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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 19 E 504/07
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 60
Eine Erledigungsgebühr entsteht nicht, wenn der Rechtsanwalt allein bei der Klärung der Frage, wie der in der Sache bereits erledigte Rechtsstreit formal beendet werden soll, mitgewirkt hat.

Bei der Kostenfestsetzung ist der auf die anwaltliche Vergütung zu zahlende Umsatzsteuersatz zu berücksichtigen, der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Vergütung gilt. Aus § 60 RVG ergibt sich nichts anderes.


Tatbestand:

Der Kläger beantragte im Klageverfahren die Aufhebung des Widerspruchsbescheides der Beklagten mit der Begründung, der Bescheid enthalte eine prüfungsrechtlich unzulässige Verböserung. Die Beklagte erkannte den Anspruch des Klägers auf Aufhebung des Bescheides an. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers wiesen darauf hin, dass mit dem Anerkenntnis der Prozess nicht beendet sei; erforderlich sei die Aufhebung des Widerspruchsbescheides durch die Beklagte und die anschließende Abgabe von Erledigungserklärungen. In dieser Weise wurde das Klageverfahren erledigt. Bei der Kostenfestsetzung berücksichtigte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des VG nicht die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachte Erledigungsgebühr. Außerdem erkannte sie nur 16 % Umsatzsteuer als erstattungsfähig an. Die Erinnerung des Klägers wies die Kammer des VG zurück. Die Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg.

Gründe:

Das VG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Erledigungsgebühr nicht entstanden ist. Dagegen ist die Bemessung der bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigenden Umsatzsteuer fehlerhaft.

Nach Nr. 1002 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Hier ist die Erledigung dadurch eingetreten, dass die Beklagte, die bereits mit Schriftsatz vom 23.12.2006 den "klägerischen Anspruch" auf die beantragte Aufhebung des Widerspruchsbescheides "anerkannt" hat, den Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 17.1.07 aufgehoben und die Beteiligten anschließend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Eine anwaltliche Mitwirkung an der Erledigung des Rechtsstreits im Sinne der Nr. 1002 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses liegt jedoch nicht vor. Sie setzt voraus, dass die Tätigkeit des Rechtsanwaltes nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass es zu einer streitigen Erledigung des Rechtsstreits gekommen wäre. Dabei muss der Rechtsanwalt die Erledigung nicht allein oder überwiegend herbeigeführt haben. Entscheidend ist, dass er einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag hierzu geleistet hat.

Hess. VGH, Beschluss vom 3.4.2007 - 5 TJ 563/07 -, juris, Rdn. 2; Bay. VGH, Beschluss vom 19.1.2007 - 24 C 06.2426 -, juris, Rdn. 36, jeweils m. w. N.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Der Kläger macht insoweit sinngemäß geltend, eine Mitwirkung seiner Prozessbevollmächtigten an der Erledigung des Rechtsstreits liege vor, weil sie mit Schriftsatz vom 9.1.2007 aufgezeigt hätten, wie der Rechtsstreit (prozessual) erledigt werden könne, denn die mit Schriftsatz der Beklagten vom 23.12.2006 erklärte "Anerkennung des klägerischen Anspruchs" auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides habe für sich allein den Rechtsstreit noch nicht beendet. Dieser Vortrag greift nicht durch. Allein die Mitwirkung des Rechtsanwaltes bei der Klärung der Frage, wie der in der Sache bereits erledigte Rechtsstreit formal beendet werden soll, stellt keine anwaltliche Mitwirkung im Sinne der Nr. 1002 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses dar. Erforderlich ist vielmehr, dass der Rechtsanwalt die Entscheidung darüber, ob der Rechtsstreit ohne streitige Entscheidung erledigt werden kann, nicht nur unwesentlich beeinflusst hat.

OVG NRW, Beschluss vom 3.5.1999 - 19 E 984/98 -.

Letzteres ist hier nach Einreichung der Klagebegründung nicht der Fall. Der Kläger macht nicht geltend, dass seine Prozessbevollmächtigten die Bereitschaft der Beklagten, ihren Widerspruchsbescheid aufzuheben, nicht nur unwesentlich beeinflusst haben.

Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des VG hat fehlerhaft einen Umsatzsteuersatz in Höhe von 16 % berücksichtigt. Nach Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses gehört auch die Umsatzsteuer zu den erstattungsfähigen Auslagen des Rechtsanwaltes, es sei denn - was hier nicht der Fall ist -, die Umsatzsteuer bleibt nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben. Danach ist hier bei der Kostenfestsetzung ein Umsatzsteuersatz von 19 % zugrundezulegen.

Denn die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind in der vorliegenden Angelegenheit zur Zahlung einer Umsatzsteuer in Höhe von 19 % verpflichtet. Abgesehen von den hier nach Aktenlage nicht einschlägigen Fällen des § 20 UStG entsteht die Umsatzsteuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG) mit Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Für die anwaltliche Vergütung kommt es danach darauf an, wann sie fällig geworden ist.

Vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 7.9.1998 - 14 W 594/98 -, JurBüro 1999, 304; Herget, in: Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 91, Rdn. 13 (Stichwort: Umsatzsteuer); Baumbach u. a., ZPO, 65. Aufl., 2007, § 91 Rdn. 214; Henke, Anwaltsgebührenrechnung und Mehrwertsteuererhöhung ab 1. April 1999, AnwBl. 1998, 206; Göttlich u. a., RVG, 2. Aufl., 2006, Stichwort: Umsatzsteuer, Nr. 5 b, jeweils m. w. N.; a. A.: Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., 2006, § 60 RVG Rdn. 5.

Die Vergütung der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist mit der Kostenentscheidung des VG vom 5.2.2007 fällig geworden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 RVG). Zu diesem Zeitpunkt galt der durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG 2006) vom 29.6.2006, BGBl. I S. 1402 mit Wirkung vom 1.1.2007 erhöhte Umsatzsteuersatz von 19 % (Art. 4 Nr. 1, Art. 14 Abs. 3 HBeglG 2006). Denn weder das Haushaltsbegleitgesetz 2006 noch die allgemeinen Übergangsvorschriften in § 27 UStG enthalten insoweit eine abweichende (Übergangs-) Regelung.

Aus § 60 Abs. 1 RVG ergibt sich nichts anderes. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Dies gilt nach § 60 Abs. 1 Satz 3 RVG auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verweist. Aus diesen Vorschriften lässt sich entgegen der Auffassung des VG nicht herleiten, dass hier der bis zum 31.12.2006 geltende Umsatzsteuersatz von 16 % zugrundezulegen ist, weil der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten den unbedingten Auftrag im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG bereits vor dem 1.1.2007 erteilt hatte. Denn § 60 Abs. 1 RVG betrifft nur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und die Änderung von Vorschriften, auf die das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verweist.

Vgl. Jungbauer, in: Bischof u. a., RVG, 2. Aufl. 2007, § 60 Rdn. 5; Pukall, in: Mayer/Kroiß, RVG, 2. Aufl., 2006, § 60 Rdn. 1.

Einen solchen Verweis auf das Umsatzsteuergesetz enthält das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz jedoch nicht. Soweit in Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses die "Umsatzsteuer auf die Vergütung" als Auslagentatbestand genannt wird, liegt darin kein Verweis auf das Umsatzsteuergesetz, sondern lediglich die (nachrichtliche) Übernahme eines Auslagentatbestandes, der sich ausschließlich nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes richtet. Entsprechendes gilt für den in Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses genannten Ausnahmefall des § 19 Abs. 1 UStG.

Eine andere Auslegung des § 60 Abs. 1 RVG und der Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses hätte zur Folge, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers in der vorliegenden Angelegenheit auf der Grundlage der Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes die Umsatzsteuer in Höhe eines Satzes von 19 % zahlen müssen, nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes aber nur ein Anspruch auf Erstattung von 16 % Umsatzsteuer haben. Hierfür ist ein rechtfertigender Grund nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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