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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 15.11.2005
Aktenzeichen: 13 B 649/05
Rechtsgebiete: VwGO, AMG


Vorschriften:

VwGO § 80b
AMG § 105
1. Wird die Nachzulassung für ein Arzneimittel nicht unter dem beantragten, sondern unter einem anderen Namen erteilt, liegt zumindest eine teilweise Versagung der Nachzulassung vor.

2. Eine isolierte Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, mit dem die Nachzulassung eines Arzneimittels (teilweise) abgelehnt wurde, ist trotz der fiktiven Zulassung des Arzneimittels nicht zulässig.

3. Auf Verpflichtungsklagen, die in arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren erhoben werden, ist § 80b VwGO jedenfalls dann nicht analog anwendbar, wenn die Behörde keine Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 105 Abs. 5b Satz 2 1. Halbsatz AMG getroffen hat.


Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrte die Verlängerung der Zulassung (sog. Nachzulassung) für ihr Arzneimittel mit dem Namen x. Die Behörde erteilte die Nachzulassung für das Arzneimittel unter dem Namen y und begründete dies damit, dass der Name x wegen Irreführung nicht zugelassen werden könne. Zugleich gab sie der Antragstellerin im Wege der Auflage auf, den Namen y durchgängig auf der äußeren Umhüllung und in der Packungsbeilage zu verwenden. Die daraufhin von der Antragstellerin erhobene, im Wesentlichen auf Neubescheidung gerichtete Klage wies das VG ab. In der Berufungsinstanz machte die Antragstellerin geltend, sie halte eine Anfechtungsklage gegen die Auflage für statthaft. Ihr Antrag auf Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Antrag ist bereits unstatthaft. Soweit der Senat in vorangegangenen Beschlüssen in anderen Verfahren inzident eine andere Auffassung zum Ausdruck gebracht hat, hält er hieran nicht mehr fest.

Nach § 80b Abs. 2 VwGO kann das OVG auf Antrag anordnen, dass die aufschiebende Wirkung fortdauert. Die Vorschrift korrespondiert mit § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO, soweit dort bestimmt ist, dass die aufschiebende Wirkung der im ersten Rechtszug abgewiesenen Anfechtungsklage drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels endet.

Danach scheidet eine direkte Anwendung der Vorschrift aus, weil es an einer im ersten Rechtszug abgewiesenen Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alternative VwGO und dementsprechend an einem Ende der aufschiebenden Wirkung der Klage im Sinne von § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO fehlt, deren Fortdauer gemäß § 80b Abs. 2 VwGO angeordnet werden könnte. Ausweislich des erstinstanzlichen Urteils ist eine Bescheidungsklage abgewiesen worden, bei der es sich um einen Unterfall der Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 2. Alternative VwGO handelt. Eine aufschiebende Wirkung kommt der Verpflichtungsklage jedoch nicht zu, was sich aus § 80 Abs. 1 VwGO ergibt. Auch lag kein Fall des § 80b Abs. 1 Satz 2 VwGO vor. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht in zutreffender Erfassung und Auslegung des Klagebegehrens von der Sachdienlichkeit einer Verpflichtungsklage ausgegangen, weil die Antragstellerin den Erlass eines sie begünstigenden Verwaltungsakts begehrte und begehrt, nämlich die Nachzulassung ihres Arzneimittels x gemäß § 105 Abs. 4f, Abs. 3 Satz 1 AMG. Dieses Begehren ist durch den angegriffenen Bescheid nicht erfüllt worden, weil sich die Erteilung der Nachzulassung für ein Arzneimittel y in der Sache als Versagung oder, wenn man in dem Namen bzw. der Bezeichnung des Arzneimittels einen abtrennbaren Bestandteil erblickt, als Teilversagung der Nachzulassung des Arzneimittels x darstellt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Antragsgegnerin zu einer solchen anderweitigen Nachzulassung unter dem Gesichtspunkt des milderen Mittels berechtigt war. Schließlich wird die Verpflichtungsklage nicht durch die ihr immanente Anfechtungskomponente, die auf die (teilweise) Aufhebung des angegriffenen Bescheids, zumindest soweit mit diesem der beantragte Name des Arzneimittels abgelehnt und die Verwendung des anderen Namens durch die Auflage angeordnet wurde, zielt, zu einer Anfechtungsklage.

Soweit die Antragstellerin nunmehr eine isolierte Anfechtungsklage gegen die Auflage in dem genannten Bescheid für statthaft hält, ändert dies nichts daran, dass das VG eine Verpflichtungsklage und keine Anfechtungsklage abgewiesen hat und dementsprechend die Voraussetzungen des § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vorliegen. Selbst wenn man im Fall des nachträglichen Übergangs zur Anfechtungsklage eine analoge Anwendung des § 80b VwGO bejahte, führte dies nicht zu der begehrten Anordnung, weil einer solchen bereits die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage entgegenstände. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass in einer Verpflichtungskonstellation ausnahmsweise dann eine Anfechtungsklage statthaft sei, wenn sie rechtsschutzintensiver als eine Verpflichtungsklage sei, was für den Fall angenommen wird, dass ein Kläger den begehrten begünstigenden Verwaltungsakt bereits früher besessen habe und ihm dieser später durch einen noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakt entzogen werde.

Vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2005, § 42 Rdnr. 6.

Dies ist hier jedoch nicht der Fall, weil die Antragstellerin den begehrten Verwaltungsakt, die Nachzulassung ihres Arzneimittels, noch nicht innegehabt hat. Die sich aus § 105 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AMG ergebende sog. fiktive Zulassung ihres Arzneimittels - selbst wenn diese entsprechend dem Vortrag der Antragstellerin mit der Aufhebung der Auflage wieder aufleben würde - stellt keinen Verwaltungsakt und erst recht nicht die von ihr begehrte Nachzulassung dar. Daraus ergibt sich im Übrigen, dass eine isolierte Anfechtungsklage auch nicht ihrem Klagebegehren entspräche. Schließlich dürfte es an einem rechtsschutzwürdigen Interesse fehlen, sich in einem Hauptsacheverfahren auf eine isolierte Anfechtung des die Nachzulassung (teilweise) versagenden Bescheids zu beschränken, um auf diese Weise lediglich die fiktive Zulassung des Arzneimittels aufrecht zu erhalten oder wieder aufleben zu lassen. Dem stehen insbesondere die zahlreichen nachträglich in das Arzneimittelgesetz eingefügten Vorschriften (beispielsweise § 105 Abs. 3a Satz 1 1. Halbsatz, Abs. 5 Satz 1 und 3, Abs. 5b AMG) entgegenstehen, in denen die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck kommt, die arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren zum Abschluss zu bringen und zu beschleunigen. Damit lässt es sich nicht vereinbaren, von der an sich statthaften und im Prüfungsumfang weitergehenden Verpflichtungsklage abzusehen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine analoge Anwendung des § 80b VwGO auf Verpflichtungsklagen jedenfalls in arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren, in denen keine Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 105 Abs. 5b Satz 2 1. Halbsatz AMG erfolgt ist, nicht in Betracht kommt.

Nach der Begründung der Bundesregierung zur Einführung des § 80b VwGO bestehen Sinn und Zweck der Vorschrift zusammengefasst darin zu verhindern, dass Rechtsmittel lediglich deshalb eingelegt werden, um durch den damit verbundenen Suspensiveffekt den Eintritt der Unanfechtbarkeit eines belastenden Verwaltungsakts zu verzögern.

Vgl. BT-Drs. 13/3993, S. 9, 11 f.

Zwar ist es erwägenswert, eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Verpflichtungsklagen in Betracht zu ziehen, bei denen einstweiliger Rechtsschutz ausnahmsweise nicht nach § 123 VwGO, sondern nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren ist. Insoweit wird als Beispiel die ausländerrechtliche Konstellation genannt, in der in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage erhoben und im Hinblick auf § 69 Abs. 2 und 3 des inzwischen außer Kraft getretenen Ausländergesetzes - ähnlich nunmehr § 81 Abs. 3 AufenthG - deren aufschiebende Wirkung angeordnet wurde.

Vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: Juli 2005, § 80b Rdnr. 30.

Allgemein kommen für eine analoge Anwendung des § 80b VwGO auf Verpflichtungsklagen Konstellationen in Betracht, in denen mit der Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts eine über die Ablehnung hinausgehende Belastung einhergeht. In der zuvor erwähnten ausländerrechtlichen Konstellation bestand diese darin, dass mit der Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung die mit dem Antrag verbundene Duldungsfiktion erlosch (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AuslG). Im Hinblick darauf erscheint es vertretbar, die Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO ausnahmsweise für die Verpflichtungsklage fruchtbar zu machen, indem gegebenenfalls über § 80 Abs. 5 VwGO deren aufschiebende Wirkung angeordnet wird, um die mit der Ablehnung einhergehende zusätzliche Belastung (Erlöschen der Duldungsfiktion) für die Dauer des Klageverfahrens zu suspendieren. Ähnlich ist die Konstellation in arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren, weil mit der Ablehnung der Nachzulassung zugleich die fiktive Zulassung des Arzneimittels erlischt. Im Unterschied zu der Konstellation im Ausländerrecht, in der die zusätzliche Belastungswirkung bereits mit der Entscheidung der Ausländerbehörde eintrat und dementsprechend zu deren Suspendierung die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden musste, kommt der Verpflichtungsklage in arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren jedoch von selbst eine dem Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO ähnliche Wirkung zu, weil die fiktive Zulassung eines Arzneimittels erst mit der Bestandskraft des die Nachzulassung versagenden Bescheids erlischt. Dies ergibt sich daraus, dass anders als im Ausländerrecht im Arzneimittelgesetz keine Vorschrift existiert, nach der die fiktive Zulassung bereits mit der Entscheidung der Behörde über den Nachzulassungsantrag erlischt. Bestätigt wird dies insbesondere durch § 105 Abs. 5b Satz 2 1. Halbsatz AMG. Wenn der Gesetzgeber es für erforderlich gehalten hat, eine Regelung hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines in einer Verpflichtungssituation ergehenden Verwaltungsakts (Ablehnung der beantragten Nachzulassung) zu treffen, und er dies als Maßnahme zur Beschleunigung der Nachzulassung gedacht hat, vgl. BT-Drs. 12/7572, S. 7, kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass ohne eine solche Anordnung eine erhobene Verpflichtungsklage den Eintritt der Bestandskraft eines die Nachzulassung versagenden Bescheids und damit zugleich das Erlöschen der sog. fiktiven Zulassung des Arzneimittels verhindert.

Angesichts der vorstehenden Ausführungen ließe sich durchaus vertreten, eine analoge Anwendung des § 80b VwGO auf Verpflichtungsklagen generell abzulehnen. Da es sich - soweit ersichtlich - allenfalls um wenige Ausnahmefälle handelt, in denen in Verpflichtungskonstellationen mit der Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts eine zusätzliche Belastung einhergeht, und darüber hinaus die Ausgangslage zumindest in den beiden dargestellten Konstellationen unterschiedlich ist, erscheint es zweifelhaft, ob der Gesetzgeber, wenn er dies mit in den Blick genommen hätte, den Anwendungsbereich des § 80b VwGO über Anfechtungsklagen hinaus auch für Verpflichtungsklagen oder aber für sämtliche Klagearten festgeschrieben hätte. Jedenfalls kommt aber auf Grund der Besonderheiten des arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahrens in diesen eine analoge Anwendung des § 80b VwGO auf Verpflichtungsklagen nicht in Betracht.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass es mit einer einfach-analogen Anwendung des § 80b VwGO zumindest in dem hier vorliegenden Fall nicht getan wäre. Eine solche liefe ins Leere, weil das Gesetz eine mit Verpflichtungsklagen verbundene aufschiebende Wirkung, die analog § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO enden könnte, grundsätzlich nicht kennt und - anders als in der ausländerrechtlichen Konstellation - auch kein Fall des § 80b Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwGO vorliegt. Weder hat die Behörde die Vollziehung ausgesetzt noch ergibt sich eine aufschiebende Wirkung der Verpflichtungsklage aus einer entsprechenden gerichtliche Anordnung. Dass der Verpflichtungsklage quasi ein Suspensiveffekt, wie er für die Anfechtungsklage in § 80 Abs. 1 VwGO geregelt ist, zukommt, folgt aus der ihr immanenten Anfechtungskomponente, die verhindert, dass der die Nachzulassung versagende Bescheid bestandskräftig wird.

Ferner liegt in arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren eine besondere bzw. zumindest teilweise von den Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Einführung des § 80b VwGO abweichende Interessenlage vor. Zwar besteht auch in diesen Verfahren die Gefahr, dass nach einem die Nachzulassung versagenden Bescheid lediglich deshalb eine Verpflichtungsklage erhoben und diese auch nach einer ablehnenden erstinstanzlichen Entscheidung weiterverfolgt wird, um so lange wie möglich von der mit der ablehnenden behördlichen Entscheidung verbundenen zusätzlichen Belastung verschont zu bleiben, d.h. die fiktive Zulassung des Arzneimittels zu erhalten. Diese Problematik dürfte der Gesetzgeber jedoch bedacht und bei der Einführung des § 105 Abs. 5b Satz 2 AMG, der im öffentlichen Interesse die Anordnung der sofortigen Vollziehung erleichtern soll, vgl. BT-Drs. 12/7572, S. 7, mit im Blick gehabt haben. Wenn aber in arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren eine Verfahrensbeschleunigung von Anfang an beabsichtigt ist, indem mit der Soll-Regelung des § 105 Abs. 5b Satz 1 1. Halbsatz AMG die Anordnung der sofortigen Vollziehung zumindest dem Wortlaut nach zum Regelfall erklärt wird, dann besteht unabhängig davon, ob diese Soll-Regelung tatsächlich eine Erleichterung bringt und zur Beschleunigung der Nachzulassungsverfahren beiträgt, jedenfalls kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung des § 80b VwGO, mit dem der Gesetzgeber nach den vorstehenden Ausführungen bei Anfechtungsklagen auf andere Art und Weise eine Verfahrensbeschleunigung erst im Rechtsmittelverfahren nach die Klage abweisenden erstinstanzlichen Entscheidungen herbeiführen wollte.

Schließlich bestätigt ein Blick auf die Interessenlage der Behörde im Nachzulassungsverfahren die Einschätzung, dass eine analoge Anwendung des § 80b VwGO jedenfalls in Fällen, in denen trotz der Soll-Regelung in § 105 Abs. 5b Satz 2 1. Halbsatz AMG keine Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgt ist, nicht in Betracht kommt. Das Absehen von der Anordnung der sofortigen Vollziehung deutet angesichts der Ausnahmeregelung in § 105 Abs. 5b Satz 2 2. Halbsatz AMG darauf hin, dass nach Einschätzung der Behörde die Vollziehung für den pharmazeutischen Unternehmer eine nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene unbillige Härte bedeuten würde. Die Annahme einer solchen dürfte in Nachzulassungsverfahren durchaus häufiger anzutreffen sein, wenn man berücksichtigt, dass die zur Nachzulassung anstehenden Arzneimittel überwiegend bereits seit vielen Jahren ohne Beanstandungen auf dem Markt sind. Dementsprechend dürfte es nur wenige Fälle geben, in denen die Versagung der Nachzulassung auf von dem Arzneimittel ausgehenden konkreten Gesundheitsgefahren beruht, die ein (überwiegendes) öffentliches Bedürfnis für die Anordnung der sofortigen Vollziehung begründen würden. Demgegenüber erscheint mit Blick auf die Art. 12, 14 GG die Annahme einer grundrechtlichen Betroffenheit des pharmazeutischen Unternehmers im Fall der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Versagungsbescheids nicht fernliegend. Die Anordnung dürfte häufig das faktische Aus für ein Arzneimittel bedeuten, weil mit ihr die fiktive Zulassung erlischt, das Arzneimittel mangels Zulassung vom Markt genommen werden muss und die Wiedererlangung einer innegehabten Marktposition nach - unterstellt - erfolgreichem Rechtsmittelverfahren wenn überhaupt nur mit großen Schwierigkeiten möglich sein dürfte. Eine dies berücksichtigende, in der Sache von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung, die die Behörde von der Anordnung der sofortigen Vollziehung Abstand nehmen lässt, ändert sich jedoch nicht grundlegend dadurch, dass die Verpflichtungsklage erstinstanzlich abgewiesen wird. Unabhängig davon, auf welche Umstände in einem Verfahren nach § 80b Abs. 2 VwGO abzustellen und welcher Maßstab anzulegen wäre, spricht Einiges dafür, dass eine für den pharmazeutischen Unternehmer sich im Fall der Vollziehbarkeit des die Nachzulassung versagenden Bescheids ergebende unbillige Härte nicht völlig außer Betracht bleiben könnte. Dies führte im Fall der analogen Anwendung des § 80b VwGO möglicherweise zu dem kuriosen Ergebnis, dass die Behörde zutreffend im Hinblick auf § 105 Abs. 5b Satz 2 2. Halbsatz VwGO von der Anordnung der sofortigen Vollziehung absähe, sie sich nach einem klageabweisenden erstinstanzlichen Urteil und dem Ablauf der in § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO genannten Frist einem Verfahren nach § 80b Abs. 2 VwGO stellen müsste und dort eben aus den Gründen, die sie zu einem Absehen von der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben, unterliegen würde, wenn sie nicht vorher von der in § 80b Abs. 1 Satz 2 am Ende VwGO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machte. Dies hätte sie in gewisser Weise aber bereits dadurch getan, dass sie bei Erlass des die Nachzulassung versagenden Bescheids entgegen § 105 Abs. 5b Satz 2 1. Halbsatz AMG von der Anordnung der sofortigen Vollziehung abgesehen hat. Entsprechendes gilt, wenn die Behörde wegen besonderer Schwierigkeiten im Einzelfall oder aber aus grundsätzlichen Erwägungen, weil beispielsweise die Versagungsentscheidung für eine Vielzahl vergleichbarer Präparate präjudizielle Wirkung hat, von der Anordnung der sofortigen Vollziehung absieht. Auch hier liefe sie bei analoger Anwendung des § 80b VwGO Gefahr, in einem Verfahren nach § 80b Abs. 2 VwGO zu unterliegen, weil die Voraussetzungen für eine Berufungszulassung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 VwGO vorliegen dürften und dies zumindest teilweise als Umstand angesehen wird, der die Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung rechtfertigt.

Vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 13.12.1999 - 1 B 422/99 -, NVwZ 2000, 942 (943).

Ob die vorstehenden Ausführungen auch dann gelten, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat, damit aber nicht durchgedrungen ist, weil das VG die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat, bedarf hier keiner Entscheidung.

Anmerkung: ähnlich Beschlüsse vom 10.11.2005 - 13 B 192/05 - und vom 15.11.2005 - 13 B 255/05 - sowie - 13 B 780/05 -.

Ende der Entscheidung

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