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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 03.02.2009
Aktenzeichen: 13 E 1694/08
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114 Abs. 1 Satz 1
Die fehlende Begründung einer Klage rechtfertigt nicht schon als solche die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Maßstäbe für die Entscheidung über die Beschwerde gegen die PKH-Ablehnung nach Erledigung des Klageverfahrens.


Tatbestand:

Die Klägerin erhob unter Beifügung eines Ablehnungsbescheids der ZVS, einen Härtefallantrag und einen Antrag auf Nachteilsausgleich betreffend, Klage auf Zulassung zu einem Bachelorstudiengang. Mit der Klage beantragte sie außerdem die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Akteneinsicht zwecks Begründung der Klage. Nach Klageerhebung wurde die Klägerin an der beklagten Fachhochschule in dem gewünschten Studiengang eingeschrieben. Die Klägerin beantragte anschließend weiterhin Akteneinsicht zwecks Begründung für die Erlangung von Prozesskostenhilfe. Dass die Klage bisher nicht habe begründet werden können, sei allein auf den gesetzlichen Wegfall des Widerspruchsverfahrens zurückzuführen. Das VG lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, u. a. mit der Erwägung, wegen fehlender Begründung der Klage fehle es an der für die Bewilligung erforderlichen Erfolgsaussicht der Klage. Nachdem auch die Beklagte die Hauptsache für erledigt erklärt hatte, stellte das VG in einem späteren Beschluss das Verfahren ein mit einer Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Über die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz entscheidet der Senat, weil insoweit keine Nebenentscheidung im Sinne des eine Zuständigkeit des Berichterstatters des Beschwerdegerichts begründenden § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO ansteht, sondern eine Sachentscheidung im Rechtsmittelverfahren.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 21.11.2006 - 11 S 1918/06 -, NVwZ-RR 2007, 210; a. A.: Hamb. OVG, Beschluss vom 12.9.2006 - 3 Bs 387/05 -, NVwZ-RR 2007, 211.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das VG hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht abgelehnt. Die Ablehnung behält auch im Beschwerdeverfahren Bestand.

Prozesskostenhilfe kann grundsätzlich auch noch im Beschwerdeverfahren für die erste Instanz bewilligt werden, selbst wenn diese inzwischen rechtskräftig abgeschlossen ist. Über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unabhängig von der Entscheidung in der Sache allein - wie noch dargelegt wird - nach den Erfolgsaussichten im Zeitpunkt der Entscheidungs- bzw. Bewilligungsreife zu entscheiden. Der nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten ergangene Einstellungsbeschluss des VG, dem ohnehin nur deklaratorischer Charakter zukommt, steht deshalb einer Entscheidung im Beschwerdeverfahren bezüglich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz nicht entgegen. Die Klägerin war auch nicht gehalten, mit der Abgabe einer Erklärung zur Beendigung des Verfahrens bis nach einer Entscheidung zu ihrem Prozesskostenhilfegesuch zuzuwarten.

Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 26.3.2008 - 7 D 575/08 -, DÖV 2008, 605; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 166 Rdnr. 46 f.

Die Frage, ob Prozesskostenhilfe auch noch nach Abschluss des Hauptverfahrens bewilligt werden kann, stand/steht bei der hier gegebenen Verfahrenskonstellation nicht an. Zwar ist vor dem Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des VG ein erledigendes Ereignis in der Weise eingetreten, dass die Klägerin in dem gewünschten Studiengang eingeschrieben wurde. Dies hat jedoch nicht die Erledigung des Verfahrens bewirkt. Diese hat sich vielmehr erst mit Eingang der Erledigungserklärung auch des Beklagten ergeben.

Vgl. Schl.-H. OVG, Beschluss vom 28.10.2003 - 3 O 27/03 -, NVwZ-RR 2004, 460; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 161 Rdn. 10.

Zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin war daher das Verfahren noch nicht beendet. Die in dem angefochtenen Beschluss an eine Verfahrensbeendigung durch Immatrikulation der Klägerin anknüpfenden Erwägungen des VG sind daher nicht relevant.

Eine Zurückverweisung der Sache an das VG (§ 130 VwGO analog) hält der Senat nicht für angezeigt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klägerin kommt auch aus der Sicht des Beschwerdegerichts und unter Berücksichtigung aller derzeit vorliegenden Erkenntnisse nicht in Betracht. Es fehlt an dem für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Merkmal der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO), gegen das keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 19. 2.2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, 1060; 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 14.6.2006 - 2 BvR 626/06 -, NVwZ 2006, 1156; Beschluss vom 13.3.1990 - 2 BvR 94/88 -, DVBl. 1990, 926.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung ist nach überwiegender Ansicht der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags bzw. ein Zeitraum alsbald nach diesem Zeitpunkt. Da es um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz geht, legt auch das Beschwerdegericht diesen Zeitpunkt zu Grunde.

Vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 14.6.2006 - 2 BvR 626/06 -, a. a. O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.4.2002 - 11 S 119/02 -, NVwZ-RR 2002, 791; Baumbach-Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 114 Rdn. 82; Sodan/Ziekow, a. a. O., § 166 Rdnr. 77, 81.

Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfegesuchs ist regelmäßig anzunehmen nach der Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen durch den Antragsteller sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.9.2007 - 10 C 39.07, 10 PKH 16.07 -, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 42; Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 119 Rdnr. 44 ff.

Mit der Vorlage aller Prozesskostenhilfe-Unterlagen einschließlich der nach § 117 Abs. 2 ZPO gebotenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat ein Beteiligter alles aus seiner Sicht Erforderliche für eine gerichtliche Entscheidung über sein Prozesskostenhilfegesuch getan.

In diesem Verfahren war Entscheidungsreife in dem beschriebenen Sinne mit Eingang des Schriftsatzes des Bevollmächtigten der Klägerin, dem die bezeichnete Erklärung beigefügt war, bzw. kurze Zeit danach eingetreten. Der Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss des VG war demnach grundsätzlich zeitgerecht. Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in diesem Beschluss wegen lediglich beantragter Akteneinsicht und fehlender Begründung der anhängigen Klage, auf Grund dessen die Erfolgsaussichten der Klage nicht beurteilbar seien, ist aber nicht tragfähig.

Unabhängig davon, dass wegen des der Klage beigefügten Ablehnungsbescheids der ZVS mit dem Inhalt, einen Härtefallantrag und einen Antrag auf Nachteilsausgleich der Klägerin nicht anzuerkennen, der Streitgegenstand zumindest in groben Umrissen erkennbar war, war eine weitere Begründung zur Darlegung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung durch die Klägerin ohnehin nicht geboten; dies gilt auch angesichts ihrer anwaltlichen Vertretung. Der im Verwaltungsprozess geltende Untersuchungsgrundsatz lässt grundsätzlich die Notwendigkeit einer näheren Begründung für einen Prozesskostenhilfeantrag entfallen und verlangt eine solche nur, wenn das Rechtsmittel, für das Prozesskostenhilfe begehrt wird, seinerseits eine besondere Begründung erfordert.

Vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: März 2008, § 166 Rdnr. 17 ff.

Anderenfalls würden unberechtigterweise im Rahmen eines Prozesskostenhilfegesuchs höhere Anforderungen gestellt als bei der Klageerhebung selbst, bei der gem. § 82 VwGO die Angabe der zur Begründung dienenden Tatsachen nicht zwingend vorgeschrieben ist.

Die Frage, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung im Verwaltungsprozess hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, lässt sich regelmäßig und in den Fällen einer nicht vorliegenden Klagebegründung ausschließlich durch Einsicht des Gerichts in die betreffenden Aktenvorgänge der beteiligten Behörde beantworten. Dieses Gebot hat das VG nicht konsequent umgesetzt. Die Einsicht in die Verwaltungsvorgänge war auch nicht entbehrlich angesichts der aus einem gerichtlichen Vermerk erkennbaren telefonischen Bitte des Bevollmächtigten der Klägerin, nach Aktenlage über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden. Dieser telefonisch erklärte Verzicht auf Akteneinsicht ist durch die schriftliche Anfrage des Gerichts, ob weiterhin Akteneinsicht begehrt oder darauf verzichtet werde, und ein nachfolgendes Schreiben des Bevollmächtigten, in dem um Aktenübersendung/-einsicht zumindest "zwecks Begründung einer Klage für die Prozesskostenhilfe" gebeten wurde, gegenstandslos geworden.

Das Beschwerdegericht hat die für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage gebotene Akteneinsicht durchgeführt und die Akten der ZVS zu dem der Klage beigefügten Ablehnungsbescheid angefordert und eingesehen; diese Akten wurden auch dem Bevollmächtigten der Klägerin zur Einsichtnahme überlassen. Vorgänge des Beklagten, der die Klägerin im Wege einer begünstigenden Einzelfallentscheidung ohne Berücksichtigung der rechtlichen Voraussetzungen und unabhängig von deren Anträgen auf Anerkennung besonderer Gründe zum gewünschten Studiengang zugelassen hat, sind nicht vorhanden. Die Auswertung der Unterlagen der ZVS hat ergeben, dass die Anträge der Klägerin zu Recht abgelehnt wurden (Wird ausgeführt).

Für die vorstehende Beschwerde-Entscheidung kommt dem vom Bevollmächtigten der Klägerin problematisierten gesetzlichen Wegfall des Widerspruchsverfahrens, auf Grund dessen eine zeitgerechte Begründung der Klage nicht möglich gewesen sei, keine Relevanz zu. Darauf bezogener weiterer Ausführungen bedarf es deshalb nicht.

Ende der Entscheidung

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