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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 14.10.2008
Aktenzeichen: 2 A 1172/05
Rechtsgebiete: BAföG, SGB X, BGB, EStG


Vorschriften:

BAföG § 11 Abs. 1
BAföG § 27
SGB X § 45
SGB X § 50 Abs. 1
BGB § 808
EStG § 44 a Abs. 2
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem Sparbuch um Vermögen im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG handelt, ist nicht entscheidend, dass das Sparkonto auf den Namen des Antragstellers errichtet worden ist, sondern wer gemäß der Vereinbarung mit der Sparkasse Kontoinhaber werden sollte. Fehlen ausdrückliche schriftliche Vereinbarungen zwischen den bei der Errichtung des Kontos Beteiligten, so ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine Gläubigerstellung des im Sparbuch Benannten oder eines Dritten vorliegen. Ein wesentliches Indiz kann dabei sein, wer das Sparbuch in Besitz nimmt. Typischerweise ist, wenn ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, aus diesem Verhalten zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will.

Allein durch die Erteilung eines Freistellungsauftrages für ein Sparkonto wird eine Vereinbarung über den Inhaber des Sparkontos nicht getroffen.


Tatbestand:

Dem Kläger wurde auf entsprechende Anträge vom Beklagten für mehrere Bewilligungszeiträume Ausbildungsförderung bewilligt. In den jeweiligen Anträgen hatte der Kläger Vermögen verneint. Nach einer Datenabfrage beim Bundesamt für Finanzen legte der Kläger dem Beklagten die Ablichtung von zwei Seiten eines Sparbuches vor, für das er 1994 einen Freistellungsauftrag erteilt hatte, und teilte mit, das Sparbuch laufe zwar auf seinen Namen, enthalte aber die Adresse seiner Großmutter. Diese habe das Sparbuch festgelegt und stets in ihrem Besitz gehabt. Die Großmutter des Klägers gab an, das Sparbuch für den Kläger angelegt zu haben, als er noch ein Schulkind gewesen sei. Sie habe dann laufend auf sein Buch eingezahlt, jedoch unter ihrer Adresse, da sie das Sparbuch bei sich aufbewahrt habe. Der Kläger habe das Sparbuch nie gesehen, jedoch gewusst, dass sie auch für ihn spare. Als die vereinbarte Frist bei der Sparkasse abgelaufen sei, habe sie ihrem Enkel endlich das Sparbuch "als kleines Startkapital" überreichen können. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Sparguthaben setzte der Beklagte die Förderungsleistungen neu fest und forderte vom Kläger überzahlte Förderungsbeträge zurück, da er bei der Antragstellung verschwiegen habe, ein nicht unwesentliches Vermögen zu besitzen. Das VG hat die Klage des Klägers auf Aufhebung der angefochtenen Rückforderungsbescheide abgewiesen. Die zugelassene Berufung des Klägers führte zur Aufhebung der Rückforderungsbescheide.

Gründe:

Als Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Bescheide über die Bewilligung von Ausbildungsförderung sowie die Erstattung der Leistungen kommen § 45 Abs. 1 und 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.1.2001, BGBl I S. 130, und § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen hier nicht vor.

Es kann bereits nicht festgestellt werden, dass hier ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt vorliegt. Die Bewilligung von Ausbildungsförderung war vielmehr rechtmäßig. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass wegen des Guthabens auf dem Sparkonto, das auf den Namen des Klägers lief, die Höhe des anzurechnenden Vermögens des Klägers seinen monatlichen Bedarf für seine Ausbildung zum Teil sicherstellte. Dem Kläger stand Ausbildungsförderung für das Lehramtsstudium insoweit nur nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) zu. Danach sind auf den Bedarf im Sinne des § 11 Abs. 1 BAföG u. a. Einkommen und Vermögen des Auszubildenden anzurechnen. Der Kläger verfügte in den nach § 28 Abs. 2 BAföG jeweils maßgeblichen Zeitpunkten der Antragstellungen nicht über Vermögen im Sinne der §§ 26 ff. BAföG in einer den Förderungsanspruch auch nur teilweise ausschließenden Höhe, denn er war nicht Inhaber des Sparkontos. Die daraus resultierenden Forderungen gegen die Sparkasse gelten deshalb nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG nicht als Vermögen des Klägers.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BAföG gelten als Vermögen im ausbildungsförderungsrechtlichen Sinne bewegliche und unbewegliche Sachen (Nr. 1) sowie Forderungen und sonstige Rechte (Nr. 2). Einschränkungen des Vermögensbegriffs ergeben sich lediglich aus § 27 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BAföG. Forderungen, die nicht unter den abschließenden Katalog des § 27 Abs. 2 BAföG und nicht unter die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG ausgenommenen Gegenstände fallen, zählen damit ungeachtet ihrer spezifischen Rechtsnatur, ihres Ursprungs und Inhalts zum Vermögen im förderungsrechtlichen Sinne.

Vgl. Humborg, in: Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 5. Auflage, Stand: Januar 2008, § 27 Rdnr. 4 und 6.

Der Kläger war nicht Inhaber des auf seinen Namen errichteten Sparkontos. Ihm standen zu den genannten Zeitpunkten Forderungen zivilrechtlich als Gläubiger gegenüber der Sparkasse als Schuldnerin aus dem Sparkonto nicht zu.

Für die Beurteilung der Gläubigereigenschaft des Klägers ist nach der hierfür einschlägigen Rechtsprechung des BGH zur Frage, wann die Errichtung eines Sparkontos auf den Namen eines Anderen auf einen Vertrag zugunsten Dritter schließen lasse, nicht entscheidend, dass das Sparkonto auf den Namen des Klägers errichtet worden ist. Entscheidend ist vielmehr, wer gemäß der Vereinbarung mit der Sparkasse Kontoinhaber werden sollte. Fehlen ausdrückliche schriftliche Vereinbarungen zwischen den bei der Errichtung des Kontos Beteiligten, so ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine Gläubigerstellung des im Sparbuch Benannten oder eines Dritten vorliegen. Ein wesentliches Indiz kann dabei sein, wer das Sparbuch in Besitz nimmt, denn gemäß § 808 BGB wird die Sparkasse durch die Leistung an den Inhaber des Sparbuchs auf jeden Fall dem Berechtigten gegenüber frei. Typischerweise ist, wenn ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, aus diesem Verhalten zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will.

Vgl. BGH, Urteil vom 18.1.2005 - X ZR 264/02 -, FamRZ 2005, 510.

Ausgehend von diesen Grundsätzen, die der erkennende Senat der Entscheidung des vorliegenden Falles zugrunde legt, hat der Kläger die aus dem Sparbuch folgende Forderung des Sparguthabens gegen die Sparkasse nicht erworben, obwohl das Sparkonto auf seinen Namen lief.

Eine über den Namenseintrag hinausgehende ausdrückliche Vereinbarung, wonach der Kläger und nicht seine Großmutter Inhaber des Guthabens ab Errichtung des Kontos oder später geworden ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es ist auch nach den gesamten Umständen nicht feststellbar, dass der Kläger Inhaber des Guthabens auf dem Konto war.

Der Vortrag des Klägers zu den Umständen, unter denen seine Großmutter dieses Konto angelegt hat, wird durch die Erklärung der Großmutter bestätigt und vom Beklagten auch nicht bestritten. Danach sprechen insbesondere die Tatsachen, dass die Großmutter zwar den Namen des Klägers in das Sparbuch hat eintragen lassen, um es dem Kläger im Unterschied zu einem seinem Bruder zugedachten Buch zuordnen zu können, jedoch ihre eigene Adresse angegeben hat, weil von vornherein allein sie das Sparbuch aufbewahren und deshalb den Geschäftsverkehr mit ihrer heimischen Sparkasse über ihre eigene Adresse abwickeln lassen wollte und abgewickelt hat, dafür, dass die Großmutter selbst Inhaberin des Kontos und der damit verbrieften Forderung gegen die Sparkasse werden wollte und geworden ist.

Dass die Großmutter, und zwar auch aus der Sicht der Sparkasse, Vertragspartner der Kasse und Inhaberin des Sparkontos war, zeigt sich auch daran, dass die jeweiligen Änderungen der dem Sparbuch zugrunde liegenden Konditionen nicht durch den Kläger, sondern durch seine Großmutter veranlasst und die entsprechenden Vereinbarungen mit der Sparkasse allein von ihr ohne einen Zusatz etwa hinsichtlich einer rechtsgeschäftlichen Vertretung getroffen worden sind. Auch die Bestätigung der Sondervereinbarung, die im Gegensatz zu den sonstigen Schreiben u. a. die Anschrift des Klägers enthält, ist ohne jeden Zusatz nur von dessen Großmutter unterschrieben worden. Auch die Auflösung des Sparbuchs ist nach dem vom Beklagten nicht angegriffenen Vortrag des Klägers allein durch die Großmutter in der Form vorgenommen worden, dass sie sich das Sparguthaben zunächst auf ihr eigenes Konto hat auszahlen lassen, bevor sie es an den Kläger überwiesen hat.

Auch der Umstand, dass die während der Laufzeit des Sparbuchs einzig vorgenommene Auszahlung durch die Großmutter des Klägers verfügt worden und das ausgezahlte Geld von ihr nicht an den Kläger weitergeleitet, sondern von ihr selbst verwandt worden ist, zeigt deutlich auf, dass die Großmutter des Klägers als Kontoinhaberin auftrat und handelte.

Entscheidend kommt hinzu, dass die Großmutter des Klägers das Sparbuch nach dem vom Beklagten nicht bestrittenen Vortrag des Klägers von Anfang an seit der Errichtung des Sparkontos bis zur Fälligkeit des Sparguthabens nicht aus der Hand gegeben, sondern stets bei sich aufbewahrt hat.

Eine Gesamtwürdigung all dieser Umstände rechtfertigt nach der Überzeugung des Senates allein den Schluss, dass das Sparkonto der Großmutter des Klägers zuzurechnen ist und der Kläger zu keiner Zeit über die sich aus dem Sparguthaben gegen die Sparkasse ergebende Forderung auf Auszahlung des Sparguthabens verfügen konnte.

Die hier festzustellende Art und Weise des Umgangs mit dem Sparbuch entspricht dem von der oben dargestellten Rechtsprechung des BGH typischerweise angenommenen Verhalten, aus dem in der Regel zu schließen ist, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten will. Ein solches Verhalten wird entgegen der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung offensichtlich nicht nur von der praktischen Erwägung gesteuert, das Sparbuch in der Hand zu halten, um regelmäßig Einzahlungen vornehmen zu können. Abgesehen davon, dass im fraglichen Zeitraum solche Einzahlungen nicht, sondern nur Zinsgutschriften erfolgt sind, wäre hierfür nämlich der Besitz des Buches nicht zwingend erforderlich gewesen. Mit dem Besitz sollte vielmehr die Verfügungsberechtigung erhalten bleiben.

Dass der BGH in der oben genannten Entscheidung auch darauf abgestellt hat, dass es sich um einen Fall handelt, in dem typischerweise der Vorbehalt des Verfügungsrechts sich bis zum Tode des Zuwendenden erstrecken soll, während hier die Großmutter von Anfang an an ein "Kleines Startkapital" für den Berufseinstieg gedacht hatte, lässt den Schluss auf ein früheres Verfügungsrecht des Klägers nicht zu. Denn abgesehen davon, dass hier nur wegen des von der Großmutter erreichten Alters ein Übergang der Inhaberschaft an dem Konto schon zu ihren Lebzeiten erfolgen konnte, handelt es sich um einen Fall, in dem typischerweise, wie in dem Fall der Zuwendung von Todes wegen anzunehmen ist, dass der Zuwendende sich das Verfügungsrecht über das Sparguthaben bis zum geplanten Zeitpunkt der Zuwendung vorbehalten will.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger einen Freistellungsauftrag für das Sparkonto unterschrieben hat. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist allein durch die Unterschrift unter diesen Auftrag eine neue Vereinbarung über den Inhaber des Sparkontos nicht getroffen worden. Dass eine solche Vereinbarung in der zur Freistellung abgegebenen konkreten Erklärung nicht enthalten war, ist offensichtlich. Auch für eine konkludente Vereinbarung sind hinreichende Anhaltspunkte nicht vorgetragen worden und vor allem deshalb nicht ersichtlich, weil die Großmutter auch nach Erteilung dieses Freistellungsauftrages durch den Kläger das Sparbuch weiterhin allein aufbewahrt und die danach folgenden Geschäfte im Zusammenhang mit dem Sparkonto selbst vorgenommen hat. Schließlich kann auch der Umstand, dass der Kläger spätestens seit diesem Freistellungsauftrag objektiv von der Existenz des Sparkontos wusste, für sich allein noch nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Begründung seiner Gläubigerstellung führen. Ein objektiver Erklärungsgehalt, der nur den Schluss zuließe, dass alle Beteiligten zumindest ab diesem Zeitpunkt den Kläger und nicht mehr dessen Großmutter als Gläubiger der auf dem Sparkonto verbrieften Forderung ansahen, ist deshalb entgegen der vom Beklagten vertretenen Ansicht hier auch nicht erkennbar.

Auch der Umstand, dass nach § 44 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG nur der Gläubiger der Kapitalerträge einen Freistellungsauftrag erteilen kann, kann eine Gläubigerstellung des Klägers nicht begründen. Denn abgesehen davon, dass sich das Recht zur Erteilung eines Freistellungsauftrages nach der Gläubigerschaft richtet und die Gläubigerschaft nicht durch einen solchen Auftrag erst entstehen kann, stellt sich hier die Frage, ob der Kläger den Freistellungsauftrag nicht zu Unrecht erteilt hat, da er, wie oben dargestellt, entgegen der irrtümlichen Ansicht der Sparkasse nicht Gläubiger des Sparkontos war, obwohl das Konto auf seinen Namen lief. Auch dies zeigt, dass jedenfalls allein die mit der Erteilung des Freistellungsauftrages verbundene Erklärung des Klägers ihn nicht zum Gläubiger des Sparkontos machen konnte.

Ende der Entscheidung

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