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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 08.10.2002
Aktenzeichen: 15 A 4734/01
Rechtsgebiete: GG, VwVfG NRW, VwGO, GO NRW, GemHVO NRW


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
VwVfG NRW § 40
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 43
GO NRW § 56 Abs. 3 Satz 1
GO NRW § 56 Abs. 3 Satz 3
GO NRW § 58 Abs. 1 Satz 7
GemHVO NRW § 2 Abs. 2 Nr. 5
1. Unter Berufung auf die innerorganisatorische Anspruchsnorm des § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW kann eine Ratsfraktion im kommunalrechtlichen Organstreit sowohl geltend machen, die ihr gewährten Zuwendungen seien zu niedrig, als auch, andere konkurrierende Fraktionen seien durch die getroffene Verteilungsregelung gleichheitswidrig begünstigt worden.

2. Über die Höhe und die Form von Fraktionszuwendungen nach § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW entscheidet der Rat nach pflichtgemäßem Ermessen; ein Anspruch auf Vollkostenerstattung besteht nicht.

3. Die Gewährung von Zuwendungen nach § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW ist nicht an den Maßstäben des formalisierten Gleichheitssatzes zu messen.

4. Der Grundsatz der Chancengleichheit verbietet nicht, die Höhe der Zuwendungen an Fraktionen und Gruppen in Abhängigkeit von deren Mitgliederzahl zu staffeln.

5. Die Entscheidung des Rates nach § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW unterliegt der gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich nur in materiell-rechtlicher Hinsicht; unerheblich ist, auf welchem verfahrensmäßigen Weg der Rat den angenommenen Bedarf der Fraktionen ermittelt hat.


Tatbestand:

Nach der Kommunalwahl vom 12.9.1999 beschloss der beklagte Rat für die Wahlperiode 1999/2004 unter anderem eine Staffelung der Personalkostenzuwendungen an die Fraktionen. Für die klagende Fraktion, die im Rat nur noch mit 2 statt vorher 4 Sitzen vertreten war, führte diese Änderung zu einer Reduzierung der jährlichen Personalkostenzuwendung von etwa 35.000 DM auf 19.500 DM. Das VG wies die dagegen gerichtete Klage mit der Begründung als unzulässig ab, es fehle an einer Rechtsverletzung der Klägerin, weil der als Anlage zum Haushaltsplan beschlossenen Änderung keine Außenwirkung zukomme. Die vom OVG zugelassene Berufung blieb erfolglos.

Gründe:

Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die auf die beiden Haushaltsjahre 2000 und 2001 bezogenen Begehren der Klägerin sind als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Nach der 1. Alternative dieser Vorschrift kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinn verstehen die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung und die Literatur die rechtlichen Beziehungen, die sich auf Grund der Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen konkreten Sachverhalt für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht.

BVerwG, Urteil vom 26.1.1996 - 8 C 19.94 -, BVerwGE 100, 262 (264); ferner Urteil vom 10.7.2001 - 1 C 35.00 -, BVerwGE 114, 356 (358 f.); Happ, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 43, Rdnr. 12.

An einem Rechtsverhältnis im Sinn dieser Definition beteiligt sein können nicht nur natürliche oder juristische Personen, sondern auch kommunale Organe oder Organteile als Träger organisationsinterner Rechte. Denn der Begriff des Rechtsverhältnisses i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO ist nicht auf Außenrechtsverhältnisse beschränkt, sondern umfasst ebenso die Rechtsbeziehungen innerhalb von Organen einer juristischen Person, also auch einer kommunalen Vertretungskörperschaft.

OVG NRW, Urteil vom 5.2.2002 - 15 A 2604/99 -, NWVBl. 2002, 381; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15.3.1989 - 7 C 7.88 -, BVerwGE 81, 318 (319); Happ, a.a.O., § 43, Rdnr. 14; Fehrmann, Rechtsfragen des Organstreits, NWVBl. 1989, 303 (304); Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage 2000, § 43, Rdnr. 11; Pietzcker, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2002, § 43, Rdnr. 26.

Auch ein Ratsbeschluss kann im Rahmen eines kommunalrechtlichen Organstreits überprüft werden, wenn und soweit er die Rechte kommunaler Organe oder Organteile konkretisiert oder nachteilig betrifft.

OVG NRW, Urteil vom 5.2.2002 - 15 A 2604/99 -, a.a.O., Beschluss vom 7.8.1997 - 15 B 1811/97 -, NWVBl. 1998, 110, und Urteile vom 26.4.1989 - 15 A 2805/86 -, OVGE 41, 118, und vom 14.10.1988 - 15 A 2126/86 -, MittNWStGB 1988, 394.

So hat der beklagte Rat im vorliegenden Fall durch die beiden in Rede stehenden Beschlüsse die innerorganisatorische Norm des § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich die Haushaltsjahre 2000 und 2001, angewandt und dadurch die Rechte der einzelnen Fraktionen auf Zuwendungen aus Haushaltsmitteln für diese beiden Haushaltsjahre verbindlich konkretisiert. Gegenstand der Klagebegehren ist die Frage, ob die Klägerin durch die Neuregelung der Fraktionszuwendungen, die der Beklagte für die beiden genannten Haushaltsjahre getroffen hat, in ihren organschaftlichen Rechten aus § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW sowie in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber den anderen Ratsfraktionen verletzt ist. Dem Rechtsstreit liegt damit ein konkretes organschaftliches Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO zu Grunde.

Die fehlende Außenwirkung der Haushaltspläne der Stadt, auf die das VG abgehoben hat, vgl. dazu Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1997, § 9 C 2 d aa (S. 212), steht der Annahme eines konkreten organschaftlichen Rechtsverhältnisses im Sinn des § 43 Abs. 1 VwGO nicht entgegen. Denn unter § 43 Abs. 1 VwGO fallen, wie dargelegt, nicht nur Rechtsverhältnisse in der Außenbeziehung des Staates zum Bürger, sondern ebenso auch die Innenrechtsbeziehungen einzelner Organe oder Organteile einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Dieses Innenrechtsverhältnis ist auch hinreichend konkretisiert, denn der beklagte Rat hat mit seinen Beschlüssen die exakte Höhe der Zuwendungen an die Ratsfraktionen festgelegt und diese Zuwendungen gemäß § 56 Abs. 3 Satz 2 GO NRW, § 2 Abs. 2 Nr. 5 GemHVO in einer besonderen Anlage zum Haushaltsplan dargestellt. Diese Entscheidungen bedürfen im Unterschied zu anderen Titeln des Haushaltsplans keiner Umsetzung mehr durch gesonderte Entscheidungen über die Verwendung der bereitgestellten Haushaltsmittel.

Die Klägerin ist auch klagebefugt. Eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines organschaftlichen Rechtsverhältnisses innerhalb kommunaler Organe ("kommunalverfassungsrechtliche Feststellungsklage") ist in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn es sich bei der geltend gemachten Rechtsposition um ein durch das Innenrecht eingeräumtes, dem klagenden Organ oder Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesenes wehrfähiges subjektives Organrecht handelt. Geht es, wie hier, um die Rechtmäßigkeit eines Ratsbeschlusses, setzt die Klagebefugnis dementsprechend voraus, dass dieser ein subjektives Organrecht des klagenden Organs oder Organteils nachteilig betrifft. Denn das gerichtliche Verfahren dient nicht der Feststellung der objektiven Rechtswidrigkeit des Ratsbeschlusses, sondern dem Schutz der dem klagenden Organ oder Organteil durch das Innenrecht zugewiesenen Rechtsposition. Ob eine solche geschützte Rechtsposition im Hinblick auf die Beschlussfassung des Rates besteht, ist durch Auslegung der jeweils einschlägigen Norm zu ermitteln.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.9.1988 - 7 B 208.87 -, NVwZ 1989, 470 = BayVBl. 1989, 378; OVG NRW, Urteile vom 5.2.2002 - 15 A 2604/99 -, a.a.O., vom 24.4.2001 - 15 A 3021/97 -, NWVBl. 2002, 31, vom 26.4.1989 - 15 A 2805/86 -, OVGE 41, 118, vom 14.10.1988 - 15 A 2126/86 -, Mitt NWStGB 1988, 394, und vom 2.2.1972 - III A 887/69 -, OVGE 27, 258 (264); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.2.1992 - 1 S 2242/91 -, NVwZ-RR 1992, 373; Schnapp, VwArch 78 (1987), S. 407 (415).

Nach diesem Maßstab ist die Klagebefugnis der klagenden Ratsfraktion im vorliegenden Fall zu bejahen. Für die hier in Rede stehende Regelung in § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW, wonach die Gemeinde den Fraktionen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung gewährt, hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass sie nicht lediglich einen objektivrechtlichen Rechtssatz enthält, sondern den Ratsfraktionen darüber hinaus auch einen Anspruch auf Zuwendungen für die Geschäftsführung gewährt.

OVG NRW, Urteil vom 18.6.2002 - 15 A 1958/01 -, S. 10 und 12 des Urteilsabdrucks.

Unter Berufung auf die innerorganisatorische Anspruchsnorm des § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW kann eine Ratsfraktion im kommunalrechtlichen Organstreit sowohl geltend machen, die ihr gewährten Zuwendungen seien zu niedrig, als auch, andere konkurrierende Fraktionen seien durch die getroffene Verteilungsregelung gleichheitswidrig begünstigt worden.

Vgl. HessVGH, Beschlüsse vom 21.11.1997 - 8 TG 3806/97 -, NVwZ-RR 1999, 188, und vom 11.5.1995 - 6 TG 331/95 -, NVwZ-RR 1996, 105 (106); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13.2.1987 - 15 K 1536/85 -, NWVBl. 1987, 53 (55).

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der beantragten Rechtswidrigkeitsfeststellung. Dieses Interesse kann ihr insbesondere nicht mit der Erwägung des VG abgesprochen werden, in den Haushaltsjahren 1999 und 2000 habe sie ausweislich der vorgelegten Verwendungsnachweise Überschüsse erzielt. Ohnehin könnte dieses Argument von vornherein überhaupt nur für das vom Streitgegenstand her allein kongruente Haushaltsjahr 2000 tragfähig sein. Abgesehen davon geht es aber auch deshalb im Ansatz fehl, weil es der Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, nicht um ein Mehr an Zuwendungen geht, sondern um die Gleichmäßigkeit der Verteilung.

Die Klage ist schließlich auch zutreffend gegen den Rat der Stadt gerichtet. Klagen im Organstreitverfahren sind gegen den intrapersonalen Funktionsträger zu richten, dem gegenüber die mit der Organklage beanspruchte Innenrechtsposition bestehen soll.

OVG NRW, Urteile vom 5.2.2002 - 15 A 2604/99 -, a.a.O. (382), und vom 26.4.1989 - 15 A 650/87 -, NWVBl. 1989, 402.

Dies ist vorliegend der Rat als dasjenige Organ, das durch Beschluss über die Verteilung der Fraktionszuwendungen in den beiden streitgegenständlichen Haushaltsjahren entschieden hat.

Die Klage ist nicht begründet.

Die Ratsbeschlüsse vom 26.1.2000 und vom 6.12.2000 verletzen die Klägerin nicht in ihren subjektiven Organrechten aus § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW.

Mit der Formulierung "Die Gemeinde gewährt ..." begründet diese Vorschrift einen strikten Anspruch jeder einzelnen Fraktion auf Zuwendungen aus Haushaltsmitteln. Der Landesgesetzgeber hat diesen strikten Anspruch mit Wirkung vom 17.10.1994 durch § 30 c Abs. 3 GO NRW in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17.5.1994 (GV NRW S. 270) in die Gemeindeordnung eingefügt und damit die Vorläufervorschrift des § 30 Abs. 7 Satz 6 GO NRW in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 15.5.1979 (GV NRW S. 408) abgelöst, in der es hieß, dass die Gemeinde den Fraktionen Zuwendungen aus Haushaltsmitteln gewähren kann. Infolge dieser Änderung steht die Gewährung von Zuwendungen dem Grunde nach nicht mehr im Ermessen des Rates. Jede Ratsgruppierung, welche die Mindeststärke nach § 56 Abs. 1 GO NRW erreicht und damit Fraktionsstatus besitzt, hat einen Anspruch auf Zuwendungen zur Geschäftsführung. Insbesondere dürfen solche Zuwendungen einer Fraktion nicht mehr unter Berufung auf fraktionsbezogene Differenzierungskriterien wie etwa die Fraktionsgröße vollständig verwehrt werden.

Rehn/Cronauge/v. Lennep, GO NRW, Stand: Januar 2002, § 56 GO, Anm. IV 1.; so schon zur früheren Rechtslage VG Köln, Urteil vom 8.5.1991 - 4 K 2279/90 -, Eildienst Städtetag 1991, 539; Bick, Die Ratsfraktion, 1989, S. 107 f.

Demgegenüber steht die Bestimmung der Höhe der Zuwendungen, die den Fraktionen gewährt werden sollen, weiterhin im pflichtgemäßen Ermessen des Rates. § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW ist insbesondere kein Anspruch auf eine Vollkostenerstattung zu entnehmen. Eine gesetzlich zwingende Erstattung aller Geschäftsführungskosten ließe den Umstand außer Acht, dass den Fraktionen weitere Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen wie etwa Finanzmittel der hinter ihnen stehenden Parteien oder Wählervereinigungen, Spenden Einzelner und Umlagen der Fraktionsmitglieder (vgl. Nr. 1.1 des Runderlasses des Innenministeriums des Landes NRW vom 2.1.1989 - III A 1 - 11.70 - 3906/88 - Grundsätze für die Finanzierung der Fraktionsarbeit kommunaler Vertretungen). Auch den Gesetzesmaterialien ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, der Gesetzgeber habe eine Vollkostenerstattung zwingend oder auch nur als Regelfall vorsehen wollen. Insbesondere der Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik, auf dessen Empfehlung die Vorschrift von einer Ermessensnorm in eine Anspruchsnorm umgewandelt worden ist, enthält keine Aussagen, die auf eine solche Vorstellung des Gesetzgebers schließen lassen könnten.

LT-Drucks. 11/7060, Anlage mit den Diskussionsergebnissen aus der öffentlichen Sachverständigenanhörung, S. 19 f.

Entschließt sich der Rat dementsprechend, nur einen Teil der Aufwendungen zu erstatten, die den Fraktionen für ihre Arbeit entstehen, so steht diese Entscheidung mit § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW im Einklang, sofern dabei die übrigen Ermessensgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Chancengleichheit beachtet werden.

Bei der Festlegung des Finanzierungssystems ist die Gemeinde insbesondere an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden, der jenseits des Art. 3 Abs. 1 GG als objektivrechtliches Rechtsprinzip Geltung auch für die Rechtsbeziehungen zwischen kommunalen Organen und Organteilen beansprucht. Er ist insoweit in seiner Ausprägung als Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten.

OVG NRW, Urteil vom 14.6.1994 - 15 A 2449/91 -, NWVBl. 1994, 414 (415); VG Köln, Urteil vom 8.5.1991 - 4 K 2279/90 -, a.a.O.

Demgegenüber kommt der formalisierte Gleichheitssatz im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur Anwendung. Er zieht dem Gesetzgeber und auch dem kommunalen Satzungsgeber engere Grenzen als der allgemeine Gleichheitssatz und besagt, dass Differenzierungen nicht schon bei Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes, sondern nur bei Bejahung eines "besonderen" oder "zwingenden" Grundes zulässig sind. Das BVerfG wendet diesen strengeren Maßstab auf den Wettbewerb unter den Parteien und die Ausübung des Wahlrechts der Bürger sowie auf den finanziellen Status der Abgeordneten an.

Grundlegend das Diäten-Urteil des BVerfG vom 5.11.1975 - 2 BvR 193/74 -, BVerfGE 40, 296 ff., ferner Beschluss vom 20.7.1978 - 2 BvR 314/77 -, BVerfGE 49, 1 (2).

Die Gewährung von Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen der Ratsfraktionen nach § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW ist nicht an diesen strengeren Maßstäben des formalisierten Gleichheitssatzes zu messen. Denn das BVerfG hat diese besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes, soweit es um finanzielle Zuwendungen geht, lediglich im Hinblick auf die Entschädigung von Abgeordneten entwickelt, mithin auf eine Entschädigung, die Alimentationscharakter aufweist. Für Aufwandsentschädigungen sind diese strengeren Grundsätze hingegen nicht anzuwenden, wie der Senat für die Aufwandsentschädigung für Fraktionsvorsitzende bereits entschieden hat.

OVG NRW, Urteil vom 14.6.1994 - 15 A 2449/91 -, a.a.O.; ebenso Bick, S. 144 f.

Um eine Aufwandsentschädigung im vorbezeichneten Sinn handelt es sich bei den Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen der Ratsfraktionen nach § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW. Denn es geht hierbei um die pauschal oder nach konkret aufgewendeten Beträgen bemessene Abgeltung des Auslagen für einzelne Tätigkeiten der Fraktion.

Ist damit eine differenzierte Bemessung der Höhe der Fraktionszuwendungen auf kommunaler Ebene prinzipiell zulässig, so hält auch das vom Beklagten im vorliegenden Fall gewählte System der Fraktionszuwendungen entgegen der Auffassung der Klägerin den Anforderungen des Grundsatzes der Chancengleichheit stand.

Gegenstand der dieser Feststellung zu Grunde liegenden Prüfung sind die in den Beschlüssen vom 26.1.2000 und vom 6.12.2000 getroffenen Regelungen der Gewährung von Zuwendungen an die Ratsfraktionen für die Haushaltsjahre 2000 und 2001, durch die die jeweilige Höhe der vorgesehenen Zuwendungen in Anwendung eines mitbeschlossenen Berechnungsmodells festgelegt worden ist.

Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass der Beklagte den Fraktionen Zuwendungen pauschal vorab gewährt und sich damit die Praxis vieler anderer Kommunen zu Eigen gemacht hat. § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW verlangt nicht zwingend eine nachträgliche Erstattung auf der Basis tatsächlich getätigter und konkret nachgewiesener Ausgaben (Spitzabrechnung). Die Verpflichtung der Fraktionen aus § 56 Abs. 3 Satz 3 GO NRW zur Führung eines Verwendungsnachweises in einfacher Form belegt, dass der Gesetzgeber diese Form der Gewährung von Fraktionszuwendungen als zulässig erachtet.

VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13.2.1987 - 15 K 1536/85 -, a.a.O.; Bick, a.a.O., S. 110 f..

Mit dem Grundsatz der Chancengleichheit vereinbar ist insbesondere auch die vom Beklagten gewählte Staffelung der Personalkostenzuwendung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nicht, die Höhe der Zuwendungen an Fraktionen und Gruppen in Abhängigkeit von deren Mitgliederzahl zu staffeln. Eine solche Differenzierung nach der Anzahl der in einer Fraktion oder Gruppe zusammen geschlossenen Ratsmitglieder ist sachgerecht, weil sie sich an der typischerweise vorzufindenden Bedarfslage der Fraktionen oder Gruppen und an deren kommunalverfassungsrechtlicher Funktion orientiert. Diese Funktion besteht in der Bündelung und Koordinierung der Arbeit des Rates und seiner Ausschüsse. Sowohl der Sach- als auch der Personalaufwand, den diese Koordinierung erfordert, hängt, wie auch die Klägerin nicht bestreitet, zumindest zu einem erheblichen Teil von der Zahl der Ratsmitglieder ab, deren Meinungsbildung und Entscheidung in der geschilderten Weise zu bündeln ist. Nicht nur die Kosten für Papier, Porto, Telefon und Ähnliches (Sachaufwand), sondern auch der von der Klägerin beispielhaft genannte Zeitbedarf einer angestellten Geschäftsführungskraft bei der Vor- und Nachbereitung von Sitzungen durch Erstellung und Übermitteln schriftlicher Beratungsvorlagen, Einladungen usw. steigt und sinkt proportional mit der Anzahl der Personen, deren Arbeit zu koordinieren ist.

BayVGH, Urteil vom 16.2.2000 - 4 N 98.1341 -, NVwZ-RR 2000, 811.

Der Einwand der Klägerin, etliche Fraktionstätigkeiten wie etwa die Vorbereitung, Durchführung und Protokollierung von Fraktionssitzungen sowie das Formulieren einer Pressemitteilung und deren Versendung an die örtlichen Medien nähmen bei einer kleinen Fraktion dieselbe Arbeitszeit in Anspruch wie bei einer großen Fraktion, steht einer bedarfsorientierten Staffelung von Fraktionszuwendungen nach der Fraktionsstärke nicht entgegen. Anlass zu rechtlichen Bedenken gegen diese Differenzierung bestünde allenfalls dann, wenn die Fraktionsarbeit ganz überwiegend oder nahezu ausschließlich aus Tätigkeiten bestünde, deren Zeitaufwand von der Fraktionsstärke unabhängig ist. Für eine dahin gehende Annahme bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, und auch der Sachvortrag der Klägerin gibt nichts dafür her.

Die Ermessensentscheidung des beklagten Rates, kleinen Fraktionen eine deutlich geringere Personalkostenzuwendung zu gewähren als den großen Fraktionen, ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht deshalb fehlerhaft, weil den kleinen Fraktionen ein - im Vergleich zu den großen Fraktionen - proportional höherer Koordinierungsaufwand durch die Entsendung sachkundiger Bürger in die Ausschüsse entsteht, sofern sie von ihrem Recht aus § 58 Abs. 1 Satz 7 GO NRW Gebrauch machen. Dieser erhöhte Koordinierungsaufwand bedarf bei der Bemessung der Höhe der Fraktionszuwendungen keiner gesonderten Berücksichtigung. Da kein Anspruch auf Vollkostenerstattung besteht, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn der Rat die Bemessung der Fraktionszuwendungen an denjenigen Aufwendungen ausrichtet, die für die Erfüllung der Kernaufgaben der Fraktionen entstehen. Der erhöhte Koordinierungsaufwand für die Teilnahme sachkundiger Bürger an der Ausschussarbeit betrifft nicht diese durch die Fraktionsmitglieder zu leistende Kernarbeit der Fraktion. Die Tätigkeit der sachkundigen Bürger hat vielmehr nur eine ergänzende Funktion im Rahmen der Ausschussarbeit. Sachkundige Bürger können die Fraktionen nach § 58 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 GO NRW mit beratender Stimme in solche Ausschüsse entsenden, in denen sie sonst nicht vertreten sind. Durch ihre Bestellung werden sie lediglich Mitglieder des Ausschusses, nicht aber auch Mitglieder des Rates oder der Ratsfraktion.

Zu Unrecht beanstandet die Klägerin schließlich, die Bemessung der Höhe der Fraktionszuwendungen durch den beklagten Rat sei wegen mangelnder Sachaufklärung fehlerhaft. Dieser Einwand betrifft nicht den Inhalt der streitgegenständlichen Ratsbeschlüsse, sondern den diesen Beschlüssen vorangehenden internen Entscheidungsvorgang. Die Entscheidung des Rates nach § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW darüber, in welcher Form und in welcher Höhe den Fraktionen Zuwendun4gen aus Haushaltsmitteln gewährt werden sollen, unterliegt der gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich nur in materiell-rechtlicher Hinsicht; unerheblich ist, auf welchem verfahrensmäßigen Weg der Rat den angenommenen Bedarf der Fraktionen ermittelt hat. Insoweit gelten dieselben Grundsätze, die auch bei der gerichtlichen Überprüfung kommunaler Rechtsetzungsakte anzuwenden sind. Gegenstand der Prüfung sind nur diese Rechtsetzungsakte als solche, also das Ergebnis des Rechtsetzungsverfahrens. Die subjektiven Vorstellungen und Motive der am Verfahren beteiligten Organe oder Personen sind unbeachtlich; nur die objektive Unvereinbarkeit des sachlichen Inhalts der Norm mit höherrangigem Recht führt zu ihrer Ungültigkeit.

OVG NRW, Urteile vom 7.9.1989 - 4 A 698/84 -, NWVBl. 1990, 266, und vom 28.11.1986 - 22 A 1206/81 -, OVGE 39, 49 (52 f.).

§ 40 VwVfG, auf den sich die Klägerin zur Begründung ihrer abweichenden Rechtsauffassung beruft, ist nicht einschlägig. Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für Verwaltungsakte im Sinn des § 35 VwVfG, nicht auch für andere Handlungsformen des Verwaltungsrechts, insbesondere auch nicht für die hier in Rede stehenden Innenrechtsbeziehungen zwischen kommunalen Funktionsträgern, bei denen es an der für den Verwaltungsakt charakteristischen Außenwirkung fehlt. Soweit eine entsprechende Anwendung des § 40 VwVfG auf andere Handlungsformen, namentlich auch auf Handlungsformen zur Ausübung des Organisationsermessens im verwaltungsinternen Bereich befürwortet wird, Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 40, Rdnr. 47 m. w. N., kann dies jedenfalls nicht für die Willensbildung bei Ratsbeschlüssen gelten. Wie bei Rechtsnormen wird auch hier nur die Regelung als solche überprüft, nicht aber auch der verfahrensmäßige Weg, auf dem sie zustande gekommen ist.

OVG NRW, Urteil vom 7.9.1989 - 4 A 698/84 -, a.a.O., Sachs, a.a.O., § 40, Rdnr. 48.

Der Entscheidungsvorgang ist neben dem Inhalt der Satzung als dem Produkt dieses Vorgangs nur dann bedeutsam, wenn der Gesetzgeber nicht nur den sachlichen Inhalt der Norm, sondern auch den Vorgang der Willensbildung besonderen Anforderungen unterworfen hat.

OVG NRW, Urteil vom 28.11.1986 - 22 A 1206/81 -, a.a.O. (53).

Eine solche besondere Anforderung an den Vorgang der Willensbildung stellt der Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang nicht. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus § 56 Abs. 3 Satz 3 GO NRW, wonach über die Verwendung der Zuwendungen ein Nachweis in einfacher Form zu führen ist. Aus der Verpflichtung der Fraktionen zur Führung eines Verwendungsnachweises folgt nämlich nicht, dass der Rat sich dieser Verwendungsnachweise zur sachgerechten Ermittlung des künftigen Bedarfs zu bedienen hat. Die Funktion dieses Verwendungsnachweises besteht, wie auch sonst im Subventionsrecht, nur darin, die zweckentsprechende Verwendung der Zuwendung in der Vergangenheit nachzuweisen. Insgesamt sollte, wie sich aus der Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Kommunalpolitik ergibt, in Anlehnung an die Diskussion auf Bundes- und Landesebene eine größere Transparenz bei der Fraktionsfinanzierung auch auf Gemeindeebene geschaffen werden.

LT-Drucks. 11/7060, Anlage mit den Diskussionsergebnissen aus der öffentlichen Sachverständigenanhörung, S. 20.

Ende der Entscheidung

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