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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: 15 A 1065/04
Rechtsgebiete: GemHVO, VOB/A, VwVfG NRW


Vorschriften:

GemHVO § 31 Abs. 2
VOB/A § 24
VOB/A § 25
VwVfG NRW § 36 Abs. 2 Nr. 4
VwVfG NRW § 39
VwVfG NRW § 48 Abs. 4 Satz 1
VwVfG NRW § 49
VwVfG NRW § 49a
1. Die mit einem Zuwendungsbescheid verbundene Bestimmung des § 3 ANBest-G (Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gemeinden), wonach bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten sind, ist eine Auflage i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW.

2. Zum sogenannten Verhandlungsverbot i.S.v. § 24 VOB/A.

3. Führt die technische Änderung eines Bauvorhabens zu einer Reduzierung des Angebotspreises um mehr als 10 Prozent, so handelt es sich grundsätzlich nicht mehr um eine technische Änderung geringen Umfangs i.S.v. § 24 Nr. 3 VOB/A.


Tatbestand:

Mit Bescheid vom 29.8.1991 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Zuwendung in Höhe von 600.000 DM zur Durchführung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen. Bestandteil dieses Bescheides waren die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gemeinden (ANBest-G). Nach Nr. 3 der ANBest-G sind die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks zu beachten. Im März 1992 wurde die Verkehrsberuhigungsmaßnahme ausgeschrieben. Sie umfasste nach der Leistungsbeschreibung u.a. das Aufnehmen von 1.900 to bit/teerhaltiger Deckschicht in einer Stärke bis 10 cm und deren Abfuhr auf eine Sondermülldeponie. Vor Erteilung des Auftrags an die Firma F. als günstigster Bieterin wies eine Bietergemeinschaft, die das nächst günstige Angebot abgegeben hatte, die Klägerin auf die Möglichkeit hin, die aufgenommene Deckschicht in zementgebundener Form als Unterbau der neu herzustellenden Straße wieder einzubauen. Gleichzeitig reduzierte die Bietergemeinschaft ihr Preisangebot unter das der Firma F. Daraufhin trat die Klägerin zur Erkundung alternativer Verwendungsmöglichkeiten des Aushubmaterials mit den anderen Bietern in Verbindung. Die Firma F. unterbreitete erneut das günstigste Angebot. Nach einem Beschlussentwurf für die Sitzung des Hauptausschusses vom 11.5.1992 sollte die Firma F. den Auftrag erhalten. Am selben Tag ging bei der Klägerin ein Schreiben der Bietergemeinschaft ein, nach dem diese in der Lage war, die teerhaltige Deckschicht zu recyclen und auf einem anderen Grundstück wieder einzubauen. Der nunmehr genannte Angebotspreis lag unter dem der Firma F. Nachdem die Bietergemeinschaft den Auftrag erhalten und die Arbeiten durchgeführt hatte, widerrief die Beklagte die der Klägerin insgesamt gewährte Landeszuwendung in Höhe eines Teilbetrags von 129.674,46 DM, verlangte die Erstattung dieses Teilbetrags und ordnete die Verzinsung dieser Summe mit 3 % über dem jeweiligen Diskontsatz an. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hob das VG den angefochtenen Bescheid auf. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte Erfolg.

Gründe:

Der angefochtene Bescheid der Beklagten hat seine Rechtsgrundlagen in §§ 49 Abs. 3 Nr. 2, 49a Abs. 1 und 3 VwVfG NRW. Es steht der Anwendbarkeit dieser Bestimmungen nicht entgegen, dass sie erst auf Grund des Art. 1 Nrn. 6 und 7 des 3. Gesetzes zur Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer verwaltungsrechtlicher Vorschriften (GV. NRW. 1992, S. 446) und damit erst nach Erlass des widerrufenen Zuwendungsbescheides in Kraft getreten sind. Denn nach Art. 10 Abs. 2 des genannten Änderungsgesetzes finden die Regelungen in Art. 1 Nrn. 6 und 7 auch auf Bescheide über Zuwendungen Anwendung, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen worden sind. Dies verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot.

Vgl. für eine frühere Änderung des § 49 VwVfG: OVG NRW, Urteil vom 4.11.1993 - 4 A 3488/92 -, StGR 1994, 285.

Soweit der Zuwendungsbescheid vom 29.8.1991 durch den angefochtenen Bescheid teilweise aufgehoben wird, ist § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW einschlägig.

Die formelle Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte sich zu dessen Begründung auf § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW erst im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens berufen hat. Dieses Vorgehen verstößt nicht gegen § 39 Abs. 1 VwVfG NRW, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist, in der die wesentlichen tatsächlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Denn die Beklagte hatte den angefochtenen Bescheid mit einer dementsprechenden Begründung versehen. Dass in dieser Begründung unzutreffend auf § 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG NRW als Widerrufsgrundlage abgestellt worden war, ist im Rahmen des § 39 Abs. 1 VwVfG NRW unerheblich. Denn danach sind nur die nach Auffassung der Behörde maßgeblichen Gründe mitzuteilen, mögen diese auch objektiv unzutreffend sein.

Vgl. Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 6. Aufl. 2001, § 39 Rn. 11a, m.w.N.

Nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW darf ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige Geldleistung zur Erreichung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht erfüllt hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der rechtmäßig ergangene Zuwendungsbescheid der Beklagten vom 29.8.1991, durch den eine einmalige zweckgebundene Geldleistung an die Klägerin gewährt worden ist, war mit einer Auflage verbunden, die die Klägerin nicht erfüllt hat. Eine derartige Auflage ist die Regelung in Nr. 3 der ANBest-G, die nach Teil II des Zuwendungsbescheides dessen Bestandteil sind. Gemäß Nr. 3 ANBest-G sind bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten. Damit nimmt Nr. 3 ANBest-G Bezug auf § 31 Abs. 2 GemHVO NRW, wonach bei der Vergabe von Aufträgen die Vergabegrundsätze anzuwenden sind, die das Innenministerium bekannt gibt. Nach dem insoweit im Zeitpunkt der streitigen Vergabeentscheidung maßgeblichen Runderlass des Innenministeriums vom 31.8.1991 - III b 3 - 7/6002-988/91 -, MBl. NRW 1991, S. 1590, gelten als Vergabegrundsätze u.a. die Teile A und B der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) in der Fassung der Anlagen 1 und 2 des Gem. RdErl. d. Ministers für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr v. 17.2.1989 -, MBl. NRW 1989, S. 273.

Vgl. zur Zulässigkeit der in § 31 Abs. 2 GemHVO NRW enthaltenen Verweisung auf eine Verwaltungsvorschrift: BVerwG, Beschluss vom 15.3.1989 - 7 B 108.88 -, NVwZ 1989, 377 ff.

Die Regelung in Nr. 3 ANBest-G ist eine Auflage i.S.v. §§ 49 Abs. 3 Nr. 2, 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW, denn durch sie wird dem Begünstigten ein bestimmtes Tun, nämlich die Beachtung der Bestimmungen der VOB/A und VOB/B bei der Vergabe vorgeschrieben. Entgegen der Annahme des VG handelt es sich nicht lediglich um einen unerheblichen Hinweis auf nach anderen Regelungen (hier § 31 GemHVO) ohnehin bestehende rechtliche Pflichten der Klägerin. Ob eine Erklärung einer Behörde ein Verwaltungsakt darstellt oder lediglich einen unverbindlichen Hinweis, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist entsprechend § 133 BGB darauf abzustellen, wie die Erklärung von ihrem Adressaten bei verständiger Würdigung zu verstehen ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.10.2004 - 15 A 4023/02 - m. w. N. ; Stelkens, a.a.O., § 35 Rn. 43, m.w.N.

Insoweit spricht bereits die einleitende Formulierung der dem Zuwendungsbescheid beigefügten Anlage "Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gemeinden (GV) (ANBest-G)" dafür, dass die Regelung in Nr. 3 ANBest-G eine Auflage ist. Nach der angesprochenen einleitenden Formulierung enthalten die ANBest-G nämlich Nebenstimmungen (Bedingungen und Auflagen) i.S.d. § 36 VwVfG NRW sowie notwendige Erläuterungen. Die auf ein striktes selbstständiges Verhaltensgebot abzielende und sich gerade nicht auf einen bloßen Hinweis auf anderweitig bereits begründete Pflichten beschränkende Formulierung der Nebenbestimmung "... sind zu beachten", legt ein Verständnis als "notwendige" Erläuterung fern. Hiergegen spricht auch das bei der Klägerin als Zuwendungsempfängerin ohne weiteres erkennbare Interesse der Beklagten, an eine vergaberechtswidrige Verwendung der Mittel möglichst weitgehende Konsequenzen knüpfen zu können, nämlich den Widerruf des Bescheides wegen eines Auflagenverstoßes. Im Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheides war ein solcher Widerruf bei einem Auflagenverstoß nicht nur nach § 49 Abs. 2 VwVfG NRW mit Wirkung für die Zukunft zulässig, sondern nach haushaltsrechtlichen Vorschriften auch mit Wirkung für die Vergangenheit.

Vgl. § 8 Abs. 4 des HaushaltsG NRW (für das Haushaltsjahr 1991 Gesetz vom 30.4.1991, GV. NRW. S. 206, 209).

Dementsprechend ist eine § 3 ANBest-G entsprechende Nebenbestimmung auch vom BVerwG und vom Bay. VGH als Auflage verstanden worden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.1.2001 - 8 C 8.00 -, BVerwGE 112, 360, 361,364; Bay. VGH, Urteile vom 18.11.1999 - 4 B 98.3534 -, BayVBl. 2000, 248 f., und vom 23.10.1996 - 4 B 95.1027 -, NJW 1997, 2255 f.

Die hiermit gegebene Auflage, die Bestimmungen der VOB/A zu beachten, hat die Klägerin nicht erfüllt. Die Beauftragung der Bietergemeinschaft durch die Klägerin mit Schreiben vom 25.5.1992 verstößt gegen § 25 Nr. 1 Abs. 1a VOB/A. Nach dieser Bestimmung werden Angebote ausgeschlossen, die im Eröffnungstermin dem Verhandlungsleiter bei Öffnung des ersten Angebots nicht vorgelegen haben. Das - von der Klägerin angenommene - Angebot der Bietergemeinschaft vom 11.5.1992 war danach ausgeschlossen, weil es der Klägerin erst nach dem Eröffnungstermin, der am 26.3.1992 stattfand, unterbreitet wurde. Die Rechtsfolge des § 25 Nr. 1 Abs. 1a VOB/A ist zwingend. Sie soll gewährleisten, dass alle Anbieter gleich behandelt werden. Dies wäre nicht der Fall, wenn ein Bieter einen ungerechtfertigten Zeitvorteil erhielte und ggf. nachträglich noch den Inhalt der Angebote anderer Bieter berücksichtigen könnte, indem er z.B. den Eröffnungstermin abwartet und sein Angebot nachbessert. Das gilt auch, wenn - wie hier - lediglich einzelne Teile eines an sich rechtzeitig eingegangenen Angebots geändert bzw. ergänzt werden. Solche Ergänzungen und Änderungen sind ebenfalls unzulässig.

Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A-Kommentar, § 25 VOB/A Rn. 11.

An dieser Bewertung ändert es nichts, dass dem geänderten Angebot der Bietergemeinschaft Verhandlungen der Klägerin mit allen Bietern nach dem Eröffnungstermin vorausgegangen waren. Dementsprechende Verhandlungen bei Ausschreibungen sind nach der VOB/A - wie § 24 VOB/A zeigt - grundsätzlich verboten. § 24 VOB/A ergänzt die Regelungssystematik der Bestimmungen der VOB/A, indem er verhindert, dass der Auftraggeber die einmal gewählte Vergabeart stillschweigend wechselt und von einer Ausschreibung zu einer freihändigen Vergabe bzw. in ein Verhandlungsverfahren übergeht. Die Vorschrift konkretisiert damit den Wettbewerbsgrundsatz des § 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 VOB/A. Durch das Verbot, mit den Bietern nach Angebotsabgabe insbesondere über die Preise zu verhandeln, werden Manipulationsmöglichkeiten der Auftraggeber unterbunden und es wird zum Schutz der Bieter ein fairer Wettbewerb gesichert.

Vgl. OLG Celle, Urteil vom 9.5.1996 - 14 U 21/95 -, ZfBR 1997, 40; OLG Nürnberg, Urteil vom 15.1.1997 - 4 U 2299/96 -, NJW-RR 1997, 854 f.

Das Bekenntnis zum Wettbewerbsgrundsatz belegt, dass die Bestimmungen der VOB/A entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ausschließlich dem Interesse des Auftraggebers an einem möglichst günstigen Angebot dienen. Gleichwohl hat das Verhandlungsverbot auch einen Bezug zur sparsamen Haushaltsführung. Entgegen anders lautenden Stimmen verhindert es keineswegs die Erzielung günstiger Preise für die Auftrageber. Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass gerade die formal korrekt durchgeführte öffentliche Ausschreibung den günstigsten Angebotspreis zur Folge hat, weil alle Bieter an die Grenze ihrer Auftragskalkulation gehen müssen, um eine Chance auf den Zuschlag zu haben. Sie können nämlich nicht von vornherein einen Aufschlag kalkulieren, den sie sich im Nachhinein (teilweise) abverhandeln lassen.

Vgl. Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, 3. Aufl. 2005, S. 111 ff.; Motzke/Pietzcker/ Prieß, a.a.O., § 24 Rn. 47.

Auf Grund von praktischen Erfordernissen ist es jedoch nicht sinnvoll, Verhandlungen mit Bietern ausnahmslos zu untersagen. Diesem Bedürfnis trägt die VOB/A Rechnung: Die Fälle, in denen Verhandlungen zulässig bleiben, regelt § 24 VOB/A als Ausnahmevorschrift.

Vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., 854.

Wegen seines Ausnahmecharakters ist § 24 VOB/A eng auszulegen. Die dort aufgeführten Tatbestände, die ausnahmsweise Verhandlungen zulassen, sind grundsätzlich als abschließende Aufzählung aufzufassen.

Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, a.a.O., § 24 Rn. 3.

Ausnahmen vom Verhandlungsverbot regeln § 24 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 3 VOB/A. In § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sind die Fälle aufgeführt, in denen lückenhafte oder unklare Bewerbungen oder Angebote aufgeklärt werden dürfen. Dagegen bestimmt § 24 Nr. 3 VOB/A die Voraussetzungen, unter denen die Bieter klare und unvollständige Angebote auf der Grundlage von Verhandlungen ändern können. Diese - im vorliegenden Fall allein in Betracht zu ziehende - Regelung rechtfertigt den Zuschlag an die Bietergemeinschaft jedoch nicht. § 24 Nr. 3 VOB/A lässt Verhandlungen nur bei Nebenangeboten, Änderungsvorschlägen oder Angeboten auf Grund eines Leistungsprogramms zu. Bei Angeboten, die nicht einer exakten Leistungsbeschreibung entsprechen, sondern sich nur nach einem Leistungsprogramm richten oder bei Nebenangeboten oder Änderungsvorschlägen ist es in der Regel erforderlich, diese Angebote den örtlichen Gegebenheiten oder den Anforderungen des Auftraggebers anzupassen.

Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, a.a.O., § 24 Rn. 51.

Das Angebot der Bietergemeinschaft ist jedoch nicht auf Grund einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm i.S.v. § 24 Nr. 3 VOB i.V.m. § 9 Nrn. 10 und 11 VOB/A ergangen, sondern auf Grund einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis nach § 9 Nrn. 3 ff. VOB/A. Denn die der Ausschreibung durch die Klägerin zu Grunde liegende Leistungsbeschreibung enthält Massenangaben (hinsichtlich der hier in Rede stehenden Position 11: 1.900 to), während beim Leistungsprogramm Massenangaben gerade fehlen, vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, a.a.O., § 9 Rn. 55, und erst der vom Auftragnehmer zu erstellenden Ausführungsplanung entnommen werden können. § 24 Nr. 3 VOB/A rechtfertigt den Zuschlag an die Bietergemeinschaft auch dann nicht, wenn man davon ausgehen wollte, dass deren geändertes Angebot auf einen Änderungsvorschlag zurückgeht. Versteht man die Angebote der Bietergemeinschaft vom 7.4.und 11.5.1992 - die insoweit allein in Betracht kommen - als Änderungsvorschläge, so sind diese erst nach dem Submissionstermin bei der Klägerin eingegangen und sie waren deshalb jedenfalls nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A von der Wertung der Angebote ausgeschlossen. § 24 Nr. 3 VOB/A lässt dagegen Verhandlungen nur hinsichtlich solcher Angebote, Nebenangebote und Änderungsvorschläge zu, die nicht bereits nach § 25 VOB/A zwingend ausgeschlossen sind. Die Voraussetzungen des § 24 Nr. 3 VOB/A liegen aber auch unabhängig von den vorstehenden Erwägungen nicht vor. Denn § 24 Nr. 3 VOB/A betrifft lediglich Verhandlungen zur Vereinbarung unumgänglicher technischer Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebender Änderungen der Preise. Die in Rede stehende Änderung der Beseitigung des kontaminierten Bodenaushubs von der Deponierung zum Recycling hat jedoch keinen geringen Umfang. Die Grenze des geringen Umfangs ist auch an den Auswirkungen auf die Preise zu messen. Führt die technische Änderung zu einer Reduzierung des Angebotspreises um mehr als 10 %, so hat die Änderung grundsätzlich keinen geringen Umfang mehr.

Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, a.a.O., § 24 Rn. 54, m.w.N.

So liegt der Fall hier. Das ursprüngliche Angebot der Bietergemeinschaft in Höhe von 1.955.767,52 DM hat sich auf Grund des geänderten Angebots auf 1.624.369,53 DM und damit um mehr als 10 % reduziert.

Die Überschreitung der Grenze der Änderung geringen Umfangs wird auch nicht durch andere Umstände in Frage gestellt. Denn das Recyclen statt des Deponierens des Bodenaushubs betrifft zum einen wesentliche technische Änderungen und bezieht sich zum anderen auf 1.900 Tonnen und damit eine beträchtliche Menge Aushubmaterials.

Es kann hiernach offen bleiben, ob § 24 Nr. 3 VOB/A auf geringfügige sonstige Angebotsänderungen, auch wenn sich diese nicht auf Nebenangebote, Änderungsvorschläge oder Angebote auf Grund eines Leistungsprogramms beziehen, entsprechend anzuwenden ist.

Vgl. Motzke/Pietzcker/Prieß, § 24 Rn. 55, m.w.N.

Schließlich kann die Klägerin zur Rechtfertigung des Vergaberechtsverstoßes auch nicht mit dem Vortrag gehört werden, sie habe die Aufschreibung nicht aufheben dürfen und sei deshalb zu Nachverhandlungen gezwungen gewesen. Denn nach § 26 VOB/A kann die Ausschreibung u.a. aufgehoben werden, wenn sich die Grundlagen der Ausschreibung wesentlich geändert haben. Dieser Fall lag hier vor, wenn - wie die Klägerin vorträgt - die geänderte Beseitigung des Bodenaushubs rechtlich zwingend geboten war. War die geänderte Beseitigung aber nicht rechtlich geboten, so bestand von vornherein kein zwingender Grund für die von der Klägerin getätigten Nachverhandlungen.

Der danach grundsätzlich zulässige Widerruf erfolgte auch innerhalb der Jahresfrist des §§ 49 Abs. 3 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW und damit rechtzeitig. (Wird ausgeführt)

Von der damit gegebenen Widerrufsmöglichkeit des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW hat die Beklagte rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Insbesondere ist kein Ermessensfehler gegeben. Auf die Ausübung des in § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW eingeräumten Ermessens konnte hier nicht verzichtet werden. Zwar zwingen die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Zuwendung, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Fehlt es an derartigen Umständen, so bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Ermessenserwägungen. In Fällen der vorliegenden Art ist jedoch zu bedenken, dass ein Widerruf auch länger zurückliegende Zeiträume erfassen und damit entsprechend höhere Zahlungspflichten auslösen kann. Deshalb kann der Widerruf - etwa bei Pflichtverletzungen von geringem Gewicht oder im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation des Zuwendungsempfängers - aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf bestimmte Zeiträume oder in anderer Weise zu beschränken sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2003 - 3 C 22.02 -, NVwZ-RR 2004, 413 ff.

Dieser Vorgabe trägt der Runderlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.12.1997 Rechnung, der ermessensbindenden Charakter hat und deshalb bei der Prüfung, ob die Behörde ermessensfehlerhaft gehandelt hat, zu berücksichtigen ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.12.2000 - 4 A 5182/99 -.

Nach diesem Erlass, den die Beklagte ihrer Ermessensausübung zutreffend zu Grunde gelegt hat, ist ein Widerruf des Zuwendungsbescheides grundsätzlich bei Vorliegen eines schweren Verstoßes gegen die VOB angezeigt. Ein derartiger Verstoß liegt nach dem Erlass vor bei Ausschluss des annehmbarsten Angebots durch nachträgliche Verhandlungen über Änderungen der Angebote oder Preise. Die Bewertung eines derartigen Verstoßes gegen die Bestimmungen der VOB als schwer ist nicht zu beanstanden, weil das Verbot von Nachverhandlungen zu den Grundsätzen des Vergaberechts zählt. Vom Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist die Beklagte zutreffend ausgegangen, weil durch die unzulässigen Nachverhandlungen der Klägerin mit der Bietergemeinschaft das annehmbarste Angebot - das der Firma F. - von der Vergabe ausgeschlossen worden ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen keine Umstände vor, die den von ihr begangenen konkreten Rechtsverstoß ausnahmsweise nicht als "schwer" erscheinen lassen könnten. Hierbei ist es insbesondere unerheblich, dass die Klägerin - jedenfalls aus ihrer Sicht - das günstigste Angebot angenommen hat. Durch die Bestimmungen der VOB soll - wie oben bereits ausgeführt - insbesondere auch der faire Wettbewerb gesichert werden. In diesem Sinne heißt es auch in genannten Runderlass des Finanzministeriums, die Vergabevorschriften seien für Zuwendungsempfänger verbindlich, um die Zuwendungen im Rahmen des Wettbewerbs wirtschaftlich und sparsam zu verwenden. Die Klägerin verkennt deshalb den Sinn und Zweck der Regelungen der VOB, wenn sie meint, sich über diese im Interesse eines möglichst günstigen Angebots hinwegsetzen zu können.

Die Ermessensausübung der Beklagten ist auch hinsichtlich des Umfangs des Widerrufs nicht zu beanstanden. (Wird ausgeführt)

Die materielle Rechtmäßigkeit des Teilwiderrufs des Zuwendungsbescheides wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte sich auf die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens berufen hat. Nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des sog. Nachschiebens von Gründen haben die Verwaltungsgerichte grundsätzlich umfassend zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht; hierzu gehört auch die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.1989 - 4 C 40.88 -, Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 5.

Zwar lässt sich dieser Grundsatz auf Ermessensentscheidungen - wie hier - nicht uneingeschränkt übertragen. In der Rechtsprechung wird aber auch bei Ermessensentscheidungen ein solches Auswechseln der Rechtsgrundlage nicht grundsätzlich als unzulässig angesehen.

Vgl. BVerwG, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.5.1994 - 5 S 2637/93 -, NVwZ 1995, 397; OVG LSA, Beschluss vom 29.12.1999 - B 2 S 73/99 -, VwRR MO 2000, 196 ff.

Die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen ist dem Gericht nur dann verwehrt, wenn die anderweitige rechtliche Begründung zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führen würde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28.89 -, DVBl. 1990, 490, m.w.N.; OVG LSA, a.a.O.

Dass die streitgegenständliche Verfügung hier durch den Austausch der Eingriffsnorm eine Wesensveränderung erfahren haben könnte, ist nicht ersichtlich. Die Erwägungen, die dem angegriffenen Verwaltungsakt zu Grunde liegen, tragen die Entscheidung auch auf der Grundlage der nunmehr herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW. Die Beklagte hat den Widerruf der angefochtenen Verfügung von Anfang an mit dem Auflagenverstoß begründet und auch die Ermessenserwägungen der Beklagten beziehen sich ausschließlich hierauf.

Der Austausch der Ermächtigungsgrundlage wäre im Übrigen auch dann zulässig, wenn man ihn an § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW messen wollte.

Vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 45, m.w.N.

Nach diesen Bestimmungen ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formfehlern, die nicht den Verwaltungsakt nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich - bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - gegeben wird. Sollte in der zuvor unzutreffend angegebenen Ermächtigungsgrundlage überhaupt ein Verfahrens- oder Formfehler zu sehen sein, so führte dieser jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes i.S.v. § 44 VwVfG NRW, sodass - wie hier geschehen - der Fehler jedenfalls noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geheilt werden konnte.

Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsaufforderung in Höhe von 129.674,46 DM ist § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Nach dieser Bestimmung sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt - wie hier - mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen worden ist. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Für den Umfang der Erstattung - mit Ausnahme der Verzinsung - gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Danach hat die Klägerin der Beklagten den ausgezahlten Zuwendungsbetrag im Umfang des Teilwiderrufs und mithin in der geforderten Höhe zu erstatten (§ 818 Abs. 2 BGB). Hierbei bedarf es keiner Entscheidung des Senats, ob mit der Verwendung der erbrachten Leistungen der Beklagten für Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen eine Entreicherung der Klägerin nach § 818 Abs. 3 BGB eingetreten war und ob sich die Klägerin als öffentlich-rechtliche Körperschaft überhaupt auf eine Entreicherung berufen könnte. Diese Möglichkeit scheidet jedenfalls hier nach § 49 a Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW aus, wenn der Begünstigte die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zum Widerruf des Verwaltungsaktes geführt haben. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Erstattungspflichtigen nur auf die tatsächlichen Voraussetzungen des den Widerruf auslösenden Auflagenverstoßes - hier den Verstoß gegen die Vorschriften der VOB/A - beziehen muss, nicht jedoch auch auf die Qualifizierung der in Rede stehenden Nebenbestimmung als Auflage und die Würdigung des Verhaltens als vergaberechtswidrig.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.1997 - 3 C 33.96 -, BVerwGE 105, 354, 362; Sachs, a.a.O., § 49a Rn. 65.

Hiervon ausgehend kann sich die Klägerin auf einen etwaigen Wegfall der Bereicherung nicht berufen, weil sie die tatsächlichen Voraussetzungen des Auflagenverstoßes kannte.

Ende der Entscheidung

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