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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 05.10.2006
Aktenzeichen: 18 B 1767/06
Rechtsgebiete: AufenthG, GG


Vorschriften:

AufenthG § 5 Abs. 2 Satz 2
AufenthG § 6 Abs. 4
GG Art. 6 Abs. 1
Der als Ausnahmeregelung prinzipiell eng auszulegende § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erfordert eine Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Dabei sind die legitimen Interessen des Ausländers gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumsverfahrens abzuwägen.
Tatbestand:

Der libanesische Antragsteller, der nach einem erfolglosen Asylverfahren bereits einmal aus der Bundesrepublik abgeschoben worden war, heiratete im Libanon eine deutsche Staatsangehörige. Sein anschließend gestellter Antrag auf Erteilung eines Visums zum Familienachzug wurde abgelehnt, weil keine auf Dauer angelegte familiäre Lebensgemeinschaft festgestellt werden konnte. In dem sich anschließenden Klageverfahren erhielt der Antragsteller ein auf einen vierzehntägigen Aufenthalt begrenztes Schengenvisum zu dem Zweck, an der mündlichen Verhandlung beim VG teilnehmen zu können. Nach der Einreise in die Bundesrepublik beendete der Antragsteller sein Klageverfahren und beantragte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug. Gegen den ablehnenden Bescheid des Antragsgegners, der den Antragsteller u.a. auf die Einhaltung des Visumsverfahrens verwiesen hatte, erhob dieser Widerspruch und begehrte bei VG erfolglos einstweiligen Rechtsschutz. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Beschwerdebegründung, mit der vornehmlich die Unzumutbarkeit der Nachholung eines Visumsverfahrens unter Hinweis auf die damit verbundenen Kosten und die den Antragsteller bei einer Rückkehr in den Libanon treffenden Kriegsfolgen geltend gemacht wird, vermag die insoweit entscheidungserheblichen Ausführungen des VG zur Ermessensentscheidung des Antragsgegners nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht in Zweifel zu ziehen.

Im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG hat die Ausländerbehörde bezüglich beider dort aufgeführten Sonderfälle im Wege des Ermessens zu beurteilten, ob eine Ausnahme von der Einhaltung der Visumsregeln (vgl. § 4 Abs. 1 und § 6 AufenthG) vertretbar und angemessen ist. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Regelung als Ausnahmebestimmung prinzipiell eng auszulegen ist. Die Durchführung des Visumverfahrens soll nach der amtlichen Begründung des § 5 Abs. 2 AufenthG sowohl bei Vorliegen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als auch in allen anderen Fällen die Regel bleiben soll.

Vgl. BT-Drs. 15/420, S. 70.

Auf diese Weise wird einerseits sichergestellt, dass die Steuerungsmechanismen des Aufenthaltsgesetzes nicht lahmgelegt und die dort vorgesehenen Zugangskontrollen hinsichtlich eines Aufenthalts in der Bundesrepublik nicht unterlaufen werden. Andererseits wird durch die Regelung deutlich, dass die Einhaltung der Visumsregeln kein Selbstzweck sein soll.

Vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 5 AufenthG, Rn. 59.

Erforderlich ist demnach eine Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, bei der zu berücksichtigen ist, dass die Einhaltung des Visumsverfahrens der Regelfall bleiben soll und dass allein die Verpflichtung, zur Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland vor der Einreise ein Visum einzuholen, nicht Art. 6 Abs. 1 GG verletzt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.2.2005 - 18 B 348/05 -.

Dies erfordert, die legitimen Interessen des Ausländers (z.B. wirtschaftliche Interessen, Familieneinheit) gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumsverfahrens abzuwägen.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 29.5.2006 - 19 B 470/06 -.

Dabei ist zu beachten, dass die Nachholung des Visumsverfahrens stets mit allgemein bekannten und deshalb auch vom Gesetzgeber in den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes berücksichtigten Unannehmlichkeiten verbunden ist. Vor allem aber gilt es, dem Eindruck bei anderen Ausländern entgegenzuwirken, man könne durch eine Einreise stets vollendete Tatsachen schaffen. Die Grenze liegt dort, wo das Beharren auf die Einhaltung des Visumsverfahrens objektiv als unangemessen empfunden werden müsste.

Vgl. Zeitler, HTK-AuslR / § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2 04/2006 Nr. 2.

Danach vermag der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht durchzudringen. Es ist nicht geeignet, die die Ermessensentscheidung des Antragsgegners tragende und vom VG in gleicher Weise gewürdigte Begründung als fehlerhaft erscheinen zu lassen, wonach unter den hier gegebenen Umständen, unter denen sich die Einreise des Antragstellers vollzogen hat, dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung des Visumsverfahrens der Vorrang einzuräumen ist. Als maßgeblich ist zu Recht herausgestellt worden, dass der Antragsteller lediglich ein auf vierzehntägigen Aufenthalt begrenztes Schengenvisum zu dem Zweck besaß, an der mündlichen Verhandlung vor dem VG Berlin in seiner auf die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug erhobenen Klage teilzunehmen zu können, und dass nach einer dem Visum beigefügten Anmerkung eine Verlängerung im Inland grundsätzlich ausgeschlossen ist. Erforderlich wäre jedoch nach § 6 Abs. 4 AufenthG ein zum Familiennachzug berechtigendes Visum gewesen. Davon ausgehend ist es unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des vorliegenden Falles sachgerecht, wenn der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Visumsregeln den Vorzug einräumt. Denn das Verhalten des Antragstellers ist darauf gerichtet, mit seiner Einreise "vollendete Tatsachen" zu schaffen. Es erweist sich als treuwidrig und ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht schützenswert.

Ende der Entscheidung

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