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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.06.2005
Aktenzeichen: 13 B 667/05
Rechtsgebiete: VwGO, BO, HG NRW


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
BO § 16
BO § 20
HG NRW § 119 Abs. 1
Zur (Nicht-)Berechtigung des Führens der Bezeichnung "Zahnarzt für Implantologie".
Tatbestand:

Der als Zahnarzt tätige Antragsteller hat im Rahmen einer postgradualen Ausbildung an einer österreichischen Universität den akademischen Grad "Master of Science" erworben und bezeichnet sich auf Grund dessen als "Zahnarzt für Implantologie". Die Antragsgegnerin untersagte ihm unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Führen dieser Bezeichnung. Widerspruch, Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und die Beschwerde des Antragstellers blieben erfolglos.

Gründe:

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4, Satz 6 VwGO im Rahmen der vom Antragsteller dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.

Die angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin stützt sich auf §§ 16, 20 der Berufsordnung der Antragsgegnerin. Danach ist der Zahnärztin oder dem Zahnarzt jede berufswidrige Werbung und Anpreisung untersagt, das Führen von Zusätzen über akademische Grade und ärztliche Titel, die in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sind, zulässig und können besondere Qualifikationen u. a. als "Tätigkeitsschwerpunkt(e)" ausgewiesen werden. Dies entspricht den Vorgaben der Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG, der die freie Berufsausübung schützt. Diese umfasst nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und ihr dient, und zu der daher auch die berufliche Außendarstellung des Grundrechtsträgers einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme seiner Dienste zählt. Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, verletzen dabei den durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Schutz nicht, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Vor dem Hintergrund, dass das Werbeverbot für Zahnärzte/Ärzte dem Schutz der Bevölkerung dienen und einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vorbeugen soll, gilt als berufswidrig in diesem Sinne unter anderem das Führen von Zusätzen, die in Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern und damit zu einer Verunsicherung der Kranken/Patienten führen können, was das Vertrauen in den Zahnarzt-/Arztberuf untergraben und langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung haben könnte. Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr jedoch Raum bleiben.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28.7.2004 - 1 BvR 159/04 -, NJW 2004, 2656; vom 26.8.2003 - 1 BvR 1003/02 -, NJW 2003, 3470, vom 11.2.2003 - 1 BvR 1972/00 - u. - 1 BvR 70/01 -, NJW 2003, 1027, vom 8.1.2002 - 1 BvR 1147/01 -, NJW 2002, 1331, vom 23.7.2001 - 1 BvR 873/00 u. a. -, NJW 2001, 2788, und vom 11.2.1992 - 1 BvR 1531/90 -, BVerfGE 85, 248.

Die Abgrenzung zwischen erlaubter sachlicher Information und verbotener berufswidriger Werbung kann dabei nicht generalisierend-abstrakt erfolgen, sondern ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit auf der einen Seite und der Sicherung des Werbeverbots auf der anderen Seite auf Grund einer Abwägung im Rahmen des gesamten Lebensvorgangs, in dem die fragliche Werbemaßnahme ihre Wirkung entfaltet, vorzunehmen. Dabei ist auf den Standpunkt der angesprochenen Verkehrskreise und auf das Leitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers und nicht beispielsweise auf die Auffassung des jeweiligen Berufsstandes abzustellen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.7.2000 - 1 BvR 547/99 -, MedR 2000, 523; BGH, Urteile vom 8.6.2000 - I ZR 269/97 -, MedR 2001, 516, und vom 27.4.1995 - 1 ZR 116/93 - GRUR 1995, 612; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.12.2002 - 9 S 2738/01 -, MedR 2003, 236; OVG NRW, Beschlüsse vom 29.7.2004 - 13 B 888/04 - und vom 10.11.2003- 13 B 1703/03 -.

Nach diesen Kriterien ist die Bezeichnung "Zahnarzt für Implantologie" unzulässig und daher berufswidrig. Abzustellen ist dabei allein auf diesen vom Antragsteller gewählten Begriff, so dass es unerheblich ist, ob und in welcher Weise eine andere Bezeichnung zulässig wäre. Des Weiteren kann die vom Antragsteller gewählte Bezeichnung nicht in ihre einzelnen Wort-Bestandteile zerlegt werden; diese wird aus der maßgebenden Patientensicht nur in ihrer Gesamtheit wahrgenommen und ist deshalb auch nur als ganze zu betrachten.

Zwar kann der Hinweis eines Zahnarztes auf einen bestimmten Teilbereich des gesamten Spektrums zahnärztlicher Tätigkeit, hier den der Implantologie, eine im Interesse des Patienten sachangemessene Information sein, weil auf diese Weise dem Informationsbedürfnis des Patienten, bei in Frage stehenden implantologischen Behandlungsmaßnahmen den (auch) in diesem Bereich tätigen Zahnarzt ausfindig machen zu können, Rechnung getragen wird.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.7.2001 - 1 BvR 873/00 -, a. a. O.

Jedoch muss dies in einer Art und Weise geschehen, dass Irreführungen und Verwechselungen sowie Unsicherheiten beim Patienten vermieden werden. Vor diesem Hintergrund hat der Antragsteller offenbar auf das Führen der Bezeichnung "Fachzahnarzt für Implantologie" verzichtet, weil die Weiterbildungsordnung der Antragsgegnerin die Verwendung des Begriffs "Fachzahnarzt" nur in Verbindung mit den Gebieten Kieferorthopädie, Oralchirurgie und Paradontologie vorsieht. Aber auch der Begriff "Zahnarzt für Implantologie", der formell in der Weiterbildungsordnung nicht vorgesehen ist, ist geeignet, Patienten zu verunsichern und zu verwirren, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Der Begriff "Zahnarzt" ist in Verbindung mit der Approbation (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 ZHG) berufsrechtlich besetzt und kennzeichnet die Berufsausübung als Zahnarzt, während es nach der postgradualen Ausbildung des Antragstellers an der Universität, aus der der Antragsteller die Berechtigung der in Frage stehenden Bezeichnung ableitet, um die Anerkennung und das Führen eines akademischen Grades geht. Die Wortkombination "Zahnarzt für ..." suggeriert eine Nähe und Vergleichbarkeit zum "Fachzahnarzt für ..." und erweckt damit beim verständigen Patienten den Eindruck, als sei die Bezeichnung Ausdruck einer besonderen durch förmliche Weiterbildung erworbenen zusätzlichen Qualifikation und als ob sich der Betreffende einer entsprechenden Weiterbildung unterzogen habe. Aus Sicht eines verständigen Patienten kann die Bezeichnung "Zahnarzt für Implantologie" sowohl dahin verstanden werden, dass es sich um einen nur und ausschließlich im Bereich der Implantologie tätigen Zahnarzt handelt, sowie - was beim Antragsteller im Vordergrund stehen wird - auch dahin, dass es sich um einen Zahnarzt mit besonderer Qualifikation oder zumindest häufiger Tätigkeit in diesem Bereich handelt. Beides ist für die Patienten gleichermaßen unklar und verwirrend, weil mit der in der ersten Alternative liegenden Einengung des Tätigkeitsspektrums des Zahnarztes der Eindruck erweckt wird, dass der betreffende Zahnarzt für "normale" zahnärztliche Behandlungstätigkeiten außerhalb des Bereichs der Implantologie nicht zur Verfügung steht, und weil die zweite Alternative auf eine vermeintliche Qualifikation hindeutet, die tatsächlich nicht gegeben ist.

Auf die mit der postgradualen Ausbildung verbundene zusätzliche Qualifikation im Bereich der Implantologie kann der Antragsteller zudem in anderer Weise als durch die Bezeichnung "Zahnarzt für Implantologie" aufmerksam machen. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG ist er grundsätzlich zur Ankündigung (auch) im Ausland erworbener Qualifikationen berechtigt.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26.8.2003- 1 BvR 1003/02 -, a. a. O., und vom 29.10.2002- 1 BvR 525/99 -, DVBl. 2003, 262; VG München, Urteil vom 11.6.2002 - M 16 K 00.4995 -, MedR 2003, 308.

Von daher ist es dem Antragsteller unbenommen, auf den nach der postgradualen Ausbildung verliehenen akademischen Grad "Master of Science" , ggf. mit einem Zusatz, hinzuweisen. Von einer Führung des akademischen Grades entsprechend der Verleihung gehen auch § 119 Abs. 1 HG NRW und das vom Antragsteller vorgelegte Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich (§ 5 Abs. 2 des Abkommens) aus. Auch diese Bestimmungen schließen die eigenständige Verwendung eines - wie hier - Fantasienamens an Stelle des formell verliehenen Titels aus. Dies gilt auch angesichts des mit dem Hinweis auf das Ergebnis einer - von ihm initiierten - Fragebogenaktion geltend gemachten Vorbringens des Antragstellers, der "Master of Science" seit weitgehend unbekannt und müsse durch die deutschsprachige Übersetzung "Zahnarzt für Implantologie" ersetzt werden. Der Antragsteller hat die Ausbildung in Kenntnis des vermeintlich geringen Bekanntheitsgrades des danach verliehenen "Master of Science" absolviert. Es ist ihm zuzumuten, den vermeintlich geringen Bekanntheitsgrad des "Master"-Titels in der Folge hinzunehmen. Der geringe Bekanntheitsgrad dieses Titels berechtigt ihn nicht zur Führung einer nach eigenem Gutdünken erwählten Bezeichnung an Stelle der formellen Bezeichnung entsprechend der Verleihungsurkunde.

Der Gemeinwohlbelang, der die Untersagung des Führens der Bezeichnung "Zahnarzt für Implantologie" rechtfertigt, besteht darin, dass der Öffentlichkeit, d. h. den Patienten, nur die Informationen durch Zahnärzte "zugemutet" werden sollen, die ihnen eine mögliche Hilfe bei deren Auswahl sein können, und dass dementsprechend Informationen, die diesbezüglich statt Klarheit (weitere) Verunsicherung bewirken, unterbleiben sollen. Daraus ergibt sich zugleich die Berechtigung der Heilberufskammern, die u. a. die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen zu fördern und für die Erhaltung eines hochstehenden Berufsstandes zu sorgen haben (vgl. § 6 Abs. 1 HeilBerG), zur Sicherung dieser Qualität, zu der auch eine sachangemessene und nicht irreführende Patienteninformation gehört, damit nicht in Einklang stehenden Angaben von Zahnärzten zu begegnen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Vermeidung eines Nachahmungseffekts in der Weise, dass Zahnärzte unzulässige und damit berufswidrige Werbung betreiben und eine solche generell unterbleiben soll.

Diese Gesichtspunkte rechtfertigen - auch im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG - gleichfalls die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung. Die Verfügung betrifft eine Maßnahme im Rahmen der Berufsausübung und keine solche der Berufswahl, an die höhere Anforderungen an die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung zu stellen wären.

Ende der Entscheidung

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