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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: 15 A 981/06
Rechtsgebiete: VwGO, GO NRW


Vorschriften:

VwGO § 44
VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz
VwGO § 91
VwGO § 91 Abs. 1
GO NRW § 30 Abs. 7 Satz 6 a.F.
GO NRW § 50 Abs. 3
GO NRW § 56 Abs. 1
GO NRW § 56 Abs. 3
GO NRW § 58
Zur Erweiterung einer zunächst nur gegen den Bürgermeister erhobenen Klage auf die Gemeinde im Berufungsverfahren.

Der Anspruch eines Gemeindeorgans oder Organteils auf Kostenerstattung in einem Kommunalverfassungsstreit gründet unmittelbar in den dem jeweiligen Funktionsträger als Ausfluss seiner Organstellung kommunalverfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben und Kompetenzen.

Der Kostenerstattungsanspruch setzt regelmäßig eine Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans über das Bestehen oder Nichtbestehen, den Inhalt und Umfang organschaftlicher Rechte voraus.

Der Bürgermeister ist nicht befugt, über den Kostenerstattungsanspruch durch Erlass eines Verwaltungsakts zu entscheiden.


Tatbestand:

Die Beteiligten stritten um die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten, die der Klägerin aus Anlass einer von ihr in Anspruch genommenen Rechtsberatung zur Besetzung der durch den Gemeinderat zu bildenden Ausschüsse entstanden sind.

Nach der Kommunalwahl 2004 war im 28 Ratsmitglieder umfassenden Gemeinderat der Gemeinde M. die Fraktion der CDU mit 14 Ratsmitgliedern vertreten, während die übrigen 14 Sitze auf die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen, der F.D.P. und der UWG entfielen. Die vier letztgenannten Fraktionen gingen am 11.10.2004 eine "Dauerhafte Vereinbarung einer politischen Zusammenarbeit im Rat der Gemeinde M." ein, gaben sich eine Geschäftsordnung und traten forthin als "Gruppe" auf. In der Folgezeit kam es zwischen der CDU und der "Gruppe" zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob der CDU in den 14 Mitglieder umfassenden Ausschüssen des Rates 8 Sitze zustünden oder ob die Bildung der "Gruppe" bedeute, dass die CDU und die "Gruppe" jeweils 7 Sitze beanspruchen könnten. Hierzu beauftragte die klagende UWG-Fraktion am 27.10.2004 ihren (späteren) Prozessbevollmächtigten mit der Erarbeitung einer rechtlichen Stellungnahme. Aufgrund eines Ratsbeschlusses vom 11.11.2004 wurden die Ausschüsse mit je 7 Vertretern der CDU und der "Gruppe" besetzt.

Unter dem 6.12.2004 berechnete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für die erteilte Rechtsauskunft 192,04 €. Die Klägerin übersandte die Kostenrechnung an den Bürgermeister der Gemeinde M., den Beklagten zu 1., mit der Bitte um Ausgleich, was dieser jedoch ablehnte. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 13.2.2005, welches der Beklagte zu 1. als Widerspruch gegen die Ablehnung wertete, den er mit Widerspruchsbescheid vom 15.3.2005 zurückwies. Das VG wies die in erster Instanz ausschließlich gegen den Beklagten zu 1. gerichtete Klage ab. Vor dem OVG hatte die Klage Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Beklagten zu 1. durch Erlass eines Verwaltungsakts ausgesprochene Ablehnung der Kostenerstattung richtete; der im Berufungsverfahren erstmals gegen die Gemeinde, die Beklagte zu 2., gerichtete Zahlungsanspruch blieb hingegen erfolglos.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet, im Übrigen hat sie jedoch keinen Erfolg. Die mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Anfechtungsklage wie auch die vom Klageantrag zu 2. erfasste Leistungsklage sind zulässig (nachfolgend 1.). Der Bescheid des Beklagten zu 1. vom 19.1.2005 in der Fassung seines Widerspruchsbescheides vom 15.3.2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (nachfolgend 2.). Hingegen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von 192,04 Euro gegen die Beklagte zu 2. (nachfolgend 3.)

1. Die auf die Aufhebung des vom Beklagten zu 1. erlassenen Ablehnungsbescheides gerichtete Anfechtungsklage ist statthaft. Der Beklagte zu 1. hat die zunächst nur schlichthoheitlich geäußerte Ablehnung des Kostenerstattungsbegehrens der Klägerin durch Erlass des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2005 in einen ablehnenden Verwaltungsakt umgewandelt, der ohne die Möglichkeit einer hiergegen gerichteten Klage bestandskräftig würde.

Vgl. hierzu bereits OVG NRW, Urteil vom 28.3.2000 - 15 A 29/97 -.

Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses Klageantrags. Soweit in der Umstellung des Klageantrags von einer Verpflichtungs- in eine Anfechtungsklage eine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO zu sehen sein sollte, wäre diese zulässig. Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält; die Einwilligung des Beklagten ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage einlässt (§ 91 Abs. 2 VwGO). Vorliegend hat sich der Beklagte zu 1. zur Sache eingelassen. Im Übrigen wäre eine Klageänderung auch sachdienlich. Von der Sachdienlichkeit ist auszugehen, wenn der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffs dient und deshalb ein weiterer Prozess vermieden wird. Das ist hier der Fall.

Auch die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Leistungsklage ist zulässig. Insbesondere konnte die Klägerin die Klage auch noch in der Berufungsinstanz auf die Beklagte zu 2. erstrecken. Es mag dahinstehen, ob insoweit lediglich eine Klarstellung der Bezeichnung der Beklagten anzunehmen ist, wovon wohl die Klägerin selbst in ihrer Berufungsbegründung vom 23.6.2006 ausgeht, oder ob eine Klageänderung in Form der Parteierweiterung anzunehmen ist, deren Zulässigkeit sich nach § 91 VwGO richtet.

Vgl. hierzu etwa Hess. VGH, Beschluss vom 6.4.1987 - 2 TG 912/87 -, NVwZ 1988, 88.

Denn auch im letzteren Fall ist die Klage zulässig. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob sich die Beklagte zu 2. mit Schriftsatz vom 23.1.2009 rügelos auf die gegen sie gerichtete Klage eingelassen hat, was deshalb anzunehmen sein könnte, weil sie zunächst vorbehaltlos unter Bezugnahme auf das Vorbringen des Beklagten zu 1. die Abweisung der Berufung beantragt und erst nachfolgend ihr Einverständnis mit der Klageerweiterung im Berufungsverfahren versagt hat. Die Erweiterung der Klage auf die Beklagte zu 2. ist nämlich sachdienlich. Wie bereits ausgeführt, ist von der Sachdienlichkeit einer Klageänderung auszugehen, wenn der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffs dient und deshalb ein weiterer Prozess vermieden wird. Dass diese Voraussetzungen hier in Bezug auf den klageweise geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch gegeben sind, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung. Der Sachdienlichkeit einer Klageänderung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2. erstmals in der Berufungsinstanz mit dem gegen sie gerichteten Anspruch konfrontiert wird. Insoweit kann von Bedeutung sein, ob der neue Beklagte bereits durch seine Beteiligung am erstinstanzlichen Verfahren Gelegenheit hatte, zur Sache vorzutragen und Einfluss auf den Prozessverlauf zu nehmen, etwa weil er im ersten Rechtszug beigeladen war.

Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 6.4.1987 - 2 TG 912/87 -, a.a.O.

Eine vergleichbare Konstellation ist nach Überzeugung des Senats im Verwaltungsprozess bei Klagen anzunehmen, die ursprünglich nur gegen den Bürgermeister einer Gemeinde gerichtet waren und nunmehr (auch) gegen die Gemeinde, vertreten durch den Bürgermeister, gerichtet werden; dies gilt auch im umgekehrten Fall. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es mitunter für die Klägerseite schwierig ist, den "richtigen" Beklagten festzustellen.

Vgl. hierzu bereits BVerwG, Urteil vom 26.9.1957 - 1 CB 51.57 -, JZ 1958, 253.

Diesem Gesichtspunkt trägt auch § 78 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz VwGO Rechnung. Ferner hat das BVerwG (allerdings noch vor In-Kraft-Treten der VwGO) angenommen, dass der Verlust einer Tatsacheninstanz im verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren jedenfalls dann nicht gegen die Zulässigkeit eines Parteiwechsels in der Berufungsinstanz spreche, wenn der Sachverhalt im Wesentlichen feststeht und unbestritten ist und eine Absicht des Klägers, den neuen Beklagten in seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen, nach Lage des Falles nicht in Betracht komme.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.9.1957 - 1 CB 51.57 -, a.a.O.

Von einer derartigen Benachteiligungsabsicht kann hier keine Rede sein. Entscheidend kommt hinzu, dass auf der Beklagtenseite tatsächlich jeweils dieselbe Person agiert, nämlich der Bürgermeister, der auf das Verfahren Einfluss nimmt: Er ist einerseits selbst als Beklagter und Prozessstandschafter der Gemeinde (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 5 Abs. 2 Satz 1 AG VwGO NRW) Beteiligter des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens; andererseits ist er als gesetzlicher Vertreter (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 GO NRW) der beklagten Gemeinde in das gerichtliche Verfahren einbezogen und hält in dieser Funktion auf Beklagtenseite gleichsam die Fäden in der Hand.

Vor diesem Hintergrund begegnet der Klageantrag zu 2. im Übrigen auch mit Blick auf § 44 VwGO keinen Bedenken.

2. Die gegen den Beklagten zu 1. gerichtete Anfechtungsklage ist begründet. Der von ihm erlassene Bescheid vom 19.1.2005 in der Fassung seines Widerspruchsbescheides vom 15.3.2005, mit dem er die von der Klägerin begehrte Kostenerstattung für anwaltliche Beratung abgelehnt hat, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bescheid ist rechtswidrig, weil es an einer ausdrücklichen oder im Wege der Auslegung zu ermittelnden Ermächtigungsgrundlage fehlt, die es dem Beklagten zu 1. gestattet hätte, über den Kostenerstattungsanspruch durch Erlass eines der Bestandskraft fähigen Verwaltungsakts zu entscheiden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.11.1991 - 15 A 1046/90 -, NWVBl. 1992, 163.

3. Die gegen die Beklagte zu 2. auf Zahlung von 192,04 Euro gerichtete Leistungsklage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Grundsätzlich können allerdings kommunale Funktionsträger von der Gemeinde die Erstattung solcher Kosten verlangen, die ihnen gerichtlich oder außergerichtlich im Rahmen eines Streits um die sich ihnen nach dem Kommunalverfassungsrecht zugewiesenen Rechte entstanden sind.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12.11.1991 - 15 A 1046/90 -, a.a.O. und - 15 A 1187/89 -, NWVBl. 1992, 167

Für den Kostenerstattungsanspruch kommt es nicht darauf an, ob die geltend gemachten organschaftlichen Rechte tatsächlich bestanden haben oder verletzt worden sind. Im vorliegenden Verfahren spielt es daher auch keine Rolle, ob die im Rat der Gemeinde M. außer der Fraktion der CDU vertretenen Fraktionen rechtmäßig einen wahlvorschlagsberechtigten Zusammenschluss (vgl. § 50 Abs. 3 GO NRW) gebildet haben, vgl. zur Gruppe im Sinne von § 56 Abs. 1 GO NRW etwa OVG NRW, Beschluss vom 20.6.2008 - 15 B 788/08 -, juris, und welche Auswirkungen sich hieraus für die Besetzung der vom Rat gebildeten Ausschüsse ergeben.

Vgl. insoweit zum hessischen Gemeinderecht Hess. VGH, Urteile vom 6.5.2008 - 8 UE 876/07 -, HessStGZ 2008, 435, und 8 UE 746/07 -, HessStGZ 2008, 441.

In seinen vorgenannten Entscheidungen hat der Senat unter Bezugnahme auf OVG Rh.-Pf., Urteil vom 19.5.1987 - 7 A 90/86 -, NVwZ 1987, 1105, bereits ausgesprochen, dass (auch) im Gemeinderecht des Landes NRW der Grundsatz gilt, dass "jede öffentlich-rechtliche Körperschaft die Ausgaben zu tragen hat, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch ihre Organe ergeben". Bei der gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung von den kommunalen Funktionsträgern zugewiesenen Aufgaben und Kompetenzen durch diese im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits handelt es sich einschließlich der damit verbundenen Kostentragung um eine Aufgabe der Gemeinde. Diese Aufgaben und Rechte sind den Funktionsträgern zwar zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung, jedoch nicht im eigenen Interesse, sondern ausschließlich im Interesse der Gemeinde zugewiesen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12.11.1991 - 15 A 1046/90 - und -15 A 1187/89 -, jeweils a.a.O.

Auseinandersetzungen etwa um ihren Inhalt oder Umfang werden daher letztlich im Interesse der Gemeinde geführt, die jedoch nicht selber als Kläger oder Beklagte Beteiligte an einem Kommunalverfassungsstreit sein kann.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12.11.1991 - 15 A 1046/90 - und -15 A 1187/89 -, jeweils a.a.O.

Vor diesem Hintergrund entwickelt der Senat seine vorgenannte Rechtsprechung dahin fort, dass die im Grundsatz bestehende Verpflichtung der Gemeinde zur Kostenerstattung bereits unmittelbar in den dem jeweiligen Funktionsträger kommunalverfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben und Kompetenzen als Ausfluss seiner Organstellung gründet, ohne dass es eines Rückgriffs auf das allgemein anerkannte Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs bedarf.

So bereits zum bayerischen Landesrecht BayVGH, Urteil vom 14.8.2006 - 4 B 05.939 -, juris Rz. 28 unter Bezugnahme auf OVG Rh.-Pf., Urteil vom 19.5.1987 - 7 A 90/86 -, a.a.O.

Das Wesen eines Organs liegt gerade darin, dass dessen Handlungen der juristischen Person als eigene zugerechnet werden und daher auch die Kosten dieser Handlungen der Sache nach dieser zugerechnet werden müssen.

Vgl. zum Zurechnungsverhältnis von Organ und Körperschaft Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3, 5. Aufl., § 83 Rn. 24 ff.

So fallen etwa die Kosten, die die Tätigkeit des Gemeindeorgans Rat verursacht, der Gemeinde zur Last. Hier ist dieses Zurechnungsverhältnis allerdings schwächer ausgestaltet, weil die Klägerin kein Organ der Gemeinde ist, sondern nur ein Teil des Organs Rat. Grundsätzlich besteht daher zwischen der Klägerin und der Gemeinde nicht das unmittelbare Zurechnungsverhältnis, wie es zwischen Organ und juristischer Person existiert. Dennoch sind auch der Klägerin als Organteil gewisse Kompetenzen zugewiesen, die sie im Interesse der Gemeinde wahrzunehmen hat, hier etwa, an der Besetzung der Ausschüsse als Unterorgane des Rats nach Maßgabe des §§ 50 Abs. 3, 58 GO NRW mitzuwirken. Soweit es um die Verteidigung dieser zugewiesenen Kompetenzen geht, können auch dadurch hervorgerufene Kosten als solche der Tätigkeit eines Organteils letztlich der Gemeinde zuzurechnen sein. Zwar liegt die dem Organteil im Interesse der Gemeinde zugewiesene Kompetenz nicht darin, sich mit Organen der Gemeinde um Kompetenzen zu streiten. Wird der Organteil jedoch bei der Wahrnehmung seiner ihm zugewiesenen Kompetenz in eine solche Verteidigungsposition hineingedrängt und kann er ohne die Verteidigung seine Kompetenz nicht wahrnehmen, gehören die dadurch notwendig verursachten Kosten auch zu den der Gemeinde zuzurechenden Kosten der Tätigkeit dieses Organteils.

Ungeachtet dieser normativen Herleitung des Kostenerstattungsanspruchs hält der Senat an den in seiner bisherigen Rechtsprechung aufgezeigten bedeutsamen Grenzen dieses Anspruchs fest: Es muss bei der Auseinandersetzung um die Verteidigung innerorganisatorischer Kompetenzen gehen; die Verfolgung subjektiver Rechte, die einem Ratsmitglied als Person zustehen, genügt ebenso wenig wie die Geltendmachung einer bloß objektiven Rechtswidrigkeit der im Einzelfall angegriffenen Handlung oder Unterlassung. Ferner wird die Gefahr eines möglichen Missbrauchs dadurch begrenzt, dass der Funktionsträger, der seine Innenrechtsbefugnisse nicht um seiner selbst, sondern im Fremdinteresse der Gemeinde ausübt, bei deren Durchsetzung zur Rücksichtnahme und Treue gegenüber der Gemeinde verpflichtet ist.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12.11.1991 - 15 A 1046/90 - und -15 A 1187/89 -, jeweils a.a.O.

Die Kostenerstattung ist beschränkt auf diejenigen Kosten, die dem Grunde und der Höhe nach notwendig sind, um die eigenständige Wahrnehmung im Interesse der Gemeinde zugewiesener Aufgaben oder Kompetenzen zu verteidigen. Die Notwendigkeit der die angefallenen Kosten verursachenden Maßnahme setzt regelmäßig einen Organ- oder Kommunalverfassungsstreit voraus. Hiervon kann vor einer das Bestehen oder Nichtbestehen, den Inhalt und Umfang organschaftlicher Rechte betreffenden Entscheidung des jeweils zuständigen Gemeindeorgans nicht gesprochen werden kann. Erst infolge einer solchen Entscheidung können organschaftlich zugewiesene Aufgaben oder Kompetenzen verletzt und aus der Sicht eines Funktionsträgers, der sich ihrer berühmt, "zu verteidigen" sein.

Demgegenüber reicht eine bloße Meinungsverschiedenheit von Funktionsträgern über Inhalt oder Umfang ihrer Aufgaben oder Kompetenzen, die noch nicht zu einer Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans geführt hat, durch die organschaftliche Aufgaben oder Kompetenzen möglicherweise verletzt worden sein können, nicht aus. Bestehen etwa zwischen den im Gemeinderat vertretenen Fraktionen, Gruppen oder einzelnen Ratsmitgliedern Unstimmigkeiten über die ihnen jeweils zustehenden Aufgaben und Kompetenzen, ohne dass das zuständige Gemeindeorgan hierüber bereits entschieden hat, werden zwar auch organschaftliche Aufgaben und Kompetenzen berührt. In diesem (frühen) Stadium steht jedoch die politische Meinungsbildung über das Bestehen, den Inhalt und Umfang der betroffenen Aufgaben und Kompetenzen im Vordergrund. Hingegen ist es noch völlig ungewiss, ob die von einem Beteiligten möglicherweise befürchtete Verletzung organschaftlicher Befugnisse überhaupt eintreten wird. Dies lässt sich erst erkennen, wenn der Meinungsbildungsprozess mit einer Entscheidung abgeschlossen wird. Die nur erwartete oder auch befürchtete Rechtsverletzung gehört in den Bereich der mehr oder weniger fundierten Spekulation. Selbst Äußerungen des Vorsitzenden einer Ratsfraktion, die ein bestimmtes Abstimmungsverhalten ankündigen, geben nicht ohne weiteres sicheren Aufschluss über das tatsächliche Abstimmungsverhalten ihrer Mitglieder. Nichts anderes gilt im Grundsatz, wenn etwa der Bürgermeister einer- und Rat bzw. die in ihm vertretenen Fraktionen, Gruppen oder einzelnen Ratsmitglieder andererseits unterschiedliche Ansichten über das Bestehen oder Inhalt und Umfang organschaftlicher Rechte haben.

Deshalb kann einem Funktionsträger in aller Regel zugemutet werden, die Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans abzuwarten, die aus seiner Sicht seine organschaftlichen Befugnisse betrifft und verletzt. Kosten verursachende Maßnahmen zur Wahrung organschaftlicher Befugnisse sind daher in diesem Stadium grundsätzlich nicht notwendig. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes mag eine großzügigere Handhabung des Kostenerstattungsanspruchs allenfalls dann in Betracht zu ziehen sein, wenn jeglicher nachfolgende Rechtsschutz einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes zu spät käme und eine endgültige Rechtsvereitelung nicht mehr verhindern könnte, so dass derjenige Funktionsträger, der eine Verletzung seiner organschaftlichen Befugnisse befürchtet, gewissermaßen vorbeugend entweder um gerichtlichen Rechtsschutz nachsucht oder außergerichtlichen Rechtsrat einholt. Dafür wird jedoch regelmäßig auch zu fordern sein, dass ein mit Entscheidungsmacht ausgestatteter Funktionsträger bzw. eine Mehrheit im Gemeinderat seine bzw. ihre Auffassung unmissverständlich und aus der nachvollziehbaren Sicht des eine Verletzung organschaftlicher Befugnisse befürchtenden Funktionsträgers endgültig kundgetan hat.

Dem so verstandenen Kostenerstattungsanspruch steht die Regelung des § 56 Abs. 3 GO NRW weder in der 2004 geltenden noch in der derzeitigen Fassung entgegen. Die dort geregelten Zuwendungen an Fraktionen bzw. Gruppen betreffen die laufenden Kosten der Geschäftsführung, hinsichtlich einzelner Ratsmitglieder beziehen sie sich auf Sach- und Kommunikationsmittel. Sie erfassen die wegen der Verteidigung organschaftlicher Befugnisse notwendigerweise angefallenen Kosten schon vom Ansatz her nicht, vgl. zu § 30 Abs. 7 Satz 6 GO NRW a.F. OVG NRW, Urteile vom 12.11.1991 - 15 A 1046/90 - und -15 A 1187/89 -, jeweils a.a.O. zu den Kosten der Geschäftsführung, so dass unerheblich ist, dass nach dieser Vorschrift eine Vollkostenerstattung nicht vorgesehen ist.

Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 8.10.2002 - 15 A 4734/01 -, NWVBl. 2003, 309; Beschluss vom 27.7.2007 - 15 A 931/07 -.

Die dargelegten Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs sind vorliegend nicht erfüllt. Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung an den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dieser möge eine rechtliche Stellungnahme zu der Frage abgeben, ob ein gemeinsamer Wahlvorschlag der im Rat der Gemeinde M. außer der Fraktion der CDU noch vertretenen Fraktionen für die Bildung der Ausschüsse zulässig sei, hatte weder der Beklagte zu 1. einen entsprechenden Wahlvorschlag als unzulässig zurückgewiesen, noch hatte der Rat bereits die Anzahl der in die zu bildenden Ausschüsse zu wählenden Mitglieder festgelegt oder gar die Ausschussmitglieder gewählt. Zu einer Verletzung der der Klägerin organschaftlich zugewiesenen Befugnisse war es daher noch nicht gekommen. Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes die vorherige Einholung von Rechtsrat erforderlich gewesen wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit die Klägerin die Einholung einer anwaltlichen Stellungnahme damit begründet, auf die Meinungsbildung der Fraktion der CDU Einfluss nehmen zu wollen, steht die politische Auseinandersetzung im Vordergrund, für die ihr finanzielle Mittel nach § 56 Abs. 3 GO NRW zur Verfügung gestellt werden. Diese Mittel sind auch einzusetzen, soweit es darum geht, Informationen zu bestimmten, den Rat beschäftigenden Themen einzuholen und hiermit für die eigene Position bei anderen im Rat vertretenen Fraktionen und Gruppen zu werben. Hieran ändert allein der Umstand, dass Inhalt und Umfang organschaftlicher Befugnisse in Rede stehen, nichts.

Ende der Entscheidung

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