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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 13a F 12/08
Rechtsgebiete: PflSchG, VwGO


Vorschriften:

PflSchG § 11
PflSchG § 18c Abs. 1
VwGO § 99 Abs. 2
1. Zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und zum überwiegenden öffentlichen Interesse an der Offenbarung bei Anwendung des § 18c Abs. 1 des Pflanzenschutzgesetzes.

2. Die strukturelle Unzulänglichkeit der Regelung in § 99 Abs. 2 VwGO kann zu dem Ergebnis führen, dass auf der Grundlage des geltenden Verfahrensrechts die gebotene Zuordnung der betroffenen Rechtsgüter - effektiver Rechtsschutz einerseits und Geheimhaltungsinteresse andererseits - ausgeschlossen ist. Die Konfliktlage entschärft sich in Verkehrsfähigkeitsbescheinigungsverfahren nach dem Pflanzenschutzgesetz, weil der Antragsteller ein reguläres Zulassungsverfahren nach § 11 PflSchG durchführen und auf diesem Weg die Erlaubnis erhalten kann, das Pflanzenschutzmittel in den Verkehr zu bringen oder einzuführen.


Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrt eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nach § 16c des Pflanzenschutzgesetzes für das Pflanzenschutzmittel A, das in Belgien unter der Bezeichnung B zugelassen ist. Nach Auffassung der Antragstellerin ist es mit dem in Deutschland durch die Antragsgegnerin zugelassenen Pflanzenschutzmittel C identisch. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) lehnte den Antrag auf Erteilung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung mit Bescheid ab, weil das Importmittel einen ökologisch bedenklichen Beistoff (Netzmittel) enthalte, der in dem Produkt C nicht enthalten sei. Der Widerspruch der Antragstellerin blieb ohne Erfolg. Mit der vor dem VG erhobenen Klage verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Mit Beschluss gab das VG dem BVL auf, die im Verwaltungsverfahren eingeholte Auskunft der zuständigen belgischen Behörde nebst Anlagen hinsichtlich des in dem Importmittel B enthaltenen Netzmittels vorzulegen sowie Auskunft darüber zu geben, welches namentlich bezeichnete Netzmittel in dem Referenzmittel C enthalten ist. Die Vorlage und Erteilung der begehrten Auskünfte wurde von dem beigeladenen Ministerium mit Schriftsatz verweigert. Sie seien gemäß § 18c des Pflanzenschutzgesetzes geheim zu halten, weil Auskünfte nur bei einem - hier aber nicht vorliegenden - überwiegenden öffentlichen Interesse zu erteilen seien. Die Antragstellerin hat daraufhin einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung nach § 99 Abs. 2 VwGO gestellt.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat keinen Erfolg.

Für die Entscheidung im Zwischenverfahren ist nicht das Gericht der Hauptsache, sondern ein besonderer Spruchkörper, nämlich der nach § 189 VwGO eingerichtete Fachsenat zuständig. Dieser entscheidet gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur darüber, ob die Verweigerung der Aktenvorlage durch die oberste Aufsichtsbehörde rechtmäßig ist oder nicht. Eine weitergehende Entscheidungszuständigkeit steht ihm nicht zu.

Der Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung des Fachsenats, ob die Verweigerung der Vorlage von Urkunden oder Akten rechtmäßig ist, setzt voraus, dass das Gericht der Hauptsache deren Entscheidungserheblichkeit bejaht hat. Für den Zwischenstreit über die Rechtmäßigkeit muss klargestellt sein, was er zum Gegenstand haben soll. Dazu bedarf es gemäß § 98 VwGO i. V. m. § 358 ZPO grundsätzlich eines Beweisbeschlusses des Gerichts der Hauptsache, mit dem das Gericht unter Angabe des Beweisthemas förmlich verlautbart, dass es diese Tatsachen als erheblich ansieht, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24.11.2003 - 20 F 13.03 - BVerwGE 119, 229, 230 f. = NVwZ 2004, 485, und vom 17.3.2008 - 20 F 42.07 -, juris, oder einer sonstigen förmlichen Äußerung des Gerichts, die für das weitere Verfahren Klarheit über seine Auffassung zur Erheblichkeit des Akteninhalts schafft.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.3.2006 - 20 F 4.05 -, NVwZ 2006, 1423.

Vorliegend hat das Gericht der Hauptsache einen entsprechenden Beweisbeschluss erlassen, mit dem es dem BVL die Vorlage der Auskunft der zuständigen belgischen Behörde nebst Anlagen hinsichtlich des in dem Importmittel B enthaltenen Netzmittels sowie die Auskunftserteilung aufgegeben hat, welches namentlich bezeichnete Netzmittel in dem Referenzmittel C enthalten ist.

Die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen vor; Ermessensfehler bestehen hinsichtlich der abgelehnten Vorlage nicht.

Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde - hier der Beigeladene - die Vorlage von Urkunden oder Akten auch verweigern, wenn das Bekanntwerden dieser Vorgänge nach einem Gesetz geheim gehalten werden muss. So liegt es hier.

Nach § 18c Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.5.1998 (BGBl. I S. 971, 1527, 3512), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 5.3.2008 (BGBl. I S. 284) dürfen Angaben, die ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellen oder enthalten, von dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nicht offenbart werden, soweit der Antragsteller oder der Zulassungsinhaber die Angaben als geheimhaltungsbedürftig kenntlich gemacht hat.

Bei den Tatsachen, die in den im Streit befindlichen Aktenbestandteilen enthalten sind, handelt es sich um derartige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Zulassungsinhabers. Hierunter werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.3.2006 - 1 BvR 2087/03 u .a. -, BVerfGE 115, 205 = NVwZ 2006, 1041, 1042 m. w. N.

Dass die streitigen Unterlagen derartige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Auch der Fachsenat geht hiervon aus und weist zusätzlich darauf hin, dass das in einem Unternehmen vorhandene Wissen über Herstellungsverfahren und die genaue Zusammensetzung eines Produkts einen wirtschaftlichen Wert darstellt, so dass es an der Nichtverbreitung dieser Tatsachen ein nach Art. 12 Abs. 1 GG berechtigtes Interesse hat. Die Entscheidung, soweit sie eine Pflicht zur Vorlage der Akten feststellen und damit die Kenntnisnahme der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch Konkurrenten im Gerichtsverfahren ermöglichen würde, bedeutete daher einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Zulassungsinhaberin. Ob auch Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG betroffen sein können, kann dahinstehen, weil ein Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls nicht weitergeht als der durch Art. 12 Abs. 1 GG.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.3.2006 - 1 BvR 2087/03 u .a. -, a. a. O. sowie NVwZ 2006, 1041, 1046.

§ 18c Abs. 1 Satz 1 PflSchG gilt allerdings nicht, wenn das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses der Beteiligten ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Offenbarung feststellt (§ 18c Abs. 1 Satz 2 PflSchG). Ein solches Interesse ist hier nicht feststellbar.

Für die Bestimmung des unbestimmten Begriffs "öffentliches Interesse" ist die jeweilige Zielrichtung des Gesetzes entscheidend. So kann etwa der in § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) ausgesprochene Gesetzeszweck, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sei sicherzustellen, ein öffentlicher Zweck sein, der im Einzelfall die Erteilung einer individuellen Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 BtMG rechtfertigen kann. Die Therapie einer einzelnen Person kann daher einem öffentlichen Anliegen dienen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.5.2005 - 3 C 17.04 -, BVerwGE 123, 352 = NJW 2005, 3300.

Eine solche, also auch auf Individualinteressen abstellende Zielrichtung hat § 18c PflSchG indes nicht. Diese Vorschrift ist vielmehr mit § 30 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vergleichbar. Danach haben die Beteiligten Anspruch darauf, dass ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden. Die Befugnis der Behörde zur Offenbarung kommt im Zuge einer Interessenabwägung dann in Betracht, wenn sie zum Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit erforderlich ist. Sie wird in der Regel erst dann anzunehmen sein, wenn die Offenbarung der einzig mögliche Weg zur ordnungsgemäßen Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden überragend wichtigen Verwaltungsaufgabe ist.

Vgl. etwa Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 30 Rn. 20.

Die Antragstellerin verfolgt hier aber nicht als Sachwalterin ein Informationsinteresse der Allgemeinheit, vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 21.2.2008 - 20 F 2.07 -, NVwZ 2008, 554, sondern das individuelle Ziel, nach § 99 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 100 Abs. 1 und § 108 Abs. 2 VwGO effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) durch Aufklärung des Sachverhalts und Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in dem allein sie betreffenden Verfahren der Erteilung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nach dem Pflanzenschutzgesetz zu erhalten.

Grundsätzlich setzt die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage (Sperrerklärung) bei Geheimhaltungsbedarf eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus.

Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.3.2006 - 1 BvR 2087/03 u .a. -, a. a. O.; BVerwG, Beschluss vom 21.2.2008 - 20 F 2.07 -, a. a. O.; zum Informationsfreiheitsgesetz NRW vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2008 - 13a F 11/08 -, juris.

Die bundesrechtliche Vorschrift des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist im Verhältnis zu den allgemeinen Geheimhaltungsvorschriften einschließlich der Ausnahmeregelungen eine prozessrechtliche Spezialnorm.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.6.2006 - 20 F 5.05 -, DVBl. 2006, 1245.

Eine Ermessensentscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat der Beigeladene in seiner Sperrerklärung getroffen. Er ist davon ausgegangen, dass der Inhalt der Akten dem aus § 18c PflSchG folgenden Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unterfällt. Als gegenläufigen Umstand hat er zunächst das Vorliegen eines öffentlichen Informationsinteresses geprüft, was er aber zutreffend verneint hat. Ferner hat er den Grundsatz des rechtlichen Gehörs in die Abwägung eingestellt. Dessen Gewährung hat er aus Rechtsgründen als nicht beachtlich angesehen, weil die Kenntnis davon, welchen Stoff mit wesentlicher Funktion das Referenzmittel zusätzlich enthalte, dem Vortrag der Antragstellerin nicht von Nutzen sei. Ob diese Auffassung zutreffend ist, lässt der Senat dahin stehen, weil es hierauf im Zwischenverfahren nicht entscheidend ankommt und der Beigeladene weitere Gesichtspunkte gegen eine Vorlage benannt hat. Als weitere ermessenssteuernde Erwägung hat er auch den Umstand angesehen, dass die Übermittlung von Auskünften über die Zusammensetzung eines Importmittels durch die Zulassungsbehörde eines anderen EU-Staates auf freiwilliger Grundlage mit der Bitte um vertrauliche Behandlung erfolge. Die Weitergabe der Auskünfte würde daher die künftige Zusammenarbeit der Behörden erschweren. Diese Erwägung ist vor dem Hintergrund, dass die Regelungen über die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung paralleleingeführter Pflanzenschutzmittel (§ 16c PflSchG) weiterhin anwendbar bleiben sollen, ein die Entscheidung tragend sachlicher Gesichtpunkt.

Auf der Grundlage des § 99 VwGO i. V. m. § 18c PflSchG kann das Begehren der Antragstellerin keinen Erfolg haben. Allerdings sieht sich der Fachsenat veranlasst, auf bei der Anwendung von § 99 VwGO sich zeigende Grundprobleme hinzuweisen:

§ 99 VwGO weist in multipolaren Verhältnissen, insbesondere wenn gleichrangiger grundrechtlicher Schutz für die beteiligten privaten Personen besteht, vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.3.2006 - 1 BvR 2087/03 u .a. -, a. a. O. sowie NVwZ 2006, 1041, 1044 und Beschluss vom 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04 -, BVerfGE 116, 1 = NJW 2006, 2613, 2615; BVerwG, Urteil vom 27.1.2005 - 4 C 5.04 -, BVerwGE 122, 364 = NVwZ 2005, 578, regelmäßig strukturelle Schutzdefizite auf, die der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Geheimnisschutz und effektivem Rechtsschutz entgegenstehen können. Auch wenn ein Antragsteller Akteneinsicht erhielte, entstünde gleichwohl ein Schutzdefizit auf Seiten des Dritten (etwa des Wettbewerbers).

Geregelt ist in § 99 Abs. 2 VwGO ein Zwischenverfahren, dessen Gegenstand die Überprüfung der Ermessensentscheidung der obersten Aufsichtsbehörde ist, die Akten oder Urkunden aus Gründen überwiegenden Geheimnisschutzes nicht herauszugeben oder Auskünfte nicht zu erteilen. Diese Konzeption des "in camera"-Verfahrens hat bei Feststellung der Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage zur Folge, dass der Inhalt der betreffenden Unterlagen im Hauptsacheverfahren nicht verwertet werden darf. Demnach muss in Rechtsstreitigkeiten, bei denen der Inhalt der geheim gehaltenen Akten für eine entscheidungserhebliche Vorfrage von Relevanz ist, letztlich nach Beweislastregeln entschieden werden, obgleich Beweismittel und weiterer Tatsachenstoff vorhanden sind. Diese im Gesetz angelegte Alternativität zwischen dem Ausschluss von Tatsachenstoff bei Geheimhaltung und dessen Berücksichtigung nur bei fehlendem Geheimhaltungsbedarf hindert in multipolaren Konstellationen regelmäßig die notwendige Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den kollidierenden Grundrechtspositionen. Eine Entscheidung ergeht immer nur entweder zu Lasten des effektiven Rechtsschutzes oder zu Lasten des Geheimhaltungsinteresses. Die strukturelle Unzulänglichkeit der Regelung in § 99 Abs. 2 VwGO kann zu dem Ergebnis führen, dass auf der Grundlage des geltenden Verfahrensrechts die von der Verfassung gebotene Zuordnung der betroffenen Rechtsgüter - effektiver Rechtsschutz einerseits und Geheimhaltungsinteresse andererseits - ausgeschlossen ist. Diese verfehlte Alternativität ermöglicht es den Fachgerichten nicht, im Rahmen ihrer Rechtsanwendung sowohl den Rechtsschutzansprüchen als auch den Geheimhaltungsbelangen Wirksamkeit zu verleihen. Die Alternativität kann erst dann aufgelöst und eine wirkungsoptimierte Zuordnung geschaffen werden, wenn das "in camera"-Verfahren nicht auf den Zwischenstreit über die Aktenvorlage beschränkt bleibt, sondern auf den Rechtsstreit in der Hauptsache selbst erstreckt wird.

So BVerfG, Beschluss vom 14.3.2006 - 1 BvR 2087/03 u. a., Sondervotum Gaier, a. a. O. sowie NVwZ 2006, 1041, 1047.

Derartiges ist im Geltungsbereich des § 138 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auf der Basis einer europarechtskonformen Auslegung von Europäischem Gemeinschaftsrecht vollzogen. Die zuständigen Regulierungsbehörde darf die Vorlage der für die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung benötigten Akten nicht wegen eines darin enthaltenen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses verweigern. § 138 TKG sieht bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung ein "in camera"-Verfahren vor, das sich über den Zwischenstreit wegen der Aktenvorlage hinaus auf den Rechtsstreit in der Hauptsache selbst erstreckt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2007 - 20 F 1.06 -, BVerwGE 127, 282 = NWVBl. 2007, 428.

Ein multipolares Verhältnis im beschriebenen Sinne ist auch hier gegeben, wenngleich die Zulassungsinhaberin im Verfahren vor dem Gericht der Hauptsache nicht beigeladen ist.

Vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 2.7.2008 - 13 A 989/08 - und vom 29.5.2007 - 13 B 647/07, juris.

Allerdings entschärft sich die Konfliktlage in Verkehrsfähigkeitsbescheinigungsverfahren nach dem Pflanzenschutzgesetz. Die Antragstellerin kann nämlich ein reguläres Zulassungsverfahren nach § 11 PflSchG durchführen und auf diesem Weg die Erlaubnis erhalten, das Pflanzenschutzmittel in den Verkehr zu bringen oder einzuführen. Ihre erwerbswirtschaftliche Betätigung, im Rahmen dessen sie das Verfahren der Hauptsache und das Zwischenverfahren nach § 99 VwGO betreibt, kann daher letztlich - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels - stattfinden. Das auch hier bestehende Defizit, das Rechtsschutzverfahren effektiv i. S. v. Art. 19 Abs. 4 GG unter Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) betreiben zu können, wiegt deshalb weniger schwer, so dass kein Anlass besteht, den verfassungsrechtlichen Implikationen im Zusammenhang mit der Vorlage- und Auskunftspflicht von Behörden im Wege einer Normprüfung weiter nachzugehen.

Ende der Entscheidung

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