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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.01.2005
Aktenzeichen: 16 B 2219/04
Rechtsgebiete: VwGO, BSHG, SGB V


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
BSHG § 37 Abs. 1
SGB V § 264
1. Dem Erfordernis, im Rahmen der Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Gründe darzulegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), wird nur dann entsprochen, wenn die Begründung jedenfalls ein Mindestmaß an argumentativer Befassung mit den tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung erkennen lässt. Es genügt nicht, lediglich apodiktisch der im angefochtenen Beschluss eingehend begründeten Rechtsauffassung des VG entgegenzutreten.

2. Zur Möglichkeit, den Sozialhilfeträger auf Gewährung von Krankenhilfe in Anspruch zu nehmen, nachdem die gemäß § 264 SGB V leistungsverpflichtete Krankenkasse die Kostenübernahme mit der Begründung abgelehnt hat, die Wirksamkeit der beabsichtigten Behandlung sei nicht hinreichend wissenschaftlich abgesichert.


Tatbestand:

Der an einer seltenen, häufig zur vollständigen Erblindung führenden Augenkrankheit leidende Antragsteller wandte sich zunächst ohne Erfolg an die für ihn zuständige Krankenkasse und anschließend an den Sozialhilfeträger mit dem Begehren, die - erheblichen - Kosten für die bei ihm anzuwendende Photodynamische Therapie, eine neuartige Behandlung, zu übernehmen. Der nachfolgende verwaltungsgerichtliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Sozialhilfeträger blieb auch in der Beschwerdeinstanz ohne Erfolg.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Es fehlt bereits an einer ausreichenden Beschwerdebegründung. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung einzureichende Begründung unter anderem die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das erfordert jedenfalls ein Mindestmaß an argumentativer Befassung mit den tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung.

Vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 146 Rn. 21, m.w.N.

Daran fehlt es hier. Im Begründungsschriftsatz vom 6.10.2004 wird ausgeführt, der Antragsteller bezweifele, dass er einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht habe. Nachfolgend gibt der Antragsteller die Auffassung der Krankenkasse wieder, wonach es sich bei ihrer Leistungserbringung im Rahmen des § 264 SGB V um eine Auftragsleistung für den Antragsgegner i.S.v. § 90 SGB X handele, schließt sich dieser Auffassung an und fügt lediglich noch hinzu, aus § 88 SGB X könne nicht entnommen werden, "dass § 264 SGB V im Rahmen von Auftragsverhältnissen keine Anwendung findet". Damit wird der vom VG eingehend begründeten Rechtsauffassung, wonach es sich bei der Durchführung der Krankenversorgung nach § 264 Abs.2 bis Abs. 7 SGB V gerade nicht um ein Auftragsverhältnis im Sinne des SGB X handele, lediglich apodiktisch die Behauptung entgegengesetzt, das sei aber doch so. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses kann darin nicht gesehen werden.

Abgesehen davon dürfte es auf die Frage der rechtlichen Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Antragsgegner als Träger der Sozialhilfe und der iSv § 264 SGB V leistungserbringenden Krankenkasse gar nicht entscheidend ankommen. Indem der Antragsteller seinen Anspruch ausdrücklich gegen den Antragsgegner richtet, macht er hinlänglich deutlich, dass er - nachdem die Krankenkasse sein Leistungsbegehren abgelehnt hat - nunmehr einen unmittelbaren sozialhilferechtlichen Anspruch gegen den zuständigen Sozialhilfeträger verfolgen will. Ein solcher Anspruch, der lediglich auf § 37 Abs. 1 BSHG gestützt werden könnte, besteht indessen nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob nach der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190, 2255) überhaupt noch Raum für einen - ergänzenden - Anspruch auf Leistungen der Krankenhilfe gegen den Sozialhilfeträger besteht, da nach § 37 Abs. 1 Satz 2 BSHG die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V Ansprüchen auf Krankenhilfe nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BSHG vorgehen.

Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 11.10.2004 - 10 UE 2731/03 -, ZFSH/SGB 2004, 741 = NDV-RD 2004, 130; Kostorz/Wahrendorf, ZFSH/SGB 2004, 387, 394.

Selbst wenn indessen eine ergänzende Verpflichtung des Sozialhilfeträgers in Betracht gezogen wird, wäre gleichwohl die in § 37 Abs.1 Satz 1 BSHG angeordnete Begrenzung des möglichen Leistungsumfangs entsprechend dem Dritten Kapitel, Fünften Abschnitt, Ersten Titel (§§ 27 bis 43b) des SGB V zu beachten. Leistungen der (sozialhilferechtlichen) Krankenhilfe können allenfalls in der Art und in dem Umfang beansprucht werden, wie dies im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung möglich wäre.

Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 11.10.2004 - 10 UE 2731/03 -, a.a.O.

Die Krankenkasse hat krankenversicherungsrechtliche Leistungen für die vom Antragsteller begehrte Therapie mit Bescheid vom 1.6.2004 abgelehnt. Dem liegen sozialmedizinische Gutachten zugrunde, die - zusammengefasst - zu dem Ergebnis kommen, dass diese bislang vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für das beim Antragsteller vorhandene Krankheitsbild nicht anerkannte Therapieform auch nicht als "neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode" (§ 135 SGB V) befürwortet werden könne. Denn nach dem aktuellen Stand der praktischen Erfahrungen sei nicht von der Wirksamkeit der Therapie für die beim Antragsteller anzutreffende Augenerkrankung auszugehen. Die Richtigkeit dieser durch eine Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen untermauerten ärztlichen Bewertung wird weder vom Antragsteller noch von den ihn behandelnden Ärzten, die insoweit ausdrücklich von einem zu befürwortenden "Versuch" sprechen, begründet in Frage gestellt. Eine Erweiterung der krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht - und damit auch der sozialhilferechtlichen Anspruchsverbürgung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BSHG - auf Behandlungsmethoden, die sich erst im Stadium der Forschung oder Erprobung befinden und noch nicht dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, lässt das Gesetz selbst bei schweren und vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheiten grundsätzlich nicht zu. Dem Einwand, in solchen Fällen müsse ein individueller Heilversuch auch mit noch nicht ausreichend gesicherten Therapieverfahren möglich sein, kann deshalb nicht Rechnung getragen werden.

Vgl. BSG, Urteil vom 28.3.2000 - B 1 Kr 11/98 R -, BSGE 86, 54.



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