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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 19 A 2705/06
Rechtsgebiete: SchulG NRW


Vorschriften:

SchulG NRW § 33
SchulG NRW § 43 Abs. 3
1. Schulische Sexualerziehung gemäß § 33 SchulG NRW und den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen vom 30.9.1999 ist mit höherrangi gem Recht vereinbar.

2. Das Fehlen einer speziellen Befreiungsmöglichkeit in § 33 SchulG NRW schließt den Rückgriff auf § 43 Abs. 3 SchulG NRW für eine Befreiung vom Sexualkundeunterricht nicht aus.


Tatbestand:

An der Schule des Beklagten, die der Kläger zu 1. besucht, fand in der Klassenstufe 6 im Rahmen des Biologieunterrichts eine zehnstündige schulische Sexualerziehung statt. Der Kläger zu 1. nahm hieran nicht teil. Er und seine Eltern begehrten von dem beklagten Schulleiter, den Kläger zu 1. von der Teilnahme an der Unterrichtsreihe zu befreien. Sie beriefen sich auf Glaubens- und Gewissensgründe und die Vorgaben der katholischen Kirche. Sie machte zudem geltend, die rechtlichen Grundlagen für die schulische Sexualerziehung seien verfassungswidrig. Der Schulleiter lehnte die Befreiung ab. Die Klage, mit der die Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Versagung begehrten, blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos.

Gründe:

Als Grundlage eines Anspruchs auf Befreiung des Klägers zu 1. von der Teilnahme an der schulischen Sexualerziehung in der Klasse 6 a ist § 43 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW heranzuziehen. Dem stehen weder § 33 SchulG NRW noch die "Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen" (Heft 5001 in der Schriftenreihe "Schule in NRW" gemäß dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung vom 30.9.1999, ABl. Teil 1 Nr. 11/99 - im Folgenden: Richtlinien für die Sexualerziehung) entgegen, auch wenn dort in Kapitel 2, S. 8, ausgeführt wird, dass "... ein Anspruch auf Befreiung von diesem Unterricht nicht besteht". Die Richtlinien für die Sexualerziehung können einen gesetzlichen Befreiungsanspruch nicht ausschließen. Sie sind lediglich verwaltungsinterne Anweisungen und haben aus sich heraus keine unmittelbare Außenwirkung.

Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat in § 33 SchulG NRW die schulische Sexualerziehung geregelt. Sie erfolgt danach fächerübergreifend. Eine Befreiungsmöglichkeit ist weder ausdrücklich geregelt noch ausdrücklich ausgeschlossen. Zwar kann eine Zustimmung der Eltern oder älterer Schüler zu der schulischen Sexualerziehung mit der Möglichkeit einer Befreiung von ihr jedenfalls dann verfassungsrechtlich nicht verlangt werden, wenn sie fächerübergreifend erfolgt, zumal die Befreiungsmöglichkeit diese Unterrichtsform erheblich erschweren würde.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.12.1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 -, BVerfGE 47, 46 (83), juris, Rn. 88.

Hiermit im Einklang steht, dass § 33 SchulG NRW keine spezielle Befreiungsmöglichkeit vorsieht. Dies schließt es aber nicht aus, auf die allgemeine Regelung einer Befreiung in § 43 Abs. 3 SchulG NRW zurückzugreifen. Denn § 33 SchulG NRW hat für seinen Anwendungsbereich keinen Ausschließlichkeitscharakter. Vielmehr gelten auch hier die übrigen Bestimmungen des Schulgesetzes, insbesondere die Regelungen im 5. Teil zum Schulverhältnis, zu denen § 43 SchulG NRW gehört.

Nach § 43 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW kann die Schulleiterin oder der Schulleiter Schülerinnen und Schüler auf Antrag der Eltern aus wichtigem Grund u. a. von der Teilnahme an einzelnen Unterrichts- oder Schulveranstaltungen befreien. Ob die schulische Sexualerziehung, wenn sie fächerübergreifend erfolgt, immer eine einzelne Unterrichtsveranstaltung im Sinne der Vorschrift, also eine abgrenzbare Unterrichtseinheit darstellt, kann hier offen bleiben. Dafür kann § 33 Abs. 2 SchulG NRW sprechen, wonach die Eltern über Ziel, Inhalt, Methoden und Medien der Sexualerziehung rechtzeitig zu informieren sind; eine solche Information ist grundsätzlich leichter möglich, wenn die Sexualerziehung einen bestimmten Anfang hat und von dem Unterricht in den zugrunde liegenden Fächern abgrenzbar ist. Bei der hier streitgegenständlichen Sexualerziehung handelte es sich jedenfalls um eine einzelne Unterrichtsveranstaltung im Sinne von § 43 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW. Nach dem Informationsschreiben des Biologiefachlehrers war die Sexualerziehung inhaltlich und auch mit 10 Unterrichtsstunden in einem festgelegtem Zeitraum zeitlich begrenzt und damit eine einzelne Unterrichtsveranstaltung im laufenden Fachunterricht. Aus dem Schreiben geht nicht hervor, dass darüber hinaus gleichzeitig oder später noch in anderen Fächern Sexualerziehung erfolgen sollte.

Ein wichtiger Grund im Sinne von § 43 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW für die Befreiung des Klägers zu 1. liegt jedoch nicht vor. Der unbestimmte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes, mit dem eine Ausnahme von der allgemeinen Schulpflicht gerechtfertigt werden soll, ist im Lichte der Grundrechte dahin auszulegen, dass jedenfalls dann ein wichtiger Grund anzunehmen ist, wenn die Durchsetzung der Pflicht zur Teilnahme an einem bestimmten Schulfach oder einer bestimmten schulischen Veranstaltung eine grundrechtlich geschützte Position des Kindes und/oder seiner Eltern unzumutbar verletzen würde.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15.11.1991 - 19 A 2198/91 -, juris, Rn 27, und vom 12.7.1991 - 19 A 1706/90 -, NVwZ 1992, 77, juris Rn 5, zu § 11 Abs. 1 Satz 1 AschO NRW.

Einen die beantragte Befreiung rechtfertigenden wichtigen Grund in diesem Sinne konnten die Kläger weder unter Berufung auf die bezüglich des Entwicklungsstandes vorgetragenen besonderen persönlichen Gründe in der Person des Klägers zu 1. noch auf ihre Grundrechte geltend machen.

Die Kläger berufen sich ohne Erfolg auf den Entwicklungsstand des Klägers zu 1. zu Beginn der Unterrichtsveranstaltung. Es ist nicht erkennbar, dass auf den persönlichen Umstand, dass der Kläger zu 1. seelisch-körperlich noch ganz Kind in der Latenzphase und dem Sexuellen gegenüber fern gewesen sei, in der Sexualerziehung der Klasse 6 a nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben nicht hinreichend Rücksicht genommen worden wäre. Dem steht nicht entgegen, dass der Fachlehrer in seinem Informationsschreiben nicht ausdrücklich, wie von den Klägern gefordert, zusätzlich mitgeteilt hat, dass Rücksicht auf den unterschiedlichen Entwicklungsstand und verschiedene Einstellungen der Schüler zur Sexualität genommen werde. Tatsächlich hat der Fachlehrer auf den damaligen Entwicklungsstand des Klägers zu 1. Rücksicht genommen. Nach den überzeugenden Darlegungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgt am B-Gymnasium die Sexualerziehung generell (frühestens) am Ende des 1. Halbjahres eines Schuljahres. Hintergrund hierfür ist, dass der jeweilige Fachlehrer oder die jeweilige Fachlehrerin die Schülerinnen und Schüler zunächst näher kennen lernen und sich ein Bild von ihrem Entwicklungsstand machen soll. Ist der Fachlehrer oder die Fachlehrerin der Überzeugung, dass ein oder mehrere Schüler oder Schülerinnen einer weitergehenden (individuellen) Förderung zur Vorbereitung auf die Teilnahme an der schulischen Sexualerziehung bedürfen, ziehen die jeweiligen Fachlehrer an der vom Beklagten geleiteten Schule auch eine zeitliche Verschiebung der schulischen Sexualerziehung in Betracht. Diesen Grundsätzen ist auch der den Kläger zu 1. in der Klasse 6 a seinerzeit unterrichtende Biologielehrer gefolgt. Er war nach dem Vortrag des Beklagten der Überzeugung, dass der Entwicklungsstand des Klägers zu 1. einer Teilnahme an der schulischen Sexualerziehung nicht entgegenstand. Konkrete gegenteilige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Allein der pauschale Vortrag, der Kläger zu 1. habe seinerzeit die schulische Sexualerziehung und die gelegentlichen "Liebesspielchen" in seiner Klasse als "blöd" und "ekelhaft" empfunden, lässt keinen Entwicklungsstand erkennen, der einer zumutbaren Teilnahme an der schulischen Sexualerziehung entgegengestanden hätte. Auch der Umstand, dass der Kläger zu 1., was in der Jahrgangsstufe 6 nicht außergewöhnlich ist, sich noch in der Latenzphase befand, gibt für sich gesehen keinen Anspruch auf Befreiung von der Sexualerziehung. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist die Information über biologische Fakten aus dem sexuellen Bereich auch schon zu einem frühen Zeitpunkt wichtig, um beispielsweise sexuellem Missbrauch begegnen zu können.

Auch die von den Klägern angeführten Grundrechte begründen keinen Befreiungsanspruch. Die schulische Sexualerziehung in der Klasse 6 a im Januar 2006, die auf der Grundlage von § 33 SchulG NRW und den Richtlinien für die Sexualerziehung erfolgte, hätte die Grundrechte der Kläger aus Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 GG zwar berührt, aber nicht verletzt.

Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt den Intim- und Sexualbereich des Menschen als Teil seiner Privatsphäre. Sie sichern dem Menschen das Recht zu, seine Einstellung zum Geschlechtlichen selbst zu bestimmen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.12.1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 -, BVerfGE 47, 46, juris, Rn. 77 f.

Diese Rechte kommen auch dem (seinerzeit) elfjährigen Kläger zu. Gerade seine Intimsphäre wird durch die streitgegenständliche schulische Sexualerziehung berührt.

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder als natürliches Recht. Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgte Glaubensfreiheit umfasst den Anspruch nach eigenen Glaubensüberzeugungen leben und handeln zu dürfen. In Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährt Art. 4 Abs. 1 und 2 GG das Recht zur Kindererziehung in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht. Danach ist es Sache der Eltern, ihren Kindern Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln und nicht geteilte Ansichten von ihnen fernzuhalten.

Vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 15.3.2007 - 1 BvR 2780/06 -, DÖV 2007, 653.

Auch diese Grundrechte der Kläger werden durch die streitgegenständliche schulische Sexualerziehung berührt, weil sie aus Sicht der Kläger nicht auf der Grundlage der - von ihnen als für sie bindend erachteten - Aussagen des Dokumentes des Päpstlichen Rates zur menschlichen Sexualität von 1995 erfolgte und ihnen, wie sie glaubhaft geltend machen, Gewissensnöte bereitet hätte.

Die durch die schulische Sexualerziehung in der Klasse 6 a im Januar 2006 berührten Grundrechte wären entgegen der Auffassung der Kläger nicht verletzt worden. Die mit dieser schulischen Sexualerziehung für die Kläger verbundenen Gewissensnöte wären ihnen verfassungsrechtlich zumutbar gewesen, die verfassungsrechtlich gebotenen Grenzen sind eingehalten worden.

Glaubensfreiheit und Erziehungsrecht sind zwar nach der Verfassung vorbehaltlos gewährleistet, doch erfahren sie Einschränkungen, die sich aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemein-schaftswerte von Verfassungsrang. Dazu gehört der dem Staat in Art. 7 Abs. 1 GG erteilte Bildungs- und Erziehungsauftrag in der Schule, welcher in seinem Bereich dem Erziehungsrecht der Eltern gleichgeordnet ist.

BVerfG, Urteil vom 6.12.1972 - 1 BvR 230/70, 1 BvR 95/71 -, BVerfGE 34, 165, juris, Rn. 81, Beschluss vom 15.3.2007 - 1 BvR 2780/06 -, DÖV 2007, 653.

Der Staat darf unabhängig von den Eltern eigene Erziehungsziele verfolgen. Dies gilt ebenfalls für die Erziehung in Fragen der Sexualität. Auch in diesem Bereich ist nicht ein gleichsam natürliches ausschließliches Erziehungsrecht der Eltern anzuerkennen, wenn auch der Bereich der Sexualität eine größere Nähe zum elterlichen Bereich als zum schulischen Bereich besitzt. Die Relevanz der Sexualität und der sexuellen Aufklärung sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft begründen ein berechtigtes Interesse an einer die elterliche Erziehung (lediglich) ergänzenden Behandlung des Themas im schulischen Unterricht. Kenntnis und Verständnis der menschlichen Sexualität können als Voraussetzung für ein verantwortungsbewusstes Verhalten sich selbst, dem Partner, der Familie und der Gesellschaft gegenüber angesehen werden.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.12.1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 -, BVerfGE 47, 46, juris, Rn. 64, 74 f.

Dabei muss der Staat aber Neutralität und Toleranz gegenüber den erzieherischen Vorstellungen der Eltern aufbringen und in der Schule die Verantwortung der Eltern für den Gesamtplan der Erziehung achten. Der Staat darf keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben. Die Eltern können die gebotene Zurückhaltung und Toleranz bei der Durchführung der schulischen Sexualerziehung verlangen. Die Schule muss den Versuch einer Indoktrinierung der Schüler mit dem Ziel unterlassen, ein bestimmtes Sexualverhalten zu befürworten oder abzulehnen. Sie hat das natürliche Schamgefühl der Kinder zu achten und muss allgemein Rücksicht nehmen auf die religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern, soweit sie sich auf dem Gebiet der Sexualität auswirken.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21.12.1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 -, juris, Rn. 81, 87, vom 31.5.2006 - 2 BvR 1693/04 -, juris, Rn. 10, und vom 15.3.2007 - 1 BvR 2780/06 -, DÖV 2007, 653 (654).

Diese verfassungsrechtlich gebotenen Schranken und Grundsätze sind in den für die schulische Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen maßgeblichen Vorschriften, insbesondere § 33 SchulG NRW und den Richtlinien für die Sexualerziehung, umgesetzt worden. Dies rechtlichen Vorgaben boten entgegen der Auffassung der Kläger eine verfassungsmäßige Grundlage für im Streit stehende schulischen Sexualerziehung in der Klasse 6 a im Januar 2006.

Zunächst entspricht § 33 SchulG NRW den Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt, wonach der Gesetzgeber verpflichtet ist, die wesentlichen Entscheidungen im Schulwesen selbst zu treffen und nicht der Schulverwaltung zu überlassen. Dazu gehören jedenfalls die Festlegung der Erziehungsziele in den Grundzügen ("Groblernziele"), die Frage, ob Sexualerziehung als fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip oder als besonderes Unterrichtsfach mit etwaigen Wahl- oder Befreiungsmöglichkeiten durchgeführt werden soll, das Gebot der Zurückhaltung und Toleranz sowie der Offenheit für die vielfachen im sexuellen Bereich möglichen Wertungen und das Verbot der Indoktrinierung der Schüler, ferner die Pflicht, die Eltern zu informieren. Festlegungen müssen der pädagogischen Freiheit genügend Raum und dem Lehrer im Unterricht noch den Spielraum lassen, den er braucht, um seiner pädagogischen Verantwortung gerecht werden zu können. "Feinlernziele" sowie Einzelheiten der Lehr- und Lernmethoden können dementsprechend grundsätzlich nicht der gesetzlichen Regelung vorbehalten sein, zumal solche Einzelheiten kaum normierbar sein werden und die Unterrichtsgestaltung für situationsbedingte Anpassungen offen bleiben muss. Die nähere Festlegung der "Feinlernziele", die Bestimmung der Lehrpläne und Stoffpläne zur Konkretisierung der in den Grundzügen durch Gesetz und ergänzend gegebenenfalls durch Rechtsverordnung festgelegten Erziehungsziele und die Einzelheiten der Unterrichtsmethoden können vielmehr bei entsprechender gesetzlicher Ermächtigung durch Verwaltungsvorschriften (Richtlinien) der Schulbehörde geregelt werden.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.12.1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 -, juris, Rn. 90, 99; BVerwG, Urteil vom 22.3.1979 - VII C 8.73 -, BVerwGE 57, 360, juris, Rn. 28.

Der Landesgesetzgeber hat im Einklang mit diesen Grundsätzen die notwendige und hinreichende parlamentarische Leitentscheidung für die schulische Sexualerziehung getroffen, wobei die diesbezüglich von den Klägern aufgeworfenen Fragen nach der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen im Einzelnen nicht den Gesetzesvorbehalt, sondern die materiellrechtliche Verfassungsmäßigkeit betrifft. In § 33 SchulG NRW hat der Landesgesetzgeber geregelt, dass die Sexualerziehung fächerübergreifend erfolgt (Abs. 1 Satz 1), und die Groblernziele (Abs. 1 Sätze 2 bis 5) festgelegt. Die Pflicht zur Information der Eltern ist in § 33 Abs. 2 SchulG NRW geregelt. Das Gebot der Zurückhaltung und Toleranz sowie der Offenheit für Wertungen sowie das Verbot der Indoktrinierung finden sich zwar nicht ausdrücklich im Wortlaut des § 33 SchulG NRW wieder. Sie lassen sich aber in einer dem Gesetzesvorbehalt genügenden Weise bereits dieser Vorschrift entnehmen. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 sollen die Schüler "alters- und entwicklungsgemäß" mit Fragen der Sexualität vertraut gemacht werden, in denen sie nach Satz 3 "eigene Wertvorstellungen" entwickeln sollen; sie sollen zu einem "selbstbestimmten" Umgang mit der eigenen Sexualität befähigt werden. Zudem bestimmt § 2 Abs. 6 Satz 1 SchulG NRW ausdrücklich, dass die Schule Offenheit und Toleranz gegenüber den unterschiedlichen religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen und Wertvorstellungen wahrt. Die in § 33 Abs. 1 SchulG NRW erfolgten Festlegungen lassen genügend Raum für die pädagogische Umsetzung im Unterricht. Die Feinlernziele und Einzelheiten der Inhalte der Sexualerziehung und die Gestaltung der Lernprozesse sind in den Richtlinien für die Sexualerziehung vom 30.9.1999 geregelt, die gemäß § 1 Schulverwaltungsgesetz (SchVG) festgesetzt wurden und gemäß § 131 Abs. 2 SchulG NRW weiter Anwendung finden.

§ 33 SchulG NRW ist auch materiell verfassungsmäßig.

Die Vorschrift des § 33 SchulG NRW achtet und enthält die vom BVerfG aufgezeigten verfassungsrechtlichen Grenzen. Zwar sind diese Vorgaben des BVerfG nicht sämtlich wortwörtlich in § 33 SchulG NRW aufgenommen worden. Jedoch lassen sie sich dem Wortlaut der Vorschrift und auch der Systematik des Gesetzes entnehmen.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW sollen die Schülerinnen und Schüler "alters- und entwicklungsgemäß" mit Fragen der Sexualität vertraut gemacht werden. Eine solche "alters- und entwicklungsgemäße" schulische Sexualerziehung beinhaltet, dass das natürliche Schamgefühl der Kinder geachtet wird. Das Verbot der Indoktrination wie das Gebot der Zurückhaltung und Toleranz gegenüber den elterlichen Wertvorstellungen findet sich mehrfach in § 33 Abs. 1 SchulG NRW wieder: Nach Satz 2 sollen die Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen, nämlich biologischen und soziokulturellen, Fragen von Sexualität vertraut gemacht werden. Dabei wird kein Aspekt vorrangig oder nach einer bestimmten Ausrichtung behandelt. Vielmehr soll die schulische Sexualerziehung ihnen helfen, ihr Leben "in freier Entscheidung" zu gestalten (Satz 2) und sie unterstützen, in Fragen der Sexualität "eigene Wertvorstellungen" zu entwickeln und sie zu einem "selbstbestimmten" Umgang mit der eigenen Sexualität zu befähigen (Satz 3). Hier wird deutlich, dass im Sinne des Gebotes der Toleranz und Neutralität der Landesgesetzgeber gerade keine bestimmte politische, ideologische oder weltanschauliche Richtung für den Unterricht vorgibt. Andernfalls ließen sich diese genannten Ziele wie auch die in § 2 Abs. 5 SchulG NRW normierten Lernziele, selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln (Nr. 1) und die eigene Meinung zu vertreten (Nr. 3), nicht verwirklichen.

Dies gilt, entgegen der Auffassung der Kläger, auch für die Bestimmung in § 33 Abs. 1 Satz 5 SchulG NRW: "Die Sexualerziehung dient der Förderung der Akzeptanz unter allen Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Identität und den damit verbundenen Beziehungen und Lebensweisen". Zwar mögen die Begriffe "Akzeptanz" und "Toleranz" nach ihrer Wortbedeutung auf der Grundlage ihres lateinischen Ursprungs nicht deckungsgleich sein und unter Akzeptanz eine Annahme zumindest im Sinne einer Billigung, hingegen Toleranz als Duldung oder Hinnahme zu verstehen sein. Daraus folgt aber nicht, dass mit dem genannten Ziel der Förderung der Akzeptanz anstelle von Toleranz das verfassungsrechtliche Gebot der Toleranz gleichsam in ihr Gegenteil verkehrt wäre. Auch kann aus Satz 5 entgegen der Annahme der Kläger nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber wolle in § 33 SchulG NRW als Lernziel vorgeben, es sei jegliches Sexualverhalten, insbesondere auch Sadomasochismus, Sodomie, Fetischismus, Pädophilie von den Schülern bejahend anzunehmen. Diesen Schlussfolgerungen steht bereits der Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 5 SchulG NRW entgegen. Danach sollen die Menschen einander akzeptieren unabhängig von der jeweiligen sexuellen Orientierung und Lebensweise, die sie bei ihrem Gegenüber ggf. gerade nicht billigen. Akzeptanz unter Menschen impliziert aus sich keine Bewertung unterschiedlicher sexueller Ausrichtungen als grundsätzlich gleichwertig. Eine Bewertung als gleichermaßen wertvoll gibt die Vorschrift nicht her. Zudem folgt aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, dass hier auch kein rechtswidriges oder strafrechtlich relevantes Sexualverhalten als von den Schülern zu bejahendes Sexualverhalten als Lernziel vorgegeben wird. Auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 3 GG ist es nicht zu beanstanden, wenn hier von Akzeptanz und nicht (allein) von Toleranz unter den Menschen gesprochen wird. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, darf und muss die Schule sich in Ausübung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages im Rahmen der geltenden Rechtsordnung halten und auch deren Wertung unter Beachtung der aufgezeigten Grenzen vermitteln. Dies geht auch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW hervor, wonach die Schule junge Menschen auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Landesverfassung unterrichtet und erzieht.

Des Weiteren ergibt sich auch aus der Systematik und dem Kontext des Schulgesetzes, in den § 33 SchulG NRW eingebettet ist, dass die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Grenzen bei der schulischen Sexualerziehung beachtet werden. § 2 SchulG NRW ("Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule"): enthält nämlich entsprechende ausdrückliche Regelungen: in Abs. 3 Satz 1 "Die Schule achtet das Erziehungsrecht der Eltern.", Abs. 5 Nr. 4: " Die Schülerinnen und Schüler sollen insbesondere lernen, in religiösen und weltanschaulichen Fragen persönliche Entscheidungen zu treffen und Verständnis und Toleranz gegenüber den Entscheidungen anderer zu entwickeln.", Abs. 6 Satz 1: "Die Schule wahrt Offenheit und Toleranz gegenüber den unterschiedlichen religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen und Wertvorstellungen." Diese Regelungen sind als vorangestellte allgemeine Vorschriften bei den nachfolgenden Vorschriften des Schulgesetzes und damit auch bei den Vorschriften über Unterrichtsinhalte wie der schulischen Sexualerziehung von der Schule zu beachten.

§ 33 SchulG NRW verstößt auch nicht gegen den besonderen Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG, indem er in Abs. 1 Satz 4 bestimmt: "Darüber hinaus sollen Schülerinnen und Schüler ... auf ihre gleichberechtigte Rolle in Ehe, Familie und anderen Partnerschaften vorbereitet werden." Hiernach wird auf eine Gleichberechtigung der Partner innerhalb der jeweiligen Partnerschaft abgestellt. Dies steht, soweit es die Partnerschaft zwischen Mann und Frau betrifft, im Einklang mit dem dem Staat aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gestellten Auftrag, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frau und Mann zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Soweit es um die Erstreckung auf andere Partnerschaften geht, verstößt dies entgegen der Auffassung der Kläger nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Diese Norm gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung. Um dem Schutzauftrag Genüge zu tun, ist es insbesondere Aufgabe des Staates, einerseits alles zu unterlassen, was die Ehe schädigt oder sonst beeinträchtigt, und sie andererseits durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Art. 6 Abs. 1 GG verbietet es, die Ehe insgesamt gegenüber anderen Lebensformen schlechter zu stellen. Er verwehrt dem Gesetzgeber aber nicht, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Aus der Zulässigkeit, in Erfüllung und Ausgestaltung des Förderauftrags die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich jedoch kein in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenes Gebot herleiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen.

BVerfG, Urteil vom 17.2.2002 - 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01 -, NJW 2002, 2543, (2548), juris, Rn. 90, 92, 98, m. w. N.

Indem nach § 33 Abs. 1 Satz 4 SchulG NRW die Schülerinnen und Schüler auf ihre Rolle in Ehe, Familie und anderen Partnerschaften vorbereitet werden sollen, wird durch die Gleichstellung anderer Partnerschaften mit der Ehe der rechtliche Schutz und die Förderung der Ehe und Familie in keiner Weise verringert oder verkürzt. Der der Ehe zukommende Wert wie auch ihre Förderung werden nicht dadurch geschmälert, dass auch andere Partnerschaften als mögliche und der Ehe nicht nachstehende Lebensformen im Rahmen der schulischen Sexualerziehung behandelt werden. Vielmehr wird damit den tatsächlichen Gegebenheiten in der Gesellschaft, in der zunehmend Partnerschaften nicht allein in Form der Ehe gelebt werden und Kinder in unterschiedlichen, nicht allein durch die Ehe geprägten Familienkonstellationen aufwachsen, Rechnung getragen. Dies ist nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Dessen besonderer Schutz der Ehe gebietet es auch im Rahmen der schulischen Sexualerziehung nicht, die Ehe als alleinige oder als gegenüber anderen Lebensformen zu bevorzugende Lebensform darzustellen, was zudem im Hinblick auf das Gebot zur Toleranz gegenüber anderen Wertvorstellungen problematisch wäre.

Die Richtlinien für die Sexualerziehung und die darauf beruhende konkrete Unterrichtsgestaltung im Schuljahr 2005/2006 sind ebenfalls verfassungsmäßig und stehen in Einklang mit den Vorgaben des BVerfG, wie das VG in seinem Urteil zutreffend ausgeführt hat. Die Richtlinien befassen sich im Einzelnen mit den Aufgaben, Zielen und Inhalten der schulischen Sexualerziehung, mit der Gestaltung von Lernprozessen, der Rolle der Lehrerinnen und Lehrer und dem Einsatz von Medien in der Sexualerziehung.

Die Richtlinien für die Sexualerziehung beachten das Gebot der Toleranz und Rücksichtnahme auf die religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern in ausreichendem Maße. Hierzu wird ausdrücklich in den Richtlinien ausgeführt, Grundlage der Sexualerziehung seien "Toleranz und Achtung vor den Überzeugungen und Lebensweisen der anderen" (Kap. 1, S. 7), "Dem Sexualverhalten anderer sollen auch dann Respekt und Toleranz entgegengebracht werden, wenn sich dieses vom eigenen und gewohnten Sexualverhalten unterscheidet." (Kap. 1, S. 8), "Lehrerinnen und Lehrer sind zur besonderen Toleranz und Rücksicht gegenüber den unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen und verschiedenen Wertvorstellungen der Eltern zu Fragen menschlicher Sexualität verpflichtet." (Kap. 2, S. 8), "Respekt, Achtung des Schamgefühls und das Toleranzgebot gegenüber Kindern und Jugendlichen gebieten es, besonders einfühlsam über die Werte und Normen hinsichtlich der Sexualität und des Sexualverhaltens in unserer Gesellschaft zu informieren und sie im Unterricht zu berücksichtigen." (Kap. 3, S. 10). Auch ihr Gesamtbild ergibt, dass die Richtlinien für die Sexualerziehung den Respekt und die Offenheit für verschiedene Wertvorstellungen der Eltern aufweisen.

Dem entspricht entgegen der Auffassung der Kläger auch, dass die Richtlinien für die Sexualerziehung sich nicht eingehend mit Selbstbeherrschung, Enthaltsamkeit und Keuschheit befassen, sondern im Rahmen der Behandlung des Themas Geschlechtsverkehr ausführen: "Ziel der Auseinandersetzung mit dem Thema ist es, selbstbestimmtes und verantwortungsbewusstes Handeln bei Kindern und Jugendlichen anzubahnen. Dazu gehören die freie Entscheidung der Partnerin und des Partners, verantwortlicher Umgang mit potentieller Elternschaft, Schutz vor Krankheiten, aber auch die mögliche Entscheidung für Verzicht und Enthaltsamkeit." (Kap. 5.5, S. 14). Die Richtlinien sind hier offen. Sie nehmen keine Bewertung der Entscheidung für oder gegen Verzicht und Enthaltsamkeit vor. Sie befürworten nicht den vorehelichen Geschlechtsverkehr und nicht den Geschlechtsverkehr im Jugendalter. Die Richtlinien befürworten auf der anderen Seite aber auch die Entscheidung für Enthaltsamkeit und Keuschheit nicht. Auch dies würde zu einer Verletzung des Verbotes einer Indoktrinierung mit dem Ziel, ein bestimmtes Sexualverhalten zu befürworten oder abzulehnen, sowie des Gebotes zur Offenheit anderen Lebensentwürfen gegenüber führen. Dies gilt auch dann, wenn, entsprechend dem Hinweis der Kläger, die Befürwortung von Enthaltsamkeit mit dem Ziel eines Schutzes vor Krankheiten wie AIDS erfolgen würde. Es erfolgt aber auch keine Abwertung der Entscheidung für Verzicht und Enthaltsamkeit dadurch, dass sie in den Richtlinien nur einmal genannt und nicht eingehender behandelt wird. Entgegen der Annahme der Kläger enthalten die Richtlinien keine befürwortenden Hinweise zum Ausleben der Sexualität, darauf liegt auch kein inhaltliches Schwergewicht. Sie enthalten vielmehr Ausführungen zu verschiedensten Aspekten von Sexualität, wie u. a. emotionale, biologische, medizinische Aspekte, und damit verbundenen Problemen wie z. B. Identitätsfindung (Kap. 5.4), ungewollter Schwangerschaft oder Kinderlosigkeit (Kap. 5.7) und sexuell übertragbarer Krankheiten (Kap. 5.9). Erkennbares Ziel ist die Information und Aufklärung der Schülerinnen und Schüler, nicht aber ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu empfehlen oder vorzugeben. So sind die Richtlinien offen für den Lebensentwurf der Kläger, mit Selbstbeherrschung in Keuschheit zu leben, wie auch für andere Lebensentwürfe. Die Vielfalt der genannten Aspekte zurücktreten zu lassen und den von den Klägern vertretenen, religiös begründeten Standpunkt maßgeblich in den Vordergrund zu rücken, ist nicht aufgrund der von ihnen in Anspruch genommenen Grundrechte geboten. Dies widerspräche im Übrigen nicht nur der staatlichen Pflicht zur Neutralität, sondern auch dem staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag und seinem Ziel, die Selbstständigkeit der Entscheidungen und Handlungen der Schülerinnen und Schüler zu fördern (§ 2 Abs. 4 Satz 2 SchulG NRW).

Die Richtlinien für die Sexualerziehung verstoßen entgegen der Auffassung der Kläger nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG mit der Aussage: "In der Sexualwissenschaft besteht Konsens darüber, dass sich menschliche Sexualität auf vielfältige Weise ausdrücken kann. Demnach sind Hetero-, Bi-, Homo- und Transsexualität Ausdrucksformen von Sexualität, die, ohne Unterschiede im Wert, zur Persönlichkeit des betreffenden Menschen gehören." (Kap. 5.4). Hierdurch werden der Heterosexualität die genannten anderen Ausdrucksformen von Sexualität nicht als gleichwertig zur Seite gestellt. Eine Bewertung der genannten sexuellen Ausdrucksformen erfolgt nicht. Dem staatlichen Erziehungsauftrag ist ein bestimmtes Leitbild im Hinblick auf die genannten Ausdrucksformen der Sexualität, das in der schulischen Sexualerziehung zu beachten wäre, nicht vorgegeben. Maßstab für den staatlichen Erziehungsauftrag sind vielmehr die Gebote der Neutralität und Toleranz. Der Passus "ohne Unterschiede im Wert" bezieht sich demgemäß nicht abstrakt auf die genannten unterschiedlichen Ausdrucksformen der Sexualität, sondern auf die Behandlung der Persönlichkeit von Individuen. Insofern trägt er deren Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und deren Würde Rechnung. Dadurch wird der Schutz von Ehe und Familie und die ihnen zukommende Förderung nicht verringert. Wie dargelegt, gebietet es Art. 6 Abs. 1 GG nicht, andere Lebensformen zu benachteiligen. Vielmehr ist die "ohne Unterschiede im Wert" erfolgende Unterrichtung über die genannten verschiedenen sexuellen Ausdrucksformen als Teil der menschlichen Persönlichkeit verfassungskonform und entspricht, wie das VG zu Recht ausgeführt hat, den von der Rechtsordnung, insbesondere von Art. 3 Abs. 3 GG vorgegebenen Wertungen. Wie auch die in den Richtlinien der zitierten Aussage folgenden Ausführungen zu der Förderung gegenseitiger Akzeptanz unter allen Menschen zeigen, geht es nicht darum, einen Unterschied zwischen Hetero- und Homosexualität zu verneinen, sondern daraus im Sinne der Toleranz keine unterschiedliche Einschätzung und Bewertung einzelner Menschen abzuleiten.

Die Richtlinien für die Sexualerziehung nehmen auch auf Alter und Entwicklungsstand der Kinder und Jugendlichen Rücksicht. Sie geben dies der Schule vor und lassen ihr zugleich den notwendigen Freiraum für die Umsetzung im Unterricht. Die Richtlinien sehen vor, dass die schulische Sexualerziehung mit einer elementaren Erziehung in der Primarstufe beginnt, aufbauend hierauf ihren Schwerpunkt in der Sekundarstufe I hat und eine Vertiefung der dort behandelten Themen in der Sekundarstufe II erfolgt (Kap. 7). Sie weisen die Schulen an, die Empfehlungen für die Gestaltung der Lernprozesse (Kap. 3) alters-, entwicklungs- und ggf. behindertenspezifisch sowie schulformbezogen in der einzelnen Schule auszuformen (Kap. 7). In Kapitel 3 wird ausdrücklich bestimmt, dass "die Bedürfnisse einzelner Kinder und Gruppen ihrem Alter und ihrem Entwicklungsstand entsprechend beachtet werden". Sie stellen die Möglichkeit einer inneren und äußeren Differenzierung des Lernangebotes dar, um u. a. unterschiedlichen individuellen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Die Unterscheidung nach Altersstufen und die vorgegebene Rücksichtnahme auf den Entwicklungsstand in den Richtlinien sind hinreichend. Für die Umsetzung im Unterricht und die Möglichkeit, situationsangemessen zu reagieren, muss der Schule und den unterrichtenden Lehrkräften Spielraum verbleiben. Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine inhaltliche Differenzierung in den Richtlinien für die Sexualerziehung nach der jeweiligen Schulform nicht erforderlich. Denn die körperlichen und seelischen Entwicklungen der Kinder und Jugendlichen sind unabhängig von der Schulform, die sie besuchen, so dass die Inhalte sie gleichermaßen betreffen. Nur in der Vermittlung der Inhalte kann eine Differenzierung angezeigt sein, was die Richtlinien mit der Vorgabe von schulformbezogenen schuleigenen Arbeitsplänen berücksichtigen.

Der gebotenen Rücksichtnahme auf den Entwicklungsstand der Kinder steht nicht entgegen, das situative Lernen, wie nach den Richtlinien für die Sexualerziehung vorgesehen, zu nutzen. Es ist danach "anzustreben, dass die schulische Sexualerziehung von Lebenssituationen der Kinder und Jugendlichen ausgeht, an deren Fragen anknüpft oder sich an konkreten Erlebnissen und aktuellen Situationen orientiert." (Kap. 3, S. 9). Gerade dieser - originär pädagogische - Ansatz ermöglicht, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, insbesondere durch Medien veranlasste problematischen Vorstellungen über Sexualität entgegenzuwirken. Die Vorgaben der Richtlinien zu einer behutsamen Aufarbeitung im Unterricht, der Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse einzelner Kinder entsprechend ihrem Alter und Entwicklungsstand, die für besonders wichtig erachtet werden, und zu Differenzierungen des Lernangebotes zielen gerade darauf ab, dass sich der "Sexualität noch fernstehende" Kinder nicht, wie die Kläger befürchten, von solchen Inhalten "überwältigen" lassen müssen und sie hierdurch "frühsexualisiert" werden. Im Übrigen kann die behutsame Behandlung solcher Inhalte unter Rücksichtnahme auf den Entwicklungsstand der Kinder, die sich, wie seinerzeit der Kläger zu 1., noch in der Latenzphase befinden, ihnen helfen, Eindrücke und Informationen, die sie gerade außerhalb der schulischen Sexualerziehung von ihrer Umwelt, sei es durch Mitschüler oder Medien wie Filmen, Werbeplakaten u. ä., erhalten, einzuordnen und zu verarbeiten.

Den Richtlinien für die Sexualerziehung zufolge ist zudem das natürliche Schamgefühl der Kinder und Jugendlichen zu achten. Darauf wird in Kapitel 3 ausdrücklich hingewiesen. Dem steht nicht, wie die Kläger annehmen, entgegen, dass durch die schulische Sexualerziehung junge Menschen unterstützt werden sollen, "ihre kommunikative Kompetenz in Fragen der Sexualität auszuprägen" (Kap. 1, S. 8). Allein dadurch, dass ein Kind in seinem Bestreben und nicht gegen seinen Willen unterstützt wird, sich zu Themen der Sexualität mitzuteilen und auszudrücken, wird nicht gezielt seine natürliche Schamhaftigkeit abgebaut. Vielmehr kann die Erweiterung seiner kommunikativen Kompetenz dem Kind hier helfen, Fragen, Unsicherheiten und Gefühlen, auch Schamgefühlen, Ausdruck zu verleihen und ihm die Auseinandersetzung mit den Inhalten der Sexualerziehungen wie auch diesbezüglichen Wertvorstellungen anderer zu erleichtern. Die Richtlinien zielen auch darauf ab, dass im Unterricht ein Kommunikationsklima geschaffen wird, in dem dies möglich ist. Es soll über den Sprachgebrauch reflektiert und damit dazu beigetragen werden, "das möglicherweise vorhandene Provozierende und Aggressive in der Sprache von Kindern und Jugendlichen aufzudecken und dieses zu überwinden" (Kap. 4, S. 10). Der Achtung des natürlichen Schamgefühls steht auch nicht die Aussage in den Richtlinien für die Sexualerziehung entgegen, es sei "dringend geboten, neben den medizinisch-biologischen Fakten der Kontrazeption auch ihre Vor- und Nachteile für Jugendliche zu besprechen und die emotionalen Hemmschwellen abzubauen" (Kap. 5.6). Auch hierfür gilt die Vorgabe der Richtlinien, dass Respekt, Achtung des Schamgefühls und das Toleranzgebot es gebieten, besonders einfühlsam zu informieren (vgl. Kap. 3). Die Schülerinnen und Schüler insofern uninformiert zu lassen, entspricht nicht dem staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Sachlich über Verhütungsmethoden zu informieren und aufzuklären auch mit dem Ziel, ungewollten Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüchen vorzubeugen, entspricht auch dem Auftrag des Staates und seiner Organe in Bund und Ländern, erkennbar für den Schutz des Lebens einzutreten; insoweit sind auch die Lehrpläne der Schulen betroffen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 28.5.1993 - 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92 -, BVerfGE 88, 203 (261), NJW 1993, 1751 (1755), juris, Rn. 185.

Das für die schulische Sexualerziehung in der Klasse 6 a verwendete Lehrbuch "Netzwerk Biologie 1" entspricht ebenfalls den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Auf die zutreffenden Ausführungen des VG wird Bezug genommen. Es hat zu Recht angenommen, dass eine Indoktrinierung auch mit Bildmaterial nicht erkennbar ist, und zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vermittlung grundlegenden Wissens über biologische Fakten der Sexualität bereits zu einem frühen Zeitpunkt wichtig ist, beispielweise um Missbrauch vorzubeugen.

Dass die rechtlichen Vorgaben für die Sexualerziehung bei der streitgegenständlichen Unterrichtsreihe in der Klasse 6 a im Januar 2006 eingehalten wurden, ergibt sich aus dem Informationsschreiben des Fachlehrers. Darin weist er ausdrücklich darauf hin, dass sein Unterricht sich "streng an den Richtlinien des Schulministeriums NRW orientiere". Der Senat hat keinen Anlass zu der Annahme, dass der Fachlehrer bei der konkreten Unterrichtsdurchführung hiervon abgewichen ist. Die Kläger haben keine dahingehenden Anhaltspunkte vorgetragen. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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