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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 20.09.2005
Aktenzeichen: 15 E 1188/05
Rechtsgebiete: VwGO, GWB


Vorschriften:

VwGO § 40
GWB §§ 97 ff.
1. Zum Rechtsweg für Vergabestreitigkeiten, die nicht den Regelungen des Vierten Teils des GWB unterliegen.

2. Macht der Bieter gegen eine Gemeinde geltend, dass diese auf der Grundlage ihrer mehrheitlichen Beteiligung auf den Auftraggeber im Vergabeverfahren einwirken soll, so ist hierfür der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.


Tatbestand:

Die Antragstellerin unterbreitete in einem Vergabeverfahren, das die Beigeladene zu 2., eine von der antragsgegnerischen Gemeinde beherrschte GmbH, betrieb, ein Angebot. Die Beigeladene zu 2. beabsichtigte, das Angebot der Beigeladenen zu 1. anzunehmen. Dagegen wandte sich die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Das VG beschloss, den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen. Die dagegen von der Antragstellerin erhobene Beschwerde hatte Erfolg.

Gründe:

Der vorliegende Rechtsstreit, mit dem im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ein Bieter im Rahmen eines Vergabeverfahrens sichergestellt wissen will, dass der Auftrag nicht an die Beigeladene zu 1. vergeben wird, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Die Sonderzuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit nach den Vergabevorschriften aus dem 4. Teil des GWB ist schon mangels Erreichens des Schwellenwertes des § 100 Abs. 1 GWB nicht einschlägig, so dass es auf die genannte allgemeine Zuständigkeitsverteilung ankommt.

Zutreffend ist das VG davon ausgegangen, dass sich der Rechtsweg nach der Natur des Rechtsverhältnisses richtet, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.5.1994 - 5 C 33.91 -, BVerwGE 96, 71 (73); Gem. Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86 -, BGHZ 102, 280 (283).

Damit ergibt sich jedoch entgegen der Auffassung des VG, dass das Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis ist. Das ist nicht schon deshalb der Fall, weil die Vergabe eines öffentlichen Auftrags in Rede steht. Allerdings sprechen gute Gründe dafür, im Anschluss an neuere Rechtsprechung, vgl. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 25.05.2005 - 7 B 10356/05 -, DVBl. 2005, 988; a.A. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.10.2004 - 12 L 2120/04 -, NWVBl. 2005, 40, die Vergabe öffentlicher Aufträge durch Körperschaften des öffentlichen Rechts aufgrund der spezifisch öffentlich-rechtlichen Vorgaben für diesen Vorgang im Sinne der sogenannten Zweistufentheorie im Gegensatz zum aufgrund der Vergabeentscheidung geschlossenen Vertrag und dessen Abwicklung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.

Darauf kommt es jedoch hier nicht an, da der im Hauptsacheverfahren zu verfolgende und hier zu sichernde Anordnungsanspruch nicht auf eine Vergabeentscheidung gerichtet ist, sondern darauf, dass die Antragsgegnerin ihre Einwirkungsmöglichkeiten auf die Beigeladene zu 2. wahrnimmt, den von dieser zu vergebenden Auftrag der Antragstellerin und nicht der Beigeladenen zu 1. zu erteilen. Der Anordnungsanspruch ist nicht, wie dem Antrag der Antragstellerin entnommen werden könnte, auf eine Auftragsvergabe durch die Antragsgegnerin gerichtet, da diese den Auftrag nicht vergibt. Das geschieht allein durch die Beigeladene zu 2. Deren Tätigkeit als juristische Person des Privatrechts unterfällt, soweit sie nicht Beliehene ist, grundsätzlich dem Privatrecht, auch wenn ihre Tätigkeit kraft des sogenannten Verwaltungsprivatrechts durch öffentlich-rechtliche Bindungen ergänzt, modifiziert und überlagert wird. Verwaltungsprivatrechtliche Streitigkeiten unterfallen nach überkommener Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.3.1990 - 7 B 120.89 -, DVBl. 1990, 712 f.; Gem. Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 -, BGHZ 97, 312 (316 f.); BGH, Urteil vom 17.6.2003 - XI ZR 195/02 -, BGHZ 155, 166 (173 ff.); a.A. Ehlers in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 2 Rn. 87.

Die hier in Rede stehende Ausübung der Einwirkungsmöglichkeiten einer Gemeinde auf eine von ihr beherrschte juristische Person des Privatrechts vollzieht sich zwar regelmäßig in der Form privatrechtlicher Gesellschafterrechte, die Beteiligungsverwaltung, insbesondere die Entscheidung, ob und wie eingewirkt werden soll, stellt sich aber als schlicht hoheitliches Handeln der Gemeindeverwaltung dar. Ihre Überprüfung unterliegt somit der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zivilrechtliche Grundlagen für den hier geltend gemachten Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Einwirkung auf die Beigeladene zu 2. sind jedenfalls nicht ersichtlich. Namentlich geben die zivilrechtlichen Fallgruppen des sogenannten gesellschaftsrechtlichen Durchgriffs hier nichts her.

Vgl. dazu Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, 20. Aufl., § 36 Rn. 34 ff.

Ob eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage auf Ausübung der gemeindlichen Einwirkungsmöglichkeiten besteht, bedarf hier keiner Entscheidung. Dafür ist bislang nichts vorgetragen worden, etwa dass die Antragsgegnerin bisher immer von ihren Einwirkungsmöglichkeiten in vergleichbaren Konstellationen zugunsten eines Anbieters Gebrauch gemacht hätte und daher nach Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet wäre, auch hier so zu handeln, oder dass ein hoheitlicher Eingriff der Antragsgegnerin in subjektive Rechte der Antragstellerin mit der Folge eines rechtswidrigen Zustands drohe, der kraft des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs zur Einwirkung verpflichte. Die Rechtsprechung des Senats zu einer solchen Einwirkungsmöglichkeit im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung der Gemeinde, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.8.2003 - 15 B 1137/03 -, NWVBl. 2003, 462 (463), ist jedenfalls auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Dort stellte der Betrieb des Unternehmens in Form der beherrschenden gesellschaftsrechtlichen Beteiligung nach § 107 Abs. 1 GO NRW die den drittschützenden gesetzlichen Beschränkungen unterworfene wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde dar. Dieses Scharnier erlaubte es, die wirtschaftlichen Aktivitäten des Unternehmens der das Unternehmen betreibenden Gemeinde als einen eigenen Eingriff in subjektive Rechte Dritter darstellende wirtschaftliche Betätigung zuzurechnen.

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