Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 18.06.2008
Aktenzeichen: 17 A 2250/07
Rechtsgebiete: AufenthG, AsylVfG


Vorschriften:

AufenthG § 25 Abs. 5 Satz 3
AufenthG § 25 Abs. 5 Satz 4
AufenthG § 48 Abs. 3
AufenthG § 49 Abs. 2
AufenthG § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
AufenthG § 104a Abs. 3
AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 6
1. Zur Frage, ob es einem vollziehbar ausreisepflichtigen iranischen Staatsangehörigen zugemutet werden kann, eine von der Auslandsvertretung seines Heimatstaats als Voraussetzung für die Ausstellung von Passersatzpapieren geforderte Erklärung über die Freiwilligkeit seiner Rückkehr abzugeben.

2. Bezugspunkt der durch das Tatbestandsmerkmal "behindert" in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG geforderten Kausalitätsprüfung ist nicht die Aufenthaltsbeendigung als solche im Sinne einer erfolgreichen Abschiebung, sondern die Durchführung hierauf gerichteter behördlicher Maßnahmen.


Tatbestand:

Die Kläger - eine Mutter und ihre beiden minderjährigen Kinder - sind iranische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1. und ihr Sohn, der Kläger zu 2., reisten 1996 nach Deutschland ein; die Klägerin zu 3. wurde 1997 hier geboren. Ein von den Klägern zu 1. und 2. gestellter Asylantrag wurde 1997 abgelehnt; der Ablehnungsbescheid erlangte 2001 Bestandskraft. Seither wird der Aufenthalt der Kläger geduldet, da ihre Abschiebung in Ermangelung von Heimreisedokumenten unmöglich ist. Wiederholten Aufforderungen des Beklagten, bei der Auslandsvertretung ihres Heimatstaats Passersatzpapiere zu beantragen, leistete die Klägerin zu 1. keine Folge. Zur Begründung machte sie geltend, sie könne die von der Auslandsvertretung geforderte "Freiwilligkeitserklärung" nicht abgeben, da sie wegen fortbestehender Verfolgungsfurcht nicht in ihr Heimatland zurückkehren wolle. Die Kläger begehren die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach §§ 25 Abs. 5 und 104a AufenthG. Die gegen die Abweisung ihrer diesbezüglichen Klage gerichtete Berufung blieb erfolglos.

Gründe:

Der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG steht entgegen, dass die Kläger nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert sind. Ein Verschulden der Klägerin zu 1., das sich die Kläger zu 2. und 3. als ihre minderjährigen Kinder zurechnen lassen müssen, ergibt sich daraus, dass sie zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt.

Die Frage, welche Mitwirkungshandlungen dem Ausländer zumutbar sind, beurteilt sich unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.6.2006 - 1 B 54.06 -, Buchholz 402. 242 § 25 AufenthG Nr. 4; OVG NRW, Beschluss vom 5.6.2007 - 18 E 413/07 -, AuAS 2007, 221.

Grundsätzlich sind sämtliche Handlungen zumutbar, die zur Beschaffung eines zur Ausreise oder zur Abschiebung notwendigen Dokuments erforderlich sind und nur vom Ausländer persönlich vorgenommen werden können, vgl. Hailbronner, Ausländerrecht (Stand: Februar 2006), § 25 AufenthG, Rdnr. 111 m.w.N.

Eine Mitwirkungshandlung, die von vornherein erkennbar aussichtslos ist, kann dem Ausländer nicht abverlangt werden.

Vgl. BVerwG, a.a.O.; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 14.6.2007 - 3 B 34.05 -, juris; Burr, in: GK-AufenthG, § 25 AufenthG (Stand: Juni 2007), Rdnr. 177.

Hiervon ausgehend ist es den Klägern nicht zumutbar, die Ausstellung iranischer Nationalpässe zu beantragen.

Nach der den Beteiligten bekannten Erkenntnislage ist davon auszugehen, dass ein derartiger Antrag keinen Erfolg haben würde. Ausweislich des Vermerks des Ordnungsamts - Abteilung für Ausländerwesen - der Stadt Kassel vom 11.12.2006 über eine Vorsprache beim Generalkonsulat der Islamischen Republik Iran Frankfurt am Main am 28.11.2006 (im Folgenden: Vermerk Kassel) verlangt das Generalkonsulat von einem Passbewerber den Nachweis über die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts in Deutschland. Dem entspricht der Inhalt des von dem Generalkonsulat herausgegebenen Informationsblattes "Passerneuerung". Hiernach sind bei der Beantragung eines neuen Passes unter anderem Kopien derjenigen Seiten des abgelaufenen Passes vorzulegen, auf der die Aufenthaltserlaubnis der deutschen Behörde vermerkt ist. Der Umstand, dass der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Teheran ausweislich ihres

Schreibens vom 3.2.2008 an das Ordnungsamt - Ausländerbehörde - des Landkreises Goslar

Fälle bekannt geworden sind, in denen iranischen Staatsangehörigen ein Reisepass ausgestellt worden ist, obwohl sie keinen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet hatten, gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass eine Passbeantragung ohne Nachweis eines Aufenthaltsrechts Aussicht auf Erfolg haben könnte. Denn offenbar handelt es sich um besonders gelagerte Einzellfälle ("sogar"), deren Hintergründe in Ermangelung näherer Angaben nicht nachvollzogen werden können.

Die Kläger verfügen nicht über einen rechtmäßigen Aufenthalt, sodass für sie die Ausstellung iranischer Nationalpässe nicht in Betracht kommt. Ob sie darüber hinaus - wie von ihnen geltend gemacht - auch nicht zur Beibringung eines aus Sicht des Generalkonsulats akzeptablen Identitätsnachweises in der Lage sind, kann dahinstehen. Eine hiernach von vornherein aussichtslose Passbeantragung kann den Klägern nicht abverlangt werden.

Anders verhält es sich in Bezug auf die Beantragung von Passersatzpapieren. Da sie der Rückführung eines ausreisepflichtigen Ausländers dienen, wird nicht der Nachweis eines Aufenthaltsrechts gefordert, sondern die behördliche Bestätigung der Ausreisepflicht, vgl. Nr. 7 des Vermerks Kassel.

Allerdings machen die iranischen Auslandsvertretungen die Ausstellung eines Passersatzpapiers davon abhängig, dass der Ausländer erklärt, freiwillig in den Iran zurückkehren zu wollen. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnissen, vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: Februar 2008) vom 18.3.2008, S. 35; Vermerk Kassel, zu Nr. 8; vom Beklagten im Verfahren 17 E 500/08 vorgelegtes Antragsformular, und ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die Kläger halten die Abgabe einer solchen "Freiwilligkeitserklärung" für unzumutbar, da sie nicht der Wahrheit entspreche. Sie machen sich damit eine Sichtweise zu eigen, die insbesondere in der Rechtsprechung ordentlicher Gerichte zu den Voraussetzungen der Sicherungshaft (§ 57 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 AuslG, nunmehr: § 62 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 AufenthG) sowie zur Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen die Passpflicht (§§ 95 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1, 48 Abs. 2 AufenthG) vertreten wird, vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.7.1999 - 20 W 306/99 -, InfAuslR 1999, 465; KG Berlin, Beschluss vom 25.10.1999 - 25 W 8380/99 -, InfAuslR 2000, 229; OLG Hamm, Beschluss vom 12.2.2001 - 19 W 20/01 -, bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang; OLG Celle, Beschluss vom 16.10.2003 - 17 W 80/03 -, bei Melchior, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3.11.2003 - I - 3 Wx 275/03 -, bei Melchior, a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 10.2.2006 - 16 Wx 238/05 -, NVwZ-RR 2007, 133; OLG Nürnberg, Urteil vom 16.1.2007 - 2 St OLG Ss 242/06 -, juris; a.A. wohl BayObLG, Beschluss vom 17.11.2003 - 4 Z BR 73/03 -, bei Melchior, a.a.O.

Diese Sichtweise wird von einigen Verwaltungsgerichten und verschiedenen Literaturstimmen geteilt, vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 21.6.2007 - A 2 B 258/06 -, n. v.; VG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.1.2008 - 1 E 3668/07 (2) -, n. v.; ebenso: Heinhold, ZAR 2003, 218, 224; Göbel-Zimmermann, ZAR 2005, 275, 280.

Demgegenüber gehen der überwiegende Teil der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu §§ 25 Abs. 5 und 49 Abs. 1 (jetzt Absatz 2) AufenthG, § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG und zu § 11 Satz 1 BeschVerfV sowie mehrere sozialgerichtliche Entscheidungen zu § 1a Nr. 2 AsylbLG von der Zumutbarkeit der Abgabe einer "Freiwilligkeitserklärung" aus, vgl. Nds. OVG, Urteil vom 11.12.2002 - 4 LB 471/02 -, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 7, 54; Hess. VGH, Beschluss vom 28.1.2005 - 9 UZ 1412/04 -, n. v.; VG Hamburg, Urteil vom 20.10.2006 - 10 K 6115/04 -, juris; LSG NRW, Beschluss vom 29.1.2007 - L 20 B 69/06 AY ER, n. v.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 15.3.2007 - 7 B 10213/07.OVG -, juris (Ls.), und vom 5.4.2007 - 17 A 10108/07, 7 E 11594/06 -, NVwZ-RR 2007, 494 (Ls.); OVG NRW, Beschluss vom 5.6.2007 - 18 E 413/07 -, AuAS 2007, 221; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 14.6.2007 - 3 B 34.05 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 3.8.2007 - 19 ZB 07.1163 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 27.8.2007 - Au 6 K 07.803, Au 6 K 07.804 -, juris; LSG Sachs.-Anh., Beschluss vom 28.9.2007 - L 8 B 11/06 AY ER -, n. v.; ebenso: Hailbronner, a.a.O., Rdn. 112; Tz. 25.5.3 VAH-AufenthG.

Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung. Maßgeblich hierfür sind folgende Erwägungen:

Nach § 48 Abs. 3 AufenthG und § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG ist ein Ausländer, der - wie die Kläger - keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken. Hiervon umfasst ist gemäß § 49 Abs. 2 AufenthG die Verpflichtung, im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten die von der Vertretung des Heimatstaats geforderten und mit dem deutschen Recht in Einklang stehenden Erklärungen abzugeben. Zwar werden hiervon nur solche Erklärungen erfasst, die der Ermittlung der Identität und Staatsangehörigkeit dienen, vgl. Tz. 49.1.5 VAH-AufenthG; Zeitler, HTK-AuslR / § 49 AufenthG / zu Abs. 2 01/2008 Nr. 3, mit der Folge, dass es keine Grundlage für eine selbständig durchsetzbare Pflicht zur Abgabe einer "Freiwilligkeitserklärung" gibt, vgl. Hailbronner, a.a.O., Rdn. 112.

Es handelt sich hierbei jedoch um eine Obliegenheit, die sich aus der Ausreisepflicht als solcher ergibt, vgl. Hailbronner, a.a.O.

Für deren Verbindlichkeit ist unerheblich, ob der Ausländer sie akzeptiert oder nicht. Gleiches gilt für die Beurteilung erforderlicher Mitwirkungshandlungen: Der Unwille des Ausländers, derartige Handlungen vorzunehmen, lässt diese nicht von vornherein als unzumutbar erscheinen. So kann von einem Ausländer, der "aus Überzeugung" staatenlos ist und aus diesem Grund seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgegeben hat, durchaus verlangt werden, die aufgegebene Staatsangehörigkeit wieder zu erwerben, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 1 C 8.98 -, BVerwGE 108, 21; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 14.6.2007 - 3 B 34.05 -, juris.

Zwar kann einem ausreisepflichtigen Ausländer nicht angesonnen werden, dass er zum Zwecke der Erlangung von Passersatzpapieren die Auslandsvertretung seines Heimatstaats über die Motive seiner Rückkehrabsicht belügt. Derartiges wird von den Klägern allerdings auch nicht verlangt. Die Erklärung, freiwillig in den Iran zurückkehren zu wollen, erschöpft sich in der Bekundung der Bereitschaft, der bestehenden Ausreisepflicht ohne staatlichen Zwang Folge zu leisten. Diese Bereitschaft kann und muss jedoch von den Klägern erwartet werden. Denn die Funktionsfähigkeit einer Rechtsordnung setzt voraus, dass nicht nur Rechte in Anspruch genommen, sondern auch Pflichten akzeptiert werden.

Anhaltspunkte dafür, dass der in Rede stehenden "Freiwilligkeitserklärung" ein über die Akzeptanz der Ausreisepflicht hinausgehender Bedeutungsgehalt zukäme, liegen nicht vor. Ausweislich des zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Antragsformulars hat die schriftlich abzugebende "Erklärung zur freiwilligen Rückkehr in die Islamische Republik Iran" folgenden Wortlaut:

"Hiermit erkläre ich, dass ich freiwillig in die Islamische Republik Iran zurückkehren möchte."

Irgendwelche Hinweise darauf, dass der Freiwilligkeit Motive zugrunde liegen müssen, die über die Bereitschaft zu einem rechtstreuen Verhalten hinausgehen, lassen sich hieraus nicht entnehmen. Sie ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Bewerber um ein Passersatzpapier die Gründe seines Ausreisewunsches handschriftlich darlegen und im Rahmen einer Befragung durch Konsulatsmitarbeiter erläutern muss. Diese Prozedur dient offensichtlich der Authentifizierung der formblattmäßigen Freiwilligkeitserklärung, lässt für sich genommen aber nicht den Rückschluss zu, dass aus iranischer Sicht der Wille des Bewerbers, die deutsche Rechtsordnung zu respektieren, kein für die Annahme von Freiwilligkeit ausreichendes Motiv sei. Zwar lehnen die iranischen Auslandsvertretungen die Ausstellung eines Passersatzpapiers ab, wenn der Bewerber darauf hinweist, dass er die "Freiwilligkeitserklärung" nur abgebe, um strafrechtlichen Sanktionen zu entgehen, vgl. die in dem Urteil des OLG Nürnberg vom 16.1.2007 - 2 St OLG Ss 242/06 -, juris, zitierten Feststellungen der Vorinstanz.

Dies widerspricht jedoch nicht dem zugrunde gelegten Verständnis der "Freiwilligkeitserklärung", da in einem derartigen Fall deutlich wird, dass die Erklärung gerade nicht Ausdruck der Akzeptanz der Ausreisepflicht ist, sondern ausschließlich aus zweckorientierten Motiven abgegeben wird.

Auch die in der mündlichen Verhandlung von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger wiedergegebenen Äußerungen des stellvertretenden Leiters der Zentralen Ausländerbehörde Köln geben keinen Anlass zu der Annahme, dass die von iranischer Seite erwartete Freiwilligkeit der Rückkehr eine über die Akzeptanz der diesbezüglichen Rechtspflicht hinausgehende voluntative Disposition voraussetzt. Erforderlich ist hiernach die Ernsthaftigkeit der "Freiwilligkeitserklärung", der eine innere Bereitschaft zur Rückkehr zugrunde liegen muss. Beides ist gegeben bei einem Ausländer, der seine Ausreisepflicht akzeptiert und willens ist ihr Rechnung zu tragen.

Das berechtigte Interesse der Kläger, nicht lügen zu müssen, hindert sie mithin nicht an der Abgabe einer "Freiwilligkeitserklärung", wenn sie - wie in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht - ihre Ausreisepflicht akzeptieren. Bislang haben sie allerdings jede Mitwirkung an einer Beschaffung von Passersatzpapieren verweigert, ohne dass dafür ein rechtfertigender Grund erkennbar wäre. Namentlich kommt insoweit die angeblich fortbestehende Sorge der Klägerin zu 1., in ihrem Heimatland politische Verfolgung zu erleiden, nicht in Betracht, da der Beklagte an die bestandskräftige Entscheidung des Bundesamts, dass Abschiebungshindernisse nicht bestehen, gebunden ist, § 42 Satz 1 AsylVfG. Die durch die mangelnde Mitwirkung der Kläger an der Beschaffung von Passersatzpapieren bedingte Unmöglichkeit der Ausreise fällt in ihren Risikobereich. Das Unterlassen einer zumutbaren Mitwirkungshandlung kann nicht durch Gewährung von Aufenthaltsrechten prämiiert werden. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Konstellation spezifisch von jener, die den oben erwähnten Entscheidungen ordentlicher Gerichte zugrunde liegt: Während es dort um die straf- bzw. sicherungshaftrechtliche Konsequenzen der Verweigerung einer "Freiwilligkeitserklärung" geht, mithin um einen hieran anknüpfenden Eingriff in den Rechtskreis des Betroffenen, steht vorliegend eine erstrebte Rechtskreiserweiterung in Rede.

Informatorisch wird angemerkt, dass sich die Frage der Zumutbarkeit einer "Freiwilligkeitserklärung" in einem anderen Lichte stellen würde, wenn sich im Rahmen eines von den Klägern erst noch durchzuführenden Antragsverfahrens - wider Erwarten - erweisen sollte, dass das iranische Generalkonsulat die Ausstellung von Passersatzpapieren davon abhängig macht, dass auch unabhängig von der Ausreisepflicht ein Rückkehrwunsch besteht.

Ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnisse ergibt sich auch nicht aus § 104a Abs. 1 AufenthG.

Die in dieser Norm getroffene Altfallregelung setzt unter anderem voraus, dass der Ausländer behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat, § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Dies ist jedoch bei den Klägern der Fall.

Sie weigern sich seit 2001 ohne rechtfertigenden Grund, an der Beschaffung von Passersatzpapieren mitzuwirken, wobei das Verhalten der Klägerin zu 1. zugleich den Klägern zu 2. und 3. als ihren minderjährigen Kindern zuzurechnen ist.

Dieses Verhalten ist ursächlich dafür, dass behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorgenommen werden können. Bezugspunkt der durch das Tatbestandsmerkmal "behindert" geforderten Kausalitätsprüfung ist nicht die Aufenthaltsbeendigung als solche im Sinne einer erfolgreichen Abschiebung, sondern die Durchführung hierauf gerichteter behördlicher Maßnahmen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ("behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung ... behindert"), der insoweit spezifisch abweicht von den Formulierungen vergleichbarer Normen, die jeweils - erfolgsbezogen - darauf abstellen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können (vgl. etwa § 11 Satz 1 BeschVerfV; § 1a Nr. 2 AsylbLG). Eine Behinderung behördlicher Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung liegt demnach nicht erst dann vor, wenn feststeht, dass ohne das betreffende Verhalten der Aufenthalt beendet werden könnte. Es reicht vielmehr aus, dass infolge des von dem Ausländer an den Tag gelegten Verhaltens der in der Regel eine Mehrzahl von Verfahrensschritten umfassende Prozess der Aufenthaltsbeendigung nicht weiter gefördert werden kann.

Enger (Kausalität beziehe sich auf die Unmöglichkeit des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen): OVG NRW, Beschluss vom 18.2.2008 - 18 B 230/08 -, InfAuslR 2008, 211.

Letzteres ist hier der Fall. Durch die anhaltende Weigerung der Klägerin zu 1., das ihr vom Beklagten vorgelegte Formular zur Beantragung von Passersatzpapieren auszufüllen und zu unterzeichnen, hat sie diesen daran gehindert, weitere Schritte zur Aufenthaltsbeendigung zu ergreifen. Insbesondere konnte der Beklagte die Kläger nicht zu einer Vorsprache im iranischen Generalkonsulat auffordern, da eine solche ohne vorheriges Ausfüllen des Antragsformulars nicht zielführend gewesen wäre.

Ende der Entscheidung

Zurück