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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 15 A 5137/05.A
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 13
AsylVfG § 26
AsylVfG § 77
1. § 26 AsylVfG gilt in allen am 1.1.2005 noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Asylanerkennungsverfahren.

2. Die Gewährung von Familienasyl oder Familienabschiebungsschutz nach § 26 AsylVfG setzt neben dem Asylantrag keinen weiteren Antrag voraus.


Gründen:

Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung. Im Zulassungsantrag wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht im Hinblick auf folgende sinngemäß aufgeworfene Fragen:

1. Gilt die am 1.1.2005 in Kraft getretene Neuregelung des sog. Familienabschiebungsschutzes in § 26 Abs. 4 AsylVfG auch für Altfälle?

2. Setzt die gerichtliche Zuerkennung von Familienabschiebungsschutz nach § 26 Abs. 4 AsylVfG eine vorherige ausdrückliche, erfolglose Beantragung dieses Status beim Bundesamt voraus?

Diese Fragen haben keine grundsätzliche Bedeutung.

Grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die bereits für die Vorinstanz entscheidungserheblich war, sich auch in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sich ihre Beantwortung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Dies ist hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen der Fall. Für die Anwendung der am 1.1.2005 in Kraft getretenen Fassung des § 26 AsylVfG ist mangels einer anderslautenden Übergangsvorschrift die allgemeine Regelung über den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in § 77 Abs. 1 AsylVfG einschlägig. Danach gilt § 26 AsylVfG auch für sog. Altfälle, in denen das nach der Gesetzesänderung bei Gericht anhängige Asylanerkennungsverfahren des um Familienabschiebungsschutz Nachsuchenden vom Bundesamt bereits vor der Gesetzesänderung abgeschlossen worden ist.

Vgl. Bodenbender, in: GK-AsylVfG (Stand: Oktober 2006), § 26 AsylVfG Rn. 23 m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht (Stand: Oktober 2006), § 26 AsylVfG Rn. 25; BAMF, Leitfaden zu den wesentlichen Änderungen des Asylverfahrens durch das Zuwanderungsgesetz, S.8.

Die Anwendung des § 26 AsylVfG in allen am 1.1.2005 noch offenen Asylverfahren entspricht auch dem Zweck der Neuregelung, dem Interesse an einem einheitlichen Rechtsstatus innerhalb der Familie und einem gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status für die engsten Familienangehörigen Rechnung zu tragen.

Vgl. BT-Drs. 15/420, 109.

Die Zuerkennung von Familienasyl oder Familienabschiebungsschutz nach § 26 Abs. 2 und 4 AsylVfG setzt (lediglich) die Stellung eines Asylantrags voraus, eines speziell auf Familienasyl oder Familienabschiebungsschutz zielenden Antrags bedarf es nicht. Gemäß § 13 Abs. 2 AsylVfG wird mit jedem Asylantrag sowohl die Asylanerkennung als auch die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG (§ 51 Abs. 1 AuslG a.F.) beantragt. Dem Gesetz ist der Rechtsbegriff eines eigenen Familienasyl- oder Familienabschiebungsschutzantrags fremd. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem in § 26 Abs. 1 und 2 AsylVfG niedergelegte Antragserfordernis. Dieses bezieht sich lediglich auf den Asylantrag i.S.v. § 13 Abs. 2 AsylVfG. Der Gesetzgeber wollte damit verdeutlichen, dass Familienasyl und Familienabschiebungsschutz nicht von Amts wegen (vgl. demgegenüber die von § 14a AsylVfG erfasste Fallkonstellation), sondern nur auf einen eigenen Asylantrag des Ehegatten bzw. minderjährigen ledigen Kindes des Stammberechtigten gewährt werden können. Ein einheitlicher Begriff des Asylantrags entspricht auch der Systematik des Asylverfahrensgesetzes. Diese kennt nämlich auch keinen eigenen Status des Familienasyls oder des Familienabschiebungsschutzes, sondern gewährt das sog. Familienasyl ebenso wie den sog. Familienabschiebungsschutz als Asylanerkennung oder Abschiebungsschutz. Die Begriffe Familienasyl und Familienabschiebungsschutz beschreiben damit keinen eigenständigen Asyl- oder Abschiebungsschutzstatus. Sie beziehen sich nicht auf die Rechtsfolgen- sondern auf die Tatbestandsseite der Asylanerkennung und der Gewährung von Abschiebungsschutz und erfassen insoweit (lediglich) eigene Erwerbstatbestände des jeweiligen Status.

Vgl. Bodenbender, in: GK-AsylVfG, a.a.O.,§ 26 Rn. 28.

Die vorstehenden Erwägungen werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Erwerbstatbestand des Familienabschiebungsschutzes erst durch die am 1.1.2005 in Kraft getretene Regelung in § 26 Abs. 4 AsylVfG geschaffen worden ist. Denn auch nach § 13 Abs. 2 AsylVfG a.F. wurde mit jedem Asylantrag u.a. die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 AuslG a.F. (§ 60 Abs. 1 AufenthG) beantragt, so dass vor der Gesetzesänderung gestellte Asylanträge ab dem 1.1.2005 auf die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG - ggf. auf Grund des in § 26 Abs. 4 AsylVfG neu geregelten Erwerbstatbestandes - gerichtet waren. Insoweit gilt bei einer im laufenden Asylverfahren eintretenden Änderung der Rechtslage nichts anderes als bei einer Änderung der Sachlage. Das Gericht hat gemäß § 77 Abs. 1 AsylvfG in jedem Falle die aktuelle Sach- und Rechtslage zu Grunde zu legen. Dass das Bundesamt mit dieser nicht befasst war, ist unerheblich.

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