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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 06.09.2004
Aktenzeichen: 18 B 2661/03
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Eine posttraumatische Belastungsstörung führt nicht bereits für sich genommen auf ein Abschiebungshindernis i.S.d. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG.
Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das VG hat den auf die Gewährung von Abschiebungsschutz gerichteten Hilfsantrag mit zutreffenden Gründen abgelehnt, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden.

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass seine Erkrankung in seiner Heimat wegen der mangelhaften Leistungsfähigkeit des dortigen Gesundheitssystems nicht hinreichend behandelt werden kann, belegen weder das im Beschwerdeverfahren eingereichte Attest des Dr. I. vom 1.1.2004 noch der Inhalt des zur Glaubhaftmachung schon mangels eigenhändiger Unterschrift des Antragstellers ungeeigneten Lebenslaufs vom 29.12.2003, der überdies wegen der zur Feststellung einer Gesundheitsgefährdung erforderlichen Fachkunde eine ärztliche Bescheinigung nicht ersetzen oder wirksam ergänzen kann, nur annähernd die zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs im Sinne des § 123 VwGO erforderliche Ermessensverdichtung auf Null zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Der Antragsteller verkennt vor allem, dass nicht bereits allein traumatische Erlebnisse in der von ihm in seinem Lebenslauf in anschaulicher und nachvollziehbarer Weise geschilderten Art, die hier nicht bezweifelt werden sollen, oder eine Erkrankung wie eine - von ihm geltend gemachte - posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) für sich genommen auf Abschiebungsschutz führen. Nach der vorgenannten Regelung kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat nur abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer (etwa wegen seiner Erkrankung) eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Damit ist nicht jede Gefahr für die in Abs. 6 Satz 1 abschließend aufgezählten Rechtsgüter ausreichend. So wird bei einer PTBS wie bei allen anderen Gesundheitsstörungen vorausgesetzt, dass sich ein Ausländer grundsätzlich auf den in medizinischer und therapeutischer Hinsicht allgemein üblichen Standard in seinem Heimatland verweisen lassen muss und selbstverständlich auch die Erbringung zumutbarer familiärer Unterstützungsmaßnahmen jedenfalls im Rahmen der im Heimatland hierzu üblichen Gepflogenheiten zu erwarten ist.

Vgl. hierzu nur OVG NRW, Beschluss vom 28.3.2003 - 18 B 35/03 -.

Ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG durch unzureichende Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland wird nach der Rechtsprechung des BVerwG

- vgl. Urteile vom 25.11. 1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524 = DVBl. 1998, 284 = InfAuslR 1998, 189, vom 27.4.1998 - 9 C 13.97 -, InfAuslR 1998, 409 = NVwZ 1998, 973 und vom 29.7.1999 - 9 C 2.99 -, JURIS -

und des erkennenden Gerichts

- vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20.10.2000 - 18 B 1520/00 -, vom 24.10.2000 - 19 B 555/00 -, vom 21.12.2000 - 18 B 1904/00 -, vom 14.11.2001 - 18 B 1367/00 - und vom 24.6.2002 - 18 B 965/02 -

erst dann begründet, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Danach kommt für eine das Ermessen verdichtende und die Ausländerbehörde zur Gewährung von Abschiebungsschutz verpflichtende gravierende Beeinträchtigung nur eine solche PTBS in Betracht, die im Abschiebezielstaat infolge fehlender natürlicher, zeitabhängiger Eigenheilkraft und unzureichender Behandlungsmöglichkeit zu außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen führen wird.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 23.1.2001 - 13 A 5340/00.A -.

Sofern eine derartige Erkrankung - wie hier vorgetragen - erst mehrere Jahre nach den geschilderten Erlebnissen gegenüber der Ausländerbehörde geltend gemacht wird und jahrelang keine ärztliche bzw. psychologische Hilfe beansprucht worden ist, bedarf es zusätzlich einer aussagekräftigen, nachvollziehbaren, im Regelfall durch eine ärztliche/psychologische Bescheinigung zu belegende Darstellung, warum um eine entsprechende Hilfe nicht frühzeitiger nachgesucht wurde und welche beachtenswerte Umstände gerade jetzt den Ausschlag für ihre Inanspruchnahme gaben.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.6.2002 - 18 B 965/02 -.

Dabei gilt es zu beachten, dass nach fachärztlicher Erfahrung eine PTBS regelmäßig innerhalb von sechs Monaten nach dem traumatischen Ereignis eintritt.

Vgl. hierzu die Nachweise bei Middeke, "Posttraumatisierte Flüchtlinge im Asyl- und Abschiebungsprozess", DVBl. 2004,150, 151.

Der Senat hat weder nach dem Vorbringen des darlegungs- und beweispflichtigen Antragstellers in der Beschwerdebegründung noch in Würdigung der eingereichten Atteste hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass bei ihm eine psychische Erkrankung vorliegt, auf die die vorgenannten Voraussetzungen zutreffen könnten und dass die insoweit erfolgte Würdigung durch das VG unrichtig ist. Abgesehen davon, dass in den vorgelegten Attesten sowohl eine substantiierte Beschreibung der traumatisch bedingten Gesundheitsstörung (Befunde/messbare Angaben/Diagnosemethode) als auch Angaben zum spezifischen Therapieplan (Therapieform, Therapiemaßnahmen, zeitlicher Behandlungsrahmen, Medikation)

- vgl. zu diesen Erfordernissen OVG NRW, Beschlüsse vom 24.11.2000 - 18 B 1759/00 - und vom 23.7.2002 - 15 A 590/02.A -; IM NRW, Erlass vom 13.12.2000 - I B 3/44.386-B2/I14-Kosovo; Middeke, a.a.O., 152 ff. -

nahezu vollständig fehlen

- im Wesentlichen wird unter dem 1.1.2004 von Dr. I. nur attestiert, dass "es sich bei dem Patienten eindeutig um ein posttraumatisches Syndrom mit sämtlichen Beschwerden wie Angst, Schlafstörung, Depression, Hoffnungslosigkeit" handelt -

und der Antragsteller sich erst rund sechs Jahre nach den von ihm geschilderten Ereignissen in fachärztliche Behandlung begeben hat, ist es - worauf bereits das VG hingewiesen hat - bei dem behaupteten Krankheitsbild insbesondere nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller im April 2000 unter Inanspruchnahme finanzieller Anreize freiwillig in seine Heimat zurückgekehrt ist und sich dort etwa 1 1/2 Jahre aufgehalten hat. Die hierzu von ihm in seinem "Lebenslauf" abgegebene - im Übrigen unbelegte - Erklärung, zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts für seine Tochter K. sei er zur Ausreise verpflichtet gewesen, ist unerheblich. Dies folgt schon allein daraus, dass für den Antragsteller, der für sich schlimmste Gefahren bei einer Rückkehr in sein Heimatland befürchtet, dort ein derart langer Aufenthalt möglich war und nichts dafür ersichtlich ist, dass sich sein Gesundheitszustand dadurch überhaupt, geschweige denn in dem oben beschriebenen Ausmaß verschlechtert hat.



Ende der Entscheidung

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