Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 12.10.2005
Aktenzeichen: 18 B 1526/05
Rechtsgebiete: AufenthG, OBG NRW


Vorschriften:

AufenthG § 3 Abs. 1
AufenthG § 46 Abs. 1
AufenthG § 48 Abs. 3 Satz 1
OBG NRW § 14 Abs. 1
1. Die in § 48 Abs. 3 Satz 1 Altern. 1 AufenthG enthaltene Mitwirkungspflicht erfasst auch die Verpflichtung zur Abgabe von Fingerabdrücken.

2. Es bleibt offen, ob sich für eine hierauf gerichtete Ordnungsverfügung die insoweit erforderliche Ermächtigungsgrundlage aus §§ 46 Abs. 1, 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG oder aus § 14 Abs. 1 OBG NRW ergibt.


Tatbestand:

Die aus dem Libanon stammenden Antragsteller sind nach erfolglosen Asylverfahren vollziehbar ausreisepflichtig. Ihre Abschiebung scheiterte bisher an fehlenden Heimreisedokumenten. Für die Ausstellung eines Passersatzpapieres verlangt die libanesische Botschaft u.a. eine amtliche Ausweiskarte mit dem rechten Daumenabdruck, der von den Antragstellern verweigert wurde. Daraufhin wurden diese vom Antragsgegner mit Ordnungsverfügung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Abgabe eines verwertbaren Abdrucks ihres rechten Daumens verpflichtet. Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und beantragten beim VG erfolglos einstweiligen Rechtsschutz. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des VG war erfolglos.

Gründe:

Auf welche der vom VG in Erwägung gezogenen Ermächtigungsgrundlagen sich die im Streit stehende Ordnungsverfügung, durch die die Antragsteller zur Abgabe von Fingerabdrücken verpflichtet werden, stützen lässt, durfte das VG als offen betrachten. Allerdings kann nicht zweifelhaft sein, die Mitwirkungspflicht der Antragsteller an der Beschaffung von Identitätspapieren und damit auch bezüglich der hier streitigen Handlungspflicht in § 48 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative AufenthG zu sehen. Hierin hat der Gesetzgeber die Pflicht des Ausländers, bei der Beschaffung eines Identitätspapieres mitzuwirken, neu in das Ausländerrecht aufgenommen.

Vgl. BT-Drucks. 15/420, 88.

Die Regelung erfasst zum einen alle erforderlichen Mitwirkungshandlungen und nicht nur die von der 2. Alternative der Vorschrift angesprochenen Urkunden und sonstigen Unterlagen, und zum anderen - entgegen der Ansicht der Antragsteller - mit dem "Identitätspapier" nicht nur den Pass oder Passersatz, sondern darüber hinaus auch sonstige Urkunden und Dokumente unabhängig vom Aussteller, sofern sie - wie hier - zu dem Zweck geeignet sind, die Ausländerbehörde bei der Geltendmachung und Durchsetzung einer Rückführungsmöglichkeit zu unterstützen.

Vgl. dazu auch Tz. 48.3.1 und 48.3.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz.

Soweit diese - abstrakt generell geltende - Vorschrift - zwar eine Mitwirkungspflicht normiert, aber selbst in Verbindung mit § 46 Abs. 1 AufenthG keine Ermächtigung für die Ausländerbehörde enthalten sollte, die Mitwirkungspflicht im Falle einer Nichtbefolgung mittels Verwaltungsakt für den einzelnen Ausländer zu konkretisieren, ergäbe sich diese Befugnis jedenfalls aus der allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG NRW. Da die Ausländerbehörde insoweit in ihrer Eigenschaft als Ordnungsbehörde tätig wird - vgl. § 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Ausländerwesen vom 15.2.2005 (GV. NRW, S. 50) - und bei einer - alternativ unterstellten - fehlenden Ermächtigungsgrundlage im Aufenthaltsgesetz eine Verdrängung der Generalklausel durch speziellere Regelungen nicht ersichtlich wäre, stünde gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 OBG NRW der Rückgriff auf sie offen.

So auch OVG NRW, Beschluss vom 9.2.2004 - 18 B 811/03 -, DÖV 2004, 666 = NVwZ-RR 2004, 689 = EZAR 060 Nr. 12.

Vorstehendes wird mit dem Beschwerdevorbringen nicht in Zweifel gezogen. Die darin ausschließlich und umfangreich dargelegte Rechtsauffassung, dass es im Aufenthaltsgesetz an einer Regelung zur Abnahme von Fingerabdrücken fehle, wie sie in § 14 PolG NRW und § 81 b StPO enthalten sei, betrifft nicht die den Antragstellern in der Ordnungsverfügung auferlegte Verpflichtung zur Abgabe von Fingerabdrücken und ist deshalb vorliegend irrelevant.

Zudem verkennen die Antragsteller, dass es ihre ureigene Angelegenheit ist, sich bei der für sie zuständigen Auslandsvertretung um die Ausstellung eines Ausweispapiers zu bemühen. Der Besitz eines gültigen Passes zählt zu den Obliegenheiten eines Ausländers (vgl. § 3 Abs. 1 AufenthG). Ein ausreisepflichtiger Ausländer - wie die Antragsteller - hat alle zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht erforderlichen Maßnahmen, und damit auch die Beschaffung eines gültigen Passes oder Passersatzpapiers, grundsätzlich ohne besondere Aufforderung durch die Ausländerbehörde unverzüglich einzuleiten. Dabei ist es prinzipiell eine Selbstverständlichkeit, dass der Ausländer im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen - vgl. hierzu nur § 5 Abs. 2 AufenthV iVm § 6 PassG, insbesondere dessen Absatz 3 Satz 3 - die Antragsvoraussetzungen erfüllt, die von der für ihn zuständigen Heimatbehörde aufgestellt werden.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 16.8.2005 - 18 E 1040/05 - und Urteil vom 9.2.1999 - 18 A 5156/96 -, DVBl. 1999, 1222 = AuAS 1999, 159 = EStT NW 1999, 349.

Da einerseits zum einen keine Zweifel am Bestehen einer Rechtsgrundlage für die angefochtene Ordnungsverfügung gegeben sind und zum anderen ein erhebliches öffentliches Interesse an einer baldigen Aufenthaltsbeendigung der von öffentlichen Mitteln lebenden, seit über zehn Jahren vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller besteht, andererseits diese durch die von ihnen geforderte Abgabe eines verwertbaren Abdrucks ihres rechten Daumens eindeutig und offensichtlich allenfalls geringfügig belastet werden, geht die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragsteller aus.

Ende der Entscheidung

Zurück