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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 16.02.2004
Aktenzeichen: 14 A 548/04.A
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 53 Abs. 6
AuslG § 54
Es ist weder nach der Zahl der Erkrankten noch nach der Art der Erkrankung erkennbar, dass Personen, die durch Kriegs- und Bürgerkriegserlebnisse im Kosovo psychisch traumatisiert sind, eine Bevölkerungsgruppe im Sinne § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG darstellen.
Tatbestand:

Das VG hat auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihres persönlichen Erlebens im Kosovo unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und von einer "sehr ernst zu nehmenden suizidalen Gefährdung" für den Fall auszugehen ist, dass sie in ihr Heimatland zurückkehren muss, und ist deshalb von einem Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ausgegangen. Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG), ob die seit 1991 durch Bürgerkrieg oder Krieg traumatisierten Personen aus dem Kosovo, bei denen es sich um eine große Zahl handele, eine Bevölkerungsgruppe im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG bilden. Der Zulassungsantrag der Beklagten hatte jedoch keinen Erfolg.

Gründe:

Selbst wenn feststünde, dass es eine nennenswerte Zahl posttraumatisch Erkrankter gibt, würde sich die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht in der formulierten Breite in einem Berufungsverfahren stellen. Denn für die Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG und die insoweit sich aus Satz 2 dieser Vorschrift ergebende Begrenzung kommt es allein auf solche Erkrankungen an, bei denen bei einer Abschiebung die in dieser Vorschrift genannten Gefahren bestehen. Der Senat hat angesichts des vielfältigen Symptombildes der posttraumatischen Belastungsstörung, vgl. etwa die Darstellung in Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, 2002, keine Anhaltspunkte dafür, dass in jedem Fall davon auszugehen ist, dass die Rückkehr in das Kosovo Gefahren erwarten lässt, die die Notwendigkeit von Abschiebungsschutz begründen. Es liegt in der Natur einer psychischen Erkrankung, die auf von vielen Menschen in gleicher oder ähnlicher Weise erlebten Ereignissen beruht, dass sie nicht allein durch diese Ereignisse entsteht, sondern vielmehr in der Individualität des Erlebenden ihre Ursache hat. Deshalb ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass Personen, die als Folge individueller Kriegsereignisse traumatisiert sind, keine Bevölkerungsgruppe im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG darstellen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.11.1999 - 19 B 1599/98 -.

Dieser Individualität der Krankheitsentstehung und -ausbildung entspricht es, dass das VG im vorliegenden Fall auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens eine erhebliche Suizidalität für den Fall der Rückkehr ins Heimatland und damit eine Komplikation des klinischen Krankheitsbildes festgestellt hat. Unter Zugrundelegung dieser Sachlage und den nicht angegriffenen Feststellungen des VG zum Krankheitszustand der Klägerin lässt sich den Darlegungen der Beklagten keine rechtlich grundsätzliche oder in tatsächlicher Hinsicht verallgemeinerungsfähige Frage entnehmen, die in einem Berufungsverfahren zu klären wäre. Insbesondere kommt es nicht auf Erwägungen an, die das VG seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat und nach seiner Rechtsauffassung auch nicht zugrunde legen musste, nämlich, ob die Erkrankung der Klägerin im Kosovo oder in anderen Gebietsteilen von Serbien und Montenegro ausreichend behandelt werden kann und ob für die Klägerin die hinreichend reale Möglichkeit besteht, diese Behandlung zu erlangen.

Vgl. insoweit - auch im Hinblick auf die Beurteilung der Allgemeinheit der Gefahr unzureichender medizinischer Versorgung - BVerwG, Urteil vom 12.7.2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1, und Beschluss vom 29.4.2002 - 1 B 59.02 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60.

Dabei weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass es bei der Differenzierung von Abschiebungshindernissen nach solchen, die gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 oder aber gemäß § 54 AuslG zu berücksichtigen sind, nicht darum geht, ob "erhöhter" Abschiebungsschutz zu gewähren ist, sondern nur, wer über die Gewährung von Abschiebungsschutz zu entscheiden hat.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.2.2000 - 9 B 65.00 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 30.

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