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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 25.07.2006
Aktenzeichen: 15 A 2089/04
Rechtsgebiete: GG, LWG, KAG NRW


Vorschriften:

GG Art. 3
LWG § 53
KAG NRW § 8
1. Stellt die Gemeinde eine öffentliche Abwasseranlage in der Form zur Verfügung, dass jeder Anschlussnehmer mittels eines auf seine Kosten anzuschaffenden, zu betreibenden und zu unterhaltenden Pumpwerks die Grundstücksabwässer in das öffentliche Druckentwässerungsnetz einzuspeisen hat, so liegt darin keine unzulässige Verschiebung der nach Landesrecht der Gemeinde obliegenden Abwasserbeseitigungspflicht.

2. Eine so gebotene Anschlussmöglichkeit reicht - bei entsprechender entwässerungsrechtlicher Satzungsregelung der Gemeinde - aus, um nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW die Anschlussbeitragspflicht entstehen zu lassen.

3. Die Gemeinde ist unter Vorteilsgesichtspunkten nach § 8 Abs. 6 KAG NRW nicht verpflichtet, satzungsrechtlich im Beitragssatz danach zu differenzieren, ob die Beitragspflicht durch eine solche Anschlussmöglichkeit oder durch die Möglichkeit des Anschlusses an einen Freispiegelkanal ausgelöst wird.


Tatbestand:

Die Stadt verlegte in der Straße, an die das klägerische Grundstück grenzt, eine Druckrohrleitung, an die die Eigentümer der Anliegergrundstücke das Schmutzwasser der Grundstücke jeweils mittels eines auf ihre Kosten anzuschaffenden, zu betreibenden und zu unterhaltenden Pumpwerks einzuspeisen haben. Gegen den sodann ergangenen Kanalanschlussbeitragsbescheid wandte sich der Kläger. Die Klage blieb in beiden Rechtszügen erfolglos.

Gründe:

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Beitragssatzung (KABS) unterliegen Grundstücke der Beitragspflicht, die an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen werden können und für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Stadt zur Bebauung anstehen. Diese Merkmale liegen vor, und zwar insbesondere das hier allein streitige Merkmal, dass das Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen werden kann.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann das Grundstück auch ohne Bereitstellung einer öffentlichen Pumpe an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen werden. Nach § 3, 4 Abs. 1 Satz 1 der Grundstücksentwässerungssatzung (EWS) besteht ein Anschlussrecht für alle Grundstückseigentümer, deren Grundstücke an eine Straße grenzen, in der eine betriebsfertige und aufnahmefähige öffentliche Abwasseranlage vorhanden ist. Das ist mit der in der Straße G. vor dem Grundstück verlegten öffentlichen Druckrohrleitung der Fall. Dazu gehört die Existenz einer öffentlichen Druckpumpanlage nicht. Nach § 2 Nr. 6 Buchst. d Sätze 2 und 3 EWS sind auf dem Privatgrundstück befindliche Druckstationen Bestandteil der Hausanschlussleitung und gehören nicht zur öffentlichen Abwasseranlage. Nach § 12 Abs. 1 EWS hat der Grundstückseigentümer im Falle eines Druckentwässerungsnetzes auf seine Kosten eine für die Entwässerung ausreichend bemessene Druckpumpe sowie die dazu gehörige Druckleitung bis zur Grundstücksgrenze herzustellen, zu betreiben, zu unterhalten, instandzusetzen und gegebenenfalls zu ändern oder zu erneuern. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist er darüber hinaus zum Abschluss eines Wartungsvertrages verpflichtet. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass das Fehlen einer öffentlichen Druckstation nach dem Satzungsrecht nicht die Annahme erlaubt, die öffentliche Abwasseranlage sei noch nicht betriebsfertig.

Die so gebotene Anschlussmöglichkeit steht mit dem Landeswasserrecht in Einklang. Nach § 53 Abs. 1 LWG liegt die Abwasserbeseitigungspflicht grundsätzlich bei der Gemeinde und umfasst insbesondere das Sammeln und Fortleiten des auf Grundstücken des Gemeindegebietes anfallenden Abwassers (Satz 2 Nr. 2 der Vorschrift). Die Auffassung des Klägers, mit der Verpflichtung, auf seinem Grundstück und auf seine Kosten eine Druckpumpe zu installieren, werde die Aufgabe des Fortleitens des Abwassers unzulässigerweise auf ihn abgewälzt, geht fehl. Die Fortleitung des Abwassers erfolgt ab der Grundstücksgrenze über zur öffentlichen Abwasseranlage gehörige Grundstücksanschlussleitungen (§ 2 Nr. 6 Buchst. b EWS) durch das öffentliche Druckentwässerungsnetz. Richtig ist, dass die Anschlussnehmer ihre Abwässer nur mittels einer auf ihrem Grundstück befindlichen Pumpstation in das vorbenannte öffentliche Netz einspeisen können und dass infolge des so bewirkten Drucks regelmäßig auch die Energie zum Weitertransport im öffentlichen Druckentwässerungsnetz bereitgestellt wird, hier die zum Transport bis zur oberhalb gelegenen Kreuzung mit der Druckentwässerungsleitung, wo die Abwässer gesammelt und mittels einer öffentlichen Pumpstation weitergeleitet werden. Diese Nutzung des von den Anschlussnehmern bewirkten Drucks zur Fortleitung auch innerhalb des öffentlichen Druckentwässerungsnetzes stellt keine unzulässige teilweise Verschiebung der Abwasserbeseitigungspflicht dar, denn das Fortleiten, also der Transport von einem Ort zum anderen, geschieht ausschließlich innerhalb des öffentlichen Druckentwässerungsnetzes. Die Bereitstellung des zum Weitertransport innerhalb des öffentlichen Druckentwässerungsnetzes notwendigen Druckes durch die Anschlussnehmer könnte allenfalls dann eine unzulässige teilweise Verschiebung der Abwasserbeseitigungspflicht darstellen, wenn von den Anschlussnehmern mehr verlangt würde, als die Einspeisung ihrer Abwässer in das unter Druck stehende öffentliche Druckentwässerungsnetz. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr liegt ein bloßes Ausnutzen anderweitig vorhandener Energie auch zur Weiterleitung innerhalb des öffentlichen Druckentwässerungsnetzes vor, nicht anders als bei einer Freigefälleleitung, bei der die Nutzung der anderweitig vorhandenen Gravitationskraft, die auch nicht von der Gemeinde zur Verfügung gestellt wird, ebenfalls keine teilweise Verschiebung der Abwasserbeseitigungspflicht darstellt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.6.1997 - 22 A 1406/96 -, NWVBl. 1998, 154 (155).

Die Notwendigkeit, ein Pumpwerk zur Einspeisung des Abwassers in das öffentliche Druckentwässerungsnetz zu installieren und zu betreiben, schließt die beitragsrechtlich relevante Anschlussmöglichkeit nicht aus. Eine die Beitragspflicht auslösende Anschlussmöglichkeit nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW besteht allerdings nur dann, wenn das Grundstück unter gemeingewöhnlichen Umständen angeschlossen werden kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31.5.2005 - 15 A 1691/03 -, KStZ 2005, 191.

Der Begriff der gemeingewöhnlichen Umstände richtet sich dabei auf die Zumutbarkeit des Anschlusses im Hinblick auf den finanziellen Aufwand für die Anschlussleitungen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.4.2003 - 15 A 2254/01 -, NVwZ-RR 2003, 778 (779).

Der Unterschied zwischen den Entwässerungsarten besteht allein darin, dass die Anforderungen an die Überlassung des Schmutzwassers verschieden sind. Im Falle der Freispiegelkanalentwässerung reicht das bloße Einfließenlassen des Abwassers in die öffentliche Kanalisation aus. Im Falle der Druckentwässerung muss das Abwasser mittels eines Pumpwerks in das öffentliche Druckentwässerungsnetz eingespeist werden. Darin liegt eine Anschlussmöglichkeit unter gemeingewöhnlichen Umständen. Der Kläger scheint der Auffassung zu sein, der Anschlussnehmer habe grundsätzlich einen Anspruch auf eine Freigefälleentwässerung. Dem ist nicht so. Es steht im Ermessen der Gemeinde, welche technische Lösung sie zur Grundstücksentwässerung anbietet.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.4.1988 - 22 A 580/86 -, MittNWStGB 1988, 289 (290).

Die finanzielle Zusatzbelastung der Grundstückseigentümer im Falle eines Druckentwässerungsnetzes ist nicht unverhältnismäßig. Nach den Erfahrungen des Senats kommen gegenüber dem Anschluss an einen Freispiegelkanal die Anschaffungskosten für ein Pumpwerk mit Kosten von etwa 3.500 € hinzu. Damit wird aber gleichzeitig die Funktion eines Kontrollschachts wahrgenommen, der hier nicht zusätzlich erforderlich ist und dessen Kosten regelmäßig mit etwa 1.500 € zu veranschlagen sind.

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt OVG NRW, Urteil vom 19.1.1998 - 15 A 6219/95 -, Gemhlt. 2000, 69.

Darüber hinaus ist in der Funktion des Pumpwerks auch eine Rückstausicherung enthalten. Weiter fallen Wartungskosten in Höhe von etwa 200 € jährlich und Energiekosten von etwa 10 - 20 € jährlich an. Dem stehen Ersparnisse bei der Verlegung der Hausanschlussleitungen gegenüber, die durch den geringeren Durchmesser der Abwasserleitungen und durch die Möglichkeit, diese oberflächennah ohne Gefälle zu verlegen, entstehen. Das kann dazu führen, dass im Einzelfall bei entsprechend langen Hausanschlussleitungen und ungünstiger Topographie die Kosten für einen Anschluss an ein Druckentwässerungsnetz sogar niedriger liegen als bei einer Freispiegelkanalentwässerung.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass eine Ersatzbeschaffung des Pumpwerks nach dessen Abgängigkeit erforderlich werde, kann dies nicht in die Zumutbarkeitserwägung eingestellt werden, denn auch Hausanschlusskanäle im Freigefälle müssen repariert oder erneuert werden. Eine elektronische Verknüpfung und Abstimmung mit anderen Pumpwerken, wie der Kläger meint, ist nicht erforderlich. Schließlich ist auch das Gewässer auf dem klägerischen Grundstück beitragsrechtlich unerheblich. Der darauf bezogene Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung greift nicht durch: Eine Druckleitung ist hinsichtlich des Gewässerschutzes eher vorteilhafter als leckageanfällige Freispiegelkanäle. So kann etwa ein hoher Grundwasserstand ein technischer Grund für die Wahl des Druckentwässerungssystems sein. Wegen des Pumpwerks sind besondere Vorkehrungen hinsichtlich des Gewässers nicht erforderlich. Das gilt auch für eventuelle Ausfälle der Pumpe, denn der Behälter des Pumpwerks ist ausreichend dimensioniert, um für eine Übergangszeit Abwässer ohne Weitertransport aufzunehmen. Die Darstellung des Klägers, dass das Aufleuchten eines roten Kontrolllämpchens wegen Versagens der Pumpe etwa bei Urlaubsabwesenheit eine Reparatur in dieser Übergangszeit nicht sicherstelle, begründet keine Gefahr des Austritts von Abwässern, denn bei Urlaubsabwesenheit fällt kein Schmutzwasser an. Für ein Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle ist deshalb nichts ersichtlich. Unsubstantiiert ist die Behauptung, für den Kläger entstünden Anschlusskosten von mehr als 25.000 Euro, was erst nach ständiger Rechtsprechung des Senats zur Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle führen würde.

Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen die Höhe des Beitragssatzes, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Satzung denselben Beitragssatz für die Entwässerung mittels Freispiegelkanal wie mittels Druckentwässerung festsetzt. Die Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen. Dabei können Gruppen von Beitragspflichtigen mit annähernd gleichen Vorteilen zusammen gefasst werden (§ 8 Abs. 6 KAG NRW). Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG fordert, dass wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt wird. Dem Satzungsgeber steht ein weites Ermessen für die Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen zu, die nur auf die Einhaltung der Grenzen des sachlich Vertretbaren überprüft werden können. Bei einer bemängelten Gleichbehandlung ist diese Grenze erst dann überschritten, wenn zwischen den beiden Gruppen gleich behandelter Fälle Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, dass die gleichartige Behandlung nicht mehr zu rechtfertigen ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.3.2005 - 15 A 809/03 -, Gemhlt. 2005, 165 (166); Beschluss vom 21.12.2000 - 15 A 4579/97 -, NWVBl. 2001, 233.

Nach diesen Maßstäben verstößt die volle Teilbeitragserhebung auch für Grundstücke, die mittels Druckentwässerung entwässert werden, nicht gegen § 8 Abs. 6 KAG NRW und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Die beiden Entwässerungsarten sind nicht wesentlich ungleich unter dem Gesichtspunkt des durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme gewährten wirtschaftlichen Vorteils. Dieser besteht bei Baulandcharakter aufweisenden Grundstücken in der Erhöhung des Gebrauchswertes dahin, dass erst durch die zur Inanspruchnahme gebotene Entwässerungsanlage eine bauliche Nutzung möglich wird bzw. - bei schon bebauten Grundstücken - dass eine nur provisorische Entwässerung durch eine endgültige und ordnungsgemäße Erschließung ersetzt wird.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2.3.2004 - 15 A 1151/02 -, KStZ 2004, 134 (135 f.).

Die generell durch die öffentliche Entwässerungsanlage gebotene Entwässerungsleistung ist die Beseitigung des Abwassers (§ 1 Abs. 1 und 2 EWS). Dies geschieht sowohl bei der Freispiegelkanalentwässerung wie bei der Druckentwässerung. Lediglich die Anschlusskosten stellen sich wegen der Unterschiede in der Technik anders dar. Dies hat aber keine Auswirkungen auf den durch die Entwässerungsmöglichkeit gebotenen wirtschaftlichen Vorteil für die Grundstückseigentümer. Insofern liegt der Fall einer Druckentwässerung anders als bei einer im Einzelfall geforderten Regenrückhaltung und entspricht eher dem Fall, dass wegen besonderer topographischer Umstände eine Hebeanlage erforderlich ist, um das Abwasser des Grundstücks in einen oberhalb gelegenen Freispiegelkanal einzuleiten.

Vgl. zur geforderten Regenrückhaltung OVG NRW, Beschluss vom 17.3.2005 - 15 A 809/03 -, Gemhlt. 2005, 165.

Während bei einer erforderlichen Regenwasserrückhaltung der wirtschaftliche Vorteil der Entwässerung erst in der Kombination von privater Niederschlagswasserrückhaltung und öffentlicher Abwasserableitung gewährt wird, verschafft hier das Druckentwässerungsnetz alleine den vollen wirtschaftlichen Entwässerungsvorteil. Das private Druckpumpwerk zur Einspeisung ist lediglich eine Anschlussmodalität. Die Druckentwässerung trägt hier der unterschiedlichen vorgegebenen Grundstückssituation im Hinblick auf die Entwässerungsmöglichkeit Rechnung, nämlich der Hanglage des Grundstücks am Rande der Ortsteilbebauung.

Vgl. zur Bedeutung der Situationsgebundenheit des Grundeigentums für die Zumutbarkeit von Obliegenheiten des Eigentümers BVerwG, Urteil vom 3.9.2003 - 7 B 6.03 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 167, S. 21; Urteil vom 21.3.2002 - 4 CN 14.00 -, BVerwGE 116, 144 (151); für die Zumutbarkeit naturschutzrechtlicher Beschränkungen Urteil vom 31.1.2001 - 6 CN 2.00 -, BVerwGE 112, 373 (376 f.); zur Situationsgebundenheit einer Gemeinde für die Zumutbarkeit von Eingriffen in die Planungshoheit Urteil vom 15.5.2003 - 4 CN 9.01 -, BVerwGE 118, 181 (185).

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