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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.05.2004
Aktenzeichen: 15 B 748/04
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 4
1. Die Verwaltungsbehörde kann eine von ihr ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft aufheben.

2. Die Wirksamkeit dieser Aufhebung hängt nicht davon ab, ob sie rechtmäßig ist.


Tatbestand:

Der Antragsteller erhob gegen einen Straßenbaubeitragsbescheid Widerspruch und beantragte gegenüber der Erlassbehörde, die Vollziehung des Bescheides "bis auf weiteres auszusetzen." Dem gab die Behörde statt und erließ später einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid mit dem Zusatz "Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgelehnt." Der Antragsteller beantragte nunmehr, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass der Widerspruch und die zwischenzeitlich erhobene Klage aufschiebende Wirkung hätten. Der Antrag blieb in beiden Instanzen erfolglos.

Gründe:

Zu Unrecht meint der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung komme den Rechtsbehelfen deshalb zu, weil der Antragsgegner selbst die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO verfügt habe. Richtig ist zwar, dass dem Antrag des Antragstellers, "die Vollziehung des Bescheides nach § 80 Abs. 4 VwGO bis auf weiteres auszusetzen", stattgegeben wurde. Diese Aussetzung der Vollziehung ist jedoch im Widerspruchsbescheid mit den Worten "Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgelehnt." aufgehoben worden.

Auf die Formulierung (isolierte Ablehnung des Aussetzungsantrags statt Aufhebung der Aussetzungsentscheidung und Ablehnung des Aussetzungsantrags) kommt es nicht an. Maßgeblich ist der Erklärungsinhalt, wie ihn der Adressat bei objektiver Würdigung verstehen durfte, wobei Unklarheiten zu Lasten der Verwaltung gehen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.1998 - 15 A 3212/94 -, Gemhlt. 2000, 142.

Wenn - wie hier - einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung "bis auf weiteres" im Laufe des Widerspruchsverfahrens stattgegeben wird und dann im Widerspruchsbescheid der Antrag abgelehnt wird, ist für den Adressaten erkennbar, dass mit dieser endgültigen Ablehnung des Antrages auch die Aufhebung der vorläufigen Aussetzung gemeint ist. Einer Umdeutung der Erklärung bedarf es nicht, vielmehr ist sie lediglich auszulegen.

Der Antragsgegner konnte die ausgesprochene Aussetzung auch aufheben. Dies ergibt sich schon aus der auf Grund der Antragsformulierung nur "bis auf weiteres" ausgesprochenen Stattgabe, aus der erkennbar wird, dass es sich um eine nur vorläufige Entscheidung handelte. Unabhängig davon kann die Verwaltungsbehörde eine von ihr ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft aufheben.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 80 Rn. 118; Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 80 Rn. 34; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: Januar 2003), § 80 Rn. 106; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 80 Rn. 51; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl., § 80 Rn. 60.

Soweit in der Literatur Einschränkungen dahin gemacht werden, die Behörde dürfe bei Fortbestehen der im Regelfall zur Aussetzung führenden Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Satz 2 VwGO (ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes oder unbillige Härte) die Aussetzung der Vollziehung nicht aufheben, vielmehr müsse eine Veränderung der Umstände vorliegen, vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: September 2003), § 80 Rn. 214; offen gelassen in: BVerwG, Beschluss vom 17.9.2001 - 4 VR 19.01 -, NVwZ-RR 2002, 153 f., betrifft dies die Rechtmäßigkeit einer Änderung oder Aufhebung der Aussetzungsentscheidung, nicht deren Wirksamkeit. Unbeschadet der Frage, ob die Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG ist, offen gelassen etwa für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in: BVerwG, Beschluss vom 21.10.1968 - IV C 33.68 -, NJW 1969, 202 f., hängt ihre Wirksamkeit - ebenso wie beim Verwaltungsakt - grundsätzlich nicht davon ab, ob sie rechtmäßig ist.

Vgl. zur Unterscheidung von Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band II, 6. Aufl., § 48 Rn. 4 f.

Für die hier alleine in Rede stehende Frage, ob der eingelegte Rechtsbehelf (noch) aufschiebende Wirkung hat, kommt es daher auch unter Zugrundelegung der genannten einschränkenden Literaturmeinung nicht darauf an, ob eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist. Im Übrigen ist dies sogar der Fall: Die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts) sind hier mit Erlass des Widerspruchsbescheides weggefallen, da der Antragsgegner aus seiner für die Anwendung dieser Vorschrift maßgeblichen Sicht nach der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides im Widerspruchsverfahren zu der Erkenntnis gelangt ist, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides.

Ende der Entscheidung

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