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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: 15 A 130/04
Rechtsgebiete: KrO NRW, GemHVO


Vorschriften:

KrO NRW § 1 Abs. 1
KrO NRW § 2 Abs. 1 Satz 1
KrO NRW § 56 Abs. 1
GemHVO § 22
1. Der für die Bestimmung der Höhe der Kreisumlage nach § 56 Abs. 1 KrO NRW maßgebliche anderweitig nicht gedeckte Finanzbedarf des Kreises errechnet sich aus einer - grundsätzlich an die Angaben im Haushaltsplan anknüpfenden - Prognose der im Haushaltsjahr zu erwartenden Ausgaben und Einnahmen.

2. Wird der Kreis durch eine gerichtliche Entscheidung verpflichtet, die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe zu unterlassen, so ist bei der nach § 56 Abs. 1 KrO NRW vorzunehmenden Prognose davon auszugehen, dass die für die Wahrnehmung dieser Aufgabe im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben nicht anfallen werden.

3. Eine Gemeinde kann einem Kreisumlagebescheid nach § 56 Abs. 1 KrO NRW im Rahmen eines dagegen eingelegten Rechtsmittels grundsätzlich nicht entgegen halten, mit der Kreisumlage würden Aufgaben finanziert, für deren Wahrnehmung der Kreis nicht zuständig sei.

4. Den Gemeinden steht in Nordrhein-Westfalen ein Anspruch auf Unterlassung zu, wenn ein Kreis auf Kosten der Gemeinden rechtswidrig Aufgaben wahrnimmt.

5. Die Höhe des nach § 22 Abs. 1 GemHVO NRW dem Vermögenshaushalt zuzuführenden Betrages wird durch die weiteren Regelungen des § 22 GemHVO NRW nicht nach oben, sondern nur nach unten begrenzt.


Tatbestand:

Die klagende Gemeinde wandte sich gegen die Erhebung der Kreisumlage für das Jahr 2002. Sie machte geltend, in den Finanzbedarf des Kreises seien zwei im Haushaltsplan 2002 vorgesehene Ausgabepositionen zu Unrecht eingerechnet worden. Dabei handelte es sich zum einen um einen Förderungszuschuss an den Kreisverkehrsverband, zum anderen um Zuführungen vom Verwaltungshaushalt zum Vermögenshaushalt. Die Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Gründe:

Nach § 56 Abs. 1 KrO NRW ist die zulässige Höhe der - für jedes Haushaltsjahr neu festzusetzenden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 KrO NRW) - Umlage vom durch sonstige Einnahmen nicht gedeckten Finanzbedarf des Kreises abhängig. Die Kreisumlage ist damit ein wesentliches Instrument zur Erfüllung der gemäß § 53 Abs. 1 KrO NRW i.V.m. § 75 Abs. 3 GO NRW bestehenden Pflicht des Kreises zum Haushaltsausgleich. Mit der Kreisumlage soll, ohne dass eine Zurechnung zu bestimmten Aufgaben erfolgt, also ohne Berücksichtigung des Gesichtspunktes von Leistung und Gegenleistung und insofern steuerähnlich, der anderweitig nicht abgedeckte Finanzbedarf des Kreises von den Mitgliedskörperschaften nach ihrer finanziellen Leistungskraft befriedigt werden.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 27.8.1996 - 15 A 4171/93 -, NVwZ-RR 1997, 251, und vom 5.3.1996 - 15 A 1190/93 -, NWVBl. 1996, 376 f.; Schneider, Rechtsfragen der Umlagefinanzierung der Kreise, NWVBl. 2003, 121, 122 f.

Weil § 56 KrO NRW davon ausgeht, dass die Kreisumlage zu Beginn des Haushalts-jahres festgesetzt wird, erfordert die Ermittlung des anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarfs des Kreises eine Prognose. Hierbei errechnet sich der anderweitig nicht gedeckte Finanzbedarf aus der Differenz zwischen den im Haushaltsjahr zu erwartenden Ausgaben und Einnahmen. Bei dieser Prognose ist auf den für das jeweilige Haushaltsjahr durch Haushaltssatzung festgesetzten Haushaltsplan abzustellen, aus dem sich nach § 53 Abs. 1 KrO NRW i.V.m. § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 GO NRW der Gesamtbetrag der Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsjahr ergibt. Denn es ist im Regelfall davon auszugehen, dass die im Haushaltsplan veranschlagten Einnahmen auch tatsächlich erzielt und die dort vorgesehenen Ausgaben auch tatsächlich getätigt werden (vgl. § 7 Abs. 1 GemHVO NRW). Allein auf diese Prognose der zukünftigen tatsächlichen Einnahme- und Ausgabeentwicklung kommt es an, um den Haushaltsausgleich durch die Kreisumlage sicherstellen zu können. Daraus folgt zugleich, dass der Haushaltsplan als grundsätzlich maßgebliche Grundlage der Prognose durch andere Erkenntnisse nur insoweit verdrängt wird, als sich aus ihnen eine andere als die im Haushaltsplan zugrundegelegte Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben des Kreises zuverlässig ergibt. Der von gemeindlicher Seite im Einzelfall erhobenen Kritik, im Haushaltsplan vorgesehene Ausgabeposten dienten nicht der Erfüllung von Aufgaben des Kreises, kommt in diesem Zusammenhang grundsätzlich keine Bedeutung zu. Denn die etwaige Rechtswidrigkeit des Ausgabeverhaltens als solche sagt nichts darüber aus, ob die im Haushaltsplan vorgesehene Ausgabe tatsächlich erfolgt. Daher kann einem Umlagebescheid grundsätzlich nicht entgegengehalten werden, mit der Abgabe werde ein unzulässiger Aufwand bestritten.

OVG NRW, Urteil vom 27.8.1996 -15 A 4171/93 -, NVwZ 1997, 251; vgl. ebenso zur gleich gelagerten Konstellation bei Beitragsbescheiden von öffentlich-rechtlichen Zwangskörperschaften BVerwG, Urteil vom 3.3.1987 - 1 C 6.86 -, Buchholz 430.1 Nr. 15. Vgl. zur Bedeutung von Einwendungen gegen die Steuerverwendung für die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung, BVerfG, Beschluss vom 26.8.1992 - 2 BvR 478/92 -, NJW 1993, 455, 456, BFH, Urteil vom 6.12.1991 - III R 81/89 -, BFHE 166, 315, 317 f.; allgemein zur Kritik von Versuchen, gegen die steuerliche Lastenverursachung mittelbar durch den Angriff gegen die steuerliche Lastenverteilung vorzugehen: Papier, in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Loseblattsammlung (Stand: Februar 2004), Art. 14 Rn. 179 f.; anders hingegen die Rechtslage bei gegenleistungsbezogenen Abgaben nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit, vgl. OVG NRW, Urteile vom 22.11.1995 - 15 A 1432/93 -, S. 8 f. des amtlichen Umdrucks, und vom 13.12.1990 - 2 A 2098/89 -, NVwZ 1991, 1111.

Die zulässige Höhe der Umlage ist somit nach der Vorgabe des § 56 Abs. 1 KrO NRW im Grundsatz nicht vom rechtlich korrekten Einnahme- und Ausgabeverhalten des Kreises abhängig.

Siehe zu anderen landesrechtlichen Regelungen: Bay. VGH, Urteil vom 4.11.1992 - 4 B 90.718 -, BayVBl. 1993, 112 ff., und Beschluss vom 14.1.2000 - 4 ZB 99.3361 -, BayVBl. 2000, 728 f.; Nds. OVG, Urteil vom 27.1.1999 - 10 L 6960/95 -, DVBl. 1999, 842 ff. Vgl. zur Bedeutung des korrekten Einnahme- und Ausgabeverhaltens bei der Anfechtung der Haushaltssatzung: Hess. VGH, Urteil vom 27.1.1999 - 8 N 3392/94 -, DVBl. 1999, 840 ff.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8.12.1998 - 7 C 1935/97 -, DVBl. 1999, 846 ff.; OVG Saarl., Urteil vom 29.8.2001 - 9 R 2/00 -, AS RP 29, 255, 269.

Dieses Verständnis des § 56 Abs. 1 KrO NRW wird durch eine Analyse der Folgen bestätigt, die einträten, wenn ein rechtswidriges Einnahme- oder Ausgabeverhalten des Kreises Einfluss auf die zulässige Höhe der Kreisumlage hätte. Wäre im Rahmen des § 56 Abs. 1 KrO NRW der anderweitig nicht gedeckte Finanzbedarf des Kreises etwa um rechtswidrige Ausgabepositionen zu kürzen, ein Kreisumlagebescheid auf Klage einer Gemeinde in entsprechendem Umfang aufzuheben und die von der Gemeinde bereits gezahlte Kreisumlage anteilig zu erstatten, so würde dies eine finanzielle Entlastung der Gemeinden nur vorübergehend sicherstellen. In dem Haushaltsjahr, in dem der Kreis die Erstattung vorzunehmen hätte, würde diese nämlich zu einer zusätzlichen Belastung des Kreishaushalts führen, die im Wege der Kreisumlage wieder anteilig von den Gemeinden zu tragen wäre. Diese Folgenanalyse zeigt, dass ein effektiver Rechtsschutz der Gemeinden im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen den Kreisumlagebescheid ohnehin nur eingeschränkt ermöglicht werden könnte. Effektiver Rechtsschutz gegen ein rechtswidriges Einnahme- oder Ausgabeverhalten des Kreises ist in Nordrhein-Westfalen vielmehr auf andere Weise gewährleistet. Rechtmäßiges Handeln sicherzustellen und ggfls. zu erzwingen, sind die Organe des Kreises und die Aufsichtsbehörden schon von Amts wegen berufen. Abgesehen davon steht den Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ein Anspruch auf Unterlassung zu, wenn ein Kreis auf Kosten der Gemeinden rechtswidrig Aufgaben wahrnimmt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.8.1996 - 15 A 4171/93 -, NVwZ-RR 1997, 251; zum ähnlich gerichteten grundrechtlichen Anspruch eines Mitglieds eines öffentlich-rechtlichen Zwangsverbandes BVerwG, Urteil vom 24.9.1981 - 5 C 53.79 -, BVerwGE, 64, 115, 117; OVG NRW, Beschlüsse vom 6.9.1994 - 25 B 1507/94 -, NWVBl. 1995, 134, 136, und vom 29.9.1992 - 15 B 3652/92 -, NWVBl. 1993, 63.

Dieser Anspruch folgt aus der durch die Regelungen der Kreisordnung ausgeformten Rechtsstellung der Gemeinde im Verhältnis zu dem Kreis, dem sie angehört. Die Aufgaben der Gemeinden und Kreise, die nach Art. 28 Abs. 2 GG jeweils Träger eines Selbstverwaltungsrechtes sind, sind in vielfältiger Weise aufeinander bezogen und miteinander verflochten. Das Verhältnis von Kreis und Gemeinde wird nicht durch eine hierarchische Stufung, sondern durch die Verfolgung gleichgerichteter Interessen im Wege des Ausgleichs und der Ergänzung geprägt. Dies verdeutlicht § 1 Abs. 1 KrO NRW durch die zusammenfassende Beschreibung der Kreisaufgaben, wonach die Kreise ihr Gebiet u.a. zum Besten der kreisangehörigen Gemeinden verwalten. Damit statuiert die Kreisordnung den Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens.

Vgl. Wansleben, in: Kirchhof/Wansleben/Becker/ Plückhahn, Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: Dezember 2004, § 2 Anm. 4.1, m.w.N.; vgl. hierzu auch - im Verhältnis Gemeinde-Staat: OVG NRW, Urteil vom 8.1.1964 - III A 1151/61 -, OVGE 19, 192, 199.

Dieser Verpflichtung des Kreises korrespondiert die Verpflichtung der Gemeinde, sich nach § 56 KrO NRW über die Kreisumlage an der Finanzierung der Kreisaufgaben zu beteiligen. Dieses ausbalancierte und auf ein wechselseitiges Geben und Nehmen angelegte Gefüge wird gestört, wenn die Gemeinden über die Kreisumlage zur Finanzierung von Aufgaben herangezogen werden, für die der Kreis nicht zuständig ist. Ein derartiges Verhalten des Kreises verstößt nicht nur gegen die objektive Rechtsordnung. Die durch die Regelungen der Kreisordnung vorgegebene Ausgewogenheit des Verhältnis zwischen Kreis und Gemeinde erfordert es vielmehr, dass die Gemeinden sich gegen rechtswidrige Kreistätigkeiten auf Kosten der Gemeinden effektiv schützen können. Weil der Einwand rechtswidriger Aufgabenwahrnehmung auf Grund der Bestimmung des § 56 Abs. 1 KrO NRW gegenüber dem Umlagebescheid nicht erhoben werden kann, begründet die Kreisordnung einen Abwehranspruch unmittelbar gegen die rechtswidrige Aufgabenwahrnehmung als solche. Dieser Abwehranspruch kann prozessual im Wege der Leistungsklage als Unterlassungsanspruch oder - falls die rechtswidrige Aufgabenerfüllung nicht mehr zu verhindern ist und ein Feststellungsinteresse etwa auf Grund von Wiederholungsgefahr besteht - im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden. Ist der Kreis auf Grund eines Unterlassungstitels verpflichtet, die Aufgabenerfüllung zu unterlassen, so ist bei der im Rahmen des § 56 Abs. 1 KrO NRW anzustellenden Prognose davon auszugehen, dass die für die in Rede stehende Aufgabe im Haushaltsplan vorgesehene Ausgabe nicht erfolgen wird. Entsprechendes gilt bei einem Feststellungsausspruch für gleich gelagerte Ausgaben in zukünftigen Haushaltsjahren.

Im Hinblick auf diese den Gemeinden eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten ist allerdings auch zu beachten, dass den Kreisen bei ihrer Aufgabenwahrnehmung ein relativ weiter und von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zusteht. Soweit der Kreis nicht gesetzlich zur Aufgabenwahrnehmung verpflichtet ist, legt er den Umfang der von ihm zu erfüllenden Aufgaben auf Grund des auch ihm zustehenden Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen des ihm zugewiesenen Kompetenzbereichs der auf das Kreisgebiet begrenzten überörtlichen Aufgaben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes gemeindefreundlichen Verhaltens in eigener Verantwortung fest. Dabei kommt den Kreisen bei der Beantwortung der Frage, ob der unabweisbare gesamtstaatliche oder regionale Versorgungsstandard ihr ausgleichendes oder ergänzendes Wirken erfordert, eine Einschätzungsprärogative zu, die nur begrenzt verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist.

Vgl. hierzu Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1997, S. 64.

Auch soweit in diesem Zusammenhang über die Gestaltung oder Intensität der Aufgabenwahrnehmung entschieden wird, steht den Kreisen ein Gestaltungsspielraum zu, der maßgeblich von seiner Struktur sowie seinen planerischen und politischen Entscheidungen geprägt wird. Diese Aufgabenbestimmung ist von den kreisangehörigen Gemeinden im Grundsatz als rechtmäßig hinzunehmen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.3.1997 - 8 B 130.96 -, NVwZ 1998, 66 m.w.N.; Nds. OVG, Urteil vom 27.1.1999, - 10 L 6960/95 -, DVBl. 1999, 842, 845.

Kann nach alledem ein rechtswidriges Ausgabeverhalten des Kreises die Rechtmäßigkeit des Kreisumlagebescheides grundsätzlich nicht in Frage stellen, so kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, ob die vom Kreis gegebenen Förderungszuschüsse der Erfüllung von Kreis- oder von Gemeindeaufgaben dienten.

Die Einwendungen der Klägerin gegen die Höhe der Zuführungen vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt stellen die Rechtmäßigkeit des Umlagebescheides ebenfalls nicht in Frage. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung des Senats, ob und ggf. inwieweit ein anderweitig nicht gedeckter Finanzbedarf des Kreises im Rahmen des § 56 KrO NRW auch dann berücksichtigt werden darf, wenn er auf einem Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften beruht.

Vgl. in diesem Zusammenhang zur Unbeachtlichkeit des Verstoßes gegen das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung (§ 62 Abs. 2 GO NRW): OVG NRW, Urteil vom 27.8.1996, a.a.O.

Denn die Zuführung des Tilgungsanteils für rentierliche Schulden in Höhe von 724.000 Euro zum Vermögenshaushalt verstößt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gegen die haushaltsrechtliche Vorschrift des § 22 GemHVO NRW. Diese Bestimmung, die gemäß § 53 Abs. 1 KrO NRW für die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Kreises entsprechend gilt, regelt im Einzelnen, wie der durch § 75 Abs.3 GO NRW vorgegebene Grundsatz des Haushaltsausgleichs zu verwirklichen ist. Das Haushaltsrecht geht zunächst davon aus, dass der Verwaltungs- und der Vermögenshaushalt je für sich auszugleichen sind.

Vgl. Scheel/Steup/Schneider/Lienen, Gemeindehaushaltsrechts Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl. 1997, § 75 GO Rn. 7.

Zudem besteht aber ein ganzes System von Ausgleichsverrechnungen, sodass der Haushaltsausgleich nur in dem Zusammenwirken von Verwaltungs- und Vermögenshaushalt (sowie der allgemeinen Rücklage nach §§ 20, 21 GemHVO NRW) gesehen werden kann.

Vgl. Scheel/Steup/Schneider/Lienen, a.a.O., § 22 GemHVO Rn. 1.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GemHVO NRW sind die im Verwaltungshaushalt zur Deckung der Ausgaben nicht benötigten Einnahmen dem Vermögenshaushalt zuzuführen. Diese Regelung bringt die Erwartung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass im Verwaltungshaushalt Überschüsse erwirtschaftet werden, die für die Erhaltung oder Anschaffung gemeindlichen Vermögens verwendet werden sollen. Insoweit eröffnet der Verordnungsgeber dem Satzungsgeber keinen Spielraum, sondern er schreibt ihm bindend vor, wie mit Einnahmen zu verfahren ist, die zur Deckung der Ausgaben nicht benötigt werden. Hiernach konnte dem Vermögenshaushalt - wie im Haushaltsplan des Kreises für 2002 geschehen - ein Betrag in Höhe von 8.589.000 Euro zugeführt werden, darunter auch der von der Klägerin beanstandete Betrag in Höhe von 724.000,-- Euro für die Tilgung rentierlicher Schulden. Denn in dieser Höhe wurden die im Verwaltungshaushalt ausgewiesenen Einnahmen von insgesamt 109.788.000,-- Euro zur Deckung der Ausgaben in Höhe von (ohne die Zuführung zum Vermögenshaushalt) 101.199.000,-- Euro nicht benötigt. Im Hinblick auf das im Vermögenshaushalt geplante Ausgabevolumen und unter Berücksichtigung der vorgesehenen Kreditaufnahme musste der umstrittene Betrag dem Vermögenshaushalt sogar zugeführt werden, um den gesetzlich vorgegebenen Haushaltsausgleich zu erreichen.

Die Höhe des nach § 22 Abs.1 Satz 1 GemHVO NRW dem Vermögenshaushalt zuzuführenden Betrages wird durch die weiteren Regelungen des § 22 GemHVO NRW nicht nach oben, sondern nur nach unten begrenzt. Abs. 1 Satz 2 der Regelung schreibt dem Satzungsgeber vor, welche Mindesthöhe die Zuführung erreichen muss (Muss-Zuweisung). Die danach vorgeschriebene Zuführung in Höhe der Kreditbeschaffungskosten und der ordentlichen Tilgung von Krediten ist die konsequente Folge aus der Verpflichtung der Gemeinde, Kredite nur zur Anschaffung von Gemeindevermögen, nicht aber zur Aufrechterhaltung der Verwaltung aufzunehmen (§ 85 Abs. 1 GO NRW). Durch § 22 Abs. 1 Satz 2 GemHVO NRW soll im Grundsatz sichergestellt werden, dass kreditfinanzierte Vermögensausgaben nur getätigt werden, wenn die Gemeinde sich dies auf Grund der finanziellen Lage des Verwaltungshaushalts auch leisten kann. § 22 Abs. 1 Satz 3 GemHVO NRW beschreibt schließlich, in welcher Höhe darüber hinaus Zuführungen erfolgen sollen (Soll-Zuführung). Diese Bestimmung verfolgt drei unterschiedliche Ziele: Soweit die Zuführung aus dem Verwaltungshaushalt die Ansammlung von Rücklagen im Vermögenshaushalt sicherstellen soll, wird eine Vorsorge für Zeiten engerer finanzieller Spielräume angestrebt. Die Regelung, dass Mittel für die Finanzierung des Vermögenshaushalts erwirtschaftet werden sollen, ist Ausdruck des Bestrebens, die Investitionstätigkeit des Vermögenshaushalts nicht nur über Kredite zu finanzieren. Die Klägerin versteht diese Vorgabe dahin, dass sie sich allein auf die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel während des Planungszeitraumes, nicht aber auf eine zu Beginn des Haushaltsjahres getätigte planmäßige Haushaltsveranschlagung bezieht. Diese Auffassung trifft nicht zu. § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 GemHVO NRW dient vielmehr gerade als Vorgabe für die Haushaltsplanung mit dem Ziel, dem Vermögenshaushalt zur Sicherung einer angemessenen Selbstfinanzierungsquote Mittel für Investitionen im Wege des Haushaltsausgleichs zuzuführen.

Vgl. Scheel/Steup/Schneider/Lienen, a.a.O., § 22 GemHVO Rn. 5.

Dieses Verständnis ergibt sich nicht nur aus dem oben beschriebenen Zweck der Regelung, sondern auch aus ihrer systematischen Stellung im Rahmen der Vorschrift des § 22 GemHVO NRW über den Haushaltsausgleich. Schließlich ist die Regelung, dass die Zuführung mindestens so hoch sein soll wie die aus speziellen Entgelten gedeckten Abschreibungen, die haushaltsrechtliche Folge der gebührenrechtlichen Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW. Danach zählen zu den über Benutzungsgebühren abzudeckenden Kosten auch Abschreibungen als Entgelt für den Verbrauch des Anlagevermögens. Durch § 22 Abs. 1 Satz 3 GemHVO NRW wird insoweit sichergestellt, dass dieser der Wiederbeschaffung von Anlagen dienende Gebührenanteil für Ausgaben im Vermögenshaushalt verwendet wird.

Die Zuführungen vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt sind dagegen nicht auf den Mindestbetrag nach § 22 Abs. 1 Satz 2 und die Zuführungen nach § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 GemHVO NRW beschränkt. Sie können (Kann-Zuweisung) darüber durchaus - bis zur Grenze des § 22 Abs. 1 Satz 1 GemHVO NRW - hinausgehen. Aus § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 GemHVO NRW ergibt sich keine betragsmäßige Begrenzung weiterer Zuführung, sondern nur deren Zweckrichtung (Rücklagenbildung, Investitionstätigkeit). Diese Zweckverfolgung versteht sich indes von selbst, weil der Vermögenshaushalt gemäß § 1 Abs. 1 Nrn. 7 und 8 GemHVO NRW Investitionen und die Bildung von Rücklagen als wesentliche Ausgabepositionen umfasst.

Vgl. Scheel/Steup/Schneider/Lienen, a.a.O., § 22 GemHVO Rn. 5.

Der Satzungsgeber verstößt deshalb nicht gegen § 22 GemHVO NRW, wenn er - wie hier - eine Zuführung zum Vermögenshaushalt vorsieht, die sowohl über der durch § 22 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Halbsatz 1 vorgegebenen Mindesthöhe (2.185.000,-- Euro) - Kreditbeschaffungskosten und Kosten für die ordentliche Tilgung der Kredite - als auch über der Sollhöhe (5.296.000,-- Euro) - der Höhe der aus speziellen Entgelten gedeckten Abschreibungen - liegt.

Ergeben sich danach aus § 22 GemHVO NRW keine Grenzen für die erfolgte Zuführung zum Vermögenshaushalt, so kommt es für die zulässige Höhe der Kreisumlage auch insoweit maßgeblich auf das Ausgabe- und Einnahmeverhaltens des Kreises an. Hierfür bedarf es nicht einmal einer Prognose, wenn es - wie bei der Zuführung zum Vermögenshaushalt - allein um einen haushaltsinternen Buchungsvorgang geht.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Zuführung an den Vermögenshaushalt aus dem Verwaltungshaushalt haushaltstechnisch nach oben keiner Begrenzung unterliegt, da jede Zuführung aus der Einnahmeposition Kreisumlage finanziert werden kann. Auch insoweit gilt aber wie oben bei der Kritik an vermeintlich kompetenzwidriger Aufgabenwahrnehmung, dass sich die Gemeinde nicht im Nachhinein gegen die Kreisumlage wenden kann, wenn sie in Wirklichkeit vermeintlich zu hohe Zuführungen an den Vermögenshaushalt verhindern will. Vielmehr kann sie Primärrechtsschutz gegen Ausgabenansätze oder unterlassene Einnahmen im Vermögenshaushalt in Anspruch nehmen, wenn sie diese für rechtswidrig hält. Hat ihr Begehren Erfolg, so führt dies zu einem geringeren Defizit im Vermögenshaushalt, und es ist damit zum Haushaltsausgleich eine geringere Zuführung aus dem Verwaltungshaushalt erforderlich.

Die angefochtene Kreisumlage überschreitet auf Grund der Einrechnung der von der Klägerin beanstandeten Positionen auch nicht das verfassungsrechtlich zulässige Maß. Die hiernach zulässige Obergrenze würde verletzt, wenn die Gesamtheit aller Umlagen dazu führte, dass der Klägerin nicht mehr die Haushaltsmittel zu Verfügung stünden, um damit gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG die ihr obliegenden Selbstverwaltungsaufgaben in eigener Verantwortung regeln zu können.

Vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 2.8.1984 - 3 C 40.81 -, BVerwGE 70, 34 ff. m.w.N.

Diese Voraussetzungen sind bei einem streitbefangenen Betrag in Höhe von rund 130.000,-- Euro und einer gegenüber der Klägerin geltend gemachten Kreisumlage in Höhe von insgesamt knapp 6.000.000,-- Euro nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

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