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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 24.09.2009
Aktenzeichen: 14 A 1666/07
Rechtsgebiete: KAG, BSHG, SGB XII, BGB, Bestattungsgesetz NRW, Ordnungsbehördliche VO über das Leichenwesen


Vorschriften:

KAG § 4
KAG § 6
BSHG § 15
SGB XII § 74
BGB § 1968
Bestattungsgesetz NRW § 8
Ordnungsbehördliche VO über das Leichenwesen § 2
Die Regelungen über die Bestattungspflicht präjudizieren nicht die in anderen Vorschriften enthaltenen Regelungen über die Pflicht zur Tragung der Begräbniskosten.
Tatbestand:

Der Bruder der Klägerin wurde auf Veranlassung seiner Ehefrau eingeäschert und in einer Urnenwahlgrabstätte auf einem Friedhof der Stadt L. beigesetzt. Der Beklagte zog die Ehefrau zu Gebühren für den Erwerb des Nutzungsrechts an dem Urnenwahlgrab sowie für eine Urnenbestattung heran. Nach mehreren fruchtlosen Pfändungsversuchen und nachdem die Ehefrau des Verstorbenen die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, zog der Beklagte den Vater des Verstorbenen zur Begleichung der Gebühren heran, befreite ihn aber nach Vorlage von Belegen über seine Zahlungsunfähigkeit von der Zahlungspflicht. Daraufhin nahm der Beklagte die Klägerin für die Gebühren in Anspruch mit der Begründung, sie sei als Schwester zur Bestattung ihres Bruders verpflichtet und deshalb gemäß § 2 Abs. 1b der Friedhofsgebührensatzung der Stadt L. zur Gebührenzahlung verpflichtet, weil sie durch eine besondere Leistung der Friedhofsverwaltung unmittelbar begünstigt worden sei. Widerspruch und Anfechtungsklage blieben ohne Erfolg. Das OVG hat die Berufung der Klägerin zugelassen und den von ihr angefochtenen Gebührenbescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben.

Gründe:

Die Bescheide haben entgegen der Auffassung des VG in der Friedhofsgebührensatzung der Stadt L. keine Rechtsgrundlage.

1. Soweit der Beklagte seine Gebührenforderung ursprünglich auf § 2 "Abs. 1b" (einen Absatz 2 gibt es allerdings nicht) der Friedhofsgebührensatzung (FGS) der Stadt L. gestützt hat, folgt das daraus, dass diese Norm regelt, wer bei der Erhebung von Verwaltungsgebühren zahlungspflichtig ist. Gemäß § 4 Abs. 2 1. Alt. des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) vom 21.10.1969, GV. NRW. S. 712, in der Fassung des letzten Änderungsgesetzes vom 11.12.2007, GV. NRW. 2008 S. 8, sind Gebühren, die wie im Falle des § 2 lit. b FGS für besondere Leistungen der Verwaltung erhoben werden, Verwaltungsgebühren, die gemäß § 5 Abs. 1 KAG auch von demjenigen erhoben werden dürfen, der durch die Leistung der Verwaltung unmittelbar begünstigt wird. Derartige Gebühren werden mit den angefochtenen Bescheiden jedoch nicht festgesetzt, wie sich aus dem Folgenden ergibt.

2. Bei den vom Beklagten geltend gemachten Gebühren handelt es sich vielmehr um Benutzungsgebühren im Sinne von §§ 4 Abs. 2 2. Alt., 6 KAG. Sie werden als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der städtischen Einrichtung "Friedhof" durch den Erwerb des Nutzungsrechts an einem Urnenwahlgrab für den Bruder der Klägerin sowie für dessen Urnenbestattung erhoben.

Vgl. dazu Driehaus, KAG, Stand März 2009, § 6 Rdnr. 488a; Friedhofs- und Bestattungsgebühren, Bund der Steuerzahler NRW und Aeternitas e.V. (Hrsg.), 3. Aufl. 2006, S. 18, Rechtsgrundlage für deren Erhebung ist § 2 lit. a FGS, der gemäß § 2 Abs. 1 KAG für die Gebührenerhebung erforderlichen Gebührensatzung für die Friedhöfe der Stadt L. Danach ist gebührenpflichtig, wer selbst oder durch Dritte, deren Handeln ihm zuzurechnen ist, einen Friedhof der Stadt L. in Anspruch nimmt. Weder das eine noch das andere trifft für die Klägerin zu.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und der Kommentierung des Kommunalabgabengesetzes, OVG NRW, Beschlüsse vom 19.12.1986 - 2 A 179/85 -, DÖV 1987, 646, vom 23.2.1987 - 2 A 2394/85 -, DÖV 1987, 1115, und vom 27.2.2001 - 9 B 157/01 -, NVwZ-RR 2001, 596 (juris Rdnr. 6); Driehaus, a. a. O., § 6 Rdnr. 488d, setzt das Entstehen der Benutzungsgebührenpflicht für die Inanspruchnahme der gemeindlichen Einrichtung "Friedhof" neben einem tatsächlichen Verhalten entgegen der Auffassung des Beklagten ein Element der "Willentlichkeit" voraus. Das entspricht der Rechtsprechung des BVerwG, Urteil vom 1.12.2005 - 10 C 4.04 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 100 (juris Rdnr. 52); ebenso Driehaus, a. a. O., § 4 Rdnr. 25, wonach die von einer gemeindlichen Einrichtung vermittelte Leistung "individualisierend" zurechenbar sein muss.

Daran fehlt es hier. Als Auftraggeberin in Anspruch genommen hat die Leistung des Beklagten allein die Witwe des Verstorbenen. Die Bestattung ist auch nicht mit Wissen und Wollen der Klägerin erfolgt.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 13.3.1990 - 9 B 277/90 -, juris (Orientierungssatz); ebenso Hess. VGH, Beschluss vom 6.12.2000 - 5 UE 3224/99 -, KStZ 2001, 159 = ZKF 2001, 113, mit Anmerkung Schneider, VA 2001, 124.

Nach ihrem vom Beklagten nicht bestrittenen Vortrag hatte sie seit langem keinen Kontakt mehr zu ihrem Bruder und von dessen Tod erst nach seiner Beisetzung erfahren. Eine der Sachgestaltungen, in denen - etwa wegen des Bestehens einer Anschluss- und Benutzungspflicht - aus rechtlichen Gründen auch ohne tatsächliche Inanspruchnahme einer gemeindlichen Einrichtung deren Leistung als veranlasst anzusehen ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 1.12.2005, a. a. O. (juris Rdnrn. 47 ff.), oder aus tatsächlichen Gründen auf das Element der Willentlichkeit der Inanspruchnahme verzichtet werden kann, vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.6.1983 - 2 A 2212/82 -, OVGE 36, 264 (268 ff.), liegt ersichtlich nicht vor. Insbesondere war es nicht erforderlich, die Einrichtungen der Stadt L. zur Erfüllung der Bestattungspflicht in Anspruch zu nehmen.

Vgl. zum Ganzen bereits OVG NRW, Beschluss vom 25.6.2009 - 14 A 2636/07 -, Mitt NWStGB 2009, 261.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass die Veranlassung einer Bestattung grundsätzlich jedem Bestattungspflichtigen im Sinne von § 2 lit. a FGS zuzurechnen sei. Der Beklagte hat dafür keinen tragfähigen rechtlichen Anknüpfungspunkt genannt. Die von ihm genannte Entscheidung des BVerwG, Urteil vom 25.8.1999 - 8 C 12.98 -, BVerwGE 109, 272 (juris Rdnr. 22), befasst sich damit, ob die landesrechtlich geregelte Erhebung einer (Verwaltungs-)Gebühr von demjenigen, der eine Tätigkeit der Behörde nicht willentlich, aber in individuell zurechenbarer Weise veranlasst hat, gegen Bundesrecht verstoßen könnte. Die Entscheidung bietet keine Grundlage für die Annahme des Beklagten, dass es unabhängig von der landesrechtlichen Ausgestaltung einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts gibt, dass zu Benutzungsgebühren in gleicher Weise wie zu Verwaltungsgebühren herangezogen werden kann. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat die Kostenschuldnerschaft für Verwaltungs- und Benutzungsgebühren im KAG (§§ 5 und 6) - wie in anderen Gesetzen (vgl. §§ 13 und 28 des Gebührengesetzes NRW (GebG)) - ausdrücklich unterschiedlich geregelt.

Es gibt auch keine andere rechtliche Grundlage für die Auffassung des Beklagten, dass die Veranlassung der Bestattung allen nicht tätig gewordenen Bestattungspflichtigen in einer die Gebührenpflicht begründenden Weise zuzurechnen sei. Bei der Bestattungspflicht gemäß dem hier noch maßgeblichen § 2 Abs. 1 der ordnungsbehördlichen Verordnung über das Leichenwesen vom 3.12.2000, SGV. NRW. 2060, handelt es sich um eine ordnungsrechtliche Pflicht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.2.2001 - 5 C 8.00 -, BVerwGE 114, 57; OVG NRW, Beschluss vom 15.10.2001 - 19 A 571/00 -, OVGE 48, 228.

Erfüllt ein Bestattungspflichtiger diese Pflicht oder veranlasst eine nicht bestattungspflichtige private Person die Beisetzung, müssen andere Bestattungspflichtige nicht mehr tätig werden. Damit erschöpfen sich die Rechtsfolgen. Ob und mit wem zur Beisetzung ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis begründet wird, ist eine Angelegenheit der tätig werdenden Person und gegebenenfalls derjenigen Personen, in deren Auftrag sie tätig wird. Andere Bestattungspflichtige werden dadurch nicht berechtigt oder verpflichtet. Insbesondere präjudizieren die Regelungen über die Bestattungspflicht nicht die in anderen Vorschriften enthaltenen Regelungen über die Pflicht zur Tragung der Begräbniskosten.

Dass es sich bei der Begründung des Benutzungsverhältnisses auch aus der Sicht des Satzungsgebers um eine eigene Angelegenheit und nicht um ein Tätigwerden für alle anderen Bestattungspflichtigen handelt, lässt sich aus § 13 Abs. 4 der Bestattungs- und Friedhofssatzung der Stadt L. schließen. Diese Vorschrift stellt unter dort aufgeführten bestattungspflichtigen und nicht bestattungspflichtigen Personen eine zwingende Reihenfolge für das Recht auf, die Art der Grabstätte und damit einen wesentlichen Inhalt der Inanspruchnahme des Friedhofs zu bestimmen. Eine Wahlgrabstätte wie hier kann zudem gemäß § 16 Abs. 1 und 2 der Friedhofssatzung nur auf Antrag und nur an eine einzelne natürliche Person verliehen werden.

Die Besorgnisse des Beklagten über den Ausfall von Benutzungsgebühren, wenn die Gebührenpflicht nicht mit der Bestattungspflicht korrespondiert, sind unberechtigt, jedenfalls unbeachtlich. Sie sind unberechtigt, soweit er befürchtet, dass die Bestattungs- und Kostentragungspflicht dadurch umgangen werde, dass bei mehreren Bestattungspflichtigen mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der am wenigsten Leistungsfähige die Beisetzung in Auftrag gibt. Das ist bereits im Ausgangspunkt insoweit unzutreffend, als die Bestattungspflicht gerade nicht umgangen wird, wenn ein Bestattungspflichtiger die Beisetzung veranlasst. Im übrigen wird auch die Gebührenpflicht nicht umgangen, wenn das Tätigwerden des wirtschaftlich nicht Leistungsfähigen mit dem Wissen und Wollen von zahlungskräftigen Bestattungspflichtigen geschieht. Schließlich kann sich der Beklagte bei Zahlungsunfähigkeit des tätig gewordenen Bestattungspflichtigen den, gegebenenfalls anteiligen, Erstattungsanspruch gegen den Erben abtreten lassen. Dieser ist gemäß § 1968 BGB verpflichtet, die Kosten der Beerdigung zu tragen.

Die Frage, wer die Kosten einer nicht von einem Bestattungspflichtigen, sondern vom Beklagten gemäß § 2 Abs. 3 der Verordnung über das Leichenwesen veranlassten Beisetzung zu tragen gehabt hätte, stellt sich nicht. Denn für ein Tätigwerden des Beklagten war kein Raum, weil die Beisetzung durch die bestattungspflichtige Witwe veranlasst worden ist. Insoweit ergibt sich zwar aus § 2 Abs. 1 der genannten Verordnung, dass - anders als nach dem heute geltenden § 8 Abs. 1 Satz 1 Bestattungsgesetz NRW - der Beklagte hinsichtlich der Inanspruchnahme für die Kosten der Ersatzvornahme unter allen Bestattungspflichtigen nach seinem Ermessen hätte wählen dürfen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15.10.2001, a. a. O., und vom 31.3.2006 - 19 E 969/04 -, juris.

Das rechtfertigt es jedoch nicht, die ordnungsrechtliche Kostenerstattungspflicht und die Gebührenpflicht wegen der Begründung eines Benutzungsverhältnisses gleichzusetzen.

Auch die Erwägungen des Beklagten im Hinblick auf § 15 BSHG (heute § 74 SGB XII) führen nicht weiter. Dort kommt es auf die Frage an, wer verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen, und deshalb einen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger hat.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.10.1997 - 8 A 3515/95 -, NJW 1998, 2154.

Das hat mit der hier zu beurteilenden Sachlage deshalb nichts zu tun, weil es hier um die Frage geht, ob der Klägerin aufgrund der vom Beklagten geltend gemachten Gebühren Bestattungskosten entstehen. Bisher sind diese nur gegenüber der Witwe des Verstorbenen und dessen Vater bestandskräftig geltend gemacht worden, so dass nur diese die Kostenübernahme durch einen Träger der Sozialhilfe beanspruchen könnten. Der Umstand, dass ein zur Kostentragung Verpflichteter unter Umständen deshalb keinen sozialhilferechtlichen Übernahmeanspruch hat, weil er von anderen Kostenersatz verlangen kann, vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.3.2000, - 22 A 3975/99 -, DVBl. 2000, 1704, ist nicht geeignet, gegen diese anderen einen eigenen Anspruch des Beklagten auf Zahlung von Benutzungsgebühren zu begründen. Der Beklagte kann sich allerdings derartige Kostenersatzansprüche abtreten lassen.

Ende der Entscheidung

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