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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.07.2007
Aktenzeichen: 19 E 517/07
Rechtsgebiete: AuslG, AufenthG


Vorschriften:

AuslG § 24
AufenthG § 9
AufenthG § 104 Abs. 1
1. § 104 Abs. 1 AufenthG ermöglicht nicht die unbefristete Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis über den 31.12.2004 hinaus, sondern schreibt lediglich vor, dass über Altanträge nach den Anspruchsgrundlagen des alten Rechts zu entscheiden ist.

2. Ein vor dem 1.1.2005 gestellter Antrag auf unbefristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte sowohl an § 24 AuslG als auch an § 9 AufenthG zu messen.

3. § 104 Abs. 1 AufenthG ermöglicht es nicht, bei der Prüfung eines solchen Antrags einzelne Erteilungsvoraussetzungen einer der beiden Vorschriften nach dem Günstigkeitsprinzip mit solchen der jeweils anderen Vorschrift zu kombinieren.


Tatbestand:

Der Antragsteller beantragte bei der Ausländerbehörde im August 2004 die unbefristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und im September 2005 die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Die Ausländerbehörde lehnte 2004 den ersten Antrag ab, da der Lebensunterhalt des Antragstellers nicht gemäß § 24 Abs. 2 AuslG gesichert war. Für die hiergegen beabsichtigte Klage begehrte der Antragsteller Prozesskostenhilfe, die das OVG NRW im Beschwerdeverfahren bewilligte.

Gründe:

Die angekündigte Klage sollte sich auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis richten. Ausdrücklich hatte der Antragsteller nämlich auf seinen Antrag vom 5.8.2004 auf unbefristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis Bezug genommen. Als unbefristeten Aufenthaltstitel sieht das Aufenthaltsgesetz nur noch in § 9 die Niederlassungserlaubnis vor, während die Aufenthaltserlaubnis seit dem 1.1.2005 nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zwingend ein befristeter Aufenthaltstitel ist. Daran ändert auch § 104 Abs. 1 AufenthG nichts. Diese Vorschrift ermöglicht nicht die unbefristete Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis über den 31.12.2004 hinaus, sondern schreibt lediglich vor, dass über Altanträge nach den Anspruchsgrundlagen des alten Rechts zu entscheiden ist. Fällt diese Entscheidung positiv aus, ist nicht die Aufenthaltserlaubnis unbefristet zu verlängern, sondern eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen (§§ 101 Abs. 1, 104 Abs. 1 Satz 2 AufenthG).

Entgegen der Auffassung des VG war dieser Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht nur nach § 24 AuslG zu beurteilen, sondern zumindest auch nach § 9 AufenthG. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die Niederlassungserlaubnis als solche begehrte und dieses Begehren weder ausschließlich als einen nach § 24 AuslG zu beurteilenden "Altantrag" noch ausschließlich als einen nach § 9 AufenthG zu beurteilenden "Neuantrag" verstanden wissen wollte. Seinen Formblattanträgen beim Antragsgegner war eine solche Differenzierung nach Anspruchsgrundlagen des alten und des neuen Rechts nicht zu entnehmen. Er hat vielmehr nicht nur unter dem 5.8.2004 die unbefristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beantragt und sich dafür auf die §§ 24, 35 AuslG berufen, sondern auch am 15.9.2005 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gestellt. Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass er sich auf sämtliche denkbaren Anspruchsgrundlagen stützen wollte und die Niederlassungserlaubnis entweder nach altem oder nach neuem Recht begehrte, je nachdem, welches Recht für ihn günstiger sein würde.

Zu einer vergleichbaren Antragsauslegung bei Einbürgerungsanträgen vgl. BVerwG, Urteil vom 20.4.2004 - 1 C 16.03 -, BVerwGE 120, 305, Juris, Rn. 19.

Gerade für den Antragsteller kam ersichtlich als günstigere Anspruchsgrundlage § 9 AufenthG in Betracht, weil er sich bereits im Schriftsatz vom 21.9.2004 darauf berufen hatte, wegen seiner Herzerkrankung erwerbsunfähig zu sein und seinen Lebensunterhalt nur durch die beantragte Erwerbsunfähigkeitsrente sicherstellen zu können. Damit hatte er sich auf einen Gesichtspunkt berufen, hinsichtlich dessen ihn das neue Recht mit § 9 Abs. 2 Sätze 3 und 6 AufenthG günstiger stellte als § 24 AuslG.

Auch § 104 Abs. 1 AufenthG verbietet es nicht, einen in dieser Weise unbeschränkten Antrag auf Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels, den der Ausländer vor dem 1.1.2005 gestellt hat, sowohl an § 24 AuslG als auch an § 9 AufenthG zu messen. Das bedeutet nämlich nicht, dass einzelne Erteilungsvoraussetzungen einer der beiden Vorschriften nach dem Günstigkeitsprinzip mit solchen der jeweils anderen Vorschrift kombiniert werden dürften. Ein solcher Antrag hat vielmehr nur dann Erfolg, wenn entweder alle Erteilungsvoraussetzungen des § 24 AuslG oder aber alle Erteilungsvoraussetzungen des § 9 AufenthG erfüllt sind.

Vgl. dazu Hamb. OVG, Beschluss vom 31.5.2006 - 3 Bs 452/04 -, Juris, Rn. 10; Nds. OVG, Beschluss vom 23.2.2005 - 11 ME 221/04 -, juris, Rn. 10 f.; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 104 Rn. 3 f.

Für die angekündigte Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis hätte das VG dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligen müssen. Im Zeitpunkt der Bewilligungsreife konnte der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten des Verfahrens erster Instanz weder insgesamt noch in Raten tragen und bot diese Klage auch hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Unerheblich ist, dass diese Erfolgsaussicht durch Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses nachträglich entfallen ist, seit der Antragsgegner dem Antragsteller im Abhilfebescheid vom 31.5.2007 die Erteilung der beantragten Niederlassungserlaubnis zugesichert hat. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ist in Fällen rückwirkender Bewilligung - wie hier - der Zeitpunkt der Bewilligungsreife. Das ist der Zeitpunkt, zu dem der Prozesskostenhilfeantrag und die vollständige Prozesskostenhilfeerklärung nebst allen erforderlichen Nachweisen dem Gericht vorliegen, so dass es bei einem ordnungsgemäßen unverzüglichen Geschäftsgang die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung prüfen kann und Prozesskostenhilfe bewilligen muss.

OVG NRW, Beschlüsse vom 21.6.2007 - 19 A 2931/06.A - und vom 24.4.2007 - 19 A 2751/06.A -; OVG M.-V., Beschluss vom 4.2.2005 - 1 O 388/04 -, NVwZ-RR 2006, 509 (510 f.), m. w. N.

Das war hier der 11.10.2005, als der Antragsteller die Prozesskostenhilfeerklärung nebst Sozialleistungsbescheid eingereicht hat. Eine zu diesem Zeitpunkt erhobene Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis hätte hinreichende Erfolgsaussicht gehabt, weil der Antragsteller alle Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 AufenthG erfüllte mit Ausnahme derjenigen, von denen die Sätze 3 und 6 dieser Vorschrift unter anderem für den Fall befreien, dass der Ausländer sie wegen einer körperlichen Krankheit nicht erfüllen kann. Am 11.10.2005 hing der Klageerfolg folglich von der Klärung der Tatsachenfrage ab, ob die Herzerkrankung, die der Antragsteller bereits hinreichend substantiiert geltend gemacht hatte, nach Art und Ausmaß eine solche Krankheit war. Wie aus dem Abhilfebescheid des Antragsgegners vom 31.5.2007 hervorgeht, ist diese Tatsachenfrage erst durch die ärztliche Untersuchung vom 1.3.2007 (im Sinne des Antragstellers) geklärt worden.

Ende der Entscheidung

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