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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 12.03.2009
Aktenzeichen: 20 A 1251/07
Rechtsgebiete: LWG NRW, WHG


Vorschriften:

LWG NRW § 58 Abs. 2 Satz 1
LWG NRW § 58 Abs. 3 Satz 1
WHG § 18b
WHG § 18a Abs. 1 Satz 3
WHG § 7a
WHG § 18b Abs. 1 Satz 1
WHG § 18b Abs. 1 Satz 2
Die Genehmigung innovativer Methoden der Abwasserbehandlung bedarf der positiven Anerkennung ihrer technischen Eignung in der Praxis.

Der deponietechnische Sicherheitsstandard für Basisabdichtungen von Langzeitlagern kann auf die Entwässerung von Klärschlamm aus Sickerwasserbehandlungsanlagen in Erdbecken übertragen werden.


Tatbestand:

Die Klägerin betreibt zur Behandlung des auf einer kommunalen Deponie anfallenden Sickerwassers eine Kläranlage. Sie beabsichtigt, den hierbei anfallenden dünnflüssigen Klärschlamm in mit Schilf bepflanzten Erdbecken zu entwässern und zu vererden, um ihn anschließend zu verwerten. Die Erdbecken sollen durch eine 0,2 cm starke Kunststoffdichtungsbahn gegenüber dem Untergrund abgedichtet werden. Den Antrag der Klägerin auf Genehmigung der Anlage lehnte der Beklagte ab. Er hält eine Basisabdichtung in Anlehnung an die Kriterien der Deponieverordnung für Deponien oder Langzeitlager der Klasse II für erforderlich. Das VG gab der Klage der Klägerin statt. Auf die Berufung des Beklagten wies das OVG die Klage ab.

Gründe:

Die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung nach § 58 Abs. 2 Satz 1 LWG NRW sind nicht erfüllt. Die Genehmigung darf nach § 58 Abs. 3 Satz 1 LWG NRW nur versagt oder mit Nebenbestimmungen verbunden werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit es erfordert. Sie ist danach wie beantragt zu erteilen, wenn nicht das Wohl der Allgemeinheit ihre Versagung oder Nebenbestimmungen erfordert. Die Erteilung der von der Klägerin begehrten Genehmigung ist daher dadurch bedingt, dass Bau und Betrieb der geplanten Anlage das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigen (vgl. auch § 18a Abs. 1 Satz 1 WHG). Das ist nicht der Fall und kann auch nicht durch der Genehmigung beizufügende Nebenbestimmungen sichergestellt werden.

Das Wohl der Allgemeinheit wird konkretisiert durch § 18b WHG. Abwasserbehandlungsanlagen gehören zu den Abwasseranlagen im Sinne dieser Vorschrift. Denn unter Abwasseranlagen sind alle Einrichtungen zu verstehen, die einer der in § 18a Abs. 1 Satz 3 WHG genannten Funktionen dienen. Abwasseranlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass die Anforderungen an das Einleiten von Abwasser insbesondere nach § 7a WHG eingehalten werden (§ 18b Abs. 1 Satz 1 WHG). Im Übrigen gelten für Errichtung und Betrieb von Abwasseranlagen die allgemein anerkannten Regeln der Technik (§ 18b Abs. 1 Satz 2 WHG). Bezogen auf die Basisabdichtung der hier in Rede stehenden Erdbecken zur Entwässerung von Klärschlamm ist danach das Anforderungsniveau der allgemein anerkannten Regeln der Technik maßgebend. Der in die Erdbecken einzubringende Klärschlamm ist aus dem Sickerwasser zu dessen Reinigung vor dem Einleiten in ein Gewässer abgetrennt worden und scheidet als Rückstand der Reinigung für ein Einleiten von vornherein aus. Es geht nicht um die Maßnahmen zur Begrenzung der Schadstofffracht des Sickerwassers vor dessen Einleiten in ein Gewässer, worauf sich die Anforderungen nach § 7a, § 18b Abs. 1 Satz 1 WHG beziehen, sondern um Anlagenteile, die dazu dienen, den gerade aufgrund der Reinigungsleistung der Sickerwasserbehandlungsanlage anfallenden Klärschlamm ordnungsgemäß zu entsorgen.

Die für die Errichtung und den Betrieb von Abwasseranlagen in Betracht kommenden Regeln der Technik sind insbesondere die von der obersten Wasserbehörde durch Bekanntgabe im Ministerialblatt eingeführten technischen Bestimmungen (§ 57 Abs. 1 LWG NRW). Unabhängig von einer solchen Einführung sind als allgemein anerkannte Regeln der Technik diejenigen Prinzipien und Lösungen für die Konstruktion, Beschaffenheit und Wirkungsweise von Anlagen anzusehen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30.9.1996 - 4 B 175.96 -, ZfW 1997, 173, und vom 18.12.1995 - 4 B 250.95 -, ZfW 1997, 23.

Zielrichtung von § 18b Abs. 1 Satz 2 WHG ist es damit, im Interesse eines möglichst sicheren Schutzes der durch Bau und Betrieb von Abwasseranlagen gefährdeten Güter ausschließlich hinreichend fachlich abgesicherte und praktisch erprobte, von Praktikern mehrheitlich technisch gebilligte, Abwasseranlagen zu errichten und zu betreiben. Dabei ist die betreffende Anlage insgesamt in ihrer baulichen, technischen und betrieblichen Ausgestaltung in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass es für die hergebrachten Methoden der Abwasserbehandlung eine ganze Reihe von praktisch angewandten Verfahrensweisen gibt, die in vielfacher Hinsicht Anforderungen aus technischen Regelwerken unterliegen, die als allgemein anerkannte Regeln der Technik angesehen werden.

Vgl. Nisipeanu, Abwasserrecht, S. 38 ff., 187 f.; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl., § 18b Rdnr. 5.

Das schließt die Weiterentwicklung und Anwendung noch nicht in allen Einzelheiten betrieblich erprobter und bewährter Methoden nicht aus. Jedoch geht die Bindung an die allgemein anerkannten Regeln der Technik mit einem konservativen Ansatz für die Festlegung der zur Lösung bestimmter Fragen im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen einher. Für innovative, bislang nicht erprobte und bewährte Techniken und Verfahrensweisen bedeutet dies, dass sie nicht ohne weiteres zulässig sind, bis sich eine entgegenstehende allgemein anerkannte Regel der Technik herausbildet, sondern dass sie im Gegenteil grundsätzlich unzulässig sind, bis eine allgemein anerkannte Regel der Technik besagt, dass auch sie den Anforderungen gerecht werden. Die technische Eignung innovativer Methoden bedarf insofern nicht der Widerlegung, sondern der Anerkennung in der Praxis. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich hieraus, dass eine nicht dem Bereich der bislang allgemein anerkannten Regeln der Technik unterfallende Ausgestaltung einer Abwasseranlage allenfalls dann zugelassen werden darf, wenn positiv festgestellt werden kann, dass sie hinsichtlich der Wahrung des Gewässerschutzes jedenfalls die Qualität von Anlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erreicht. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sie das Gefährdungspotential in einer Weise bewältigt, die anderweitig anerkanntem Vorgehen entspricht. Eines Rückgriffs auf den allgemeinen wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz nach § 34 Abs. 2 Satz 1 WHG bedarf es dabei nicht.

Unabhängig von weiteren Einzelheiten der allgemein anerkannten Regeln der Technik ist nicht zweifelhaft, dass Abwasseranlagen gegenüber dem Untergrund nach allgemeinen Baugrundsätzen dicht sein müssen. Hiervon gehen die Beteiligten übereinstimmend aus; streitig sind allein die Kriterien, unter denen die Dichtigkeit als gegeben anzunehmen ist. Das Anforderungsniveau nach § 7a WHG für das Einleiten von Abwasser in Gewässer macht Sinn gerade deshalb, weil Abwasser nicht ungeordnet aus Abwasseranlagen austreten darf und nicht mit seiner Schadstofffracht in den Untergrund und/oder die Gewässer gelangen darf. Beispielhaft wird das in der DIN 4261-1 über Kleinkläranlagen, in der allgemein anerkannte Regeln der Technik verlautbart sind,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.9.2008 - 20 B 1219/07-,

dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es zu den Werkstoffen und der Ausführung heißt, die Anlagen müssten standsicher, dauerhaft, wasserdicht und korrosionsbeständig sein (Nr. 5.2.1). Bei der Sicherstellung dieser Anforderungen in den Blick zu nehmen sind die Belastungen und Beanspruchungen, die bezogen auf ein mögliches Austreten von Inhaltsstoffen aus der jeweiligen Anlage einzustellen sind.

Ein spezifisches technisches Regelwerk für Erdbecken zur Entwässerung von Klärschlamm, dessen Inhalt auch als allgemein anerkannte Regel der Technik für die Basisabdichtung angesehen werden könnte, gibt es nicht, insbesondere nicht mit der von der Klägerin zur Genehmigung gestellten Abdichtung ausschließlich mit einer 0,2 cm starken Kunststoffdichtungsbahn. Auch ist nicht ersichtlich, dass zu dieser Fragestellung eine der üblicherweise in Bezug auf den Umgang mit Abwasser als allgemein anerkannte Regel der Technik in Betracht kommenden Quellen in Gestalt einer DIN-Norm, eines DWA-Merk- oder Arbeitsblatts oder eines ATV-Hinweisblatts existiert. Das gilt umso mehr für Klärschlamm, der - wie hier - nicht aus einer Beseitigung von kommunalem Abwasser herrührt, sondern aus der Behandlung von Deponiesickerwasser, die ausweislich der Begründung zum Genehmigungsantrag 2002 darauf ausgerichtet ist, u. a. durch die Abtrennung des Klärschlamms die Zuführung des Sickerwassers zu einer kommunalen Kläranlage zu ermöglichen. Eine allgemeine, sich etwa in verbreiteter Anwendung äußernde Anerkennung der Technik, Erdbecken zur Entwässerung von Klärschlamm, was ihre Dichtigkeit anbelangt, wie das Vorhaben der Klägerin zu gestalten, ist auch sonst nicht festzustellen.

Der Hinweis der Klägerin auf eine Klärschlammvererdungsanlage in K., die mit einer Kunststoffdichtungsbahn von 0,2 cm ausgestattet ist, ist insofern unergiebig. Der Beklagte tritt der Repräsentativität dieser Anlage hinsichtlich der Basisabdichtung substantiiert entgegen. Er verweist auf Anlagen, die über eine technisch wesentlich aufwändigere Abdichtung verfügen, nämlich über den im angefochtenen Bescheid für erforderlich gehaltenen Abdichtungsaufbau. Das lässt jedenfalls den Schluss zu, dass die Diskussion über die notwendigen Vorkehrungen zur Abdichtung derartiger Anlagen noch in einer Weise im Fluss ist, dass sich eine Abdichtung nur mittels der von der Klägerin vorgesehenen Kunststoffdichtungsbahn bislang nicht mehrheitlich in der Praxis durchgesetzt hat. Die Klägerin hat in ihrer Begründung zum Genehmigungsantrag 2002 selbst ausgeführt, eine 1998 in W. in Betrieb genommene Vererdungsanlage für Klärschlamm aus der Reinigung von Deponiesickerwasser sei eine Pilotanlage gewesen, weil das Verfahren der Klärschlammentwässerung bislang nur für Schlämme aus der Reinigung kommunaler Abwässer angewendet worden sei; es handele sich um eine innovative Alternative zur konventionellen Entwässerung von Schlamm. Der diesen Erläuterungen beigefügte, bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Bericht des die Anlage betreuenden Ingenieurbüros verhält sich nicht im Detail über die Abdichtung, die hierbei angenommenen Beanspruchungen, erwogenen Lösungsmöglichkeiten und Vor- wie Nachteile der einzelnen Abdichtungsalternativen im Hinblick auf den Schutz des Bodens und der Gewässer; nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist die Anlage in Betonbecken untergebracht. Die Vererdungsanlage in K. ist, wie dem von der Klägerin genannten Internet-Auftritt des die Planung und Herstellung durchführenden Unternehmens zu entnehmen ist, eine solche zur Entwässerung des Klärschlamms aus einer Kläranlage für kommunales Abwasser. Des weiteren bestätigen die Erwägungen der Klägerin zu mit ihrem Vorhaben vergleichbaren Anlagen, dass ihr Vorhaben zwar nicht singulären Charakter hat, aber durchaus neuartig ist und von den Methoden abweicht, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Dabei kann - ohne dass dies näherer Ausführungen oder gar Ermittlungen bedürfte - auch nicht zweifelhaft sein, dass eine Kunststoffdichtungsbahn mit einer Stärke von 0,2 cm als einziges Mittel der Basisabdichtung einer Abwasser-/Klärschlammbehandlungsanlage gegenüber einer hergebrachten Ausführung in Beton der notwendigen Qualität tendenziell ein Weniger an Sicherheit erreicht. Schon unter dem Gesichtspunkt der Haltbarkeit bei mechanischen Beanspruchungen, wie sie bei der - zumal mehrfachen - Räumung der Erdbecken auftreten können, ist unübersehbar, dass Fragen der Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Baustoffe, also auch solche der unterschiedlichen Gütekriterien, aufgeworfen sind

Im Übrigen sprechen sogar gegen die Annahme, dass die von der Klägerin vorgesehene Abdichtung der Erdbecken den allgemein anerkannten Regeln der Technik genügt, die Anforderungen, die in abfallrechtlichen Regelungszusammenhängen an Langzeitlager der Klasse 2 gestellt sind und beinhalten, dass eine Basisabdichtung - in erster Linie - aus einer mineralischen Dichtungsschicht von mindestens 0,5 m sowie einer Kunststoffdichtungsbahn von mindestens 0,25 cm - oder aus gleichwertigen Komponenten oder einer gleichwertigen Kombination von Komponenten - erstellt wird (§ 2 Nr. 22, § 3 Abs. 2, § 16 Abs. 1 Satz 2 DepV i.V.m. Anhang 1 Nr. 1). Insofern steht nicht eine analoge Anwendung von Rechtsvorschriften auf einen von ihnen eigentlich nicht erfassten Sachverhalt in Rede. Vielmehr liegen den abfallrechtlich durch die Deponieverordnung vorgegebenen Kriterien technische Risiko- und Sicherheitseinschätzungen zu Grunde; die rechtliche Konkretisierung der technischen Notwendigkeiten beruht auf fachlichen Kenntnissen und Bewertungen und bewirkt gleichzeitig in ihrer Umsetzung eine allgemeine und anerkannte Praxis. Der sich hieraus ergebende technische Standard kann auf die geplante Klärschlammentwässerung in Erdbecken übertragen werden, weil bei risiko- und sicherheitsbezogener Betrachtung in den zentralen Punkten eindeutige Parallelen zwischen der Klärschlammentwässerung und Langzeitlagern der Klasse 2 bestehen. Die Berücksichtigung der Maßgaben der Deponieverordnung ist deshalb sachlich gerechtfertigt.

Die durch dieses Regelwerk vorgegebenen Maßstäbe für das Sicherheitsniveau von Langzeitlagern der Klasse 2 beziehen sich auf den Schutz der auch wasserrechtlich relevanten Schutzgüter. Ein tragfähiger Grund für die Annahme, dass bei der (Langzeit-)Lagerung von Abfällen, die bei einem Langzeitlager zur Zuordnung zur Klasse 2 und zur Anwendung der entsprechenden Abdichtungskriterien führen, das Schutzbedürfnis und die Schutzwürdigkeit über dasjenige hinausgehen, was wasserrechtlich beim Entwässern von Klärschlamm im Zusammenhang mit der Sickerwasserbeseitigung aus eben solchem Abfall zu beachten ist, ist nicht gegeben. Zwar ist der abfallrechtlich einzuhaltende Standard der Abdichtung von Langzeitlagern ausgerichtet am Stand der Technik (u. a. § 12 Abs. 1, § 31 Abs. 1 KrW-/AbfG, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 7 BImSchG). Ferner ist zwischen dem Stand der Technik und dem Anforderungsniveau der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu unterscheiden. Dieser Unterschied wirkt sich aber vorliegend nicht aus. Denn die abfallrechtlichen technischen Anforderungen an die Abdichtung von Langzeitlagern der Klasse 2 geben zugleich das insofern erprobte und bewährte, in der Praxis realisierte Sicherheitsniveau wieder. Das folgt schon daraus, dass die Anforderungen, die die Deponieverordnung bezogen auf die Basisabdichtung enthält, sich hinsichtlich Deponien mit denjenigen der schon seit den 1990er Jahren zu beachtenden TA-Siedlungsabfall (dort Nr. 10.4.1.3.2) decken. Sie sind durch die Deponieverordnung lediglich rechtstechnisch in den Rang einer Verordnung gehoben und zugleich inhaltlich auf Langzeitlager erstreckt worden; bezogen auf Langzeitlager ist zudem zu berücksichtigen, dass nach der TA-Siedlungsabfall (Nrn. 2.2.1, 7.1.4) auch bloße Zwischenlager so abzudichten waren, dass der Untergrund nicht verunreinigt werden konnte. Ferner erfüllt der in die Erdbecken gelangende Klärschlamm als Rückstand aus der Sickerwasserbehandlung die Merkmale des Abfallbegriffs (§ 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG). Seine Entwässerung unterfällt, fehlt es am Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung, von vornherein dem Abfallrecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG, § 18a Abs. 1 Satz 3, § 18b WHG). Darüber hinaus ist Ausgangsmaterial für die festen Inhaltsstoffe des Klärschlamms vorliegend der auf der Deponie abgelagerte Abfall, was einen hinter abfallrechtlichen Maßstäben für die Sicherheit gegenüber Boden- und Gewässerverunreinigungen zurückbleibenden technischen Standard bei der Aufbewahrung des Klärschlamms vor dessen Entsorgung von vornherein fragwürdig erscheinen lässt.

Der Übertragung der technischen Risiko- und Sicherheitseinschätzung, die die Deponieverordnung bezogen auf die Basisabdichtung von Langzeitlagern der Klasse 2 enthält, auf das Vorhaben der Klägerin steht nicht entgegen, dass Langzeitlager als Anlagen zum Lagern von Abfällen definiert sind (§ 2 Nr. 19 DepV, Nr. 8.14 des Anhangs zur 4. BImSchV), während der Klärschlamm in den Erdbecken über seine bloße Aufbewahrung hinaus zielgerichtet chemischen und/oder physikalischen Veränderungen ausgesetzt sein soll. Entscheidend für die Heranziehung der Kriterien der Deponieverordnung zur Beurteilung der Basisabdichtung der Erdbecken sind, wie ausgeführt, nicht die - von normativen Voraussetzungen abhängigen - Rechtswirkungen der in Frage stehenden Bestimmungen, sondern der sich in ihnen niederschlagende technische Sachverstand hinsichtlich der Beurteilung der von den erfassten Vorgängen ausgehenden Risiken für die Schutzgüter und der Erfordernisse zur Bewältigung der Risiken. Bezogen hierauf fällt ins Gewicht, dass die Erdbecken mehrmals über jeweils acht Jahre hinweg mit Klärschlamm beschickt werden sollen, wobei sich die Becken nach und nach mit den Feststoffen des Klärschlamms füllen. Das ist ein deponieähnlicher Prozess mit dem Unterschied, dass der angesammelte Klärschlamm im Abstand von etwa acht bis zehn Jahren aus den Becken entfernt werden soll, wodurch die Becken erneut zur Befüllung mit - zunächst - dünnflüssigem Klärschlamm verfügbar werden. Dementsprechend findet in den Becken die Ansammlung und Aufbewahrung des Klärschlamms zwar zur späteren Verwendung und nur für begrenzte Zeit, also vorübergehend, statt, jedoch über einen so langen Zeitraum, dass die Situation unverkennbar deutliche Parallelen zu einem Langzeitlager aufweist. Ungeachtet einer in diesem Zeitraum auch stattfindenden Behandlung des Klärschlamms wird ein Zustand geschaffen, bei dem sich der Klärschlamm lange über die abfallrechtlich für ein Langzeitlager für maßgebend erachtete Mindestdauer von einem Jahr (§ 2 Nr. 19 DepV, Nr. 8.14 des Anhangs zur 4. BImSchV) bzw. drei Jahren (§ 1 Abs. 3 Nr. 6 DepV) hinaus an Ort und Stelle befindet. Unter dem Gesichtspunkt der Risiken für Boden und Gewässer und der technisch zu gewährleistenden Schadlosigkeit des Umgangs mit den in den Erdbecken befindlichen Materialien macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob zu der bloßen Aufbewahrung des Klärschlamms eine Veränderung seiner Beschaffenheit noch hinzutritt.

Ferner ist das Funktionieren der Basisabdichtung der Erdbecken nach deren erstmaliger Beschickung, nicht anders als bei einem Langzeitlager, einer umfassenden Überprüfung entzogen. Denn auf die Kunststoffdichtungsbahn werden eine Filterschicht sowie eine Substratschicht aufgebracht, die auch bei der wiederkehrenden Räumung des Klärschlamms in den Erdbecken verbleiben sollen. Mangels spezifischer Vorkehrungen zur Leckageüberwachung bleibt, wie bei einem Langzeitlager, nur die Möglichkeit der Überwachung der Umgebung auf Auffälligkeiten etwa durch Grundwasserbeobachtungsbrunnen, wobei hier zusätzlich unter Umständen die Notwendigkeit entsteht, die Einflüsse der Deponie von denen der Erdbecken abzugrenzen; der Hinweis der Klägerin auf eine Dichtigkeitskontrolle mittels einer bei Deponien gängigen Wasserbilanz bestätigt die Vergleichbarkeit der Problemstellung. Die Überdeckung der Kunststoffdichtungsbahn wird bis zur endgültigen Beseitigung der Erdbecken andauern, mit der nach den Vorstellungen der Klägerin frühestens in etwa 30 Jahren gerechnet werden kann. Ein derartig langer Zeitraum spricht gerade auch hinsichtlich der Lebensdauer und Langzeitbeständigkeit einer Basisabdichtung vor dem Hintergrund der Beanspruchungen u. a. durch die in die Erdbecken gelangenden, aus der Deponie herrührenden und in direkten Kontakt mit der Kunststoffdichtungsbahn geratenden Schadstoffe für Einwirkungen auf die Abdichtung, wie sie in vergleichbarer Weise bei einem Langzeitlager mit austretendem Sickerwasser auftreten und dort zu beherrschen sind. Dass die Betriebszeit der Erdbecken gleichwohl begrenzt ist und nicht wie bei einer Deponie auf einen endgültigen Verbleib der eingebrachten Stoffe zielt, betrifft die Ähnlichkeit des Vorhabens mit einer Deponie, mindert aber nicht die Parallelen des Vorhabens zu einem Langzeitlager. Sinn und Zweck der Anforderungen an die Basisabdichtung auch eines Langzeitlagers ist es gerade, die Funktionsfähigkeit der Abdichtung solange zu sichern, wie eine Gefährdung des Bodens und der Gewässer durch potentiell aus der Anlage austretende Stoffe gegeben ist.

Dem Umstand, dass der Klärschlamm dem Sickerwasser nach der biologischen Behandlungsstufe und der dort bewirkten Herabsetzung der organischen Belastung entzogen wird, kommt hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Situation mit derjenigen bei einem Langzeitlager der Klasse 2 keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Zuordnung von Langzeitlagern zu den einzelnen Klassen und den hiernach gestuften Sicherheitskriterien hinsichtlich der Abdichtung bestimmt sich, soweit hier von Belang, im wesentlichen nach der Höhe des organischen Anteils der gelagerten Abfälle. Die von der Klägerin vorgelegten chemischen Analysen ergeben einen organischen Anteil des Klärschlamms, der trotz der von der Klägerin geschilderten Ausstattung und Qualität ihrer Sickerwasserbehandlungsanlage noch deutlich oberhalb der Schwelle liegt, bei der eine Einstufung als Langzeitlager der Klasse 2 vorzunehmen ist. Ferner geht die Schadstoffbelastung des Klärschlamms von derjenigen des Sickerwassers aus, die entscheidend von der nicht im einzelnen bekannten Zusammensetzung der abgelagerten Abfälle und deren Auslaugverhalten abhängt; die in den letzten Jahren an die Abfälle gestellten Anforderungen können insofern angesichts der Laufzeit der Deponie und der früheren Ablagerungskriterien nicht als maßgebend betrachtet werden. Die biologische Behandlung des Sickerwassers wirkt sich ohnehin nur auf einen Teil seiner Inhaltsstoffe aus, die auch für das dem Klärschlamm innewohnende Gefährdungspotential bedeutsam sind. Auch eine den chemischen Analysen zufolge möglicherweise gegebene landwirtschaftliche Verwertbarkeit des Belebtschlamms ist jenseits der Frage der Repräsentativität der Befunde für den Klärschlamm nach dessen Entwässerung in den Erdbecken nicht geeignet, die Übertragbarkeit der Erkenntnisse, auf denen die Erfordernisse bei einem Langzeitlager der Klasse 2 beruhen, zu erschüttern. Bei der Basisabdichtung geht es um das Problem eines potentiell ungeordneten und unkontrollierten punktuellen und lang andauernden Eintrags von Stoffen in den Boden und das Grundwasser, durch die die natürlichen Gegebenheiten unter Umständen erheblich beeinträchtigt werden. Das ist etwas grundlegend anderes als eine landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm unter Beachtung der einschlägigen Vorgaben der Klärschlammverordnung; dass Klärschlamm unter bestimmten Voraussetzungen, nicht zuletzt in bestimmten Mengen und kontrolliert, zu landwirtschaftlichen Zwecken ausgebracht werden darf, sagt über die Anforderungen zum Schutz des Bodens und der Gewässer bei einer ausschließlich für Klärschlamm vorgesehenen Deponie oder einem entsprechenden Langzeitlager nichts Entscheidendes aus.



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