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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 15.08.2000
Aktenzeichen: 19 B 989/00
Rechtsgebiete: VwGO, GG


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 5 Satz 3
VwGO § 123 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2
Ein Anspruch auf Einrichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe besteht nicht, wenn die für die Unterrichtung erforderlichen Lehrerstellen und -stunden nicht zur Verfügung stehen.
Tatbestand:

Die Antragsteller begehrten, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Errichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe an einer allgemeinen Schule zu verpflichten. Das VG lehnte den Antrag u.a. mit der Begründung ab, für die Unterrichtung in einer sonderpädagogischen Fördergruppe seien die erforderlichen Lehrerstellen und -stunden nicht vorhanden. Das OVG wies die Beschwerde der Antragsteller zurück.

Gründe:

Der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat sowohl mit dem Haupt- als auch den Hilfsanträgen jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass das Ermessen des Rates der Stadt Münster bei der Entscheidung über die Errichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe,

vgl. zu diesem Planungsermessen des Rates: OVG NRW, Beschluss vom 28.9.1999 - 19 B 1467/99 -, m.w.N.,

dahin reduziert ist, dass jede andere Entscheidung als die von den Antragstellern begehrte Errichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe zum Beginn des Schuljahres 2000/2001, hilfsweise zu einem späteren Zeitpunkt, ermessensfehlerhaft wäre. Eine solche Ermessensreduzierung kommt in Betracht, wenn die Ablehnung einer sonderpädagogischen Fördergruppe dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ersichtlich nicht gerecht wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.9.1999 - 19 B 1467/99 -.

Die Überweisung eines behinderten Schülers an eine Sonderschule, die der Antragsteller zu 1. besuchen muss, falls er nicht in einer sonderpädagogischen Fördergruppe an einer allgemeinen Schule beschult werden kann, stellt nicht schon für sich, sondern nur dann eine verfassungswidrige Benachteiligung des Schülers dar, wenn die Überweisung den Gegebenheiten und Verhältnissen des jeweils zu beurteilenden Falles ersichtlich nicht gerecht wird. Dies ist nicht nur dann anzunehmen, wenn Erziehung und Unterrichtung an der allgemeinen Schule seinen Fähigkeiten entsprächen und ohne besonderen Aufwand möglich wären, sondern auch dann, wenn der Besuch der allgemeinen Schule durch einen zwar besonderen, aber noch vertretbaren Einsatz von sonderpädagogischer Förderung ermöglicht werden könnte. Dabei ist neben der Frage des gebotenen und zu ermöglichenden Aufwandes und der Frage, ob Erziehung und Unterrichtung an der Regelschule mit sonderpädagogischer Förderung möglich sind, in die erforderliche Gesamtbetrachtung auch einzustellen, ob organisatorische Schwierigkeiten sowie schutzwürdige Belange Dritter, insbesondere anderer Schüler, der integrativen Beschulung nicht entgegenstehen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 -, NJW 1998, 131 (133 f.).

Danach liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor. Es lässt sich nicht feststellen, dass die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners dem Benachteiligungsverbot ersichtlich nicht gerecht wird.

Der Senat hat in seinem Beschluss vom 28.9.1999 - 19 B 1467/99 -, darauf hingewiesen, dass nach den Protokollen über die Informationsgespräche des Antragsgegners mit Schulleitern der städtischen weiterführenden allgemeinen Schulen und Sonderschulen vom 21.9.1998 und 20.4.1999 die durchgängige Größe der Klassen an den allgemeinen weiterführenden Schulen eine für den gemeinsamen Unterricht erforderliche Teilung dieser Klassen und der sonderpädagogischen Fördergruppe erfordert und dass die hierfür erforderlichen zusätzlichen Lehrerstellen bzw. Lehrerstunden weder vorhanden noch in Aussicht gestellt sind. Es ist nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen, dass diese gewichtigen organisatorischen und finanziellen Schwierigkeiten, die nach der Rechtsprechung des BVerfG zu beachten sind, nicht mehr bestehen. Das VG hat hierzu unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Antragsgegners in dessen Schriftsatz vom 25.4.2000 ausgeführt, dass ein gemeinsamer Unterricht in einer Klasse angesichts der insbesondere im Realschul- und Gymnasialbereich bestehenden hohen Klassenfrequenzwerte und der entsprechend hohen Klassenstärke nicht möglich sei und für die notwendige zeitweilige Teilung einer Klasse nicht genügend Lehrerstunden zur Verfügung stünden, da eine 100%ige Lehrerstellenbesetzung nicht überschritten werde und nach Auskunft der oberen Schulaufsichtsbehörde den allgemeinen Schulen keine zusätzlichen Lehrerstunden für den regulären Unterricht bereit gestellt würden. Dem haben die Antragsteller im Zulassungsverfahren nicht widersprochen. Sie haben sich vielmehr mit den diesbezüglichen Ausführungen des VG nicht im Sinne des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO auseinander gesetzt.

Ist bereits aus diesen Gründen eine Ermessensreduzierung auf Null nicht gegeben, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner näheren Erörterung, ob die Ablehnung der Errichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe im Übrigen ermessensfehlerfrei ist. Nur ergänzend weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach dem derzeitigen Sachstand sonstige i.S.d. Rechtsprechung des BVerfG gewichtige organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten der Errichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe möglicherweise nicht (mehr) entgegenstehen. Der Antragsgegner hat im Zulassungsverfahren ausdrücklich erklärt, dass er bereit sei, die für die Errichtung einer sonderpädagogischen Fördergruppe erforderlichen und ihm obliegenden (§ 30 Abs. 1 SchVG NRW) kostenintensiven Umbau- bzw. Erweiterungsbauten durchzuführen. Es spricht auch Einiges dafür, dass ausreichendes Personal für die sonderpädagogische Betreuung der Kinder einer sonderpädagogischen Fördergruppe zur Verfügung gestellt werden kann. Das Schulamt des Antragsgegners hat ausweislich eines Vermerks vom 14.4.2000 in einem Telefongespräch mitgeteilt, dass eine "eventuelle Fördergruppe - auch im Hinblick auf die personelle Versorgung der Fördergruppen in D. und E. - mit einer ausreichenden Lehrerstundenzahl ausgestattet" werde. Da diese Mitteilung keine Einschränkung enthält, ist sie möglicherweise dahin zu verstehen, dass auch der erhöhte Förderbedarf des Antragstellers zu 1., für den nach dem sonderpädagogischen Gutachten vom 28.4.1999 die sonderpädagogische Fördergruppe nur dann geeigneter Förderort ist, wenn durchgängig eine Doppelbesetzung gewährleistet ist, und ein etwaiger erhöhter Förderbedarf weiterer Kinder sicher gestellt werden kann. Eine nähere Aufklärung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dort ist gegebenenfalls auch zu klären, ob der vom VG angeführte zusätzliche Personalaufwand für die Erstellung eines pädagogischen Konzepts, der Beratung von Eltern, der Vertretung von (sonderpädagogischen) Fachkräften für den Fall der Erkrankung und der notwendigen Fortbildung der Lehrkräfte sichergestellt werden kann. Der Antragsgegner hat zwar im erstinstanzlichen Verfahren unter Hinweis auf die von ihm eingeholten Stellungnahmen der allgemeinen weiterführenden Schulen in M. geltend gemacht, dass die Lehrer dieser Schulen etwa durch erhebliche Integrationsleistungen für Schulformwechsler und ausländische Schüler erheblich belastet seien. Nachprüfbare Angaben hierzu liegen jedoch nicht vor und ergeben sich auch nicht hinreichend aus den vom Antragsgegner eingeholten Stellungnahmen der allgemeinen weiterführenden Schulen M.



Ende der Entscheidung

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