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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: 14 A 2934/07
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 4 Nr. 21 a) bb)
1. Eine steuerlich privilegierte Leistung ist weiterhin als ordnungsgemäß im Sinne von § 4 Nr. 21 a) bb) UStG anzusehen, wenn sie

a) objektiv geeignet ist, der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung zu dienen,

b) von einem seriösen Institut erbracht wird und

c) die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besitzen.

2. Leistungen dienen unmittelbar im Sinne von § 4 Nr. 21 a UStG dem Schul- und Bildungszweck, wenn sie ihn nicht nur ermöglichen, sondern selbst bewirken. Dass die Ausbildung erforderlich im Sinne von geradezu zwingend erforderlich ist, ist nicht Voraussetzung.


Tatbestand:

Die Klägerin ist selbständige Inhaberin eines Tanzstudios mit den Bereichen Kindertanz, Jazztanz, Moderner Tanz und Gymnastik. Sie begehrt die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG für angebotene Kurse/Fächer Aerobic und Tänzerische Gymnastik. Das VG hat der hierauf gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Der klägerische Anspruch auf die beantragte Bescheinigung ergibt sich aus § 4 Nr. 21 a) UStG, wonach von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei sind. Voraussetzung ist nach der Regelung des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, dass die zuständige Landesbehörde, hier die Beklagte, bescheinigt, dass die Einrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet.

Demgemäß steht hier ausschließlich die Frage der "ordnungsgemäßen Vorbereitung" zur Entscheidung. Ob eine Schule/Einrichtung im Sinne der genannten Norm vorliegt, bedarf keiner Überprüfung. Diese Frage ist nicht Gegenstand der hier in Rede stehenden Bescheinigung.

Vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 3.12.1976 - VII C 73.75 -, juris, Rdnr. 22, m. w. N.; Offerhaus/Söhn/Lange, Umsatzsteuer, Kommentar, § 4 Nr. 21 UStG, Rdnr. 60.

Der Begriff der "ordnungsgemäßen Vorbereitung" ist in der Rechtsprechung des BVerwG geklärt. Ordnungsgemäß ist die steuerlich privilegierte Leistung dann, wenn sie a) objektiv geeignet ist, der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung zu dienen, b) von einem seriösen Institut erbracht wird und c) die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besitzen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.12.1976, a. a. O., Rdnr. 18; Offerhaus/Söhn/Lange, a. a. O., Rdnr. 56 a.

Dass diese Kriterien in Folge des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 sich geändert haben könnten, ist nicht festzustellen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drs. 14/265, auf die die Beklagte hinweist. Zunächst wird in der Begründung zu Nummer 3 (§ 4), S.198, einleitend darauf hingewiesen, dass es sich - lediglich - um redaktionelle Folgeänderungen der Neuregelung der Eigenverbrauchsbesteuerung handelt. Unter dem Abschnitt zu Buchstabe d (Nr. 21) ist zwar ausgeführt, die Neufassung des § 4 Nr. 21 beschränke die Umsatzsteuerbefreiung für Unterrichtsleistungen durch Einzelunternehmen auf das EG-rechtlich notwendige Maß. Die derzeit geltende weitergehende Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen einzelner Personen führe zu einer unangemessenen Ausdehnung der von der Umsatzsteuer befreiten Leistungen. Sodann wird aber klargestellt, hierbei handele es sich insbesondere um die im Verwaltungswege (Abschn. 112a UStR) gewährte Umsatzsteuerbefreiung für Einzelunternehmer, die an Ergänzungsschulen oder anderen allgemein- oder berufsbildenden Einrichtungen Unterricht erteilten. Damit betrifft die Gesetzesänderung den hier nicht zur Entscheidung stehenden Begriff der Schule/Einrichtung. Dass damit gleichzeitig eine einschränkende Auslegung des bei der hier in Rede stehenden Bescheinigung geltenden Prüfungsmaßstabes und damit letztlich auch deren Inhalts verbunden sein sollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.

Auch der Hinweis in den Gesetzesmaterialien auf das EG-Recht gibt nichts für eine Änderung der genannten, vom BVerwG aufgestellten Kriterien her. Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Steuer. In der Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom 23.8.2007 - V R 10/05 -, juris, Rdnrn. 43 und 44, unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 14.6.2007 - C- 445/04 -, der sich der Senat anschließt, ist geklärt, dass sich der gemeinschaftsrechtliche Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" dieser Vorschrift nicht auf Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt. Er schließt vielmehr (auch) andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten lässt sich aus dem Begriff "unmittelbar" in § 4 Nr. 21 a) UStG nichts dafür herleiten, die Ausbildung müsse erforderlich im Sinne von geradezu zwingend erforderlich sein. Das Merkmal der "Unmittelbarkeit" bezieht sich nicht auf den Inhalt der Leistungen, die nach dem Gesetzeswortlaut zur Überprüfung der Verwaltungsbehörde stehen, sondern beschreibt die Art und Weise, in der Leistungen bei der Erfüllung des Zwecks der Einrichtung eingesetzt werden müssen. Danach dienen nur solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken.

Vgl. BFH, Urteile vom 3.5.1989, - V R 83/84 -, juris, Rdnr. 11 und vom 23.8.2007, a. a. O, Rdnr. 40.

Dementsprechend scheiden zum Beispiel die von beauftragten selbstständigen Dozenten erbrachten Unterrichtsleistungen von der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 21 b) bb) UStG aus.

Vgl. BFH, Urteil vom 23.8.2007, a. a. O., Rdnr. 41.

Im Übrigen dienen auch solche Leistungen nicht unmittelbar, durch die sich die Schule Geldmittel verschafft, selbst wenn sie nur erbracht werden, damit die Schule ihren Bildungszweck damit finanzieren kann.

Vgl. Offerhaus/Söhn/Lange, a. a. O., Rdnr. 62.

Für die Frage, in welchem Verhältnis die von der Schule oder Einrichtung erbrachten Vorbereitungsleistungen zu einem möglichen späteren Beruf oder zu einer Prüfung stehen müssen, gibt der Begriff "unmittelbar" somit nichts her.

Soweit es die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG betrifft, hängt im Hinblick auf die erforderliche Vergleichbarkeit mit den staatlichen Bildungseinrichtungen die Feststellung der ordnungsgemäßen Vorbereitung im Wesentlichen von der Qualifikation der Lehrkräfte ab.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6.2.2006 - 14 A 2086/03 -, juris, Rdnr. 27.

Anhaltspunkte, die Qualifikation im vorliegenden Fall in Zweifel zu ziehen, sind nicht ersichtlich und auch von der Beklagten nicht vorgetragen.

Gleiches gilt für die Frage, ob es sich bei der Einrichtung der Klägerin um ein seriöses Institut im Sinne der o. a. vom BVerwG entwickelten Kriterien handelt.

Die in Rede stehenden Kurse in den Fächern Aerobic und Tänzerische Gymnastik dienen auch nach ihrem Inhalt der Vorbereitung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung. Zwar sind private Bildungseinrichtungen grundsätzlich nicht verpflichtet, nur solche Unterrichtsleistungen anzubieten, die der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung dienen. Sie können vielmehr neben der Ausbildung auch andere Kurse anbieten, die nicht der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung dienen, sondern in den Hobbybereich fallen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6.2.2006, a. a. O., Rdnr. 24.

Einen lediglich hobbymäßigen Inhalt weisen die von der Klägerin angebotenen Kurse in Aerobic und Tänzerischer Gymnastik nicht auf. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, bei der Aufnahme von neuen Kursteilnehmern werde nach dem bereits vorhandenen Ausbildungsstand und nach den von ihnen gewünschten Ausbildungszielen gefragt. Dementsprechend werde der jeweilige Ausbildungsinhalt der Kurse auf die Teilnehmer entsprechend ihren individuellen Vorgaben abgestimmt. Die Teilnehmer würden im Rahmen der Kurse entsprechend betreut. Gegebenenfalls würden auch die Kurse nach den Vorgaben der Teilnehmer zusammengestellt. Damit bemisst sich der Inhalt der Kurse nicht lediglich an einer im wesentlichen gleichartigen hobbymäßigen (Basis-)Ausbildung oder Freizeitgestaltung, ohne dass eine Differenzierung im Hinblick auf die einzelnen Kursteilnehmer erfolgte. Anhaltspunkte, dass in Folge der Berücksichtigung der individuellen Vorgaben eine Aufspaltung in reine Hobbykurse einerseits und berufs- oder prüfungsvorbereitende Kurse andererseits erfolgt sein könnte, sind nicht ersichtlich. Anlass, dieser Frage nachzugehen, sieht der Senat daher nicht.

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