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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 30.10.2007
Aktenzeichen: 2 E 791/07
Rechtsgebiete: RVG, GKG, AFBG


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 1
RVG § 33 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 1
AFBG § 10 Abs. 1
AFBG § 12 Abs. 1
Ist Streitgegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein Maßnahmebeitrag im Sinne des § 10 AFBG, so ist als Gegenstandswert im Sinne der §§ 23 ff. RVG die volle Höhe des Maßnahmebeitrags anzusetzen. Dass ein Teil des Maßnahmebeitrags nach § 12 Abs.2 Satz 3 AFBG aus einem Anspruch auf Abschluss eines verzinslichen Darlehens besteht, mindert die Bedeutung der Sache für den Kläger nicht messbar.
Tatbestand:

Die Beteiligten stritten um die Höhe des für die anwaltliche Tätigkeit anzusetzenden Gegenstandswertes in einem Verfahren nach dem Aufstiegsausbildungsförderungsgesetz. Das VG hatte den Gegenstandswert für eine Klage auf Bewilligung von Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung in der Form eines Maßnahmebeitrags mit der Höhe der gesamten Kosten der Lehrveranstaltung bewertet. Der Beschwerdeführer berief sich dagegen auf verwaltungs- und obergerichtliche Entscheidungen, wonach der Gegenstandswert bei Klagen auf Ausbildungs- oder Aufstiegsfortbildungsförderung in Gestalt von verzinslichen Darlehen auf einen prozentualen Teil der Förderungssumme festzusetzen sei. Der Senat wies die Beschwerde zurück.

Gründe:

Die nach § 33 Abs. 3 Satz 1 und 3 RVG zulässige Beschwerde, über die der Senat hier nach § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG entscheidet, ist nicht begründet. Das VG hat den Gegenstandswert in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf 4.850,- Euro festgesetzt.

Die Höhe des Gegenstandswertes ist nach der Bedeutung der Sache für den Kläger nach Ermessen zu bestimmen (vgl. §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 33 Abs. 1 RVG, § 52 Abs. 1 GKG). Hier begehrte der Kläger für eine nach dem Aufstiegsausbildungsförderungsgesetz (AFBG) förderungsfähige Maßnahme Förderung in Höhe von insgesamt 4.850,- Euro als Maßnahmebeitrag im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 AFBG. Diese Förderung wird nach § 12 Abs. 1 Satz 2 - 3. Fallgruppe - AFBG in Höhe von 30,5 % als Zuschuss und im Übrigen in der Form eines Anspruchs auf Abschluss eines Darlehensvertrages mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau gewährt (§ 12 Abs. 1 Satz 3 AFBG). Das wirtschaftliche Interesse des Klägers an einer positiven Entscheidung über seinen Förderungsantrag besteht in dem Vorteil, den er dadurch erlangt, dass er die anfallenden Lehrgangs- und Prüfungsgebühren für die von ihm besuchte Aufstiegsfortbildungsmaßnahme nicht aus eigenen Mitteln (ggf. vorab) entrichten muss. Dieses Interesse besteht in Höhe des gesamten und nicht nur eines Teils des Maßnahmebeitrags. Insbesondere erscheint es im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensausübung nicht gerechtfertigt, bei der Festsetzung des Gegenstandswertes hinsichtlich der Förderung als Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrages nur einen geringeren Wert, nämlich einen prozentualen Teil der Darlehenssumme in Ansatz zu bringen, wie es die Beschwerde zunächst mit der Hälfte der Darlehenssumme und mit Schriftsatz vom 14.08.2007 mit einem Viertel der Summe für rechtens hält. Die Beklagte beruft sich zur Begründung ihrer Beschwerde auf Entscheidungen des VG Gelsenkirchen (Beschluss vom 14.09.1998 - 15 K 2217/98 -) und des VG Arnsberg (Beschluss vom 26.10.2006 - 10 K 2324/06 -) sowie auf Entscheidungen des beschließenden Gerichts (OVG NRW, Beschlüsse vom 19.01.2001 - 16 B 1712/00 - und vom 10.08.2007 - 4 A 4415/04 -). Diesen vermag der Senat - soweit ihnen überhaupt vergleichbare Sachverhalte zugrundeliegen - nicht zu folgen. Denn es fehlt an überzeugenden sachlichen Gründen dafür, das Interesse des Klägers an der Förderung durch einen Maßnahmebeitrag hinsichtlich des Darlehensanteils nur mit der Hälfte oder gar nur einem Viertel der Darlehenssumme zu bewerten. Vielmehr wirkt sich der Umstand, dass ein Teil des Maßnahmebeitrags als Bankdarlehen geleistet wird, nach Auffassung des nunmehr für das Sachgebiet des Aufstiegsfortbildungsförderungsrechts zuständigen Senats nicht messbar mindernd auf das Interesse des Klägers daran aus, den gesamten Maßnahmebeitrag als Förderung zu erhalten.

Zwar mag der wirtschaftliche Wert eines verzinslichen Darlehens geringer als derjenige eines zinsfreien und der wirtschaftliche Wert eines Zuschusses höher als der eines Darlehens sein.

Vgl. zu diesem Aspekt OVG NRW, Beschluss vom 22.09.2000 - 16 A 5716/97 -, NVwZ-RR 2001, 412.

Aus diesen Erwägungen lässt sich aber im vorliegenden Fall schon deswegen kein sachlicher Grund dafür ableiten, das Interesse als in bestimmter Höhe reduziert zu bewerten, weil sich solche Vergleichsfragen für denjenigen, der Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz erstrebt, nicht stellen. Dieses Gesetz sieht als Förderungsart für die Kosten einer Lehrveranstaltung ausschließlich die in § 12 des Gesetzes bestimmte Aufsplittung des Maßnahmebeitrags in Zuschuss und Bankdarlehen vor. Aus dem Gesetz ergeben sich daher keine Anhaltspunkte dafür, das Interesse an je nach angestrebter Maßnahme unterschiedlichen Förderungsarten verschieden zu gewichten. Das Interesse des Klägers geht ausschließlich dahin, für seine angestrebte Fortbildungsmaßnahme Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz in der dort (allein) vorgesehenen Förderungsart zu erhalten. Dass ihm ein Teil der Förderung nur in Form eines Bankdarlehens gewährt wird, mindert sein Interesse mangels anderweitiger Förderungsarten nicht greifbar. Dem entspricht die Rechtsprechung der Zivilgerichte, wonach für den Streitwert einer Klage auf Gewährung eines Darlehens der Darlehensbetrag unabhängig von den Vertragskonditionen maßgeblich ist.

Vgl. BGH, Beschluss vom 18.06.1959 - VII ZR 155/58 -, NJW 1959, 1493.

Dieser Wertung steht nicht entgegen, dass der Gegenstandswert im Ausbildungsförderungsrecht bei Klagen auf Änderung der Leistungsform (Klage auf Zuschuss und zinsfreies Darlehen anstelle des bewilligten Bankdarlehens) nur mit einem Teil der bewilligten Förderung anzusetzen ist.

Vgl. hierzu den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 7/2004, Nummer 7.4, NVwZ 2004, 1328; OVG NRW, Beschluss vom 22.09.2000 - 16 A 5716/97 -, a.a.O.; VG Hamburg, Beschluss vom 28.10.1997 - 2 VG 1023/97 -, juris; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, GKG Anhang I B § 52 Rdnr. 16.

Das ist nämlich deswegen gerechtfertigt, weil dem Kläger in diesen Fällen bereits dem Grunde nach Förderung bewilligt und ein Teil seines Interesses damit schon befriedigt worden ist. Der allein erstrebte Wechsel der Förderungsart stellt bezogen auf das Gesamtinteresse des Klägers daran, für eine Ausbildung Förderung zu erhalten, nur ein Teilinteresse dar, das mit einem Anteil der (vormals) bewilligten Förderungssumme ermessensgerecht erfasst wird. Für eine solche Differenzierung besteht aber in Fällen, in denen Förderung zugleich dem Grunde nach, in bestimmter Höhe und der zugehörigen Förderungsart nach begehrt wird, kein sachlicher Grund.

Schließlich fehlt es auch angesichts der günstigen Rückzahlungsmodalitäten für ein Bankdarlehen nach § 12 Abs. 1 Satz 3 AFBG an überzeugenden Gründen dafür, das Interesse an einem solchen Darlehen nur mit der Hälfte oder gar einem Viertel des Wertes eines zinsfreien Darlehens (etwa nach § 17 Abs. 2 BAföG) zu veranschlagen. Nach der Rechtsprechung des BVerwG führt die Berücksichtigung der günstigen Rückzahlungsmodalitäten für zinsfreie Darlehen nach dem BAföG dazu, dass die Ausbildungsförderung, auch soweit sie als Darlehen gewährt wird, im Zeitpunkt der Bewilligung eine Leistung ist, die den Lebens - und Ausbildungsbedarf des Auszubildenden nach § 11 Abs. 1 BAföG im Umfang der Leistungsgewährung auf Dauer sichert; bei der Bewertung des wirtschaftlichen Interesses an der Leistung ist daher, wenn die Leistung nicht als Zuschuss, sondern als zinsfreies Darlehen begehrt wird, der volle Betrag anzusetzen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.04.1986 - 5 B 104.84 -, Buchholz, 360 § 13 GKG Nr. 10.

Diese Wertung zugrundegelegt, erscheint es nicht gerechtfertigt, allein aus der Zinspflicht für ein Darlehen nach § 12 Abs. 1 Satz 3 AFBG eine Minderung seines wirtschaftlichen Wertes um 50 oder 75 % der Darlehenssumme herzuleiten. Denn wenn das Interesse, einen Betrag als Zuschuss zu erhalten - ihn also nicht zurückzahlen zu müssen -, demjenigen entspricht, den Betrag als zinsfreies Darlehen zu erhalten - ihn also zurückzahlen zu müssen-, dann ist es nicht plausibel, bei einer Gegenüberstellung des wirtschaftlichen Wertes eines zinsfreien und eines verzinslichen Darlehens Letzteres mit einem Wertabschlag in einer der genannten Höhen zu versehen. Hinzu kommt, dass die Rückzahlungsmodalitäten eines Bankdarlehens nach § 12 Abs. 2 AFBG ähnlich günstig sind wie die für ein Darlehen nach § 17 Abs. 2 BAföG: Das Darlehen ist nach §§ 12 Abs. 1 Satz 3, 13 Abs. 3 AFBG während der Dauer der Maßnahme und einer anschließenden Karenzzeit von zwei bis sechs Jahren zins- und tilgungsfrei; für Existenzgründer bestehen Stundungs- und Erlassregelungen (§ 13 Abs. 6), ebenfalls wird Teilzeiterwerbstätigen und Eltern die Rückzahlung unter bestimmten Voraussetzungen gestundet (§ 13 Abs. 7 Satz 1 AFBG); die Darlehensschuld erlischt mit dem Tod des Darlehensnehmers (§ 13 Abs. 9 AFBG), und für Einkommensschwache besteht die Möglichkeit der Stundung und Freistellung von der Rückzahlung (§§ 13 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, 13 a AFBG). Auch bei einer Gegenüberstellung des wirtschaftlichen Wertes eines Zuschussbetrages und eines Darlehensbetrages nach § 12 Abs. 1 Satz 3 AFBG zeigt sich daher, dass nicht nur der Zuschuss, sondern auch ein Bankdarlehen den Fortbildungsbedarf für den Maßnahmeteilnehmer im Umfang des § 10 AFGB für die Dauer der Maßnahme sichert.

Ende der Entscheidung

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