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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 14 A 2636/07
Rechtsgebiete: KAG NRW, GebG NRW, BestG NRW, BSHG


Vorschriften:

KAG NRW § 2
KAG NRW § 4
KAG NRW § 5
KAG NRW § 6
GebG NRW § 13
GebG NRW § 28
BestG NRW § 8
BSHG § 15
In der Regel kann nur derjenige, der Leistungen eines öffentlichen Friedhofs zurechenbar in Anspruch genommen hat, zur Zahlung der dafür zu entrichtenden Benutzungsgebühren herangezogen werden.
Tatbestand:

Die Mutter der Klägerin wurde auf Veranlassung der Schwester der Klägerin auf dem Hauptfriedhof der Stadt N. beigesetzt. Dafür hat der Beklagte Gebühren gegenüber der Schwester festgesetzt und erfolglos beizutreiben versucht. Nachdem der Beklagte die Klägerin als weitere Tochter der Verstorbenen ermittelt hatte, zog er sie zur Zahlung der Gebühren heran, weil sie als Erbin der Verstorbenen und als Bestattungspflichtige durch die Bestattung unmittelbar begünstigt worden sei. Nach der Friedhofsgebührensatzung sei sie deshalb gebührenpflichtig. Die Klägerin hat dagegen eingewandt, sie habe erstmals durch den Beklagten vom Versterben ihrer Mutter erfahren. Sie habe seit Jahrzehnten weder mit ihrer Mutter noch mit ihrer Schwester Kontakt gehabt. Sie habe den Erwerb der Reihengrabstätte und die Beisetzung nicht veranlasst. Das VG gab der Klage statt. Den Antrag des Beklagten lehnte das OVG ab.

Gründe:

Das VG hat der Klage stattgegeben, weil eine unmittelbare Begünstigung der Klägerin nur angenommen werden könne, wenn sie die öffentliche Einrichtung "Hauptfriedhof" wissentlich und willentlich in Anspruch genommen hätte. Das sei nicht der Fall. Die Klägerin habe vom Tode ihrer Mutter und von ihrem Begräbnis erst nachträglich erfahren. Sie habe deshalb weder Ort und Zeit noch sonstige Einzelheiten der Bestattung festlegen oder in Auftrag geben können. Die bürgerlich-rechtliche Pflicht als Erbin, die Beerdigungskosten zu tragen, bewirke keinen Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Einrichtung der Stadt N. für die Bestattung. Die vom Beklagten geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht gegeben.

Bei den vom Beklagten geltend gemachten Gebühren handelt es sich um Benutzungsgebühren i. S. v. §§ 4 Abs. 2 2. Alt., 6 KAG NRW. Sie werden als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der städtischen Einrichtung "Friedhof" durch den Erwerb einer Reihengrabstätte für die Mutter der Klägerin sowie für deren Erdbestattung und für die Benutzung der Trauerhalle und der Orgel erhoben.

Vgl. dazu Driehaus, KAG, Stand März 2009, § 6 Rdnr. 488a; Friedhofs- und Bestattungsgebühren, Hrsg. Bund der Steuerzahler NRW und Aeternitas e.V., 3. Aufl. 2006, S. 18.

Rechtsgrundlage ist die gemäß § 2 Abs. 1 KAG NRW für die Gebührenerhebung erforderliche Gebührensatzung für die Friedhöfe der Stadt N. vom 16.12.1999 (GebS). Nach deren § 2 ist gebührenpflichtig, "wer die Benutzung eines Friedhofs oder eine Verwaltungsleistung beantragt oder wer durch eine solche Leistung der Verwaltung unmittelbar begünstigt wird".

Der Beklagte geht davon aus, dass durch diese Vorschrift ein unmittelbar Begünstigter sowohl hinsichtlich Verwaltungs- als auch hinsichtlich Benutzungsgebühren zum Abgabenschuldner wird. Das erscheint nach dem Wortlaut der Satzung fraglich. Die Satzungsbestimmung differenziert nach Gebühren für die Benutzung und für Verwaltungsleistungen. Es liegt nahe, dass der Satzungsgeber mit dieser Begriffswahl an die gesetzliche Definition für Benutzungs- und Verwaltungsgebühren in § 4 Abs. 2 KAG NRW angeknüpft hat. Wenn sodann in der Alternative dieser Satzungsbestimmung die Abgabepflicht des "durch eine solche Leistung" unmittelbar Begünstigten statuiert wird, spricht Einiges dafür, dass sich das nur auf entstandene Verwaltungsgebühren beziehen soll. Mit diesem Verständnis stünde die Satzung insoweit jedenfalls im Einklang mit §§ 5 und 6 KAG NRW. In § 5 Abs. 1 KAG NRW wird die mögliche Abgabenpflicht eines unmittelbar Begünstigten nur für Verwaltungsgebühren ausdrücklich vorgesehen. Eine vergleichbare Regelung fehlt in § 6 KAG NRW für Benutzungsgebühren. Eine in dieser Weise differenzierende Regelung findet sich im Übrigen auch in anderen Landesgesetzen über die mögliche Kostenschuldnerschaft für Verwaltungs- und Benutzungsgebühren, vgl. §§ 13 und 28 GebG NRW. Es erscheint allerdings fraglich, ob die sich daraus ergebende Konsequenz für das Verständnis der Satzungsnorm dem Willen des Satzungsgebers entspricht, dass nämlich nur derjenige benutzungsgebührenpflichtig ist, der die Benutzung des Friedhofs beantragt hat. Darauf kommt es jedoch nicht an.

Denn wenn davon auszugehen ist, dass mit § 2 GebS die Kostenpflicht auch bezüglich Benutzungsgebühren auf "unmittelbar Begünstigte" erstreckt werden sollte, ist das VG zutreffend davon ausgegangen, dass die Bestimmung gesetzeskonform auszulegen ist mit der Folge, dass nur derjenige zu Benutzungsgebühren herangezogen werden kann, der eine gemeindliche Einrichtung in Anspruch genommen hat. Nach der vom VG im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des OVG NRW und der Kommentierung des Kommunalabgabengesetzes, OVG NRW, Beschlüsse vom 19.12.1986 - 2 A 179/85 -, DÖV 1987, 646, vom 23.2.1987 - 2 A 2394/85 -, DÖV 1987, 1115, und vom 27.2.2001 - 9 B 157/01 -, NVwZ-RR 2001, 596 (juris Rdnr. 6); Driehaus, a. a. O., § 4 Rdnr. 25 und § 6 Rdnr. 488d, setzt das neben einem tatsächlichen Verhalten ein Element der "Willentlichkeit" voraus. Das entspricht auch der Rechtsprechung des BVerwG, Urteil vom 1.12.2005 - 10 C 4.04 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 100 (juris Rdnr. 52), wonach die von der gemeindlichen Einrichtung vermittelte Leistung "individualisierend" zurechenbar sein muss.

Daran fehlt es hier. Als Auftraggeberin in Anspruch genommen hat die Leistung des Beklagten allein die Schwester der Klägerin. Die Bestattung ist auch nicht mit Wissen und Wollen der Klägerin erfolgt.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 13.3.1990 - 9 B 277/90 -, juris (Orientierungssatz).

Denn nach dem vom VG zugrunde gelegten und vom Beklagten mit Zulassungsgründen nicht angegriffenen Sachverhalt hat die Klägerin erst nachträglich durch den Beklagten vom Tode und von der Beerdigung ihrer Mutter erfahren. Eine der Sachgestaltungen, in denen aus rechtlichen Gründen auch ohne tatsächliche Inanspruchnahme einer gemeindlichen Einrichtung deren Leistung als veranlasst anzusehen ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 1.12.2005, a. a. O., juris Rdnr. 47 ff., oder aus tatsächlichen Gründen auf das Element der Willentlichkeit der Inanspruchnahme verzichtet werden kann, vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.6.1983 - 2 A 2212/82 -, OVGE 36, 264 (268 ff), liegt ersichtlich nicht vor. Insbesondere war es nicht erforderlich, die Einrichtungen gerade der Stadt N. zur Erfüllung der Bestattungspflicht in Anspruch zu nehmen.

Die Auffassung des Beklagten, dass das VG rechtsfehlerhaft nicht geprüft habe, ob sich die Gebührenpflicht aus § 8 BestG NRW ergebe, wäre nur dann geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils auszulösen, wenn diese Vorschrift Grundlage für die Gebührenpflicht sein könnte. Das ist nicht der Fall. § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW regelt, wer von den Angehörigen eines Verstorbenen bestattungspflichtig ist. Danach war die Klägerin neben ihrer Schwester gleichrangig bestattungspflichtig. Für die Annahme des Beklagten, dass sich aus der Bestattungspflicht die Pflicht zur Kostentragung "nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes" ergebe, fehlt eine nachvollziehbare Darlegung. Soweit er geltend machen will, dass die Klägerin zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme verpflichtet wäre, wenn er - der Beklagte - gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW die Bestattung durchgeführt hätte, sei es weil die Klägerin einer Ordnungsverfügung nicht Folge geleistet hätte oder aufgrund Sofortvollzugs, hat das mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nichts zu tun. Der Beklagte ist ordnungsbehördlich nicht tätig geworden. Dazu bestand auch kein Anlass, denn die Schwester hatte für die Bestattung Sorge getragen.

Auch die Erwägungen des Beklagten auf der Grundlage des Urteils des OVG NRW vom 14.3.2000 - 22 A 3975/99 -, DVBl. 2000, 1704, führen nicht weiter. Die dort entschiedene Frage, wer als zur Bestattung Verpflichteter im Sinne des § 15 BSHG anzusehen war und deshalb einen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger hatte, hat nichts mit der hier zu beurteilenden Sachlage zu tun. Denn diese hat zum Inhalt, ob der Klägerin aufgrund der vom Beklagten geltend gemachten Gebühren überhaupt erst Bestattungskosten entstehen. Bisher sind nur der Schwester der Klägerin derartige Kosten entstanden, so dass nur diese die Kostenübernahme durch einen Träger der Sozialhilfe beanspruchen könnte.

Die vom Beklagten als grundsätzlich i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufgeworfene Frage, "ob beim Versterben eines Angehörigen die Bestattungs- und damit die Kostentragungspflicht dadurch umgangen werden kann, dass beim Vorhandensein mehrerer Pflichtiger derjenige die Bestattung in Auftrag gibt, der mangels finanzieller Leistungsfähigkeit zur Übernahme der Kosten nicht verpflichtet werden kann, mit der Konsequenz, dass auch eventuell zahlungsfähige Angehörige nicht zahlen müssen", stellt sich nicht. Die Bestattungspflicht wurde nicht umgangen, sondern durch die ebenfalls pflichtige Schwester der Klägerin erfüllt. Die Zahlungspflicht für Benutzungsgebühren richtet sich nach dem oben Ausgeführten nicht allein danach, wer den Antrag gestellt hat, sondern danach, wer die Leistungen der gemeindlichen Einrichtung in zurechenbarer Weise in Anspruch genommen hat. Das trifft auf die Klägerin nicht zu. Im Übrigen hat der Beklagte nichts über die Zahlungskraft der Klägerin dargelegt, so dass auch nicht erkennbar ist, ob die von ihm befürchtete Konsequenz eintreten könnte, nämlich dass eine zahlungsfähige Angehörige nicht zahlen muss. Schließlich vermittelt allein die Behauptung, dass eine obergerichtliche Entscheidung zur Reichweite von § 8 BestG NRW fehle, der Sache keine grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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