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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: 19 A 4789/05
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

1. Die Schule ist aufgrund ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet, dem Schüler Hilfestellungen zu geben und Hinweise zu erteilen, wenn er ohne sie unter den konkreten Umständen des Einzelfalls Gefahr läuft, das Bildungs- und Erziehungsziel nicht zu erreichen, oder ihm sonst ein Rechtsverlust droht.

2. Hilfestellungen und Hinweise der Schule sind dann nicht geboten, wenn der Schüler seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt oder der Zweck der von ihm zu erbringenden Leistung darin besteht zu zeigen, dass er Problemstellungen selbstständig lösen kann.


Tatbestand:

Der Kläger legte dem beklagten Berufskolleg im Schuljahr 2003/04 eine unvollständige Projektarbeit vor, die mit befriedigend bewertet worden ist. Mit seiner erfolglosen Klage erstrebte er eine Besserbewertung der Projektarbeit. Das OVG lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung ab.

Gründe:

Der Kläger macht ohne Erfolg geltend, er habe davon ausgehen dürfen, dass die ihm von der Schule zur Verfügung gestellten (Schul-) Computer zur Anfertigung der Projektarbeit geeignet gewesen seien. Der Kläger ist verpflichtet, daran mitzuwirken, dass die Aufgabe der Schule erfüllt und das Bildungsziel erreicht werden kann (§ 3 Abs. 4 Halbsatz 1 der im hier maßgeblichen Schuljahr 2003/04 geltenden Allgemeinen Schulordnung). Aufgrund dieser Mitwirkungspflicht war es grundsätzlich Sache des Klägers zu prüfen, ob die Computer zur Anfertigung der Projektarbeit geeignet waren. Dieser Mitwirkungspflicht ist er nicht nachgekommen. Er macht nicht geltend, dass er vor Beginn der Projektarbeit die Eignung der Computer überprüft hatte. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers hat grundsätzlich zur Folge, dass er sich nicht auf die mangelnde Eignung der Computer zur Anfertigung der Projektarbeit berufen kann.

Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6.9.1995 - 6 C 18.93 -, BVerwGE 99, 185 (198); OVG NRW, Beschluss vom 10.5.2002 - 19 A 1716/02 -.

Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn die Schule ihren Pflichten gegenüber dem Kläger nicht oder nicht hinreichend nachgekommen ist. Aus dem Schulverhältnis ergeben sich Fürsorgepflichten der Schule, die sie unter anderem zur Hilfestellung und Erteilung von zweckdienlichen Hinweisen verpflichten, soweit dies zur Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule erforderlich ist. Hilfestellungen und Hinweise sind insbesondere dann geboten, wenn der Schüler ohne sie unter den konkreten Umständen des Einzelfalls Gefahr läuft, das Bildungs- und Erziehungsziel nicht zu erreichen, oder ihm sonst ein Rechtsverlust droht.

Vgl. auch zur Fürsorgepflicht bei berufsbezogenen Prüfungen: BVerwG, Urteil vom 6.9.1995 - 6 C 18.93 -, a. a. O.

Diese Fürsorgepflicht besteht jedoch nicht einschränkungslos. Sie setzt voraus, dass der Schüler im Rahmen seiner Möglichkeiten das zur Erreichung des Bildungs- und Erziehungsziels und zur Erhaltung seiner Rechte Erforderliche getan hat. Das Maß dessen, was von dem Schüler zu leisten ist, hängt nicht nur von seinen subjektiven Möglichkeiten ab. Entscheidend ist auch, was objektiv von ihm erwartet werden kann. Danach verletzt die Schule, die dem Schüler keine Hilfestellungen gibt oder keine Hinweise erteilt, ihre Fürsorgepflicht dann nicht, wenn der Zweck der vom Schüler zu erbringenden Leistung (auch) darin besteht zu zeigen, dass er Problemstellungen selbstständig, also ohne Hilfe oder Hinweise der Schule, lösen kann.

So liegt es hier. Nach dem Vortrag der beklagten Schule war es Zweck der vom Kläger anzufertigenden Projektarbeit, das Problemmanagement des Schülers zu testen und zu trainieren. Das ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Fachlehrers. Danach war es Aufgabe des Klägers, die gesamte Projektarbeit, die sich über einen Zeitraum von 20 Wochen erstreckte, selbstständig zu planen und insbesondere einen Projektzeitplan zu erstellen, der es bei Verzögerungen ermöglichte, frühzeitig gegenzusteuern und neue Lösungsstrategien zu entwickeln, wenn der eingeschlagene Weg zu scheitern droht. Dem hat der Kläger nicht widersprochen. Nachdem er in der 11. Projektwoche festgestellt hatte, dass die Leistungsfähigkeit der Computer der Schule zur vollständigen Anfertigung seiner Projektarbeit nicht ausreichte, war es deshalb seine Sache, nach konkreten Lösungswegen zu suchen. Dies hatte der Kläger letztlich auch erkannt. Nach seinem eigenen Vortrag stellte er ab der 11. Projektwoche den ersten Teil der Projektarbeit (Zeichnungen) vollständig zu Hause am Computer eines Familienangehörigen fertig. Dass es hierbei zu weiteren Zeitverzögerungen kam, die die rechtzeitige Fertigstellung des zweiten und mit ungenügend bewerteten Teils der Projektarbeit hinderten, liegt gemessen am Zweck der Projektarbeit allein in seinem Verantwortungsbereich. Außerdem liegt gemessen am Zweck der Projektarbeit keine Fürsorgepflichtverletzung der beklagten Schule darin, dass sie ihn nach dem - als zutreffend unterstellten - Vortrag des Klägers nicht auf die Möglichkeit eines Antrags auf Schreibzeitverlängerung hingewiesen hat. Auch insoweit war es Sache des Klägers, von sich aus diese Problemlösung in Betracht zu ziehen und sich bei der Schule danach zu erkundigen. Unerheblich ist schließlich, dass der Kläger nach seinem Vortrag den am Computer der Schule bis zur 11. Projektwoche erarbeiteten ersten Teil der Projektarbeit nicht ausdrucken und damit auch nicht handschriftlich vervollständigen konnte. Auch insoweit war es seine Sache, ohne Hilfe und Hinweise der Schule nach Lösungen zu suchen. Unbeschadet der Frage, ob hieraus überhaupt eine Fürsorgepflichtverletzung der Schule hergeleitet werden kann, ist auch nicht ersichtlich, dass die noch verbleibende Zeit von vornherein nicht ausreichte, die Projektarbeit entweder am Computer des Familienangehörigen oder handschriftlich vollständig fertig zu stellen. Der Versuch des Klägers, die Projektarbeit ab der 11. Projektwoche zu Hause fertig zu stellen, zeigt, dass er selbst davon ausging, noch ausreichend Zeit zur Verfügung zu haben, um sämtliche Teile der Projektarbeit rechtzeitig abschließen zu können.

Ende der Entscheidung

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