Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 02.03.2004
Aktenzeichen: 15 A 4168/02
Rechtsgebiete: GG, Verf NRW, SGB VIII, AG-KJHG, GO NRW


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 2
Verf NRW Art. 2
Verf NRW Art. 3 Abs. 1
Verf NRW Art. 31
SGB VIII § 71
AG-KJHG NRW § 3
AG-KJHG NRW § 4
AG-KJHG NRW § 5
GO NRW § 58 Abs. 1
Fraktionen, die im Jugendhilfeausschuss nicht vertreten sind, haben wegen der abschließenden Sondervorschriften des Jugendhilferechts zur Besetzung dieses Ausschusses keinen Anspruch nach § 58 Abs. 1 Satz 7 GO NRW, ein Ratsmitglied oder einen sachkundigen Bürger als beratendes Mitglied dieses Ausschusses zu benennen.
Tatbestand:

Der beklagte Rat wählte die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses, wobei auf die klagende Fraktion kein Sitz entfiel. Sie macht den Anspruch geltend, gemäß § 58 Abs. 1 Satz 7 bis 10 GO NRW ein Ratsmitglied oder einen sachkundigen Bürger als beratendes Mitglied des Ausschusses benennen zu dürfen und durch den Beklagten bestellen zu lassen. Dieser lehnt dies ab und hält die Vorschrift nicht für anwendbar. Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das VG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist mit dem Hauptantrag zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist als Leistungsklage im Rahmen eines Organstreits (Kommunalverfassungsstreits) zulässig.

Vgl. zum Organstreit OVG NRW, Urteil vom 26.11.2002 - 15 A 662/02 -, NWVBl. 2003, 267.

Hier steht der Anspruch der Klägerin in Rede, nach § 58 Abs. 1 Satz 7 - 9 GO NRW einen sachkundigen Bürger für den Jugendhilfeausschuss benennen zu dürfen und ihn vom Rat zum beratenden Mitglied dieses Ausschusses bestellen zu lassen. Die dort geregelten Rechte einer Fraktion sind wehrfähige Rechte eines Organteils.

Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Bestellung von Frau R. als beratendes Mitglied des Jugendhilfeausschusses durch den Beklagten. Nach § 58 Abs. 1 Satz 7 - 9 GO NRW sind Fraktionen, die in einem Ausschuss nicht vertreten sind, berechtigt, für diesen Ausschuss ein Ratsmitglied oder einen sachkundigen Bürger, der dem Rat angehören kann, zu benennen, das oder der sodann vom Rat zum beratenden Mitglied bestellt wird. Zwar liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, denn die Klägerin ist im Jugendhilfeausschuss nicht vertreten. Dennoch besteht der Anspruch nicht, weil die Vorschrift auf den Jugendhilfeausschuss nicht anwendbar ist. Die Besetzung des Jugendhilfeausschusses richtet sich nämlich hinsichtlich der stimmberechtigten und der beratenden Mitglieder ausschließlich nach § 71 SGB VIII und den §§ 4 und 5 AG-KJHG, die die Vorschriften der Gemeindeordnung zur Besetzung eines Ausschusses unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes verdrängen.

Allerdings steht der Wortlaut der Gesetze einer Anwendbarkeit des § 58 Abs. 1 Satz 7 - 9 GO NRW nicht entgegen. So bestimmt § 71 SGB VIII lediglich den Kreis der stimmberechtigten Mitglieder des Jugendhilfeausschusses, während diese bundesrechtliche Vorschrift den Sachbereich der beratenden Mitglieder, wie sich aus § 71 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII ergibt, vollständig der Landesgesetzgebung überlässt und somit dafür keinerlei inhaltliche Vorgaben normiert. Diese Zurückhaltung des Bundesgesetzgebers in Fragen der Besetzung des Jugendhilfeausschusses mit beratenden Mitgliedern belegt auch die gesetzgebungskompetenzrechtliche Lage: Der Jugendhilfeausschuss ist ein bundesrechtlich konstituiertes Kommunalorgan, das den sogenannten beschließenden Ausschüssen des Kommunalrechts ähnelt, aber die Besonderheit aufweist, dass es nur teilweise die politischen Mehrheitsverhältnisse der Vertretungskörperschaft widerspiegelt und im Übrigen von Vertretern der freien Jugendhilfe und sachverständigen Bürgern besetzt wird. Obwohl mit Vorschriften dieser Art der Bundesgesetzgeber der Sache nach kommunales Verfassungs-, Organisations- und Verfahrensrecht regelt, für das an sich ausschließlich die Länder gesetzgebungsbefugt sind, legitimieren sich jene Normen als sachbezogene und für die Gewährleistung eines wirksamen Gesetzesvollzuges notwendige Annexregelungen, die der Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungszuständigkeit zur materiellen Regelung der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) gemäß Art. 84 Abs. 1 GG treffen kann.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.1967 - 2 BvF 3/62 u.a. -, BVerfGE 22, 180 (211); BVerwG, Urteil vom 15.12.1994 - 5 C 30.91 -, DVBl. 1995, 690 (691).

Auch die Entstehungsgeschichte des § 71 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII belegt, dass sich der Bundesgesetzgeber wegen dieses kommunalverfassungsrechtlichen Bezugs in der Frage der Zugehörigkeit beratender Mitglieder zum Jugendhilfeausschuss zu Gunsten des Landesgesetzgebers zurückhalten wollte.

Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 11/5948, S. 96 f., zum dortigen § 63 Abs. 5.

Das so allein maßgebliche Landesrecht schließt durch das AG-KJHG nicht ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 58 Abs. 1 Satz 7 - 9 GO NRW aus, sondern ermöglicht vielmehr durch § 3 Abs. 1 AG-KJHG dessen Anwendung, wenn es dort heißt, dass für das Jugendamt, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimme, die Gemeindeordnung gelte.

Indes bestimmt das AG-KJHG im Punkt der Zugehörigkeit beratender Mitglieder des Jugendhilfeausschusses etwas anderes. Dieser Sachbereich wird nämlich abschließend durch § 5 AG-KJHG geregelt, der somit § 58 Abs. 1 Satz 7 - 9 GO NRW verdrängt.

Der Wortlaut der Vorschrift zwingt allerdings nicht zu dieser Auslegung, da sie weder ausdrücklich für abschließend erklärt wird (etwa durch eine Wendung wie "Beratende Mitglieder gehören dem Jugendhilfeausschuss allein nach Maßgabe folgender Bestimmungen an:") noch die Anwendbarkeit des § 58 Abs. 1 Satz 7 - 9 GO NRW ausdrücklich ausschließt. Indes ergeben der systematische Zusammenhang und Sinn und Zweck der Vorschrift ihren abschließenden Charakter.

Durch das AG-KJHG wird in Ausführung der nur rudimentären Regelung der Rechtsverhältnisse des Jugendhilfeausschusses durch das Bundesrecht das Nähere geregelt (§ 71 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII), insbesondere kommt das AG-KJHG dem bundesrechtlichen Auftrag nach, die Zugehörigkeit beratender Mitglieder zum Jugendhilfeausschuss zu regeln (§ 71 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII). Neben dem unspezifizierten Zweck, Näheres zu regeln, ist also dieses spezielle sachliche Normprogramm Gegenstand des AG-KJHG. Dem kommt es nach, indem es - nach Aufgaben- und Trägerbestimmung in § 1 und 2 - in § 3 Abs. 1 vorbehaltlich anderer Bestimmungen u.a. in den folgenden Vorschriften die Anwendung der Gemeindeordnung anordnet, um sich dann in den darauf folgenden beiden Paragraphen der personellen Zusammensetzung des Jugendhilfeausschusses zuzuwenden, und zwar in § 4 hinsichtlich der stimmberechtigten und in § 5 hinsichtlich der beratenden Mitglieder.

Dieses Zusammenspiel von bundesrechtlicher Isolierung des Normprogramms "Zugehörigkeit beratender Mitglieder zum Jugendhilfeausschuss" und landesrechtlicher Regelung des Normbereichs "Beratende Mitglieder des Jugendhilfeausschusses" nach der amtlichen Überschrift des § 5 AG-KJHG belegt, dass diese Vorschrift nicht etwa in Ergänzung und Abwandlung allgemeiner Regeln der Gemeindeordnung zu beratenden Ausschussmitgliedern einzelne Detailfragen dazu für den Jugendhilfeausschuss normieren, sondern dass sie das Normprogramm "Zugehörigkeit beratender Mitglieder zum Jugendhilfeausschuss" vollständig und insoweit unter Verdrängung einschlägiger Vorschriften der Gemeindeordnung abarbeiten will.

Dieses aus systematischen Gesichtspunkten gewonnene Auslegungsergebnis wird durch Sinn und Zweck des § 71 SGB VIII und der §§ 4 und 5 AG-KJHG gestützt: Der Jugendhilfeausschuss ist Teil des Jugendamtes (§ 70 Abs. 1 SGB VIII) und die institutionalisierte Form der Zusammenarbeit von freier und öffentlicher Jugendhilfe,

vgl. Wiesner, in: Wiesner u.a., SGB VIII, 2. Aufl., § 71 Rn. 1,

das Bindeglied zwischen den freien Trägern und dem Rat,

vgl. Schellhorn, SGB VIII/KJHG, 2. Aufl., § 71 Rn. 1,

was mit Stichworten wie "lebendiges Jugendamt", "demokratische Kollegialbehörde", "bürgerschaftliche Mitverantwortlichkeit" angerissen wird und die Vergleichbarkeit dieses Ausschusses mit sonstigen Ratsausschüssen ausschließt.

Vgl. Münder/Ottenberg, Der Jugendhilfeausschuss, S. 12 f; vgl. zu den - nicht weiter verfolgten - Reformüberlegungen, aus dem Jugendhilfeausschuss einen gewöhnlichen kommunalen Ausschuss zu machen, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts, BT-Drs. 11/5948, S. 95, zu § 62, Gesetz geworden als § 70 SGB VIII.

Diese qualitative Sonderstellung beruht vor allem auf der andersartigen personellen Zusammensetzung des Jugendhilfeausschusses gegenüber sonstigen Ratsausschüssen. Die "öffentliche Seite" erhält bei den stimmberechtigten Mitgliedern nur einen Anteil von 3/5, wobei passiv wahlberechtigt sind Ratsmitglieder oder "Frauen und Männer, die in der Jugendhilfe erfahren sind" (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII), nicht aber wie bei sonstigen Ausschüssen Ratsmitglieder und sachkundige Bürger (§ 58 Abs. 3 GO NRW). Bereits hier wird deutlich, dass die Mitgliedschaft von Personen, die nicht dem Rat angehören, auf solche beschränkt werden soll, die eine spezifische Erfahrung mit dem Tätigkeitsbereich des Jugendhilfeausschusses verbindet. Das setzt sich auf der "freien Seite" noch deutlicher fort, wo die Mitgliedschaft überhaupt nur über Träger der freien Jugendhilfe vermittelt werden kann (§ 71 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).

Diese für die stimmberechtigten Mitglieder bundesrechtlich vorgegebene Tendenz der Allokation von Sachverstand in Jugendhilfeangelegenheiten neben der nur beschränkten Ratsrepräsentanz findet sich bei der landesrechtlichen Regelung der Zugehörigkeit beratender Mitglieder zum Jugendhilfeausschuss noch deutlicher. Während das Kommunalrecht für Ratsausschüsse die beratende Mitgliedschaft sog. sachkundiger Bürger oder Einwohner im weiten Umfang ermöglicht, ohne dass spezifische Erfahrungen verlangt werden (§ 58 Abs. 1 Satz 7 - 9 GO NRW für nicht im Ausschuss vertretene Fraktionen, § 58 Abs. 4 GO NRW allgemein ohne Beschränkung durch Beschluss des Rates), regelt § 5 AG-KJHG in seinem Absatz 1 die beratende Mitgliedschaft im Jugendhilfeausschuss allein unter Gesichtspunkten fachlicher Kompetenz. Lediglich die Öffnungsklausel in § 5 Abs. 3 AG-KJHG erlaubt - insoweit von der Wortwahl an den Begriff des sachkundigen Bürgers/Einwohners anknüpfend -, dass durch Satzung bestimmt werden könne, dass weitere sachkundige Frauen und Männer dem Jugendhilfeausschuss angehören. Damit wird insbesondere die allgemeine Regelung des § 58 Abs. 4 GO NRW ersetzt, und zwar einerseits beschränkend dahin, dass für solche sachkundigen Frauen und Männer als beratende Mitglieder nicht ein bloßer Wahlbeschluss, sondern eine satzungsrechtliche Grundlage erforderlich ist, und andererseits erweiternd dahin, dass auch Nichteinwohner bestellt werden können.

In dieses im Hinblick auf das Verhältnis Rat/Träger freier Jugendhilfe und die spezifische Erfahrung in Jugendhilfeangelegenheiten austariertes Regelungsgeflecht der personellen Besetzung des Jugendhilfeausschusses würde unkontrolliert eingegriffen, wenn auf Grund allgemeiner Regeln über den Minderheitenschutz von Fraktionen, die nicht im Rat vertreten sind, nach § 58 Abs. 1 Satz 7 Ratsmitglieder oder sachkundige Bürger entsandt werden könnten. Gleiches gilt für den Anspruch fraktionsloser Ratsmitglieder nach § 58 Abs. 1 Satz 11, in einen Ausschuss als beratendes Mitglied bestellt werden zu können. Die genannten jugendhilferechtlichen Regelungen sind daher darauf angelegt, abschließend die personelle Zusammensetzung des Jugendhilfeausschusses zu regeln und Erweiterungen lediglich auf satzungsrechtlicher Grundlage zuzulassen, die hier zu Gunsten der Klägerin nicht vorhanden ist.

So auch David, Der Jugendhilfeausschuss, S. 103 ff.; a.A. ohne weitere Begründung und unter Bezugnahme auf die zur Vorgängervorschrift des § 42 der Gemeindeordnung a.F. ergangene Verwaltungsvorschrift Held u.a., Kommunalverfassungsrecht NRW, Loseblattsammlung (Stand: August 2003), § 58 Anm. 6.6.

Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte des Minderheitenschutzes gebieten keine andere Auslegung der genannten Vorschriften. Das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG für die Bundesrepublik Deutschland, über Art. 28 Abs. 1 GG auch für die Länderebene verbindlich; Art. 2, 3 Abs. 1, 31 Verf NRW für das Land) gewährleistet neben der Herrschaft der Mehrheit auch den Schutz der Minderheit. Dieser Schutz umfasst das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition mit der Möglichkeit der Minderheit, ihren Standpunkt im Wege gleichberechtigter Mitwirkung aller Abgeordneten bzw. Ratsmitglieder in den Willensbildungsprozess des Staates bzw. der Kommune einzubringen.

Vgl. BVerfG, Urteile vom 14.1.1986 - 2 BvE 14/83 und 4/84 -, BVerfGE 70, 324 (363), und vom 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 (218); VerfGH NRW, Urteile vom 15.6.1999 - VerfGH 6/97 -, NWVBl. 1999, 411 (412), und vom 4.10.1993 - VerfGH 15/92 -, OVGE 43, 274 (278) zum nordrhein-westfälischen Verfassungsrecht; Bay. VerfGH, Entscheidung vom 14.12.1988 - Vf. 118 - IV - 87 -, BayVBl. 1989, 173 (174) zum bayerischen Verfassungsrecht; zum Minderheitenschutz vgl. Klein, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Loseblattsammlung (Stand: Februar 2003), Art. 42 Rn. 93 ff.; Dicke, in: Umbach/Clemens, GG, Band II, Art. 42 Rn. 40 ff.; Löwer, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 30 Rn. 13 f.

Namentlich für Ausschüsse der repräsentativen Vertretungskörperschaften gilt, dass wegen der Vorverlagerung der Arbeit vom Plenum in die Ausschüsse diese grundsätzlich ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in ihrer Zusammensetzung das in ihm wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln müssen, wobei in sachlich begründeten Fällen die Mitgliederzahl eines Ausschusses so gewählt werden darf, dass nicht jede Fraktion im Ausschuss vertreten ist.

Vgl. für Parlamentsausschüsse BVerfG, Urteile vom 14.1.1986 - 2 BvE 14/83 und 4/84 -, BVerfGE 70, 324 (363 f.), und vom 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 (222); für Ratsausschüsse BVerwG, Urteile vom 10.12.2003 - 8 C 18.03 -, S. 5 f. des amtl. Umdrucks, und vom 27.3.1992 - 7 C 20.91 -, BVerwGE 90, 104 (109); OVG NRW, Urteil vom 26.11.2002 - 15 A 662/02 -, NWVBl. 2003, 267 (268); Bay. VGH, Entscheidung vom 14.12.1988 - Vf. 118 - 14 - 87 -, BayVBl. 1989, 173 (174); Löwer, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 30 Rn. 20, und Menzel, ebenda, Art. 38 Rn. 27.

Genau dieser Minderheitenschutzgedanke entspricht § 58 Abs. 1 Satz 7 - 9 GO NRW, auf den sich die Klägerin beruft.

Indes gelten diese Grundsätze nicht für den Jugendhilfeausschuss. Er ist nämlich nicht verkleinertes Spiegelbild des Rates, sondern, wie oben bereits ausgeführt, Teil des Jugendamtes als hoheitlicher Verwaltung, in der die politische Repräsentation und Mitwirkung zu Gunsten fachlicher Kompetenz und nur vermittelter demokratischer Legitimation zurückgedrängt sind.

Vgl. zur demokratischen Legitimation der Verwaltung Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band II, Art. 20 Rn. 113 ff., insbesondere Rn. 130 zum Bereich staatlichen und gesellschaftlichen Zusammenwirkens.

Das gilt auch für die hier allein in Rede stehende nur beratende Mitgliedschaft. Das beratende Mitglied ist nämlich Mitglied mit vollen Mitgliedschaftsrechten unter Ausschluss des Stimmrechts.

Vgl. Held u.a., Kommunalverfassungsrecht NRW, Loseblattsammlung (Stand: August 2003), § 58 Anm. 6.2; zum Mitgliedschaftsrecht des beratenden Mitglieds vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.2.1984 - 15 A 2626/81 -, OVGE 37, 94 (99 ff.).

Damit ist zwar das Mitgliedschaftsrecht auf ein Mitwirkungsrecht an den Beratungen reduziert, jedoch kann die Sacharbeit des Gremiums durch beratende Mitglieder in Form von Tagesordnungsvorschlägen, Sachanträgen und Debattenbeiträgen mitgeprägt werden. Daher kann es auch bei bloß beratender Mitwirkung angezeigt sein, an sie bestimmte Qualifikationsanforderungen zu stellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 708 Nr. 10 ZPO, der die Urteile der OLG (also hier in entsprechender Anwendung des OVG) in vermögensrechtlichen Streitigkeiten für ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar zu erklären vorschreibt, ist anwendbar. Zwar ist der Streit in der Hauptsache nicht vermögensrechtlicher Natur, sondern auf Vornahme einer hoheitlichen Handlung (Organakt in Form der Bestellung eines Ausschussmitgliedes durch den Rat) gerichtet. Insoweit kommt aber in analoger Anwendung des § 167 Abs. 2 VwGO eine vorläufige Vollstreckbarkeit von vornherein nicht in Betracht.

Vgl. Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: Januar 2003), § 167 Rn. 21; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: September 2003), § 167 Rn. 135; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 167 Rn. 11.

Kommt also nur eine vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt in Betracht, richtet sich beim OVG die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 10 ZPO, nicht nach der an Vollstreckungshöchstgrenzen gebundenen Nr. 11 der Vorschrift.

Vgl. Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: September 2003), Rn. 153, 141.



Ende der Entscheidung

Zurück