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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 09.07.2002
Aktenzeichen: 14 A 1630/02
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124a Abs. 4 Satz 4
Den Prüfling trifft keine Verantwortlichkeit für die verspätete Vorlage eines amtsärztlichen Attestes, das vom Gesundheitsamt nach unverzüglicher Feststellung der Prüfungsunfähigkeit verzögert an den Prüfling übersandt und von diesem unverzüglich an das Prüfungsamt weitergeleitet wurde.
Tatbestand:

Der Kläger trat von der schriftlichen Prüfung wegen Erkrankung zurück, teilte dies dem Prüfungsamt noch am Prüfungstage mit und unterzog sich ebenfalls noch am Prüfungstage der vom Prüfungsamt geforderten amtsärztlichen Untersuchung, die eine Prüfungsunfähigkeit ergab. Das Gesundheitsamt übersandte dem Kläger die entsprechende Bescheinigung per Post, jedoch erst nach über einer Woche. Der Kläger leitete die Bescheinigung am Tag nach Eingang bei ihm mit Brief an das Prüfungsamt weiter, bei dem sie erst fast zwei Wochen nach dem Prüfungstermin einging.

Bei der unmittelbar sich anschließenden mündlichen Prüfung, von der der Kläger ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, verzögerte sich die Einreichung des Attestes in gleicher Weise.

Das Prüfungsamt erkannte die Prüfungsrücktritte wegen verspäteter Vorlage der Atteste nicht an. Der dagegen gerichteten Klage gab das VG statt. Der Antrag des Prüfungsamtes auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Der Antrag ist unzulässig. Er genügt nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

Die Beklagte macht zwei Zulassungsgründe geltend: den der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteiles des VG (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und den der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Beide Zulassungsgründe werden jedoch nicht ordnungsgemäß dargelegt.

a) Bezüglich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel fehlt es an der für dessen Darlegung erforderlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung.

Das VG hat seine Rechtsauffassung, dass die späte Vorlage der amtsärztlichen Bescheinigungen dem Kläger nicht zuzurechnen sei, darauf gestützt, dass selbst dann, wenn man eine Obliegenheit des Prüflings annehme, für eine unverzügliche Vorlage des amtsärztlichen Attestes Sorge zu tragen, dem Kläger jedenfalls kein schuldhaftes Zögern anzulasten sei, weil er die amtsärztlichen Bescheinigungen jeweils unverzüglich nach Erhalt an die Beklagte weitergeleitet und sich damit so verhalten habe, wie es die Beklagte in ihren eigenen Hinweisen für den Prüfungsrücktritt ausgeführt habe.

Mit dieser Begründung setzt sich die Beklagte im Zulassungsantrag nicht in einer Weise auseinander, die dem Darlegungsgebot für den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt. Die Ausführungen der Beklagten betreffen ausschließlich die Frage, ob es generell eine Obliegenheit des Prüflings ist und es speziell im vorliegenden Fall war, dafür zu sorgen, dass das amtsärztliche Attest über die nach rechtzeitiger Rücktrittserklärung rechtzeitig herbeigeführte amtsärztliche Untersuchung auch umgehend beim Prüfungsamt eingehe. Damit verfehlt sie die Begründung des VG, in der diese Frage ausdrücklich offen gelassen worden und darauf abgestellt worden ist, dass dem Kläger jedenfalls kein "schuldhaftes Zögern" vorzuwerfen sei.

Um ernstliche Zweifel gegen diese auf die subjektive Seite abstellende Begründung des VG darzulegen, hätte die Beklagte zumindest plausibel machen müssen:

- wieso dem Kläger trotz der vom VG angeführten Passage aus den eigenen Hinweisen der Beklagten ein Vorwurf ("schuldhaftes Zögern") daraus zu machen sei, dass er bezüglich der Übersendung der Atteste erst gehandelt hat, nachdem er sie vom Gesundheitsamt erhalten hatte,

- wann (konkretes Datum?) der Kläger hätte erkennen müssen, dass sich die Übersendung der Atteste durch das Gesundheitsamt verzögerte, und deshalb Schritte (welche?, die Beklagte spricht von "erkundigen") einleiten musste, damit das Gesundheitsamt schneller handele,

- und dass solche Schritte auch wirksam gewesen und zu einer früheren Weiterleitung der Atteste an die Beklagte geführt hätten (wobei die Kausalität eines "schuldhaften Zögerns" von der Beklagten zudem glaubhaft zu machen gewesen wäre, etwa durch Erklärungen des betroffenen Gesundheitsamtes, dass es bei "Erkundigungen" der Klägers schneller gehandelt hätte).

Nur wenn es der Beklagten gelungen wäre, die Annahme fehlenden Verschuldens des Klägers durch das VG durch substantiierte und glaubhaft gemachte Ausführungen in Zweifel zu setzen, wäre es auf die von der Beklagten im Zulassungsantrag behandelte weitere Frage angekommen, ob es wirklich zu den Aufgaben eines Prüflings gehört, der unverzüglich den Rücktritt erklärt und unverzüglich seinen Gesundheitszustand amtsärztlich hat feststellen lassen, auch dafür zu sorgen, dass das Gesundheitsamt seine Atteste schnell übermittle, oder ob bei diesem auftretende Verzögerungen nicht eher dem Prüfungsamt zuzurechnen sind, das den Prüfling darauf verwiesen hat, den Nachweis seiner Erkrankung über diese Behörde zu führen.

b) Auch der Vortrag der Beklagten zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) genügt nicht dem Darlegungsgebot. Die Beklagte führt dazu aus:

"Der Auslegung der Rücktrittsvorschriften kommt auch im Hinblick auf die bundesweit möglich Adaption dieser Auslegung in die Umsetzungspraxis des Landesprüfungsämter grundsätzliche Bedeutung zu."

Damit ("Die Auslegung ...") ist weder eine konkrete Rechtsfrage benannt, wie es für den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erforderlich ist, noch ist dargelegt, wieso es auf diese Auslegung hier entgegen der Auffassung des VG, das diese Auslegung gerade offen gelassen hatte, für die Entscheidung des Rechtsstreites überhaupt ankommen kann.

Ende der Entscheidung

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