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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 18 B 876/04
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 46 Nr. 2
AuslG § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2
Der Ausweisungsgrund des § 46 Nr. 2 AuslG durch Verwirklichung des Straftatbestandes des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ist auch dann erfüllt, wenn ein Ausländer zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung unrichtige Angaben macht, ihm aber aufgrund anderer Umstände eine solche zu erteilen ist.
Tatbestand:

Der aus dem Kosovo stammende Antragsteller führte unter falschem Namen erfolglos ein Asylverfahren und erhielt infolge der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen erstmals am 22.12.2000 eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Deren unbefristete Verlängerung beantragte er am 8.12.2003. Nachdem ihm daraufhin nur eine befristete Verlängerung gewährt worden war, wiederholte er seinen Antrag am 23.1.2004. Wie schon zuvor erklärte er erneut, dass seine eheliche Lebensgemeinschaft fortbestehe. Nunmehr erhielt der Antragsgegner Kenntnis von der Trennung der Eheleute und wies daraufhin den Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen Verwirklichung des Straftatbestandes des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aus, wobei der Trennungszeitpunkt auf den Anfang des Jahres 2002 datiert wurde. Ein nach Erhebung des Widerspruch beim VG gestellter Aussetzungsantrag wurde abgelehnt. Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, sich erst im April 2003 von seiner Ehefrau getrennt zu haben. Damit entfalle der Ausweisungsgrund, weil ihm nach § 19 Abs.1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 AuslG ohnehin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen gewesen wäre. Außerdem lebe er mit seiner Ehefrau wieder zusammen, so dass ihm jedenfalls der besondere Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG zustehe.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das VG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller den Ausweisungsgrund gemäß §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG iVm § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG verwirklicht hat. Der Antragsteller hat den Straftatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllt, indem er zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung unrichtige Angaben beim Antragsgegner machte. Insoweit kann es allerdings offen bleiben, ob die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau allenfalls bis Anfang des Jahres 2002 bestanden hat oder ob sich, wie der Antragsteller behauptet, er und seine Ehefrau erst im April 2003 getrennt haben. Ein Ausweisungsgrund ist in jedem Fall gegeben. Der Antragsteller hat mit seinen Anträgen auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis vom 8.12.2003 und 23.1.2004 wahrheitswidrig den Aufenthaltszweck mit Familien- bzw. Ehegattenzusammenführung angegeben. Dies wird von ihm selbst eingeräumt und ist damit unbestritten. Er hat wiederholt vorgetragen, sich im April 2003 von seiner Ehefrau getrennt zu haben. Dies hat seine Ehefrau schließlich bestätigt, nachdem sie zunächst sogar erklärt hatte, die Trennung sei bereits Anfang 2002 erfolgt.

Entgegen der Annahme des Antragstellers ist es für die Verwirklichung des Straftatbestandes nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG und damit für die Erfüllung eines Ausweisungsgrundes unerheblich, ob die Aufenthaltsgenehmigung aufgrund der unrichtigen Angaben tatsächlich erteilt worden ist oder ob - wie es bei ihm der Fall sei - aus weiteren Gründen ohnehin eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen gewesen wäre. Bei der Vorschrift handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Der Straftatbestand stellt allein auf die tatsächliche Abgabe oder Benutzung unrichtiger Angaben zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung ab, ohne dass es zur Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung infolge der unrichtigen Angaben gekommen sein muss.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.6.1998 - 17 A 266/96 -, NWVBl. 1999, 97 = InfAuslR 1999, 75 = EZAR 017 Nr. 14; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, § 92 AuslG Rn. 56

Die Angaben müssen nicht einmal dazu geeignet sein, dem Ausländer tatsächlich eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ("um ... zu beschaffen"), der eine Eignung nicht voraussetzt, und folgt des Weiteren aus dem Schutzzweck der Norm. Geschützt wird durch sie das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthaltstitels. Jeglicher Rechtsmissbrauch zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung soll bereits im Vorfeld der behördlichen Entscheidung unterbunden werde.

Vgl. BayObLG München, Beschluss vom 15.9.2003 - 4 St RR 112/03 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.1.1998 - 3 Ss 1/98 -, NVwZ-RR 1999, 73; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 11.10.2002 - 8 K 940/02.NW -, InfAuslR 2003, 99; Hailbronner, Ausländerrecht, § 92 Rn. 53 m.w.N.; a. A.: VG Berlin, Urteil vom 24.10.2002 - VG 21 A 499.01 -, InfAuslR 2003, 96; Renner, Ausländerrecht, 7. Auflage, § 92 AuslG Rn. 18; Franke, in: GK-AuslR, § 92 AuslG Rn. 31; offen gelassen: BVerwG, Urteil vom 17.6.1998 - 1 C 27.96 -, InfAuslR 1998, 424.

Wenn es somit für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG unerheblich ist, ob einem Ausländer aus anderen Gründen die beantragte Aufenthaltsgenehmigung zusteht, dann wird der Tatbestand erst recht erfüllt, wenn der Ausländer mit unrichtigen Angaben eine qualifiziertere Art der Aufenthaltsgenehmigung beantragt als er sie beanspruchen kann. So ist es hier. Geltend gemacht worden war vom Antragsteller ein Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, für den zum damaligen Zeitpunkt allein § 25 Abs. 3 Satz 1 AuslG in Betracht kam, der ein Fortbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft voraussetzt. Dem entgegen konnte der Antragsteller angesichts der im April 2003 vollzogenen Trennung von seiner Ehefrau günstigstenfalls - worauf er sich jetzt beruft - die befristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 AuslG erlangen.

Der Antragsteller verfügt entgegen seiner weiter geäußerten Ansicht nicht über einen besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG. Einen solchen hat das VG zu Recht unter Hinweis auf das Fehlen einer familiären Lebensgemeinschaft verneint. Daran änderte sich selbst dann nichts, wenn der Antragsteller sich - wie von ihm vorgetragen - nach seiner Inhaftierung mit seiner Ehefrau ausgesöhnt haben sollte, diese ihn fast täglich besucht und inzwischen seine Ummeldung "zum Wohnort" der Ehefrau vorgenommen worden ist. Angesichts der spätestens im April 2003 erfolgten Trennung der Eheleute handelte es sich insofern allenfalls um die Neubegründung einer familiären Lebensgemeinschaft. Das ist unzureichend. Denn bei einem Inhaftierten - wie dem Ausländer - erfordert der hier in Frage stehende Ausweisungsschutz, dass eine Lebensgemeinschaft (im Sinne von Zusammenleben) bereits vor der Inhaftierung bestanden hat.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 12.2.1991 - 18 B 84/91 -, InfAuslR 1991, 187 = NWVBl. 1991, 275 = EZAR 032 Nr. 2, und vom 9.8.2002 - 18 B 864/01 -.

Ohne dass es, weil mit dem Beschwerdevorbringen nicht angegriffen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), entscheidungserheblich ist, sei vorsorglich ergänzend noch auf Folgendes hingewiesen:

Bei dem Verstoß des Antragstellers handelt es sich nicht um einen unbeachtlichen, nur vereinzelten oder geringfügigen (vgl. § 46 Nr. 2 AuslG). Es besteht ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen über die Einreise und den weiteren Aufenthalt. Will sich ein Ausländer durch Vorspiegelung falscher Tatsachen die Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung erschleichen, kann darin regelmäßig - wie auch hier - kein geringfügiger Verstoß gesehen werden.

Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 10.6.1998 - 17 A 266/96 -, a.a.O.

Dementsprechend sehen die das Ermessen des Antragsgegners bindenden Verwaltungsvorschriften in Fällen der vorliegenden Art vor, dass regelmäßig die privaten Interessen des Ausländers auf Aufrechterhaltung der beruflichen und sozialen Existenz verdrängt werden (vgl. Nr. 46.2.9 AuslG-VwV). Deshalb ist jedenfalls im Ergebnis die vom Antragsgegner in der angefochtenen Verfügung vertretene Auffassung - die im Widerspruchsverfahren ohne weiteres einer Überarbeitung zugänglich ist - unerheblich, dass bei einer Trennung der Eheleute im April 2003 das Aufenthaltsrecht des Antragstellers nicht in Gefahr gewesen wäre.

In diesem Zusammenhang - also im Rahmen der Ermessensentscheidung - erlangt ferner Gewicht, dass der Antragsteller bereits bei seiner Asylantragstellung im Jahre 1994 durch die Angabe falscher Personalien die deutschen Behörden über seine Identität getäuscht und diese Täuschung so lange aufrecht erhalten hat, bis er zur Eheschließung im Oktober 2000 seine wahre Identität selbst meinte aufdecken zu müssen. Dieses Verhalten konnte zwar nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für sich genommen nicht mehr zur Versagung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis führen, weil es insoweit (zunächst) "verbraucht" war. Es erlangte aber durch die weiteren Täuschungshandlungen eine erneute Aktualität und ist deshalb nun wieder verwertbar.

Vgl. zu dem insoweit angesprochenen Vertrauensschutz BVerwG, Urteil vom 16.11.1999 - 1 C 11.99 -, NVwZ-RR 2000, 320, und OVG NRW, Beschluss vom 12.6.2001 - 18 A 4647/99 -, m.w.N.

In gleicher Weise berücksichtigungsfähig ist schließlich noch der Versuch des Antragstellers, sich durch das Verstecken seines Reisepasses einer möglichen Abschiebung zu entziehen und der damit im Zusammenhang stehende weitere Täuschungsversuch gegenüber dem Antragsgegner über den Verbleib des Passes. Das diesbezügliche Verhalten zeigt, dass der Antragsteller - ungeläutert - weiterhin bemüht ist, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet durch unrichtige Angaben zu verlängern.



Ende der Entscheidung

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