit nicht auslegungsfähigen Wortlaut in Art. 2 Buchst. c) TAL-VO nur den Teilnehmeranschluss in der Metallleitungsausführung erfasst. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, der Verordnungsgeber habe, wie sich aus den Erwägungsgründen (3) und (5) ergebe, jedenfalls generell den Teilnehmeranschluss der Ortsinfrastruktur erfassen und nur das spezielle Marktsegment der Glasfaserkabel zu Großkunden ausschließen wollen, kommt das in den ausformulierten Regelungen der Verordnung nicht zum Ausdruck und bietet diese auch keine Ansätze zu einer Interpretation im Sinne der Ansicht der Antragsgegnerin. Im Gegenteil könnte gerade der Erwägungsgrund (5) dafür sprechen, dass der Teilnehmeranschluss in Glasfaserversion nicht den Regelungen der TAL-VO unterfallen sollte. Nach dem von der Antragsgegnerin unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin ist ein Teilnehmeranschluss über die V 93-Schnittstelle für einen Wettbewerber, der Metallleitungen verwendet um seinen Endkunden zu erreichen, entgegen den der TAL-VO zu Grunde liegenden Vorstellungen des Verordnungsgebers wegen der nicht möglichen Zuordnung der die Lichtsignale führenden Kanäle zu einem individuellen Endkunden nicht möglich; vielmehr bedarf es zur Belieferung des individuellen Endkunden auf der "letzten Meile" bei Verwendung von Glasfaseranschlussleitungen ganz erheblicher technischer Veränderungen einschließlich Umprogrammierungen. Vor dem Hintergrund dürfte der Markt der Dienstleistungen im Ortsbereich über Nutzung von Teilnehmeranschlüssen in Glasfaserversion in OPAL/ISIS-Gebieten anderen Wettbewerbsbedingungen unterliegen als der entsprechende übrige Markt im Bundesgebiet und sich von ihm abgrenzen und könnte dies Raum bieten für Entwicklungen neuer Formen des Zugangs zum Endkunden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Verordnungsgeber deshalb auch ein solches spezielles Marktsegment den Regelungen der TAL-VO nicht unterwerfen wollte.

Jedenfalls liegen mit großer Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen weder der - unterstellt anwendbaren - TAL-VO, nämlich des hier allein in Betracht kommenden Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) und Abs. 3 TAL-VO, noch des § 33 Abs. 2, Abs. 1 TKG vor.

Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) und Abs. 3 TAL-VO setzen für die Anordnung von Standard-angebotsänderungen das Vorliegen eines "gerechtfertigten" Falles voraus. Aus gegenwärtiger - mit den Ausführungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 27.12.2002 wohl übereinstimmender - Sicht des Senats liegt ein gerechtfertigter Fall jedenfalls dann vor, wenn der gemeldete Betreiber mit dem Standardvertrag den Anforderungen bzw. Geboten der Verordnung nicht Rechnung trägt. Diese Anforderungen bzw. Gebote werden in Art. 3 hinsichtlich des Mindestinhalts des Standardangebots (Abs. 1), hinsichtlich der Bedingungen für die Zugangsgewährung auf individuellen Antrag (Abs. 2) und hinsichtlich der Kosten (Abs. 3) beschrieben. Für die hier im Streit befindlichen Anordnungen in Ziffer 1. b) der angegriffenen Bescheide kommt ein gerechtfertigter Fall allenfalls mit Blick auf die Anforderungen bzw. Gebote des Art. 3 Abs. 2 TAL-VO in Betracht. Danach sind - sinngemäß formuliert - Anträgen der Begünstigten auf Zugang zur TAL und zu zugehörigen Einrichtungen unter transparenten fairen und nicht diskriminierenden Bedingungen stattzugeben (S. 1) und den Begünstigten zugehörige Einrichtungen bereitzustellen, die den für eigene Dienste bereitgestellten (Einrichtungen) gleichwertig sind sowie zu denselben Bedingungen und innerhalb desselben Zeitraums bereitstehen (S. 4). Hierbei handelt es sich um jeweils selbstständige und gleichrangig nebeneinander stehende Anforderungen bzw. Gebote, denen jedem einzeln im Standardvertrag des gemeldeten Betreibers Rechnung zu tragen ist. Dafür, dass ein gerechtfertigter Fall nur bei - verkürzt - Nichtgewährung von interner und externer Gleichbehandlung bei der Bereitstellung von "zugehörigen Einrichtungen" im Sinne des Satzes 4 vorliege, gibt die Verordnung nichts her. Für das Gegenteil spricht sogar das Zusammenspiel von Verordnung und Anhang, weil letzter Themen zum Mindestinhalt des Standardangebots erhebt, die bei einem bloßen Gebot der internen und externen Gleichbehandlung nicht zum Standardangebot zu machen und über Art. 4 Abs. 2 u. Abs. 3 TAL-VO nicht durchsetzbar wären. Insoweit sind die Anforderungen bzw. Gebote des Art. 3 Abs. 2 TAL-VO weiter gefasst als das Diskriminierungsverbot des § 33 Abs. 2, Abs. 1 TKG.

Für die hier zu betrachtende Anordnung in Ziffer 1. b) kommt als gerechtfertigter Fall für die behördliche Durchsetzung einer Standardvertragsänderung nur die Herbeiführung fairer Zugangsbedingungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 TAL-VO in Betracht. Ob die durch den Standardvertrag der Antragstellerin gesetzten Regelungen der Anlage 5 Ziffer 1.5 in der Fassung zum Zeitpunkt der angefochtenen Bescheide überhaupt eine unfaire Bedingungslage begründet haben, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Anzumerken ist lediglich, dass nicht jede von Wettbewerbern gewünschte, aber vertraglich nicht gewährte günstige Bedingung oder gerügte nur unzulängliche einzelne Vertragsbedingung ohne weiteres eine insgesamt unfaire Wettbewerbssituation ergeben muss. Jedenfalls darf die behördlich angeordnete Standardvertragsänderung nicht ihrerseits zu einer - wenn auch andersartigen - dem Fairnessgebot widersprechenden Lage führen. Aus Sicht des Senats erfordert das dem Art. 3 Abs. 2 Satz 1 TAL-VO zu Grunde liegende Fairnessgebot eine allseits ausgewogene Interessenberücksichtigung. Führt die angeordnete Vertragsänderung zu einer überzogenen Belastung einer Vertragsseite und ist sie für diese unzumutbar, ist die Anordnung rechtswidrig. Das aber ist im vorliegenden Fall bei der in diesem Verfahren nur möglichen überschlägigen Betrachtung der Fall. Die Anordnung Ziffer 1. b) wertet der Senat als überzogen und im Zusammenwirken mit anderen Vertragsregelungen als für die Antragstellerin unzumutbar.

Zugleich ist eine solche aufsichtsrechtliche Maßnahme, soweit sie auf § 33 Abs. 2 und Abs. 1 TKG gestützt ist, unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

Die Anordnungen der Ziffer 1. b) führen im Zusammenwirken mit der - auf einer früheren, erstinstanzlich angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin beruhenden - standardvertraglichen Bereitstellungsfrist von sieben Tagen nach Bestellung dazu, dass der Antragstellerin eine verlässliche Personalplanung nicht möglich ist, sie somit keine reelle Chance zur Vermeidung einer Vertragsstrafe wegen Fristüberschreitung hat, wenn sie nicht zur Vermeidung einer Vertragsstrafe unnötig Personal vorhält oder die Realisierung von Schaltungen für eigene Endkunden zum Zwecke der Einhaltung der Bereitstellungsfristen für die Wettbewerber dem Ziel des größtmöglichen Nutzens aller Endnutzer (vgl. Art. 4 Abs. 3 TAL-VO) zuwider laufend zurückstellt. Die Antragsgegnerin geht zwar von der Notwendigkeit ausreichender Planungsvorgaben für die Antragstellerin aus und hat die in Ziffer 1. b) getroffenen Regelungen isoliert betrachtet begründet, die Folgen des Zusammenwirkens aller dieser Regelungen sowie der standardvertraglichen Bereitstellungsfristen in ihrer Gesamtheit für die betriebliche Realität und dies unter dem "Damoklesschwert" der Vertragsstrafe aber offenbar nicht genügend bedacht.

So ist es beispielsweise möglich, dass die Antragstellerin um 20 % über die bloße Planungs"mitteilung" - nicht etwa Planungs"absprache" - hinausgehende Bestellungen von Wettbewerbern pro Auftragsmanagement (ASM) im Bundesgebiet (39) innerhalb der Bereitstellungsfrist zu bewältigen hat, wenn sie nicht die Strafen der Ziffer 1. c) auslösen will. Selbst darüber hinaus gehende Bestellungen hätte sie immerhin noch "unverzüglich" zu erledigen. Dies verlangte binnen kürzester Zeit vorzunehmende Personalverlagerungen unter Vernachlässigung eigener Kunden oder das Vorhalten eines Personalbestandes, der bei Ausbleiben großer Auftragszahlen überflüssig wäre. Die Regelungen können, wie Beispielsrechnungen zeigen, zu extremen Konstellationen führen. (wird ausgeführt) Planungsunsicherheiten von weit über 10% (im Beispielsfall 14,8%) allein durch die Bagatell- und Toleranzgrenze bewirken aber aus Sicht des Senats unzumutbare und damit unfaire Vertragsbedingungen.

Auch soweit die Antragsgegnerin die Einzelregelungen der Ziffer 1. b) isoliert betrachtet begründet, ist das bei der hier nur möglichen summarischen Betrachtung nicht frei von Bedenken. (wird ausgeführt)

Sind aber der Antragstellerin feste, und zwar äußerst knappe Bereitstellungsfristen vorgeschrieben und für den Fall der Nichteinhaltung Vertragsstrafen angedroht, muss ihr die Möglichkeit gegeben sein, durch Planungsabsprachen die Fristen einzuhalten und den Strafen zu entgehen. Je stringenter für den gemeldeten Betreiber bzw. Marktbeherrscher die Folgen einer Fristüberschreitung sind, desto eher sind weniger stringente, gleichwohl angemessene Rahmenbedingungen für die Fristeinhaltung für Wettbewerber akzeptabel, wie umgekehrt die Rahmenbedingungen um so enger sein können, je weniger empfindlich die Folgen einer Fristüberschreitung sind.

2. Auch bezüglich der in Ziffer 1. c) abverlangten Vertragsstrafenregelung überwiegt das Interesse der Antragstellerin an vorläufiger Vollziehungsverschonung.

Allerdings lässt der Senat - neben der Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit der TAL-VO auf den Zugang zur TAL und die Kollokation bei der TAL-Version Glasfaserkabel - offen, ob Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) TAL-VO in Verbindung mit Anhang D. Nr. 2. überhaupt eine Rechtsgrundlage für die regulierungsbehördliche Anordnung zur Aufnahme einer Vertragsstrafenregelung in den Standardvertrag bietet. Zwar könnte der Begriff "Entschädigung" bei wortnaher Interpretation als ein lediglich pauschalierter Schadensausgleich für einen bei Fristüberschreitung durch den gemeldeten Betreiber beim Wettbewerber tatsächlich eingetretenen, nicht greifbaren Schaden z.B. in Form entgangener Umsätze oder eines Imageverlustes verstanden werden, doch dürfte auch die Vertragsstrafenregelung lediglich als eine solche pauschalierte Entschädigung des Wettbewerbers interpretiert werden können. Die Formulierung "etwaige" Entschädigung dürfte einer grundsätzlichen Berechtigung der Regulierungsbehörde, eine entsprechende Änderung des Standardvertrages in Form der Aufnahme einer Vertragsstrafenregelung zu verlangen, nicht entgegenstehen. Das Wort "etwaige" bezieht sich auf Entschädigung, nicht auf eine etwa vom Betreiber vorgesehene Entschädigungsregelung, und dürfte eher im Sinne von möglicherweise oder vielleicht anfallender Entschädigungspflicht zu verstehen sein. Jedenfalls dann, wenn die Nichtaufnahme einer Entschädigungsregelung in den Standardvertrag als unfaires Verhalten im Wettbewerb zu qualifizieren wäre, dürfte eine grundsätzliche gemeinschaftsrechtliche Berechtigung der Regulierungsbehörde zu einem entsprechenden Ergänzungsverlangen nicht zu verneinen sein. Ob eine solche grundsätzliche Berechtigung auch aus § 33 Abs. 2, Abs. 1 TKG abgeleitet werden könnte, erscheint angesichts der Interpretation des dieser Vorschrift inne wohnenden Diskriminierungsverbots durch den Senat im Beschluss vom 3.2.2003 - 13 B 2130/02 - zweifelhaft.

Was die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsstrafenregelung angeht - soweit eine grundsätzliche Ermächtigungsgrundlage für sie zu bejahen ist -, hat der Senat gegen das Absehen von einer Kappung keine Bedenken, wohl aber bei Reduzierung des Regelungszwecks auf einen bloßen Schadensausgleich gegen die Höhe, was aber keiner weiteren Darlegung bedarf.

Entscheidend bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt ins Gewicht, dass auch aus Sicht des Senats die erheblichen Bedenken gegen die Anordnung in Ziffer 1. b) und der Wegfall von Planungsabsprachen bezüglich der Kollokation gemäß Ziffer 1. a) auf die geforderte standardvertragliche Vertragsstrafenregelung durchschlagen und deren Anwendung vor einer Entscheidung in der Hauptsache gegenwärtig untragbar erscheinen lassen, zumal bei Aufhebung der Anordnung in Ziffer 1. c) im Hauptsacheverfahren die Rückabwicklung einer verhängten und gezahlten Vertragsstrafe ungewiss bleibt. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, bei Vollziehungsaussetzung oder sogar Aufhebung der Ziffer 1. b) lebe die bisherige Regelung der Anlage 5 Ziffer 1.5 des Standardvertrages Stand 9.11.2001 wieder auf und in Bezug auf diese behalte die geforderte Vertragsstrafenregelung Sinn, zumal die Antragstellerin selbst eine Vertragsstrafenregelung in Aussicht gestellt habe. Denn die Vertragsstrafenregelung zu Lasten der Antragstellerin stellt gleichsam - wenn auch ungleich schärfer - das Gegenstück zu einer gleichen Verpflichtung des Wettbewerbers als Vertragspartner bei Nichteinhaltung von dessen Pflichten und dadurch der Antragstellerin verursachter Schäden dar. Mit der Vollziehungsaussetzung der Regelung der Ziffer 1. b) und damit auch seines Abs. 2 Satz 3 der angefochtenen Bescheide ist die innere Rechtfertigung für eine Vollziehung der Anordnung in Ziffer 1. c) entfallen.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat erwogen, von einer Vollziehungsaussetzung der - im Ergebnis ebenfalls eine Vertragsstrafe beinhaltenden - Regelung der Ziffer 1. b) Abs. 2 Satz 3 abzusehen. Er sieht sich daran aber gehindert, weil die Höhe der Vertragsstrafe für den Wettbewerber von der Bindungswirkung seiner Planungsmitteilung mitbestimmt wird, die u.a. von Inhalt und Modifikationen der Mitteilung geprägt ist, zudem der ausgeworfene Betrag unter dem Aspekt der Pauschalentschädigung einseitig "geschönt" erscheint und ein Eingreifen der Entschädigungsregelung angesichts der Toleranzhöhe kaum jemals zu erwarten ist.

3. Bezüglich der Anordnung in Ziffer 1. i) fällt die Abwägung der widerstreitenden Interessen ebenfalls zu Lasten der Antragsgegnerin aus, weil die Anordnung bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist.

Dabei kann offen bleiben, ob als Ermächtigungsgrundlage Art. 4 Abs. 2 Buchst. a), Abs. 3 TAL-VO und/oder § 33 Abs. 2, Abs. 1 TKG in Betracht kommen. Denn die Voraussetzungen beider Vorschriften liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor oder es stehen der Rechtmäßigkeit allgemein-verwaltungsrechtliche Grundsätze entgegen. Allerdings übersieht der Senat nicht den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz, dass der gemeldete Betreiber bzw. marktbeherrschende Netzbetreiber auf Antrag Wettbewerbern Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung gewähren muss, um ihm den Weg zum Endkunden zu ermöglichen. Der vorliegende Rechtsstreit weist jedoch Besonderheiten auf, die einen gerechtfertigten Fall im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a), Abs. 3 TAL-VO und einen Missbrauch im Sinne des § 33 Abs. 2 TKG zweifelhaft erscheinen lassen.

Die Antragstellerin verweigert nicht den Zugang zur TAL in der Version Glasfaser. Soweit es in Anlage 4 b) und c) des Standardvertrags zur V 93-Schnittstelle heißt: "Über die firmenspezifische Schnittstelle ist kein Teilnehmerzugang möglich, da es sich um eine proprietäre Schnittstelle handelt", ist das lediglich eine Feststellung, jedoch keine Zugangsverweigerung; die Feststellung ist auch zutreffend, da ohne - zur Zeit fehlende - spezifische Technik (Adapter) ein Netzzugang nicht möglich ist. Die Antragstellerin überlässt es den Wettbewerben, sich das Know How für den Zugang zur TAL in Glasfaserversion zu verschaffen. Demgemäß verlangt die Antragsgegnerin in Ziffer 1. i) auch nicht die Gewährung von Zugang zur TAL in den OPAL/ISIS-Gebieten, sondern - nur - die Aufnahme von den Zugang zur TAL ermöglichenden Angaben im Standardvertrag des Inhalts, dass entweder die V 93-Schnittstelle offengelegt wird - was notfalls die Beschaffung der der Antragstellerin nicht bekannten Spezifikation voraussetzt - oder diese durch eine V 5.2-Schnittstelle ersetzt wird. Damit will die Antragsgegnerin den Wettbewerbern aus dem Dilemma helfen, dass sie auf Grund fehlenden Know How schon tatsächlich nicht in der Lage sind, den - nicht verweigerten - Zugriff auf die Glasfaser-TAL zu realisieren. Die Problematik des nicht realisierbaren Zugriffs ist aber bei gegenwärtiger überschlägiger Sicht nicht der Antragstellerin anzulasten. Sie hat die 1993 im Zuge der deutschen Vereinigung geschaffenen Gegebenheiten im Telekommunikationsnetz ihrer Rechtsvorgängerin übernehmen müssen und sie kennt, wovon der Senat bei der gegenwärtig nur möglichen Prüfungsdichte ausgehen muss, die technische Spezifikation der proprietären Schnittstelle der Fa. S. nicht.

Der beispielsweise in § 34 TKG zum Ausdruck kommende telekommunikationsrechtliche Grundsatz, dass der Netzbetreiber, der gemeinschaftsrechtlich für verbindlich erklärte Techniknormen nicht einhält, nicht unter Hinweis auf seine normabweichende Technik einen Netzzugang verweigern und zur Einhaltung der Techniknormen angehalten werden kann, dürfte im gegebenen Sonderfall nicht greifen, weil die Antragstellerin nicht für verbindlich erklärte Techniknormen missachtet hat, dies auch ihre Rechtsvorgängerin nicht getan hat und die Einrichtung der V 93-Schnittstelle noch vor der gemeinschaftsrechtlichen Verbindlicherklärung der technischen Normen erfolgt ist. In dieser Situation erscheint es aus gegenwärtiger Sicht nicht verwerflich, wenn den Netzbetreiber, der keine Kenntnisse über die technische Spezifikation der besagten Schnittstelle besitzt, Wettbewerber, die Zugang zum Netz über diese Schnittstelle suchen, darauf verweist, sich bei demjenigen, der die Schnittstelle entworfen und eingerichtet hat, sowie das entsprechende Know How verwaltet, um die Offenlegung der technischen Spezifikation dieser Schnittstelle zu bemühen und die dafür evtl. anfallenden Kosten zu tragen. Aus gegenwärtiger Sicht erscheint ein solches Verhalten weder als unfair oder diskriminierend im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 TAL-VO noch als missbräuchlich im Sinne des § 33 Abs. 2 TKG.Die Situation ist nicht anders zu bewerten als bei einem Wettbewerber, der die notwendige Technik zur Herstellung der pysikalischen Verbindung zwischen seiner Leitung und der TAL am Hauptverteiler des Netzbetreibers aus finanziellen Gründen nicht besitzt oder nicht entwickeln kann.

Anders wäre der Fall allenfalls zu beurteilen, wenn die Antragstellerin doch Kenntnis über die technische Spezifikation der V 93-Schnittstelle hätte. Die Antragsgegnerin behauptet zwar, dass derartige Kenntnisse bei der Antragstellerin vorhanden sein müssten, durchgreifende Indizien hierfür führt sie aber nicht an. Die von ihr unter dem 11.11.2002 vorgelegten Schriften und technischen Darstellungen der Antragstellerin sind allgemein gehalten ohne Angaben wie anliegende Signale und Leistungen, die die Entwicklung von Adaptern für diese Schnittstelle oder eine sonstige Verarbeitung anliegender Signale erlaubten. Sollten die vorgelegten Unterlagen derartiges gleichwohl ermöglichen, müsste davon ausgegangen werden, dass entsprechendes Know How allgemein oder jedenfalls der Antragsgegnerin bekannt ist und für einen solchen Fall die belastende Anordnung gemäß Ziffer 1. i) nicht notwendig und damit rechtswidrig war.

Der Senat schließt nach der vorgelegten Korrespondenz zwischen der Antragstellerin und der Fa. S. nicht aus, dass bei letzterer das notwendige Know How über die technische Spezifikation der V 93-Schnittstelle mit entsprechendem Personalaufwand reaktiviert werden kann, und versteht deren Einlassung dahin, dass die technische Spezifikation der Schnittstelle noch aufgearbeitet werden müsse, wenn sie einem Wettbewerber bei den gegenwärtigen technischen Möglichkeiten den Zugang zur TAL in Glasfaserversion überhaupt ermöglichen soll. Die Antragstellerin ist weder nach dem deutschen noch nach dem gemeinschaftlichen Telekommunikationsrecht gehalten, die Kosten für ein Know How aufzubringen, dass den Wettbewerbern die Entwicklung von Zugangstechniken zur TAL erlaubt.

Schließlich schlägt bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zu Ungunsten der Antragsgegnerin zu Buche, dass nach dem Vortrag der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz dem Wettbewerber selbst bei Kenntnis der technischen Spezifikation der V 93-Schnittstelle eine Zusammenschaltung mit dem Ziel der Belieferung eines von ihm geworbenen Endkunden bei der gegebenen mediumbedingten Übertragungstechnik auf Grund nicht möglicher Zuordnung eines Kanals zum jeweiligen Endkunden nicht möglich ist. Dies ist von der Antragsgegnerin nicht bestritten worden. Dann aber gibt es keinen Gesichtspunkt, der eine gegenwärtige sofortige Vollziehung der Anordnung rechtfertigen könnte. Soweit die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit der Anordnung in Ziffer 1. i) die Wahl lässt, die V 93-Schnittstelle gegen eine V 5.2-Schnittstelle auszutauschen, um Wettbewerbern Netzzugang im OPAL/ISIS-Gebiet zu ermöglichen, bietet hierfür ausgehend von der gegenwärtigen Erkenntnislage weder § 33 Abs. 2, Abs. 1 TKG noch die TAL-VO eine Rechtsgrundlage. Der Wettbewerber hat, wie vom VG unter Bezugnahme auf bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zutreffend dargelegt, grundsätzlich nur einen Anspruch auf Zugang zum Netz des Marktbeherrschers/gemeldeten Betreibers in der gegebenen Ausgestaltung im Sinne eines Teilhabeanspruches und sich grundsätzlich den Netzgegebenheiten anzupassen. Ob sich aus der Netzzugangsgewährungspflicht des Netzbetreibers im Einzelfall eine Netzveränderungspflicht ergeben kann, ist erst zu entscheiden, wenn die Unmöglichkeit des Zugangs zum Netz in seinem aktuellen Zustand für den Wettbewerber zweifelsfrei feststeht, was hier nicht der Fall ist. Das rechtfertigt die Vollziehungsaussetzung auch bezüglich der alternativen Zugangsmodalität.

Ende der Entscheidung

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