Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 02.03.2004
Aktenzeichen: 15 A 1151/02
Rechtsgebiete: KAG NRW, GG


Vorschriften:

KAG NRW § 8
GG Art. 3 Abs. 1
1. Gewährt eine Entwässerungssatzung dem Eigentümer eines Hinterliegergrundstücks nur ein in das Ermessen der Gemeinde gestelltes Anschlussrecht, besteht keine eine Anschlussbeitragspflicht auslösende gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage.

2. Für ein noch nicht tatsächlich an die Anlage angeschlossenes Hinterliegergrundstück, das nicht dem Eigentümer des Vorderliegergrundstücks gehört, bewirken allein eine auf die Durchleitung bezogene Baulast oder bloße schuldrechtliche Verpflichtungen zur Duldung einer Durchleitung keine eine Anschlussbeitragspflicht auslösende gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage.

3. Bei einem tatsächlich hergestellten, zur Entwässerung notwendigen Anschluss eines Hinterliegergrundstücks an die Anlage besteht regelmäßig eine die Anschlussbeitragspflicht auslösende gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die dieser Annahme entgegenstehen.

4. Eine Tiefenbegrenzung ist rechtlich nicht geboten.

5. Es ist satzungsrechtlich zulässig, Gewerbegrundstücke von einer ansonsten vorgesehenen Tiefenbegrenzung auszunehmen.


Tatbestand:

Der Komplementär der klagenden KG, die auf einem ihr gehörenden Grundstück eine Mühle betreibt, erwarb ein dahinter liegendes Grundstück, auf dem die Klägerin 1994/95 eine zum Mühlenbetrieb gehörende Lagerhalle errichtete. Das Mühlenbetriebsgrundstück ist über ein weiteres davor liegendes Grundstück an den in der Straße verlegten Schmutzwasserkanal angeschlossen. Auf dem rückwärtigen Lagerhallenflurstück fällt kein Schmutzwasser an. 1998 erwarb die Klägerin das Lagerhallenflurstück. 2001 wurde sie für diese Parzelle zu einem Schmutzwasseranschlussteilbeitrag herangezogen. Dagegen wandte sie sich mit der Begründung, dass die Beitragspflicht bereits in festsetzungsverjährter Zeit entstanden sei, da das Lagerhallenflurstück u.a. wegen vorhandener Baulasten über das Mühlenbetriebsgrundstück an die städtische Entwässerungsanlage hätte angeschlossen werden können. Das VG gab der Klage aus diesem Grunde statt. Die Berufung führte zur Klageabweisung.

Gründe:

Der Beitragsbescheid rechtfertigt sich aus § 8 KAG NRW in Verbindung mit der Satzung über die Erhebung eines Beitrages für den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage (KABS). Nach § 2 Abs. 2 KABS unterliegen Grundstücke, die an die Abwasseranlage tatsächlich angeschlossen sind, der Beitragspflicht. Danach ist für das Flurstück mit dem 28.8.1998, als die Klägerin als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde, die Beitragspflicht entstanden. Entgegen der Auffassung des VG ist zuvor eine Beitragspflicht nicht entstanden.

Das Flurstück bildete vor diesem Zeitpunkt mit dem vor ihm liegenden Betriebsgrundstück der Klägerin keine wirtschaftliche Einheit, für die insgesamt eine Beitragspflicht hätte entstehen können. Eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des Anschlussbeitragsrechts und auch nach § 2 Abs. 3 KABS ist nämlich jeder demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbstständig baulich oder gewerblich genutzt werden darf und selbstständig an die Anlage angeschlossen werden kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.11.2002 - 15 A 1833/01 -, NVwZ-RR 2003, 383.

Hier scheiterte die wirtschaftliche Einheit daran, dass bezüglich der Flurstücke vor 1998 keine Eigentümeridentität bestand, denn erst seit 1998 ist die Klägerin Eigentümer beider Flurstücke.

Für das Flurstück konnte in festsetzungsverjährter Zeit auch keine Beitragspflicht als selbstständiges Grundstück entstehen. Unter Geltung der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage vom 24.7.1992 (EWS 1992) gilt das schon deshalb, weil nach § 3 Abs. 1 EWS 1992 sich das Anschlussrecht nur auf solche Grundstücke erstreckte, die an eine betriebsfertige Abwasserleitung angeschlossen werden konnten, wozu die öffentliche Abwasserleitung in unmittelbarer Nähe des Grundstücks oder auf dem Grundstück verlaufen musste. Mit dieser Regelung schloss das Entwässerungsrecht Hinterliegergrundstücke vom Anschlussrecht aus und verwies sie insofern auf die Gewährung eines Anschlussrechts im Ermessenswege nach § 3 Abs. 1 Satz 3 EWS 1992, wonach die Stadt den Anschluss auch in anderen Fällen zulassen konnte, wenn hierdurch das öffentliche Wohl nicht beeinträchtigt wurde. Ein so beschränktes Anschlussrecht reicht nicht aus, um die für eine Beitragspflicht erforderliche gesicherte Möglichkeit vorteilsrelevanter Inanspruchnahme (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW) zu begründen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.12.1998 - 15 A 2828/96 -, S. 4 des amtl. Umdrucks.

Aber auch unter Geltung der Entwässerungssatzung vom 14.7.1997 (EWS 1997) konnte eine Beitragspflicht vor der Bildung der wirtschaftlichen Einheit im Jahre 1998 nicht entstehen. Diese gewährt allerdings in § 4 Abs. 1 Satz 2 EWS 1997 ein Anschlussrecht über die nach der EWS 1992 erfassten Fälle hinaus auch dann, wenn ein gesichertes Durchleitungsrecht zu Gunsten des Grundstücks des Anschlusspflichtigen besteht. Indes bestand entgegen der Auffassung des VG kein gesichertes Durchleitungsrecht für das Flurstück. Zwar waren Baulasten verschiedener Art vorhanden. Die beitragsrechtlich erforderliche gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme besteht aber erst dann, wenn die Inanspruchnahme der Anlage nur noch vom Willen des Grundeigentümers abhängt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.10.2001 - 15 A 5184/99 -, NWVBl. 2002, 275 (278).

Baulasten zu Gunsten eines Hinterliegergrundstücks vermitteln aber keine gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme der Entwässerungsanlage durch Anschluss über das baulastbelastete Vorderliegergrundstück. Eine Baulast ist nur eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers zu einem sein Grundstück betreffendes Tun, Dulden oder Unterlassen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergibt und die gegenüber der Bauaufsichtsbehörde erklärt wird (§ 83 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Daraus ergibt sich, dass aus der Baulast keine privatrechtlichen Ansprüche des Baulastbegünstigten gegenüber dem Baulastverpflichteten zu Tun, Dulden oder Unterlassen entstehen, sondern allein die Bauaufsichtsbehörde die Möglichkeit hat, die übernommene Verpflichtung im Wege bauaufsichtlicher Verfügung durchzusetzen.

Vgl. für die Anschlusspflicht hinsichtlich eines Hinterliegergrundstücks unter dem Gesichtspunkt einer "rechtlich möglichen Durchleitung" OVG NRW, Beschluss vom 21.12.1993 - 22 A 1232/92 -, NWVBl. 1994, 174 (175 f.); BGH, Urteil vom 8.7.1983 - V ZR 204/82 -, BGHZ 88, 97 (99 f.); Heintz, in: Gädtke, Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen, 10. Aufl., § 83 Rn. 51 f.; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Loseblattsammlung (Stand: 1.10.2003), § 83 Rn. 80 ff.; Lorenz, Zu den privatrechtlichen Folgen der nachbarrelevanten Baulast, NJW 1996, 2612 ff.; Broß, Ausgewählte Probleme des Baurechts - Grunddienstbarkeit und Baulast -, VerwArch 1995, 483 ff.

Allerdings gewährt die Rechtsprechung dem Baulastbegünstigten gegen den zur Duldung der Grundstücksinanspruchnahme Baulastverpflichteten auf dessen Herausgabe- oder Räumungsanspruch hin die Einrede der Arglist, solange die Baulast besteht und keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, die Baubehörde werde sie nicht durchsetzen oder auf sie verzichten.

Vgl. BGH, Urteil vom 9.1.1981 - V ZR 58/79 -, BGHZ 79, 201 (210).

Der Senat hält deshalb einen bestehenden baulastgesicherten Anschluss in jedem Falle für ausreichend gesichert.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.12.1997 - 15 A 5476/97 -, S. 3 f. des amtl. Umdrucks.

Solange ein solcher Anschluss aber nicht besteht, kann unter dem Gesichtspunkt der beitragsrechtlich zu fordernden Gesichertheit der Inanspruchnahmemöglichkeiten nicht angenommen werden, dass allein eine auf eine Durchleitung über ein Vorderliegergrundstück bezogene Baulast zu Gunsten eines Hinterliegergrundstücks bereits bewirkt, dass die Möglichkeit des Anschlusses nur noch vom Willen des Eigentümers dieses Grundstücks abhängt. Das gilt selbst für den Fall, dass man dem Baulastbegünstigten gegen die Bauaufsichtsbehörde einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung bezüglich eines Einschreitens gegen den Baulastverpflichteten zuerkennen wollte. Denn auch dann wäre der Anschluss nicht nur vom Willen des Eigentümers des Hinterliegergrundstücks, sondern auch von der Kooperation der Bauaufsichtsbehörde abhängig.

Vgl. zu der ähnlichen Konstellation, dass dann, wenn eine zur Bebauung erforderliche Baulast nicht vorhanden ist, jedoch eine entsprechende Dienstbarkeit, die einen Anspruch auf Einräumung einer deckungsgleichen Baulast begründet, wegen dieses Mitwirkungserfordernisses beitragsrechtlich nicht von einer gesicherten Bebaubarkeit des Grundstücks ausgegangen werden kann, OVG NRW, Urteil vom 30.10.2001 - 15 A 5184/99 -, NWVBl. 2002, 275 (278).

Erst recht reichen bloß schuldrechtliche Verpflichtungen auf Duldung einer Durchleitung über ein Vorderliegergrundstück nicht aus, wie sie von der Klägerin hier aus gesellschaftsrechtlichen Gründen und dem Umstand, dass sie selbst Bauherrin der Lagerhalle auf dem Flurstück war, gefolgert werden. Denn diese Verpflichtungen bestehen lediglich gegenüber den jeweilig schuldrechtlich Gebundenen, hätten also bei einem Eigentümerwechsel hinsichtlich des Vorderliegergrundstücks keinen Bestand. Eine gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit, die eine Beitragspflicht auslösen kann, liegt aber nur vor, wenn sie dauerhaft ist und sich nicht nur auf einen Zeitraum mit der Gefahr jederzeitiger Beendigung beschränkt.

Die Beitragspflicht für das Flurstück ist mit der Bildung einer wirtschaftlichen Einheit aus den Flurstücken infolge des Erwerbs des Grundstücks durch die Klägerin 1998 entstanden.

Vgl. zu der Konstellation der "Nachveranlagung" einer Grundstücksfläche, die zu einer anderen Grundstücksfläche hinzuerworben wird und zusammen mit dieser Fläche eine wirtschaftliche Einheit bildet, OVG NRW, Beschluss vom 15.7.1987 - 15 A 1660/96 -, NWVBl. 1998, 21.

Dies sieht § 3 Abs. 11 KABS auch ausdrücklich vor, wonach dann, wenn ein bereits an die Abwasseranlage angeschlossenes Grundstück durch Hinzunahme eines angrenzenden Grundstücks, für welches ein Beitrag nicht erhoben ist, zu einer wirtschaftlichen Einheit verbunden wird, der Beitrag für das hinzugekommene Grundstück nachzuzahlen ist. Die nunmehr in der Hand eines identischen Eigentümers liegenden Flächen bilden eine wirtschaftliche Einheit. Das dazu erforderliche Mindestmaß rechtlicher Zusammengehörigkeit, vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 9.6.1998 - 15 A 6852/95 -, NWVBl. 1999, 25, besteht hier darin, dass u.a. die Flurstücke durch eine Vereinigungsbaulast verbunden sind und die Flurstücke auch tatsächlich einheitlich für den Mühlenbetrieb benutzt werden, was sich in rechtlicher Hinsicht etwa in der Baugenehmigung verfestigt hat, die als von ihr erfasste Flurstücke diese Parzellen benennt und die als Auflage des Gewerbeaufsichtsamts einheitliche für den Gesamtbetrieb geltende Lärmimmissionswerte wiedergibt. Mit dem hinsichtlich des Mühlenbetriebsgrundstücks bereits 1994 erfolgten Anschluss entstand die Beitragspflicht für dieses Flurstück gemäß §§ 2 Abs. 2, 6 Abs. 1 Buchst. a KABS, die die Beitragspflicht für tatsächlich angeschlossene Grundstücke regeln. Diese Beitragspflicht erstreckte sich gemäß § 3 Abs. 11 KABS auf das hinzugekommene Flurstück mit der Bildung der wirtschaftlichen Einheit aus den beiden Flurstücken im Jahre 1998.

Für diesen tatsächlichen Anschluss bedarf es keiner Sicherung wie für ein Durchleitungsrecht zu Gunsten eines noch nicht angeschlossenen Grundstücks. Zwar muss auch ein tatsächlich vorhandener Anschluss die vorteilsrelevante Inanspruchnahme der Entwässerungsanlage auf Dauer ermöglichen. Das ist jedoch regelmäßig der Fall. Baulasten etwa sichern, wie oben bereits ausgeführt, einen solchen Anschluss in jedem Fall auf Dauer. Hier kommt es auf den genauen Inhalt der verschiedenen Baulasten und deren Reichweite nicht an. Die auf Dauer gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme ist bei einem mit dem Einverständnis des Eigentümers des Grundstücks, durch das die Anschlussleitung verlegt wird, tatsächlich hergestellten Anschluss für ein auf Entwässerung angewiesenes Grundstück regelmäßig schon deshalb zu bejahen, weil in diesem Falle ein Notleitungsrecht besteht.

Vgl. dazu, dass auch ein Notleitungsrecht als ausreichende Sicherung des Anschlusses ausreicht OVG NRW, Beschluss vom 21.12.1998 - 15 A 2828/96 -, S. 3 f. des amtl. Umdrucks.

Bei einem tatsächlich hergestellten, zur Entwässerung notwendigen Anschluss müssen also, um das Entstehen der Beitragspflicht trotzdem zu hindern, besondere Umstände vorliegen, die es als ernstlich möglich erscheinen lassen, dass das Grundstück wegen eines vom Eigentümer des Grundstücks, durch das die Anschlussleitung verlegt ist, erhobenen Beseitigungsverlangens die Verbindung zur öffentlichen Entwässerungsanlage verlieren und sein Eigentümer diese nicht mehr in Anspruch nehmen könnte. Dafür liegen hier keine Anhaltspunkte vor.

Die Beitragspflicht ist für die ganze Fläche des Flurstücks entstanden. Zwar sieht § 3 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 und 2 KABS eine Tiefenbegrenzungsregelung auf 50 m vor, wobei dann, wenn die bauliche oder gewerbliche Nutzung über diese Begrenzung hinausreicht, die Grundstückstiefe maßgebend ist, die durch die hintere Grenze der Nutzung bestimmt wird. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 KABS gilt die Begrenzung der Grundstückstiefe jedoch nicht für Grundstücke, die ausschließlich oder überwiegend gewerblich - wie hier - oder industriell bzw. für Geschäfts-, Büro- und Verwaltungszwecke genutzt werden.

Der Ausschluss der Tiefenbegrenzung für in diesem Sinne gewerblich genutzte Grundstücke ist zulässig. Mit der Tiefenbegrenzung wird generalisierend die räumliche Erschließungswirkung der Entwässerungsanlage auf ein bebautes oder Baulandcharakter aufweisendes Grundstück begrenzt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4.12.2001 - 15 A 5566/99 -, NWVBl. 2002, 188 (189).

Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass der wirtschaftliche Vorteil, der durch die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Entwässerungsanlage gewährt wird, bei übergroßen Grundstücken nicht in jedem Falle entsprechend der Steigerung der Grundstücksgröße wächst. Der wirtschaftliche Vorteil besteht bei Baulandcharakter aufweisenden Grundstücken in der Erhöhung des Gebrauchswertes dahin, dass erst durch die zur Inanspruchnahme gebotene Entwässerungsanlage eine bauliche Nutzung möglich wird bzw. - bei schon bebauten Grundstücken - dass eine nur provisorische Entwässerung durch eine endgültige und ordnungsgemäße Erschließung ersetzt wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.7.2000 - 15 A 4443/96 -, Gemhlt. 2002, 283 (284).

Da der so verstandene Gebrauchswert sich bei übergroßen Grundstücken nicht immer entsprechend der Steigerung der Grundstücksfläche erhöht, kann diesem Umstand durch eine Tiefenbegrenzung Rechnung getragen werden.

Aus der Zulässigkeit einer Tiefenbegrenzung ergibt sich allerdings nicht, dass sie auch rechtlich erforderlich ist. Vielmehr kann auf die satzungsrechtliche Anordnung einer Tiefenbegrenzung verzichtet werden. Regelmäßig, nämlich bei nicht übergroßen Grundstücken, die einheitlich genutzt werden, entspricht ein größeres entwässertes Grundstück auch einem größeren Gebrauchswert und damit einem größeren wirtschaftlichen Vorteil, was erst die Fläche als einen für die Beitragsbemessung relevanten Maßstab rechtfertigt.

Vgl. ebenso für den Straßenbaubeitrag: OVG NRW, Beschluss vom 9.10.2002 - 15 E 980/02 -, S. 3 des amtl. Umdrucks.

Wenn im Einzelfall eines übergroßen Grundstücks die Erhebung der Abgabe in der nach dem Satzungsrecht angefallenen Höhe mit dem Sinn und Zweck der beitragsrechtlichen Vorschriften nicht vereinbar ist, so zwingt dies nicht zur Einführung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung, sondern zu einem Teilerlass des Beitrags nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG NRW i.V.m. § 227 AO.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4.12.2001 - 15 A 5566/99 -, NWVBl. 2002, 188 (190).

Auch die hier vorliegende nur partielle Tiefenbegrenzung unter Ausschluss der für gewerbliche, industrielle oder für Geschäfts-, Büro- und Verwaltungszwecke genutzten Grundstücke ist zulässig. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes fordert, dass wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich behandelt wird. Für die hier vorliegende Ungleichbehandlung gewerblicher und ähnlich genutzter Grundstücke gegenüber Wohngrundstücken muss deshalb ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund vorliegen. Dabei steht dem Satzungsgeber ein weites Ermessen für die Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen zu, die nur auf die Einhaltung der Grenzen des sachlich Vertretbaren überprüft werden können.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.10.1995 - 15 A 890/90 -, NWVBl. 1996, 232.

Nach diesen Maßstäben erweist sich die nur partielle Tiefenbegrenzung als rechtlich zulässig: Für Wohngrundstücke ist die generalisierende Festlegung der räumlichen Erschließungswirkung am ehesten möglich. Regelmäßig erstreckt sich die mögliche Fläche der Bebauung nur auf ein Band entlang der Straße, während der hintere Teil des Grundstücks zwar an der Wohnnutzung des Gesamtgrundstücks teilnimmt, der wirtschaftliche Vorteil der Entwässerung des Wohngebäudes und der befestigten Flächen jenseits der typischen Wohngrundstückstiefe aber nicht notwendig proportional mit der weitergehenden Tiefe des Grundstücks ansteigt. Demgegenüber stellen sich die Verhältnisse bei gewerblich und ähnlich genutzten Grundstücken vielgestaltiger dar: Neben kleinen, von der Art der Bebauung Wohngrundstücken vergleichbaren Gewerbegrundstücken stehen großflächige gewerblich, namentlich industriell genutzte Grundstücke. Diese Vielgestaltigkeit von Gewerbegrundstückstiefen rechtfertigt es, für derartige Grundstücke von einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung abzusehen.

Darüber hinaus hätte eine in welcher Höhe auch immer festgesetzte Tiefenbegrenzung für gewerblich und ähnlich genutzte Grundstücke wegen der Regelung über die die Tiefenbegrenzung überschreitende bauliche oder gewerbliche Nutzung regelmäßig keine Bedeutung. Während bei Wohngrundstücken die hier relevante Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 KABS über die die Tiefenbegrenzung überschreitende bauliche oder gewerbliche Nutzung nur in Ausnahmefällen zum Zuge kommt, werden auch große gewerbliche Grundstücke schon aus Rentabilitätsgründen regelmäßig zur Gänze baulich oder gewerblich genutzt, sodass im Ergebnis trotz einer Tiefenbegrenzung dennoch die ganze Grundstücksfläche für die Veranlagung anzusetzen ist. Auch dies rechtfertigt es, von einer satzungsrechtlichen Festschreibung einer Tiefenbegrenzung für gewerblich und ähnlich genutzte Grundstücke abzusehen. Sollte im Einzelfall ein übergroßes gewerbliches oder ähnlich genutztes Grundstück entgegen der Annahme des Satzungsgebers in § 3 Abs. 3 Satz 3 KABS, dass sich der wirtschaftliche Vorteil der Anschlussmöglichkeit auf die gesamte Grundstücksfläche erstrecke, in einem großen Teil nicht baulich oder gewerblich genutzt werden, hätte dies nicht die Unwirksamkeit der Verteilungsregelung, sondern den oben bereits erwähnten Anspruch auf einen Billigkeitserlass zur Folge.



Ende der Entscheidung

Zurück