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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 10.04.2006
Aktenzeichen: 15 A 3914/03
Rechtsgebiete: KAG NRW, GO NRW, BauGB, BauGB-Maßnahmengesetz


Vorschriften:

KAG NRW § 8
GO NRW § 52 Abs. 1
BauGB § 10 Abs. 3
BauGB § 34 Abs. 4
BauGB-Maßnahmengesetz
1. Zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit im Beitragsrecht wegen einer bauplanerisch angeordneten Grenzhecke.

2. Eine baurechtliche Abgrenzungssatzung, die aus einem textlichen Teil und einem Plan besteht, ist zur Sicherstellung der Authentizität hinreichend ausgefertigt, wenn die Planurkunde einen Ausfertigungsvermerk trägt und der Satzungstext im vollen Wortlaut in der Niederschrift des Ratsbeschlusses nach § 52 Abs. 1 GO NRW enthalten ist.


Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das im Außenbereich am kanalisierten B.-Weg liegt. 1997 erließ die Gemeinde in Verbindung mit dem BauGB-Maßnahmengesetz eine Abgrenzungssatzung, die das klägerische Grundstück und zwei benachbarte Grundstücke in ihren Geltungsbereich einbezog und für die drei Grundstücke im Abstand von 25 m zum B.-Weg eine 5 m breite Hecke festsetzte. Der Satzungstext führte dazu aus: "Auf den Baugrundstücken zur freien Landschaft hin ist eine frei wachsende Hecke - 3-reihig - (vgl. beigefügte Pflanzliste) herzustellen und zu unterhalten. Der Pflanzabstand darf in der Reihe höchstens 1,5 m betragen." Die Gemeinde erließ einen Kanalanschlussbeitragsbescheid und legte dabei die Fläche des Grundstücks bis zur satzungsrechtlichen 40-m-Tiefenbegrenzung zu Grunde. Dagegen wandten sich die Kläger, weil sie der Auffassung waren, dass das Grundstück nur bis zur Tiefe von 30 m vom B.-Weg der Beitragspflicht unterliege. Der beklagte Bürgermeister machte im Berufungsverfahren u.a. geltend, die Abgrenzungssatzung sei nicht wirksam bekannt gemacht worden, weil hinsichtlich des zu jedermanns Einsicht bereitgehaltenen Exemplars zwar die Planurkunde einen Ausfertigungsvermerk trage, nicht aber der Satzungstext. Die Teilanfechtungsklage war im Berufungsrechtszug erfolgreich.

Gründe:

Im angefochtenen Umfang kann sich der Beitragsbescheid nicht auf § 8 KAG NRW in Verbindung mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung stützen. Der angefochtene Teil des Beitragsbescheides wäre nur dann rechtmäßig, wenn über eine Tiefe von 30 m bis zum Ende der angeordneten Anpflanzung einer Hecke hinaus eine Fläche von weiteren 10 m bis zur satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung nach § 3 Abs. 5 BGS in die Veranlagung einzubeziehen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Zu Recht nimmt das VG allerdings an, dass die Abgrenzungssatzung als solche keinen Anlass gibt, die außerhalb ihres räumlichen Geltungsbereichs liegende Fläche bei der Veranlagung unberücksichtigt zu lassen. Die Satzung legt nur fest, welche Flächen innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegen, und macht das klägerische Grundstück durch seine Einbeziehung nach § 4 Abs. 2a BauGB-MaßnahmenG - (BGBl. 1993 I S. 622) erst zu Bauland. Somit behält zwar die Fläche des klägerischen Flurstücks jenseits von 30 m vom B.-Weg durch die Nichteinbeziehung in den räumlichen Geltungsbereich der Satzung ihre Qualität als Außenbereichsfläche. Dies hindert es jedoch nicht, Teile dieser Fläche zum der Kanalanschlussbeitragspflicht unterliegenden Grundstück zu zählen, da es dafür nicht darauf ankommt, dass es in all seinen Teilen bebaut werden kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.5.2001 - 15 A 5608/98 -, KStZ 2001 , 194 f.

Vielmehr muss festgestellt werden, welche Fläche das durch den B.-Weg erschlossene Grundstück darstellt. Ein der Beitragspflicht unterliegendes Grundstück i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW und des § 2 Abs. 3 BGS ist die wirtschaftliche Einheit, also jeder demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbstständig baulich oder gewerblich genutzt werden darf und selbständig an die Anlage angeschlossen werden kann. Ausgangspunkt ist aber das Buchgrundstück, denn in der Mehrzahl der Fälle sind Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts zugleich auch wirtschaftliche Einheiten. Davon ausgehend ist festzustellen, ob das Buchgrundstück zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit um Flächen vergrößert oder verkleinert werden muss.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2005 - 15 A 300/05 -, NWVBl. 2005, 437.

Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei einem Flurstück um eine wirtschaftliche Einheit oder mehrere handelt, beurteilt sich nicht nach der tatsächlichen, sondern der zulässigen Nutzung des Grundstücks. Sie hängt von den tatsächlichen Umständen wie Lage, Zuschnitt und Größe des Grundstücks und von rechtlichen Gesichtspunkten, nämlich der Zuordnung des Grundstücks zu einem bestimmten Baugebiet und den hierfür festgesetzten Bezugsgrößen für Maß und Art der baulichen Nutzung ab. Dabei ist in beplanten Gebieten von dem auszugehen, was der Bebauungsplan selbst als Einheit vorsieht.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5.11.2002 - 15 A 4060/02 -, S. 2 f. des amtl. Umdrucks.

Hier rechtfertigen die durch die Abgrenzungssatzung getroffenen Festsetzungen die Bildung einer wirtschaftlichen Einheit vom B.-Weg bis zur hinteren Grenze der angeordneten Hecke. Zwar stellt die Satzung keinen Bebauungsplan dar, jedoch konnten in ihr wie bei Bebauungsplänen gemäß § 34 Abs. 4 Satz 3 BauGB i.d.F. der Bekanntmachung vom 8.12.1986 (BGBl. I S. 2253) bis zur Änderung durch Art. 24 des Gesetzes vom 20.12.1996 (BGBl. I S. 2049) - BauGB a.F. -i.V.m. § 4 Abs. 2a BauGB-MaßnahmenG einzelne Festsetzungen u.a. nach § 9 Abs. 1 BauGB a.F. getroffen werden, hier ein Heckenanpflanzgebot nach Nr. 25 der Vorschrift. Dies rechtfertigt es, auch Festsetzungen einer solchen Satzung dafür heranzuziehen, ob planungsrechtlich eine bestimmte Fläche als Einheit vorgesehen ist. Der Einwand des Beklagten, mangels Ermächtigung im Baugesetzbuch könne durch eine Abgrenzungssatzung kein Baugrundstück festgelegt werden, verfängt nicht. Es geht allein darum festzustellen, was das beitragspflichtige Grundstück im Sinne des § 8 KAG NRW, also die wirtschaftliche Einheit, ist. Für diese beitragsrechtliche Frage können bauplanungsrechtliche Festsetzungen von Bedeutung sein.

Die Abgrenzungssatzung ist auch in Kraft getreten. Der Umstand, dass die textlichen Regelungen der Satzung keinen Ausfertigungsvermerk tragen, steht der Wirksamkeit der Bekanntmachung nicht entgegen. Die Abgrenzungssatzung war gemäß §§ 34 Abs. 5 Satz 2, 22 Abs. 3 Satz 4, 12 BauGB a.F. bekannt zu machen, hier im Wege der Ersatzverkündung dadurch, dass die Durchführung des Anzeigeverfahrens und der Hinweis bekannt gemacht wurden, wo die Satzung eingesehen werden konnte. Bundesrechtlich bestehen weitergehende Anforderungen an eine besondere Ausfertigung der so verkündeten Satzung nicht, solange nur das rechtsstaatliche Gebot beachtet wird, dass die Norm nur mit dem vom Normgeber gewollten Inhalt erlassen wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.5.1991 - 4 NB 26.90 -, BVerwGE 88, 204 (207 ff.).

Nach nordrhein-westfälischem Landesrecht reicht es zur Sicherstellung der Authentizität der Satzung im Sinne der Übereinstimmung des Inhalts mit dem Willen des gemeindlichen Beschlussorgans aus, wenn eine Ausfertigung in Form einer Originalurkunde geschaffen wird, auf welcher der Bürgermeister als Vorsitzender des Rates zeitlich nach dem Ratsbeschluss und vor der Verkündung der Satzung schriftlich bestätigt, dass der Rat an einem näher bezeichneten Tag diese Satzung beschlossen hat.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10.12.2004 - 10a D 133/02.NE -, NWVBl. 2005, 381 f., vom 14.5.2004 - 10a D 2/02 -, NVwZ-RR 2005, 7, vom 12.3.2003 - 7a D 20/02.NE -, NVwZ-RR 2003, 667 (668 f.), vom 17.10.1996 - 7a D 122/94.NE -, NWVBl. 1997, 210 (211) und vom 18.12.1991 - 7a NE 77/90 -, NWVBl. 1992, 357 (358).

Diesen Anforderungen ist im vorliegenden Fall Genüge getan. Die Planzeichnung ist als Originalurkunde mit dem zitierten Ausfertigungsvermerk versehen worden. Der Satzungstext ist zwar auf dieser Originalurkunde, die nur auf ihn verweist, nicht enthalten. Er ist aber in vollem Wortlaut in der von der Bürgermeisterin und dem Schriftführer unterzeichneten Niederschrift des Ratsbeschlusses nach § 52 Abs. 1 der GO NRW enthalten, so dass auch insoweit eine die Authentizität des beschlossenen Satzungsinhalts verbürgende Originalurkunde existiert.

Hier bildet die angeordnete Hecke die Grenze der wirtschaftlichen Einheit. Aus der Lage der angeordneten Hecke in einer Tiefe von 25 m und den textlichen Festsetzungen, insbesondere der Formulierung in § 3 Nr. 4 Satz 1 der Satzung "Auf den Baugrundstücken zur freien Landschaft hin ist eine ... Hecke ... herzustellen" sowie dem engen Pflanzabstand von höchstens 1,5 m nach § 3 Nr. 4 Satz 2 der Satzung, ergibt sich, dass planerisch nicht allgemein eine Begrünung auf dem Baugrundstück zu dessen Gestaltung, sondern eine das Baugrundstück abschließende Grenzhecke gewollt ist. Unerheblich ist damit, ob trotz der Festsetzung ein Durchgang durch die Hecke und eine gärtnerische Nutzung der dahinter liegenden Fläche möglich ist. Vielmehr ist hier als Grundstück die Fläche zu Grunde zu legen, die die Satzung ausweislich ihrer planerischen Festsetzungen selbst als Einheit ansieht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten gebieten die baurechtlichen Bestimmungen zur Feststellung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht, eine wirtschaftliche Einheit von 40 m Tiefe zu Grunde zu legen. Das zulässige Maß der baulichen Nutzung ist nach dieser Vorschrift nicht schematisch aus einer hypothetischen Grundflächenzahl für ein 40 m tiefes Baugrundstück zu berechnen, sondern richtet sich danach, ob ein Vorhaben sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Im Übrigen ist keines der am B.-Weg liegenden Grundstücke innerhalb des Bebauungszusammenhangs 40 m tief, vielmehr sind sie überwiegend 35 m tief. Das dem klägerischen Grundstück nördlich benachbarte bebaute Flurstück 23 ist sogar nur 27 m tief.

Ende der Entscheidung

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