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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: 19 A 1221/04
Rechtsgebiete: StAG


Vorschriften:

StAG § 9 Abs. 1 Nr. 1
StAG § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
StAG § 12
StAG § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
1. Verlust im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 12 StAG ist das Erlöschen der bisherigen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes.

2. Ob der Einbürgerungsbewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit mit seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband kraft Gesetzes verliert, richtet sich nach dem Staatsangehörigkeitrecht und der Rechtspraxis seines Heimatstaates.

3. Ukrainische Staatsangehörige verlieren ihre Staatsangehörigkeit nicht kraft Gesetzes im Zeitpunkt ihrer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband, sondern erst dann, wenn der Präsident der Ukraine auf ihren Antrag hin ihre ukrainische Staatsbürgerschaft für beendet erklärt.

4. Für nicht konsularisch registrierte Auslandsukrainer ist es regelmäßig im Sinne der 2. Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG unzumutbar, ihre Entlassung aus der ukrainischen Staatsbürgerschaft zu beantragen.


Tatbestand:

Die Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige und beantragte im Oktober 2001 ihre Einbürgerung. Der Beklagte erteilte ihr unter dem 31.7.2002 eine bis zum 1.8.2004 befristete Einbürgerungszusicherung, um die Entlassung aus der ukrainischen Staatsangehörigkeit betreiben zu können. Die Klägerin machte geltend, seit dem In-Kraft-Treten des ukrainischen Staatsbürgerschaftsgesetzes von 2001 verliere sie kraft Gesetzes die ukrainische Staatsbürgerschaft mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Zum Beleg dafür legte sie ein Gutachten des Instituts für Ostrecht München e. V. (IOR) vom 4.2.2003 vor. Der Beklagte vertrat die Auffassung, die ukrainische Staatsbürgerschaft gehe erst dann verloren, wenn der Präsident der Ukraine den Verlust durch Erlass bestätige. Auf die Untätigkeitsklage der Klägerin verpflichte das VG den Beklagten zur Einbürgerung. Das OVG wies die Berufung des Beklagten zurück.

Gründe:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Dieser Anspruch ergibt sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG, der auf den Einbürgerungsantrag der Klägerin vom 10.10.2001 in seiner vor dem 28.8.2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist, soweit er günstigere Bestimmungen enthält (§ 40 c StAG in der Fassung des Art. 5 Nr. 23 des EU-Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.8.2007, BGBl. I S. 1970, 2007). Dieses Günstigkeitsprinzip wirkt sich im Fall der Klägerin nicht aus. Denn zwischen den Beteiligten ist im Berufungsrechtszug nur noch die Frage im Streit, ob die Klägerin die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG erfüllt, die inhaltlich seit der Antragstellung unverändert geblieben ist (damals § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG). Nach dieser Vorschrift setzt die Einbürgerung voraus, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Die Klägerin verliert ihre ukrainische Staatsbürgerschaft nicht kraft Gesetzes im Zeitpunkt ihrer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband, sondern erst dann, wenn der Präsident der Ukraine auf ihren Antrag hin ihre ukrainische Staatsbürgerschaft für beendet erklärt (A.). Die Stellung eines solchen Antrags ist ihr im Sinne des § 12 Abs. 1 StAG unzumutbar (B.).

A. Die Klägerin verliert ihre ukrainische Staatsbürgerschaft nicht kraft Gesetzes im Zeitpunkt ihrer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

Das StAG differenziert in den §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 12 StAG zwischen der Aufgabe und dem Verlust der bisherigen ausländischen Staatsangehörigkeit des Einbürgerungsbewerbers. Verlust ist das Erlöschen der bisherigen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes, während eine Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit in denjenigen Fällen vorliegt, in denen das Erlöschen der bisherigen Staatsangehörigkeit an eine einseitige Willenserklärung des Einbürgerungsbewerbers oder einen Hoheitsakt des Herkunftsstaates (wie Entlassung, Genehmigung des Verzichts auf die Staatsangehörigkeit oder Erlaubnis zum Staatsangehörigkeitswechsel) geknüpft ist. Ob der Einbürgerungsbewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit mit seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband kraft Gesetzes verliert, richtet sich nach dem Staatsangehörigkeitrecht und der Rechtspraxis seines Heimatstaates.

BVerwG , Urteil vom 27.9.1988 - 1 C 52.87 -, BVerwGE 80, 233, juris, Rdn. 15; OVG NRW, Urteil vom 23.2.1996 - 25 A 2571/94 -, juris, Rdn. 6 f., Beschluss vom 22.9.1995 - 25 A 9/90 -, juris, Rdn. 7; Hailbronner, in: ders./Renner, StAG, 4. Aufl. 2005, § 9, Rdn. 12; Nr. 10.1.1.4 der Vorläufigen Anwendungshinweise (VAH) des Bundesministeriums des Innern zum StAG, Stand 19.10.2007.

Nach den hier einschlägigen ukrainischen Vorschriften bewirkt die Einbürgerung eines ukrainischen Staatsbürgers in den deutschen Staatsverband nicht schon kraft Gesetzes das Erlöschen seiner ukrainischen Staatsbürgerschaft. Diese Rechtswirkung tritt vielmehr erst dann ein, wenn bezüglich des Staatsbürgers der Ukraine eine Eingabe betreffend den Verlust der Staatsbürgerschaft bei der Kommission für Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft beim Präsidenten der Ukraine gemacht wird, diese dem Präsidenten der Ukraine den Verlust vorschlägt und der Präsident die Entscheidung über die Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine trifft (Art. 20, 22, 23 ukrStBG, zitiert nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderabschnitt Ukraine). Dieser Vorgang ist im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG als Aufgabe, nicht als Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit zu qualifizieren.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Klägerin enthält das ukrainische Staatsbürgerschaftsrecht einen Verlusttatbestand im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 12 StAG für den Fall der Einbürgerung in einen fremden Staatsverband insbesondere nicht in Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 ukrStBG. Nach dieser Vorschrift wird die Staatsbürgerschaft der Ukraine verloren, wenn die Person nach Erreichen der Volljährigkeit freiwillig die Staatsbürgerschaft eines anderen Staates erworben hat. Allein die Verwendung des Begriffes "Verlust" in der deutschen Übersetzung dieser Vorschrift zwingt nicht zu der Annahme, dass es sich bei dieser Variante des Erlöschens der ukrainischen Staatsbürgerschaft auch um einen Verlust im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 12 StAG handelt. Auch aus dem IOR-Gutachten vom 4.2.2003 lässt sich dieser Schluss nicht ziehen. Es bezieht seine Feststellung, der Verlust der ukrainischen Staatsbürgerschaft trete kraft Gesetzes ein, ersichtlich nur auf den Verlustbegriff in Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 ukrStBG, der jedoch mit demjenigen der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 12 StAG nicht identisch ist. Jene Vorschrift des ukrainischen Staatsbürgerschaftsrechts bewirkt nicht kraft Gesetzes das Erlöschen der ukrainischen Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde in den deutschen Staatsverband. Nach ihrer Auslegung und Handhabung in der ukrainischen Rechtspraxis tritt diese Rechtswirkung vielmehr erst ein, wenn sowohl der Eingebürgerte als auch die ukrainischen Staatsorgane weitere Rechtshandlungen vorgenommen haben:

Bei Eintritt eines Verlustgrundes nach Art. 19 Abs. 1 ukrStBG bleibt die Rechtsstellung des ukrainischen Staatsbürgers in vollem Umfang bis zu demjenigen Zeitpunkt erhalten, zu dem der Präsident der Ukraine den Verlust durch Erlass bestätigt. Das ergibt sich aus den Art. 20, 22 Nr. 1 ukrStBG, wonach ein Staatsbürger der Ukraine bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Präsidenten über die Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine alle Rechte und Pflichten des Staatsbürgers der Ukraine hat. Art. 20 ukrStBG erfasst nach seinem Wortlaut sowohl den Antrag auf Entlassung nach Art. 18 ukrStBG als auch das Verfahren betreffend den Verlust nach Art. 19 ukrStBG. Nur dieses Verständnis des Verlustes nach Art. 19 ukrStBG entspricht auch dem in Art. 2 Nr. 1 ukrStBG niedergelegten Grundsatz der einheitlichen Staatsbürgerschaft. Danach tritt ein Staatsbürger der Ukraine, der die Staatsbürgerschaft eines anderen Staates erworben hat, in den Rechtsbeziehungen mit der Ukraine ausschließlich als Staatsbürger der Ukraine auf. Aus diesem Grundprinzip des ukrainischen Staatsbürgerschaftsrechts lässt sich für Fälle eines Staatsangehörigkeitswechsels eines Staatsbürgers der Ukraine ableiten, dass der ukrainische Staat für sich und seine Staatsorgane in Anspruch nimmt, über das Ob und den Zeitpunkt des Wechsels in jedem Einzelfall souverän zu entscheiden.

Diesem Grundprinzip entspricht es auch, dass der ukrainische Gesetzgeber lediglich auf der Tatbestandsebene zwischen Entlassung und Verlust unterscheidet, beide Beendigungsgründe im Sinne des Art. 17 ukrStBG aber auf der Rechtsfolgenseite und vor allem auch hinsichtlich des Verfahrensablaufs so weitgehend einander angeglichen hat, dass am Maßstab der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 12 StAG kein rechtserheblicher Unterschied festgestellt werden kann. Für beide Beendigungsgründe sehen Art. 24 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 25 ukrStBG die Befugnis der ukrainischen Auslandsvertretungen vor, die Anträge betreffend die Entlassung und die Eingaben über den Verlust an die Staatsbürgerschaftskommission beim Präsidenten der Ukraine zur Prüfung weiterzuleiten. Ein geringfügiger Unterschied besteht auf dieser Verfahrensstufe nur insoweit, als die Auslandsvertretung nur bei Entlassungsanträgen eine Prüfung von Hinderungsgründen vornimmt und eine eigene Stellungnahme hierzu verfasst (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 ukrStBG), während sie Verlusteingaben lediglich "aufbereitet" (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 ukrStBG). Das weitere Verfahren läuft dann wieder für beide Beendigungsgründe identisch ab: Die Staatsbürgerschaftskommission beim Präsidenten der Ukraine prüft die Anträge sowie die Eingaben und bringt bei dem Präsidenten der Ukraine die Vorschläge betreffend die Befürwortung dieser Anträge und Eingaben ein (Art. 23 Nr. 1 ukrStBG). Der Präsident der Ukraine trifft nach Art. 22 Nr. 1 ukrStBG die Entscheidungen u. a. über "die Beendigung" der Staatsbürgerschaft der Ukraine, also im Sinne der Terminologie des Art. 17 ukrStBG sowohl über die Entlassung nach Art. 18 ukrStBG als auch über den Verlust nach Art. 19 ukrStBG. Ebenfalls für beide Beendigungsgründe identisch geregelt ist die Rückgabe der Ausweisdokumente in Art. 24 Abs. 1 Nr. 7 ukrStBG. Danach entzieht das Innenministerium der Ukraine den betroffenen Personen die Pässe oder die sonstigen Nachweise über die Zugehörigkeit zur Staatsbürgerschaft der Ukraine erst dann, wenn deren Staatsbürgerschaft der Ukraine beendet wurde.

Schließlich hat der ukrainische Gesetzgeber den Zeitpunkt der Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine für die Entlassung nach Art. 18 ukrStBG in Abs. 14 dieser Vorschrift ausdrücklich im vorstehend beschriebenen Sinn geregelt. Danach gilt als Datum der Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine in den durch diesen Artikel vorgesehenen Fällen das Datum des entsprechenden Erlasses des Präsidenten der Ukraine. Aus dem Fehlen einer gleichlautenden Bestimmung für den Verlust nach Art. 19 ukrStBG kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, in diesem Fall sei Beendigungszeitpunkt schon der Eintritt des Verlustgrundes und das anschließende Verlustverfahren lediglich deklaratorischer Natur. Diese Annahme wäre mit dem Grundsatz der einheitlichen Staatsbürgerschaft der Ukraine nach Art. 2 Nr. 1 ukrStBG nicht vereinbar. Ferner vertrüge sie sich nicht mit der dargelegten, ausgeprägt starken Entscheidungskompetenz des Präsidenten der Ukraine bei beiden Arten der Beendigung der ukrainischen Staatsbürgerschaft. Diese beiden Gesichtspunkte sprechen vielmehr dafür, dass der ukrainische Gesetzgeber für den Verlust nach Art. 19 ukrStBG ebenfalls den in Art. 18 Abs. 14 ukrStBG vorgesehenen Beendigungszeitpunkt angenommen hat, ohne dies jedoch ausdrücklich zu regeln. Diese Interpretation entspricht auch der ukrainischen Staatspraxis, wie das ukrainische Außenministerium auf die entsprechende Frage c) des Beweisbeschlusses vom 16.10.2006 bestätigt hat. In seiner Antwortnote vom 25.12.2006 hat es zu dieser Frage ausgeführt, dass als Datum der Beendigung der ukrainischen Staatsbürgerschaft auch in den Fällen des Art. 19 ukrStBG das Datum der Veröffentlichung des entsprechenden Erlasses des Präsidenten der Ukraine gilt.

Mit dieser Auslegung des ukrainischen Staatsbürgerschaftsrechts stimmt auch die Rechtspraxis der ukrainischen Behörden überein. Schon die Ausführungsbestimmungen des Präsidenten der Ukraine vom 27.3.2001 bestätigen die vorstehend festgestellte weitgehende Übereinstimmung im Beendigungsverfahren sowohl für die Entlassung nach Art. 18 ukrStBG als auch über den Verlust nach Art. 19 ukrStBG. Die Nrn. 90 - 99 der Ausführungsbestimmungen regeln das Verfahren, das Ukrainer mit ständigem Wohnsitz im Ausland bei diesen beiden Arten der Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine einzuhalten haben. Sie enthalten keine Bestimmung, die die oben festgestellte weitgehende Übereinstimmung des Verfahrens für beide Arten der Beendigung in Frage stellt.

Unabhängig von allem Vorstehenden kann sich der Senat die notwendige Überzeugungsgewissheit für eine Bejahung der Anspruchsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG jedenfalls deshalb nicht verschaffen, weil dem die ihm vorliegenden Auskünfte und Stellungnahmen ukrainischer Auslandsvertretungen zur Verwaltungspraxis bei Beendigungsverfahren entgegenstehen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts zu § 9 StAG ist für diese Anspruchsvoraussetzung maßgeblich, dass der Einbürgerungsbewerber seine frühere Staatsangehörigkeit tatsächlich verliert und nicht, dass er sie unter Zugrundelegung von Gesetz und Verwaltungspraxis des Herkunftslandes verlieren müsste. Die notwendige Gewissheit können sich die Einbürgerungsbehörden - von den Fällen abgesehen, in denen eine gesicherte und allseits bekannte Praxis des Herkunftsstaates besteht - nur verschaffen, indem sie die diplomatische Vertretung des Heimatstaates um Auskunft ersuchen, die gegebenenfalls ihrerseits die Weisung der vorgesetzten Dienststelle einholen kann. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass der Heimatstaat des Bewerbers diesen nach seiner Einbürgerung nicht weiterhin als seinen Staatsangehörigen in Anspruch nimmt und das Anliegen des Gesetzes, Mehrstaatigkeit aus Gründen der Rechtssicherheit möglichst zu vermeiden, nicht verfehlt wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3.06 -, juris, Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 22.9.1995 - 25 A 9/90 -, a.a.O., Hailbronner, a.a.O., § 9, Rdn. 13.

Nach diesem Maßstab fehlt hier die notwendige Überzeugungsgewissheit, weil alle Stellungnahmen ukrainischer Auslandsvertretungen, die dem Senat vorliegen, ebenfalls die Entscheidung des Präsidenten der Ukraine, nicht aber schon den Eintritt eines Verlustgrundes nach Art. 19 ukrStBG als den rechtserheblichen Auslöser für die Beendigung der ukrainischen Staatsbürgerschaft bezeichnen. So heißt es etwa in dem vom Beklagten des Parallelverfahrens 19 A 626/04 vorgelegten Schreiben der ukrainischen Botschaft in Berlin vom 26.3.2002, es bestehe keine "automatische" Einstellung der Staatsangehörigkeit der Ukraine, der Beschluss bezüglich der Einstellung der Staatsangehörigkeit der Ukraine werde ausschließlich vom Präsidenten der Ukraine gefasst. Bezogen auf den Fall der Einbürgerung eines ukrainischen Ehepaares in den deutschen Staatsverband hat das ukrainische Generalkonsulat in Frankfurt am Main unter dem 29.12.2005 ferner ausgeführt, die ukrainische Gesetzgebung erkenne eine doppelte Staatsangehörigkeit nicht an. Sie stütze sich nach Art. 2 ukrStBG vielmehr auf den Grundsatz der einzigen Staatsbürgerschaft. Das bedeute, dass das Ehepaar bis zu seiner Ausbürgerung in der ukrainischen Staatsbürgerschaft bleibe und die Behörden der Ukraine seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unberücksichtigt ließen.

Angesichts dieser eindeutigen und widerspruchsfreien schriftlichen Äußerungen ukrainischer Auslandsvertretungen vermag die von der Klägerin behauptete gegenteilige mündliche Äußerung des Herrn N. S. dem Senat weder die erforderliche Überzeugungsgewissheit zu vermitteln noch ihn zu weiteren Ermittlungen zu veranlassen. Der Senat folgt insoweit der Würdigung der Gutachterin des IOR, die in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 25.3.2003 im Verfahren 8 K 1932/01 VG Aachen und 19 A 626/04 OVG NRW ausgeführt hat, die Aussage des Herrn S. zum Verlust der ukrainischen Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes besage nichts zum Zeitpunkt oder weiteren Voraussetzungen des Erlöschens der ukrainischen Staatsbürgerschaft. Außerdem seien wegen der Mündlichkeit der Aussage Missverständnisse oder Missinterpretationen nicht auszuschließen. Gegen diese Würdigung, die der Senat zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung auch im vorliegenden Verfahren gemacht hat, hat die Klägerin Einwände nicht erhoben.

B. Kann die Klägerin ihre ukrainische Staatsbürgerschaft hiernach nur durch ein Entlassungsverfahren bei den ukrainischen Behörden aufgeben, so ist ihr dessen Durchführung nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen möglich, weil der ukrainische Staat ihre Entlassung aus der Staatsangehörigkeit von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht (2. Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG). Die ukrainischen Auslandsvertretungen in Frankfurt und Bonn knüpfen die Entgegennahme eines Entlassungsantrags an die konsularische Registrierung der Klägerin als Auslandsukrainerin (Schreiben der Außenstelle Bonn der Botschaft der Ukraine in der Bundesrepublik Deutschland vom 15.2.2000). Diese Registrierung wiederum kann sie, wie die Beweisaufnahme des Senats ergeben hat, weder bei den ukrainischen Auslandsvertretungen noch bei ukrainischen Inlandsbehörden mit zumutbaren Mitteln erreichen.

Zunächst ist es der Klägerin mit zumutbaren Mitteln nicht möglich, ihre Registrierung als Auslandsukrainerin im Bundesgebiet zu erreichen. Maßgeblich ist auch insoweit die tatsächliche Handhabung der Registrierung durch die ukrainischen Auslandsvertretungen, nicht hingegen die abstrakte Gesetzeslage nach ukrainischem Staatsangehörigkeitsrecht und den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen. Rechtslage und Staatspraxis der Ukraine weichen in dieser Hinsicht nach den Feststellungen des Senats in erheblichem Umfang voneinander ab: Nach Nr. 4 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen sind die ukrainischen Auslandsvertretungen für Entlassungsanträge von Auslandsukrainern grundsätzlich zuständig. Sie führen auch das "Abmeldungsverfahren" durch, das zur Registrierung als Auslandsukrainer führt (telefonische Auskunft der Abteilungsleiterin für Staatsangehörigkeitsangelegenheiten des Außenministeriums Frau Q. gegenüber der deutschen Botschaft in Kiew, mitgeteilt mit Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 11.4.2007). In der Praxis hingegen nehmen die ukrainischen Auslandsvertretungen in Deutschland diese rechtlichen Vorgaben nicht einmal zur Kenntnis und behandeln ihre eigenen Staatsbürger im Übrigen so willkürlich und schikanös, dass die Durchführung des "Abmeldungsverfahrens" bei diesen Stellen für den Personenkreis der nicht registrierten Auslandsukrainer als praktisch unmöglich eingestuft werden muss. Diesen Schluss zieht der Senat aus dem Verhalten des ukrainischen Generalkonsulats in Frankfurt/Main gegenüber der Klägerin anlässlich ihrer dortigen Vorsprache auf Veranlassung des Senats am 17.7.2007. Bei dieser Vorsprache hat sie ausdrücklich auf die soeben erwähnte telefonische Auskunft der Abteilungsleiterin für Staatsangehörigkeitsangelegenheiten des Außenministeriums Frau Q. gegenüber der deutschen Botschaft in Kiew Bezug genommen und den Bediensteten des Konsulats die Auskunft des Auswärtigen Amtes vorgelegt, in der die Äußerung von Frau Q. wiedergegeben ist. Unter Bezugnahme auf dieses amtliche Dokument hat sie ausdrücklich erklärt, eine Genehmigung zum ständigen Aufenthalt im Ausland beantragen zu wollen, um von Deutschland aus den Entlassungsantrag aus der ukrainischen Staatsbürgerschaft stellen zu können.

Dieses Begehren der Klägerin hat Vizekonsul N. mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe keine Genehmigung von der zuständigen Behörde der Ukraine erhalten, den ständigen Wohnsitz in Deutschland zu nehmen. Diese Begründung ist am Maßstab rechtsstaatlicher Grundsätze willkürlich. Selbst wenn das Generalkonsulat bis zum Zeitpunkt der Vorsprache der Klägerin entgegen Nr. 4 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen die Rechtsauffassung vertreten haben sollte, dass nur inländische ukrainische Behörden für die Registrierung von Auslandsukrainern zuständig seien, hätten die vorgelegten amtlichen Dokumente dem Vizekonsul bei Anlegung rechtsstaatlicher Maßstäbe zumindest Veranlassung geben müssen, eine Weisung der vorgesetzten Dienststelle, etwa des ukrainischen Außenministeriums in Kiew, zu dieser Rechtsfrage des ukrainischen Rechts einzuholen. Stattdessen hat Vizekonsul N. der Klägerin schriftlich seine Nichtzuständigkeit für die Ausstellung von Pässen an nicht konsularisch erfasste Auslandsukrainer bescheinigt und damit (wie nach den Begleitumständen angenommen werden muss, bewusst) ignoriert, dass die Klägerin eben diese konsularische Erfassung begehrte.

Der Senat hat keinen Anlass, den Wahrheitsgehalt der Schilderungen der Klägerin anzuzweifeln. Denn sie hat sich bei ihrer Vorsprache beim Generalkonsulat von einer ukrainisch sprechenden Zeugin begleiten lassen, ohne dass der Senat sie hierzu aufgefordert hat. Dieses Verhalten lässt den Schluss zu, dass es ihr darauf ankam, dem Senat einen vollständigen und wahrheitsgetreuen Eindruck vom Ablauf ihrer Vorsprache zu vermitteln. Für den Wahrheitsgehalt ihrer Schilderungen sprechen ferner deren Detailreichtum, die vielfache Wiedergabe von Gesprächsinhalten sowie die objektive Bestätigung eines Teils ihrer Angaben durch die namentlich unterzeichnete schriftliche Bescheinigung des Vizekonsuls.

Ebenso wenig hat der Senat Veranlassung anzunehmen, bei der willkürlichen Ablehnung ihres Begehrens handele es sich um einen Einzelfall, dem die Repräsentativität für das Verhalten ukrainischer Auslandsvertretungen in Deutschland oder auch nur für das generelle Verhalten des Generalkonsulats Frankfurt/Main gegenüber nicht registrierten Auslandsukrainern fehle. Vielmehr lässt sich der gegenteilige Schluss aus dem Antwortverhalten des ukrainischen Außenministeriums in Kiew im Rahmen der Beweisaufnahme des Senats ziehen. Dieses hat auf die acht konkreten Fragen aus dem Beweisbeschluss vom 16.10.2006 mit seiner ersten Verbalnote vom 25.12.2006 überhaupt keine auf den Einzelfall der Klägerin bezogene konkrete Antwort gegeben, sondern sich damit begnügt, dem Senat ein allgemein gehaltenes Informationsblatt mit dem Titel "Informationen zur gesetzlichen Regelung des Verlustes der ukr. Staatsangehörigkeit" zu übersenden. Auch auf die Konkretisierungsbitte des Senats vom 20.3.2007 hat es mit Verbalnote vom 21.5.2007 keinen konkreten und praktikablen Weg aufgezeigt, auf dem die Klägerin ihre konsularische Registrierung als Auslandsukrainerin erreichen kann. Es hat vielmehr lediglich mitgeteilt, die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Ukraine nähmen Ausbürgerungsanträge konsularisch nicht registrierter Auslandsukrainer nicht entgegen, und stattdessen auf die Zuständigkeit des Innenministeriums der Ukraine verwiesen, bei deren Hauptverwaltung der Antragsteller seinen Antrag sowie sonstige Unterlagen persönlich einzureichen habe. Diese Mitteilung hilft der Klägerin für die praktische Umsetzung ihres Begehrens nicht weiter, weil sie sich ausdrücklich nur auf "Ausbürgerungsanträge" bezieht, nicht aber auf die hier in Frage stehende konsularische Registrierung als Auslandsukrainer. Sollte sie entgegen ihrem Wortlaut auch oder nur auf diese konsularische Registrierung bezogen sein, stünde sie im Widerspruch zur bereits zitierten Auskunft der Frau Q., die, wie erwähnt, auch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Ukraine in Deutschland für diese konsularische Registrierung für zuständig hält (vorausgesetzt, dass mit dem "Abmeldungsverfahren" eben diese konsularische Registrierung gemeint ist). Auch die deutsche Botschaft in Kiew hat sich in ihrer Auskunft vom 29.11.2006 an Rechtsanwalt D. in diesem Sinn geäußert, dass nämlich der fragliche Personenkreis die "Genehmigung für die ständige Wohnsitznahme in Deutschland" bei der zuständigen Auslandsvertretung der Ukraine in Deutschland beantragen könne.

Angesichts der pauschalen und in entscheidenden Punkten widersprüchlichen Auskünfte des ukrainischen Außenministeriums ist der Klägerin auch eine Rückreise in die Ukraine zum Zweck der Registrierung oder/und Stellung eines Entlassungsantrags aus der ukrainischen Staatsbürgerschaft unzumutbar. Sie muss sich nicht auf ein Entlassungsverfahren im Heimatland verweisen lassen, bei dem ungewiss ist, wie lange es dauern wird und ob die Staatsangehörigkeitsbehörden in der Ukraine es ebenso willkürlich handhaben wie die ukrainischen Auslandsvertretungen in Deutschland. Insbesondere kann die Stellung eines Entlassungsantrags im Heimatland allein schon deswegen unzumutbar sein, weil längere, unter Umständen mehrjährige Verfahrenszeiten zu erwarten sind.

BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3.06 -, BVerwGE 129, 20, juris, Rdn. 22.

Ob auch im Fall der Klägerin allein schon die zu erwartende Verfahrensdauer die Unzumutbarkeit der Stellung eines Entlassungsantrags in der Ukraine begründet, kann offenbleiben. Denn hier ergibt sich die Unzumutbarkeit jedenfalls im Zusammenwirken mit den übrigen genannten Gesichtspunkten. Gleichwohl ist auch in diesem Zusammenhang auffällig, dass das ukrainische Außenministerium die Frage nach der Verfahrensdauer im Beweisbeschluss des Senats vom 16.10.2006 nicht beantwortet hat (letzte Frage zu g)). Mangels Beantwortung dieser Frage kann der Senat hierzu nur auf die Mitteilung der Außenstelle Remagen-Oberwinter der ukrainischen Botschaft in deren Merkblatt aus dem Jahr 1997 zurückgreifen. Danach ist für die Prüfung eines Antrags auf Genehmigung der ständigen Wohnsitznahme im Ausland durch die ukrainischen Inlandsbehörden "mit einer Bearbeitungszeit von etwa einem Jahr zu rechnen" (Blatt 603 - 605 der Beiakte Heft 4 im Parallelverfahren 19 A 626/04). Eine solche Verfahrensdauer hält der Senat im Fall der Klägerin am Maßstab des Art. 6 GG für unzumutbar, weil sie deutschverheiratet ist, für die Antragstellung persönlich in die Ukraine zurückkehren müsste (Verbalnote vom 21.5.2007) und zu befürchten ist, dass sie für diesen Zeitraum dort auch anwesend sein muss.

Nichts Gegenteiliges ergibt sich schließlich aus den Referenzfällen aus der ukrainischen Staatsbürgerschaft entlassener Auslandsukrainer, auf die sich der Beklagte und der Landrat F. im Parallelverfahren 19 A 626/04 berufen haben. Den hierzu vorgelegten Akten kann der Senat nur entnehmen, dass der Präsident der Ukraine die dortigen Einbürgerungsbewerber wenige Monate nach Antragstellung und Vorlage der deutschen Einbürgerungszusicherung bei der zuständigen ukrainischen Auslandsvertretung in Deutschland aus der ukrainischen Staatsbürgerschaft entlassen hat. Aus den Verwaltungsvorgängen dieser erfolgreichen Entlassungsverfahren ergibt sich jedoch nicht, ob diese ukrainischen Einbürgerungsbewerber auch zu dem hier in Rede stehenden Personenkreis der konsularisch nicht registrierten Auslandsukrainer gehört haben.

Ende der Entscheidung

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