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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 13.02.2009
Aktenzeichen: 16 A 844/08
Rechtsgebiete: BVerfSchG, GG


Vorschriften:

BVerfSchG § 11 Abs. 1 Satz 1
BVerfSchG § 15 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
Der Anspruch des Betroffenen aus § 15 Abs. 1 BVerfSchG auf Auskunft über beim Bundesamt für Verfassungsschutz zu seiner Person gespeicherte Daten beschränkt sich auf Informationen, die gezielt zu der Person erfasst sind.
Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit seiner Klage Auskunft über die ihn betreffenden Informationen, die dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) außerhalb der über ihn geführten Personenakte zur Verfügung stehen. Aus der Personenakte des Klägers hat das BfV ihm bereits Auskunft erteilt, soweit dem nicht Geheimhaltungsgründe entgegenstanden. Das VG wies die Klage ab. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Das BfV führt zur Ordnung der bei ihm gespeicherten Informationen sowohl Sach- als auch Personenakten. In den Sachakten werden die Informationen zusammengefasst geführt, die das BfV im Hinblick auf einzelne Beobachtungsfelder (z. B. Organisationen) für bedeutsam erachtet. Wenn eine Sachakte Informationen enthält, der das BfV auch im Hinblick auf eine Person Bedeutung beimisst, wird in dem behördeninternen elektronischen Informationssystem (NADIS) ein Datensatz zu dieser Person angelegt und eine Verknüpfung zwischen der Person und der Fundstelle hergestellt. Für personenbezogene Informationen in Sachakten, die das BfV - bezogen auf diese Person - für unerheblich hält, wird keine Verknüpfung vorgenommen. Wenn es dem BfV aufgrund der in NADIS zu einer Person erfassten Informationen geboten erscheint, wird zusätzlich eine Personenakte angelegt, in der nur die diese Person betreffenden Informationen zusammengefasst geführt werden.

Als Anspruchsgrundlage für das Begehren auf Auskunft aus den Personenakten Dritter sowie aus den Sachakten des BfV kommt § 15 Abs. 1 BVerfSchG entgegen der Ansicht des Klägers nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift erteilt das BfV dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Das VG hat zutreffend angenommen, dass es sich bei den von dem Kläger noch begehrten Auskünften nicht um zu seiner Person gespeicherte Daten im Sinne dieser Vorschrift handelt. Etwaig in anderen Akten des BfV in Bezug auf den Kläger gespeicherte Daten wurden dort nicht auf ihn gezielt erfasst. § 15 Abs. 1 BVerfSchG vermittelt einen Auskunftsanspruch aber nur für solche gezielt gespeicherten Daten.

Das Bundesverfassungsschutzgesetz unterscheidet zwischen Daten über eine Person und Daten zu einer Person. Daten über eine Person sind alle dem BfV zur Verfügung stehenden Informationen, die sich auf eine Person beziehen. Demgegenüber führen die Daten zu einer Person auf ein engeres Verständnis. Daten zu einer Person sind nur solche Erkenntnisse, die das BfV gezielt (final) zu dem Betroffenen gespeichert hat.

A. A. Scheffcyzk/Wolff, Das Recht auf Auskunftserteilung gegenüber den Nachrichtendiensten, NVwZ 2008, 1316 (1318); unklar Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts (2007), S. 606 f.

Diese gezielte Speicherung erfolgt in der Praxis des BfV, indem in NADIS - wenn noch nicht vorhanden zunächst - ein Datensatz zu der Person angelegt wird und eine Verknüpfung zwischen der Person und der Fundstelle der Information in einer Sachakte erstellt wird. Existiert - wie im Fall des Klägers - eine Personenakte, wird die Information außerdem auch in die Personenakte aufgenommen.

Die systematische Auslegung bestätigt den bereits dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 BVerfSchG zu entnehmenden Unterschied zwischen Daten über eine Person und Daten zu einer Person. § 11 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG setzt genau diese Differenzierung voraus und verbietet grundsätzlich die Speicherung von Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahrs in zu ihrer Person geführten Akten. Die - ohne Verknüpfung erfolgende - Aufnahme solcher Daten in Sachakten oder Personenakten Dritter bleibt dagegen möglich.

Die Beschränkung des Auskunftsanspruchs aus § 15 Abs. 1 BVerfSchG auf gezielt zu dem Betreffenden gespeicherte Informationen entspricht dem Zweck dieser Vorschrift. Sie soll das durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Interesse des Einzelnen an möglichst weitgehender Auskunft mit den durch eine Auskunftserteilung berührten öffentlichen Interessen in angemessenen Ausgleich bringen.

Bei Auskunftsansprüchen gegen Behörden ist stets das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit der Behörde in den Blick zu nehmen, das durch einen Auskunftsanspruch mit unverhältnismäßig großem Verwaltungsaufwand gefährdet sein kann.

Vgl. §§ 19 Abs. 2, Abs. 4 BDSG, 3 Abs. 2 Satz 3 UIG, 1 Abs. 2 Satz 3 IFG, 4 Abs. 2 Nr. 4 PresseG NRW.

Bei Auskunftsansprüchen gegen das BfV, dessen Aufgabenerfüllung dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, 18 Satz 1, 21 Abs. 2 Satz 1 GG) dient, ist das sich aus der Eigenart dieser Behörde als Nachrichtendienst ergebende besondere Geheimhaltungsinteresse zu berücksichtigen. Dieses Geheimhaltungsinteresse ist nicht nur auf einzelne Vorgänge beschränkt, sondern bezieht sich auch auf die Arbeitsweise des BfV, seinen Erkenntnisstand, die verwandten Quellen u .s. w.

Vgl. BT-Drs. 11/7235, S. 107.

In Bezug auf die Interessen des Betroffenen ist zwischen den zu seiner Person und den über seine Person gespeicherten Informationen zu unterscheiden. Jenen kommt ein deutlich größeres Gewicht zu als diesen, die nicht ohne Weiteres erschließbar sind.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, dem der Auskunftsanspruch Rechnung trägt, gewährleistet unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten und gewährleistet dessen Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u. a. -, BVerfGE 65, 1; Urteil vom 2.3.2006 - 2 BvR 2099/04 -, BVerfGE 115, 166.

Hinsichtlich der gezielt zu einer Person erfassten Informationen besteht die typische Gefahrenlage, der das Recht auf informationelle Selbstbestimmung begegnet. Das BfV ist in der Lage, auf diese Informationen kurzfristig zuzugreifen und sich mit ihrer Hilfe ein Bild von dieser Person zu machen. Zudem besteht jederzeit die Möglichkeit, diese Informationen zu vervielfältigen, weiterzugeben oder mit anderen Datenbeständen zu verknüpfen. Dieser typischen Gefahrenlage entspricht das Bundesverfassungsschutzgesetz, indem es durch § 15 Abs. 1 hinsichtlich solcher Informationen einen Auskunftsanspruch für den Betroffenen schafft. Diesen Auskunftsanspruch zu erfüllen, ist für das BfV grundsätzlich mit keinem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden.

Hinsichtlich der Informationen, bei denen es an einer Verknüpfung mit der Person des Betroffenen fehlt und hinsichtlich derer § 15 Abs. 1 BVerfSchG keinen Auskunftsanspruch gewährt, ist die Interessenlage hingegen eine andere. Auskunft über diese Informationen zu erteilen, ist dem BfV nicht möglich, ohne zuvor alle in Betracht kommenden Vorgänge seines umfangreichen Aktenbestands durchzusehen. Diesem in vielen Fällen erheblichen Aufwand zur Erfüllung des Auskunftsbegehrens steht jedoch grundsätzlich ein deutlich geringeres Interesse des Betroffenen an dieser Auskunft gegenüber. Solange die Informationen nicht gezielt zu der Person des Betroffenen erfasst sind, sind die typischerweise mit der elektronischen Speicherung verbundenen Gefahren, vor denen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützen soll, kaum gegeben. Weder ist es möglich, unmittelbar auf diese Informationen zuzugreifen, noch können sie ohne Weiteres vervielfältigt, weitergegeben oder mit anderen Informationen verknüpft werden.

Die widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen hat der Gesetzgeber durch die Beschränkung des Auskunftsanspruchs aus § 15 Abs. 1 BVerfSchG auf gezielt zu einer Person erfasste Informationen in angemessenen Ausgleich gebracht. Dem Gesetzgeber war bei der Neufassung des Bundesverfassungsschutzgesetzes im Jahr 1990 und der in diesem Zusammenhang erfolgten Einführung eines Auskunftsanspruchs gegen das BfV die grundsätzliche Arbeitsweise dieser Behörde bekannt. Die Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs in § 15 Abs. 1 BVerfSchG erfolgte in Kenntnis des Ordnungssystems des BfV mit Personen- und Sachakten und deren elektronischer Erschließung. In der Eigenart dieses Ordnungssystems liegt, dass neben solchen gezielt zu einer Person erfassten Informationen beim BfV weitere Informationen über eine Person vorhanden sein können, bei denen es an einer Verknüpfung mit der Person fehlt. Auf diese nicht verknüpften Informationen könnte nur nach einer Suche in allen in Betracht kommenden Vorgängen zugegriffen werden. Dies wäre ungeachtet zunehmend komfortablerer elektronischer Zugriffsmöglichkeiten jedenfalls in Bezug auf die vom BfV weiter geführten Sachakten sowie Personenakten Dritter mit erheblichem zeitlichen und personellen Aufwand verbunden.

Die Regelung des § 15 Abs. 1 BVerfSchG ist auch im Hinblick darauf interessengerecht, dass es möglich ist, personenbezogene Daten in Sachakten und Personenakten Dritter, die bislang nicht gezielt zu einer Person erfasst sind, nachträglich mit dieser zu verknüpfen. Wenn im Einzelfall nachträglich eine Verknüpfung der Daten mit der Person des Betroffenen hergestellt wird, handelt es sich fortan um Daten zu einer Person, auf die sich der Auskunftsanspruch des § 15 Abs. 1 BVerfSchG erstreckt.

Der Auskunftsanspruch aus § 15 Abs. 1 BVerfSchG muss nicht deshalb im Wege verfassungskonformer Auslegung auf Daten erweitert werden, die über eine Person gespeichert sind, weil das BfV die Akten mittlerweile teilweise elektronisch führt. Weiterhin ist der schnelle Zugriff auf Informationen, die nicht gezielt zu einer Person erfasst wurden, für den überwiegenden Teil des hier interessierenden Datenbestands des BfV nicht möglich. Nur die ab 2007 erhobenen Informationen zu linksextremistischen Aktivitäten sind digitalisiert. Die Beschränkung des Auskunftsanspruchs aus § 15 Abs. 1 BVerfSchG auf gezielt zu dem Betreffenden erfasste Informationen ist angesichts des verhältnismäßig kleinen Umfangs mittlerweile digitalisierter Daten weiterhin verfassungsrechtlich unbedenklich. Ohnehin kann in Ergänzung zu § 15 Abs. 1 BVerfSchG immer ein Anspruch auf Auskunft über Informationen in Sachakten und Personakten Dritter gegeben sein. Legt der Betroffene die für Eingriffe in Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG typische Gefahrenlage dar, ist die Auskunftserteilung für das BfV nicht mit nennenswertem Aufwand verbunden und liegen keine Geheimhaltungsgründe vor, besteht neben dem gebundenen Auskunftsanspruch nach § 15 Abs. 1 BVerfSchG für Auskünfte aus Sachakten und Personenakten Dritter der allgemeine Anspruch auf Auskunftserteilung im Ermessenswege. Das dem BfV in diesem Zusammenhang eingeräumte Ermessen kann dabei im Einzelfall im Lichte des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung reduziert sein, sodass nur die Auskunftserteilung ermessensfehlerfrei ist.

Dies führt vorliegend jedoch nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Der Kläger ist im Zulassungsverfahren der Einschätzung des VG nicht entgegen getreten, dass das BfV die Erteilung der Auskunft ermessensfehlerfrei abgelehnt hat. Insoweit hat der Kläger nicht dargetan, dass in Bezug auf die digitalisierten Daten etwas anderes gilt. Die Gefahren, vor denen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützen soll, sind durch behördeninterne Organisationsmaßnahmen weiterhin auf ein Minimum beschränkt. Zwar ist es nunmehr technisch möglich, innerhalb des digitalisierten Datenbestands nicht gezielt zu einer Person erfasste Informationen in kürzerer Zeit als bisher aufzufinden. Die Beklagte hat jedoch die Suche nach nicht in NADIS gespeicherten personenbezogenen Informationen behördenintern untersagt. Die Einhaltung dieser Anweisung wird engmaschig überwacht, wobei Mitarbeiter im Fall von Verstößen dienstrechtlich zur Konsequenz gezogen werden.

Ende der Entscheidung

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