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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 04.05.2006
Aktenzeichen: 15 B 692/06
Rechtsgebiete: GG, VwGO, GWB, VOB/A


Vorschriften:

GG Art. 3
VwGO § 42 Abs. 2
GWB § 97 Abs. 7
VOB/A § 9
1. In einem vergaberechtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist ein Antragsteller antragsbefugt, der zwar im Vergabeverfahren kein Angebot abgegeben hat, aber geltend machen kann, durch die Ausschreibungsbedingungen gleichheitswidrig an der Abgabe eines konkurrenzfähigen Gebotes gehindert zu werden.

2. In einem vergaberechtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit kann ein Unterlassungsanspruch nicht auf jedweden Verstoß gegen Bestimmungen der Verdingungsordnungen gestützt werden, sondern - insoweit enger als in Nachprüfungsverfahren nach dem GWB - nur auf solche Verstöße, die den Antragsteller gleichheitswidrig benachteiligen.


Tatbestand:

Die antragsgegnerische Kommune schrieb Bauleistungen für die Brandschutzsanierung einer Schule nach der VOB aus, ohne dass der Schwellenwert nach § 100 Abs. 1 GWB erreicht war. Die Antragstellerin, die kein Angebot abgegeben hatte, begehrte im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, zunächst keinen Zuschlag zu erteilen. Sie machte geltend, dass die Ausschreibung sie vergaberechtswidrig an der Abgabe eines konkurrenzfähigen Angebotes gehindert habe. So seien entgegen § 9 Abs. 5 VOB/A Erzeugnisse bestimmter Hersteller ausgeschrieben worden. Diese beziehe sie allgemein nicht, sondern nur gleichwertige Erzeugnisse anderer Hersteller, so dass sie bei einem hier notwendigen Einkauf von den geforderten Herstellern keinen entsprechenden Rabatt aushandeln könne. Außerdem seien vergaberechtswidrig für einzelne Positionen überhöhte Mengen ausgeschrieben sowie in den Ausschreibungsunterlagen ungleichartige Leistungen unter einer Position zusammengefasst und unvollständige Angaben über den Leistungsumfang gemacht worden. Der Antrag blieb in beiden Instanzen erfolglos.

Gründe:

Der vom VG mit guten Gründen bejahte Verwaltungsrechtsweg, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.9.2005 - 15 E 1188/05 -, NVwZ-RR 2006, 223, ist entsprechend § 17 Abs. 5 GVG im Beschwerderechtszug nicht zu prüfen.

Der Antrag ist unbegründet, da ein im Hauptsacheverfahren zu verfolgender Anordnungsanspruch auf Unterlassung der Vergabe aufgrund der getätigten Ausschreibung nicht glaubhaft gemacht ist (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Unterlassungsanspruch würde voraussetzen, dass eine Vergabe an einen anderen als die Antragstellerin aufgrund der getätigten Ausschreibung einen rechtswidrigen Eingriff in Rechte der Antragstellerin darstellen würde. Eine Verletzung derartiger Rechte ist nicht erkennbar.

Dies kann allerdings nicht schon deshalb verneint werden, weil die Antragstellerin kein Angebot im hier betroffenen Vergabeverfahren abgegeben hat. Sollte sie nämlich, wie sie geltend macht, aufgrund vergaberechtswidriger Gestaltung der Ausschreibung im Gegensatz zu anderen kein konkurrenzfähiges Angebot machen können, ist eine Rechtsverletzung denkbar. Dies kann aber nicht festgestellt werden.

Eine Rechtsverletzung liegt nicht deshalb vor, weil in der Leistungsbeschreibung bestimmte Erzeugnisse benannt sind, ohne dass der Zusatz "oder gleichwertiger Art" hinzugefügt wurde. Es bestehen allerdings Zweifel, ob die Vorschrift des § 9 Abs. 5 der Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A, (VOB/A) mit dem Leistungsverzeichnis, das bestimmte Erzeugnisse fordert, eingehalten wurde. Sicher vergaberechtswidrig ist die Erwägung im Schreiben des von der Antragsgegnerin eingeschalteten Ingenieurbüros, dass wegen der Unterschiedlichkeit der Anlagen und Betriebsgeräte der verschiedenen Hersteller "die Produkte bestimmter Lieferanten, die im hiesigen Bereich präsent sind, ausgeschrieben" worden seien. Jedoch kann sich die Antragstellerin im Verfahren des gerichtlichen Primärrechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten nicht auf jedweden Verstoß gegen die VOB/A berufen. Das gilt sogar für die dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegenden Vergabeverfahren. Hier ordnet § 97 Abs. 7 GWB zwar an, dass die Unternehmen einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Jedoch ist die Vorschrift trotz ihrer scheinbar einschränkungslosen Verstärkung der ansonsten als Verwaltungsvorschriften geltenden Verdingungsordnungen zu Rechtsansprüchen dahin zu verstehen, dass nur Vergabebestimmungen gemeint sind, die dem Schutz des einzelnen zu dienen bestimmt sind.

Vgl. zur für das Verständnis entscheidenden Entstehungsgeschichte der Norm Niebuhr, in: Niebuhr/ Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rn. 257 ff.; zur Schutznormeigenschaft des § 9 VOB/A in diesem Rahmen vgl. ebenda, Rn. 278 ff.; Boesen, Vergaberecht, § 97 Rn. 206.

Erst recht besteht im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, bei dem sich allein wegen der Selbstbindung der Verwaltung an die als Verwaltungsvorschrift geltenden Verdingungsordnungen aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch auf deren Einhaltung ergeben kann, kein allgemeiner Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen des Vergabeverfahrens.

Hinsichtlich des § 9 Abs. 5 VOB/A für ausgeschriebene herstellerbezogene Leistungen kann nur dann der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Anspruch bestehen , wenn die Antragstellerin gehindert gewesen wäre, ein davon abweichendes Angebot abzugeben und sie dadurch gegenüber Konkurrenten gleichheitswidrig benachteiligt würde. Hier konnte die Antragstellerin jedenfalls ein Nebenangebot mit den von ihr angebotenen Produkten abgeben (vgl. die Ausschreibung Seite 13). Zwar wird in der Ausschreibung für diesen Fall eine ausführliche Beschreibung und technische Spezifikation gefordert. Angesichts der Vergaberechtswidrigkeit hätte dies aber nur beschränkt zu Lasten eines Nebenangebotes bei der Zuschlagserteilung berücksichtigt werden dürfen. Damit kann - unbeschadet der Frage, ob § 9 Abs. 5 VOB/A in jeder Hinsicht durch die Ausschreibung eingehalten wurde - eine Rechtsverletzung der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht festgestellt werden.

Dies gilt ebenso für die Rüge der Antragstellerin, dass hinsichtlich verschiedener Positionen überhöhte Mengenansätze ausgeschrieben seien. Dies kann von vornherein zu keiner Verletzung der Rechte der Antragstellerin führen, da alle Anbieter diesen Ausschreibungsbedingungen gleichermaßen unterliegen. Gleiches gilt für die Rüge, dass entgegen § 9 Nr. 9 VOB/A zu Unrecht ungleichartige Leistungen zusammengefasst worden seien oder dass unter Verstoß gegen § 9 Abs. 1 unvollständige Angaben über den Leistungsumfang gemacht worden seien, die ein seriöses Angebot verhindert hätten. All dies betrifft alle Anbieter gleichermaßen. Ein Anspruch auf vollständige Einhaltung der Vorschriften des § 9 VOB/A - auch im Hinblick auf die Transparenzgebote -, ohne dass eine gleichheitswidrige Wettbewerbsverzerrung durch die Ausschreibung vorläge, besteht jedoch nicht.

Ende der Entscheidung

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