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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 29.01.2002
Aktenzeichen: 15 A 5565/99
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 8
1. Eine Anlage im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts muss durch örtlich erkennbare Merkmale oder nach rechtlichen Gesichtspunkten abgrenzbar sein sowie durch die Abgrenzung alle Grundstücke erfassen, denen durch die Ausbaumaßnahme annähernd gleiche wirtschaftliche Vorteile geboten werden.

2. Das Ende der Ausbaustrecke ist kein taugliches Begrenzungsmerkmal, und zwar weder für das Ende eines Ausbaus noch für den Anfang eines später daran anschließenden Ausbaus.

3. Kapitalkosten (Fremdfinanzierungszinsen) sind kein beitragsfähiger Aufwand.


Tatbestand:

Die Stadt verlängerte in einer Straße einen Gehweg, der in seinem ersten Teil schon vor langer Zeit hergestellt, aber aus nicht bekannten Gründen nicht weitergebaut worden war. Mit den angefochtenen Bescheiden zog die Stadt den Kläger, dessen Grundstücke am zuvor ausgebauten Teil des Gehweges lagen, zu Straßenbaubeiträgen heran. Die Klage hatte in der Berufungsinstanz nur hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Beiträge teilweise Erfolg.

Gründe:

Soweit die Bescheide rechtmäßig sind, rechtfertigen sie sich aus § 8 KAG NRW i.V.m. der Straßenbaubeitragssatzung (SBS). Nach § 1 SBS erhebt die Stadt zum Ersatz des Aufwandes u.a. für die Verbesserung von Anlagen im Bereich der öffentlichen Straßen und als Gegenleistung für die dadurch den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile Beiträge. Der vorliegende Weiterbau des Gehweges von ungefähr dem Grundstück S.-Straße 10 bis zum Beginn des Außenbereichs stellt einen beitragsfähigen Ausbau im Sinne einer Verbesserung der S.-Straße durch Anlegung einer die Verkehrsarten trennenden weiteren Teileinrichtung dar. Entgegen der Auffassung des Klägers führt der Umstand, dass die S.-Straße als vorhandene Straße einzustufen ist, nicht zur Beitragsfreiheit, weil dies nur die Freiheit von Erschließungsbeiträgen, nicht die Freiheit von Ausbaubeiträgen nach dem Kommunalabgabengesetz betrifft.

Anlage i.S.d. § 1 SBS ist die S.-Straße von der Einmündung in die K.-Straße bis zum Ausbauende, das mit dem Beginn des Außenbereichs übereinstimmt. Entgegen der Auffassung des Klägers und des VG ist Anlage nicht etwa der Teil der S.-Straße vom Beginn des Ausbaus 1992/1993 vor dem Grundstück S.-Straße 10 bis zum Ausbauende. Allerdings wird die räumliche Ausdehnung der Anlage dann, wenn die Satzung - wie hier - durch die Verwendung des Begriffs "Anlagen im Bereich der öffentlichen Straßen" nicht den Erschließungsanlagenbegriff, sondern den spezifisch straßenbaubeitragsrechtlichen Anlagenbegriff wählt, durch das Bauprogramm festgelegt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6.11.1996 - 15 B 369/96 -, NVwZ-RR 1998, 70.

Diese Maßgeblichkeit des Bauprogramms unterliegt jedoch gewissen rechtlichen Schranken, die dazu führen können, dass die räumliche Ausdehnung einer Anlage über das Bauprogramm hinausgeht oder hinter diesem zurückbleibt. Diese Schranken ergeben sich aus dem dem Straßenbaubeitragsrecht zu Grunde liegenden Vorteilsgedanken. Da der wirtschaftliche Vorteil ein Erschließungsvorteil ist, muss die Anlage so begrenzt werden, dass ihr erkennbar eine Erschließungsfunktion für bestimmte Grundstücke zukommt. Das setzt voraus, dass die Anlage selbst durch örtlich erkennbare Merkmale oder nach rechtlichen Gesichtspunkten abgrenzbar ist. Weitere Voraussetzung ist, dass durch die Abgrenzung der Anlage alle Grundstücke erfasst werden, denen durch die Ausbaumaßnahme annähernd gleiche wirtschaftliche Vorteile geboten werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.9.1995 - 15 A 2651/92 -, S. 11 f. des amtl. Umdrucks.

Das Ende der Ausbaustrecke ist kein taugliches Begrenzungsmerkmal.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.1.2000 - 15 B 113/00 -, S. 2 des amtl. Umdrucks; Urteil vom 5.7.1990 - 2 A 1691/88 -, Gemhlt. 1992, 108 (109).

Zutreffend führt das VG allerdings aus, dass sich die bisherige Rechtsprechung auf die Begrenzung des Endes eines im Streit befindlichen Ausbaus, nicht - wie hier - auf die Frage des Anfangs eines Ausbaus bezieht. Indes ist dies kein Grund, für diese Fälle von anderen Abgrenzungskriterien auszugehen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der vor gut 20 Jahren erfolgte Ausbau der S.-Straße durch Anlegung eines Gehwegs von der Einmündung in die K.-Straße bis vor das Grundstück S.-Straße 10 war mangels tauglicher Abgrenzung der Anlage noch kein beitragsfähiger Ausbau einer Anlage bis zu dieser Begrenzung. Aus nicht näher bekannten Gründen wurde die S.-Straße nur auf diesem unselbstständigen Teilstück, das keine eigene Anlage darstellte, durch Anlegung des Gehweges verbessert. Denn das seinerzeitige Ende des Ausbaus vor dem Grundstück S.-Straße 10 war nicht durch örtlich erkennbare Merkmale oder durch rechtliche Gesichtspunkte abgegrenzt. Insbesondere lag keine rechtliche Abgrenzung unter dem Gesichtspunkt des Übergangs zum Außenbereich vor. (Wird ausgeführt.)

Ob seinerzeit ein beitragsfähiger Teilausbau der Gesamtanlage der S.-Straße von der Einmündung K.-Straße bis zum Beginn des Außenbereichs vorlag, vgl. zum beitragsfähigen Teilausbau OVG NRW, Urteil vom 8.12.1995 - 15 A 2402/93 -, NWVBl. 1996, 144, oder ob ein seinerzeit noch nicht beendeter, erst mit der vorliegenden Maßnahme beendeter Ausbau der Gesamtanlage vorlag, kann offen bleiben. Dies würde alleine die Frage betreffen, ob in die vorliegende Abrechnung auch die Kosten der vorherigen Ausbaumaßnahme einfließen können. Da der Beklagte selbst diese Kosten nicht geltend macht, kann die Frage offen bleiben.

Aus dieser rechtlichen Bewertung der vorherigen Ausbaumaßnahme als einer solchen, die die S.-Straße von der Einmündung K.-Straße bis zum Beginn des Außenbereichs als Anlage betraf, ergibt sich, dass der hier abgerechnete Weiterbau ebenfalls diese Gesamtanlage betrifft, nämlich entweder als eine den unvollendeten vorherigen Ausbau beendende Ausbaumaßnahme, die die Beitragspflicht erstmals zur Entstehung bringt, oder aber als ein (weiterer) selbstständig abrechenbarer Teilausbau der Gesamtanlage. Jedenfalls handelt es sich nicht um einen beitragsfähigen Ausbau einer eigenständigen Anlage vom Beginn des seinerzeitigen Ausbauendes bis zum Beginn des Außenbereichs. Jede andere Betrachtung würde zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, dass die vorherige Ausbaumaßnahme zwar keine eigenständige, räumlich auf sie beschränkte Anlage betroffen hätte, das sich daran anschließende Teilstück der S.-Straße aber durch diese erste Ausbaumaßnahme den Charakter einer eigenständigen Anlage erhalten hätte. Ein Straßenzug besteht aber entweder nur aus einer oder aus mehreren Anlagen im beitragsrechtlichen Sinne, nicht aus einer Anlage und einem unselbstständigen Teilstück.

Daraus folgt, dass auch die klägerischen Grundstücke, die am bereits vorher ausgebauten Teilstück der S.-Straße liegen, von der vorliegenden Ausbaumaßnahme als durch die ausgebaute Anlage erschlossene Grundstücke beitragspflichtig sind.

Allerdings bedarf der als beitragsfähig vom Beklagten angesetzte Aufwand der Korrektur. Der Beklagte hat einen Betrag von 1.219,83 DM als Kapitalkosten (Fremdfinanzierungskosten) eingesetzt. Diese sind nicht beitragsfähig.

Beitragsfähig ist der Aufwand, der durch die Ausbaumaßnahme in Erfüllung des Bauprogramms im Rahmen des Grundsatzes der Erforderlichkeit verursacht wurde.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30.10.2001 - 15 A 4648/99 -, S. 9 des amtl. Umdrucks, und Urteil vom 15.2.2000 - 15 A 4167/96 -, NWVBl. 2000, 348.

Die geltend gemachten Kapitalkosten erfüllen diese Voraussetzungen nicht, weil sie nicht durch den konkret hier in Rede stehenden Ausbau verursacht wurden, sondern Kosten für Darlehen sind, die im Rahmen des Gesamtdeckungsprinzips zur Abdeckung von Haushaltsfehlbeträgen aufgenommen wurden.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 26.3.1991 - 2 A 785/90 -, S. 13 f. des amtl. Umdrucks, und Urteil vom 29.11.1989 - 2 A 1419/87 -, NWVBl. 1990, 311 (313 f).

Es handelt sich daher nicht um Ausbaukosten, sondern um Gemeinkosten, hier zur Gewährleistung der Liquidität der Gemeinde, die nicht anders zu behandeln sind als etwa ebenfalls nicht beitragsfähige Personalkosten, die zur Gewährleistung der allgemeinen personellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde ohne Bezug zu einem konkreten Ausbauvorhaben aufgewandt werden.

Vgl. zur fehlenden Beitragsfähigkeit solcher Personalkosten OVG NRW, Urteil vom 26.3.1991 - 2 A 2125/88 -, NWVBl. 1991, 346 (348).

Zwar besteht ein mittelbarer Bezug zur Ausbaumaßnahme dahin, dass die Höhe der aufzunehmenden Kredite auch von geplanten Ausbaukosten beeinflusst wird. Ein solcher mittelbarer Zusammenhang besteht jedoch auch bei den allgemeinen Personalkosten, da das gemeindliche Personal u.a. auch dafür eingestellt wird, um Ausbaumaßnahmen zu bearbeiten. Ein solcher mittelbarer Bezug reicht jedoch zur Bejahung des Merkmals der Ursächlichkeit für die Beitragsfähigkeit von Kosten nicht aus.

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