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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 14 A 2973/02
Rechtsgebiete: GO NRW


Vorschriften:

GO NRW § 41 Abs. 1 Buchst. f) Anlage 1 zur LHV NRW
1. Wird in einer kommunalen Satzung auf die Regelungen eines anderen Normgebers "in der jeweils geltenden Fassung" verwiesen (dynamische Fremdverweisung), verstößt das gegen das Übertragungsverbot des § 41 Abs. 1 Buchst. f) GO NRW, wenn weder aus der verweisenden Norm selbst, noch aus der Struktur der Regelungen, auf die verwiesen wird, eine für den Rat erkennbare Begrenzung der potentiellen Rückwirkungen von Änderungen der Bezugsregelung gewonnen werden kann.

2. Eine kommunale Hundesteuersatzung, die zur Bestimmung von als gefährlich bewerteten Hunden, für deren Halten eine erhöhte Hundesteuer erhoben wird, ohne eigene Regelung auf die Rassenliste der Anlage 1 der Landeshundeverordnung NRW vom 30.6.2000 "in der jeweils geltenden Fassung" verwies, verstieß gegen § 41 Abs. 1 Buchst. f) GO NRW und war insoweit unwirksam.


Gründe:

Der Bescheid des Beklagten über die Heranziehung der Klägerin zur erhöhten Hundesteuer ist rechtswidrig, weil er sich nicht auf eine wirksame Rechtsgrundlage stützen kann. § 2 Abs. 2 der Hundesteuersatzung (HS), soweit er durch Verweisung auf die Anlage 1 zur Landeshundeverordnung NRW die Höherbesteuerung von Hunden, darunter von American Staffordshire Terriern regelt, verstößt gegen übergeordnetes Landesrecht, nämlich § 41 Abs. 1 Buchst. f) GO NRW.

Bei der Regelung des § 2 Abs. 2 HS handelt es sich, auch soweit sie keine eigene Bestimmung der Hunde enthält, für die die erhöhte Hundesteuer erhoben wird, sondern auf § 2 LHV NRW und auf die Rassenliste in Anlage 1 der Landeshundeverordnung NRW "in der jeweils geltenden Fassung" verweist, um eine Regelung durch kommunale Satzung. Denn bei Verweisungen auf eine andere rechtliche Regelung, auch soweit diese einen von der verweisenden Norm abweichenden rechtlichen Charakter hat, werden die in Bezug genommenen Regelungen nicht nur inhaltlich, sondern auch nach Rang und Geltungskraft in die verweisende Norm integriert.

Vgl. BVerfG, Beschl. vom 1.3.1978 - 1 BvR 786/70 u.a. -, BVerfGE 47, 285 (309 f.) = NJW 1978, 1475 (1476); Clemens, AöR 111 (1978), 63 (65); Arndt, JuS 1979, 784 f.

Die Verweisung in § 2 Abs. 2 HS steht aber in Widerspruch zu § 41 Abs. 1 Buchst. f) GO NW. Danach kann der Rat der Gemeinde die Entscheidung über den Erlass, die Änderung und die Aufhebung von Satzungen und sonstigen ortsrechtlichen Bestimmungen nicht übertragen. Dies aber ist hier - in verdeckter Weise - mit der Verweisung des § 2 Abs. 2 HS auf die Regelungen der Landeshundeverordnung NRW geschehen.

Bei statischen Verweisungen, bei denen eine bestimmte Fassung der in Bezug genommenen Rechtsnorm in die verweisende Norm integriert wird, haben spätere Änderungen der Norm, auf die verwiesen wird, keine Rückwirkung auf die verweisende Norm. Demgegenüber bewirken dynamische Verweisungen stets, dass der Inhalt der verweisenden Norm durch die Änderung der Regelungen, auf die verwiesen wird, ebenfalls verändert wird. Dennoch sind dynamische Verweisungen in Gesetzen und Rechtsverordnungen von der Rechtsprechung und Lehre als zulässig angesehen worden, nicht nur für den unproblematischen Fall, dass der Normgeber für die verweisende und die in Bezug genommene Regelung derselbe ist (Binnenverweisung), sondern - in engen Grenzen - auch für Fälle, in denen über die Ausgestaltung der in Bezug genommenen Regelung ein anderer entscheidet (Fremdverweisung).

Vgl. den Überblick über die verschiedenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe bei Clemens, a.a.O., S. 100 ff.

In welchem Maße das Verbot des § 41 Abs. 1 Buchst. f) GO NRW, Rechtsetzungsbefugnisse des Rates zu übertragen, dennoch dynamische Fremdverweisungen in kommunalen Satzungen zulässt, bedarf hier keiner abschließenden Prüfung. Denn jedenfalls dann, wenn der Inhalt dessen, was durch die Änderungen der in Bezug genommenen Regelung in das Ortsrecht integriert würde, nicht mehr als vom rechtsetzenden Willen des Rates erfasst anzusehen ist, schließt das Übertragungsverbot dynamische Verweisungen aus. Dies ist dann anzunehmen, wenn weder aus der verweisenden Norm selbst, noch aus der Struktur der Regelungen, auf die verwiesen wird, eine für den Rat erkennbare Begrenzung der potentiellen Rückwirkungen von Änderungen der Bezugsregelung gewonnen werden kann. Demgegenüber können eng begrenzte mögliche Rückwirkungen, weil vom Rat bereits bei Erlass der Verweisungsnorm in ihrem potentiellen Umfang erkannt, je nach Sachlage als (antizipiert) in seinen Rechtsetzungswillen aufgenommen bewertet werden.

Die dynamische Verweisung des § 2 Abs. 2 HS auf die Liste der Anlage 1 zur Landeshundeverordnung NRW zur Bestimmung der höher besteuerten Hunde gehört nicht zu denen, bei denen der Rat absehen konnte, in welcher Weise der Verordnungsgeber diese künftig gestalten werde.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Rassenliste der Anlage 1 zur Landeshundeverordnung NRW zu einer neuen Regelung gehörte, mit der erstmals ein von der individuellen Gefährlichkeit eines Hundes absehendes, allein auf ein für diese Rassen vermutetes "Potenzial zur Erzeugung aggressiver Hunde" (so I. 2.3 der Verwaltungsvorschriften zur Landeshundeverordnung NRW - MBl. NRW 2000, 1558) abstellendes Zuchtverbot eingeführt wurde. Ob diese Liste in der ursprünglichen Form beibehalten oder verändert würde, hing ab von den vom Verordnungsgeber verfolgten präventiven Zielen der Gefahrenabwehr und den diese Ziele beeinflussenden künftigen Erkenntnissen und Wertungen, die für den örtlichen Satzungsgeber nicht vorhersehbar waren. Die Ermächtigungsnorm des § 26 Abs. 1 OBG NRW, aufgrund derer die Landeshundeverordnung NRW ergangen ist und die allein und allgemein auf die Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abstellt, bot ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte dafür, in welcher Weise und in welchem Umfang die Liste der Anlage 1 zur Landeshundeverordnung NRW vom Verordnungsgeber beibehalten oder modifiziert werden würde. Die Bestimmung, für das Halten welcher Hunde allein aufgrund ihrer Rasse und unabhängig von der individuellen Gefährlichkeit der Höchststeuersatz des § 2 Abs. 2 HS erhoben werden sollte, hat der örtliche Satzungsgeber deshalb in der Sache letztlich dem Verordnungsgeber des Landes überlassen, ohne übersehen und in seinen Willen aufnehmen zu können, in welcher Weise und in welchem Umfang dessen künftige Rechtsgestaltungen auf die gemeindliche Hundesteuersatzung zurückwirken würden. Zwar ist es formal der Rat der Stadt N. gewesen, der alle Bestimmungen der Hundesteuersatzung getroffen hat; in der Sache hat er jedoch - entgegen § 41 Abs. 1 Buchst. f) GO NRW - die Regelungsmacht für den Steuertatbestand der nach Rassenmerkmalen höher zu besteuernden Hunde auf den Verordnungsgeber des Landes übertragen.

Der vom Beklagten hervorgehobene Gesichtspunkt, dass der kommunale Satzungsgeber schnell reagieren könne, wenn in der Bezugsnorm einschlägige, auf die Satzung rückwirkende Änderungen vorgenommen würden, rechtfertigt keine andere Sichtweise. Er ist schon in praktischer Hinsicht nicht überzeugend. Denn der kommunale Satzungsgeber kann genauso schnell reagieren, wenn er bei einer statischen Verweisung der Änderung einer Bezugsnorm folgen will. Vor allem aber gilt: Dass das Rechtsetzungsverfahren, mit dem sich der Rat der Gemeinde von den Wirkungen einer dynamischen Verweisung, die er nicht hinnehmen will, wieder abkoppeln kann, schneller und einfacher durchzuführen ist als das eines parlamentarischen Gesetzgebers, ändert nichts daran, dass er zunächst weitgehend die Rechtsetzung einem anderen überlassen hat. Die leichte Behebbarkeit eines Verstoßes gegen § 41 Abs. 1 Buchst. f) GO NRW nimmt dem Verstoß nicht den Charakter des Verstoßes.

Soweit das VG die Unwirksamkeit der in der Satzung enthaltenen dynamischen Verweisung auf die Rasselisten der Landeshundeverordnung NRW mit der Begründung verneint hat, diese Listen seien nicht verändert worden, und eine künftige Teilnichtigkeit nur für den Fall einer künftigen Erweiterung der Rasselisten durch den Verordnungsgeber angenommen hat, kann dem nicht gefolgt werden. Der zur Unwirksamkeit der verweisenden Regelung des § 2 Abs. 2 HS führende Rechtsverstoß liegt in der verdeckten, der Gemeindeordnung widersprechenden Übertragung von örtlichen Rechtsetzungsbefugnissen auf den Landesverordnungsgeber. Dieser Rechtsmangel haftet der Satzung seit ihrem Inkrafttreten und nicht erst von dem Zeitpunkt an, in dem der Verordnungsgeber eine auf die Satzung zurückwirkende Rechtsänderung vornimmt.

Ende der Entscheidung

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