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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 21 A 2664/05
Rechtsgebiete: GG, BeamtVG, EStG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 5
BeamtVG § 53 Abs. 7
EStG § 2 Abs. 1
EStG § 2 Abs. 2
Ein Kommanditist, der von der Finanzverwaltung als Mitunternehmer angesehen und deshalb zu Einkünften aus Gewerbebetrieb veranlagt wird, bezieht nur dann im Sinne von § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG Erwerbseinkommen, wenn die (steuerlichen) Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf einer die Arbeitskraft des Ruhestandsbeamten nennenswert beanspruchenden erwerbswirtschaftlichen Betätigung beruhen.
Tatbestand:

Der Kläger ist ein vor dem Erreichen der Altersgrenze in den einstweiligen Ruhestand versetzter Beamter. Er ist als Kommanditist an einer KG beteiligt und bezieht aus dieser Beteiligung Einkünfte, die von der Finanzverwaltung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gewertet werden. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass mit der vom Kläger geerbten Beteiligung keinerlei Geschäftstätigkeit verbunden ist. Mit seiner in zweiter Instanz erfolgreichen Klage wandte sich der Kläger gegen die auf § 53 BeamtVG gestützte Regelung der Versorgungsbezüge durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung.

Gründe:

Die steuerlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gewerteten Einnahmen des Klägers aus seinem Kommanditanteil bei der KG unterliegen nicht der Ruhensvorschrift des § 53 BeamtVG.

Nach § 53 Abs. 1 BeamtVG erhält ein Versorgungsberechtigter, der Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen bezieht (Abs. 7), daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze. Erwerbseinkommen sind u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG).

Diese Vorschrift ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nur die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen sind, die auf einer die Arbeitskraft des Ruhestandsbeamten nennenswert beanspruchenden erwerbswirtschaftlichen Betätigung beruhen.

Zwar mag der Wortlaut der Bestimmung für die vom Bundesministerium des Innern vertretene Auffassung sprechen, die streitigen Einkünfte des Klägers unterlägen § 53 BeamtVG, weil sich die Vorschrift der Terminologie des Einkommensteuerrechts bedient. So ist der Begriff "Einkünfte" durch § 2 Abs. 1 und 2 EStG belegt. Bei den hier interessierenden Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) sind Einkünfte der Gewinn (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Für die Übernahme der steuerrechtlichen Begriffsbildung lassen sich Gründe der Praktikabilität anführen: Welche Einkünfte aus Gewerbetrieb der Versorgungsempfänger bezogen hat, ist Gegenstand einer fachlichen Prüfung durch die Finanzverwaltung, deren Ergebnis ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Versorgung nutzbar gemacht werden könnte. Dieses Ergebnis widerspricht jedoch dem Zweck des § 53 BeamtVG, der sich in der Entstehungsgeschichte niedergeschlagen hat. Im Gegensatz zum Verwendungseinkommen (vgl. § 53 Abs. 8 BeamtVG) ist Einkommen aus einer Betätigung in der Privatwirtschaft erst auf Grund des BeamtVGÄndG vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2218) einer Ruhensregelung unterworfen worden. Dem mit Wirkung vom 1.1.1992 in das Beamtenversorgungsgesetz eingefügten § 53a ging es darum zu verhindern, dass der vor dem Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand versetzte und damit von der Pflicht zur Dienstleistung befreite Versorgungsempfänger die gewonnene Freizeit zur Erzielung von Erwerbseinkommen nutzen kann, gleichwohl aber um soziale Komponenten aufgewertete Versorgungsbezüge bezieht. Die Beschränkung der Ruhensregelung auf nicht "erdiente" Teile der Versorgung ist durch das Versorgungsreformgesetz 1998 vom 29.6.1998 (BGBl. I S. 1666) mit Wirkung vom 1.1.1999 aufgegeben worden. § 53a bezog sich nur noch auf Wahlbeamte auf Zeit. Seitdem erfasst § 53 Erwerbseinkommen unabhängig davon, ob es aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst stammt. Der Gesetzgeber begründete die Aufgabe der früheren Unterscheidung nach erdienten und nicht erdienten Teilen einer Versorgung damit, die geltenden Vorschriften seien unzureichend und geeignet, Frühpensionierungen zu begünstigen. Insbesondere die bisherige Unterscheidung zwischen Einkommen innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes führe zu oftmals nicht nachvollziehbaren Ergebnissen. Die Begrenzung der Hinzuverdienstmöglichkeiten aus privater Tätigkeit bis zur allgemeinen Altersgrenze dämpfe die Attraktivität der Frühpensionierung, die nicht zum Ziel habe, dem Beamten eine andere Erwerbsmöglichkeit zu eröffnen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Dr 13/9527 S. 40). Im Mittelpunkt der Betrachtung stand immer der vorzeitig pensionierte Versorgungsempfänger, der die gewonnene Freizeit nicht ohne Folgen für die Versorgung dazu nutzen können soll, seine Arbeitskraft auf eine lukrative Erwerbstätigkeit zu verwenden.

Nach der Entstehungsgeschichte des § 53 Abs. 7 BeamtVG liegt somit eine Interpretation nahe, bei der nicht ohne weiteres der steuerrechtlichen Wertung zu folgen, sondern darauf abzustellen ist, ob die steuerrechtlich so gewerteten Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf einer die Arbeitskraft des Versorgungsempfängers nennenswert beanspruchenden erwerbswirtschaftlichen Betätigung beruhen. Dieses Ergebnis entspricht auch einer erforderlichen verfassungskonformen Interpretation des § 53 Abs. 7 BeamtVG. Die Bestimmung muss sich an dem in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Alimentationsgrundsatz messen lassen.

Dieser Grundsatz vermittelt Beamten - im Gegenzug für die ihnen obliegende Dienst- und Treuepflicht - grundrechtsähnliche Ansprüche auf amtsangemessene Besoldung und Versorgung. Die Bezüge müssen so bemessen sein, dass dem Beamten ein Nettoeinkommen verbleibt, das eine Lebensführung ermöglicht, die unter Berücksichtigung des allgemeinen Lebensstandards Dienstrang, Bedeutung und Verantwortung des Amtes entspricht. Die Alimentation ist grundsätzlich ohne Rücksicht darauf zu gewähren, ob und inwieweit der Beamte seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen oder aus Einkünften bestreiten kann, die nicht aus öffentlichen Kassen stammen. Dies gilt aber nicht für Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit, die der Beamte gerade deshalb ausüben kann, weil er von seiner Dienstleistungspflicht freigestellt ist. Einkünfte, die ursächlich auf den Wegfall der Dienstleistungspflicht zurückzuführen sind, können auf die Bezüge angerechnet werden, so dass sich der Anspruch auf deren Auszahlung mindert. Dieser sog. Vorteilsausgleich folgt aus dem engen sachlichen Zusammenhang von Alimentation und Dienstleistung. Der Dienstherr schuldet die Alimentation als Gegenleistung dafür, dass sich der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und die übertragenen Aufgaben nach Kräften erfüllt. Die Freistellung vom Dienst trägt ausschließlich dem Umstand Rechnung, dass der Beamte außer Stande ist, die geschuldete Dienstleistung zu erbringen. Sie soll ihm nicht Gelegenheit geben, an Stelle des Dienstes einer anderweitigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und sich dadurch wirtschaftlich besser zu stellen, als er im Falle der Dienstleistung stünde. Demzufolge bedürfen gesetzliche Anrechnungs- und Ruhensregelungen, durch die ein Vorteilsausgleich herbeigeführt wird, grundsätzlich keiner weiteren Rechtfertigung, um vor Art. 33 Abs. 5 GG Bestand zu haben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.2005 - 2 C 39.03 -, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/C III 1.5 Nr. 4.

Hiervon ausgehend hat das BVerwG die Regelung des § 53 BeamtVG als mit dem Alimentationsgrundsatz vereinbar angesehen, auch soweit sie die Anrechnung von Einkünften auf die Versorgungsbezüge vorschreibt, die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamte bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze durch eine Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 18.9.1997 - 2 C 35.96 -, BVerwGE 105, 226, und vom 27.1.2005 - 2 C 39.03 -, a.a.O.

Darüber hinaus sind die Grundsätze des Vorteilsausgleichs auch auf die Beamten anzuwenden, die - wie der Kläger - aufgrund des § 38 LBG NRW in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden und Erwerbseinkommen erzielen. Die Grundsätze des Vorteilsausgleichs beschränken sich nicht auf Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden. Die Formulierung des BVerwG "dass der Beamte außer Stande ist, die geschuldete Dienstleistung zu erbringen" ist nicht auf gesundheitliche Gründe beschränkt. Außer Stande, seinen Dienst weiter zu versehen, ist auch der sog. politische Beamte, der vor dem Erreichen der allgemeinen Altersgrenze aus dem aktiven Dienst ausscheidet. Der Grund für den Eintritt in den Ruhestand ist nicht entscheidend. Entscheidend ist zum Einen, dass das anzurechnende Einkommen nur erzielt werden kann, weil die Verpflichtung des Beamten zur Dienstleistung entfallen ist, und zum Anderen, dass die Verpflichtung zur Dienstleistung vorzeitig, d.h. vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze, entfällt, so dass das vom Gesetzgeber als angemessen erachtete zeitliche Verhältnis zwischen Dienstleistung und Ruhestand nicht erreicht wird.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.8.2005 - 1 A 5012/04 -, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht in Bund und Ländern, ES/C III 1.5 Nr. 5.

Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört auch das Lebenszeitprinzip. Das Berufsbeamtentum und seine Regelungen sind ausgerichtet auf den Lebenszeitbeamten, den Beamten also, dem ein Amt auf Lebenszeit übertragen worden ist. Das Lebenszeitprinzip erfordert allerdings nicht, dass der Beamte bis zu seinem Tod Dienst verrichtet, sondern findet seine Schranke in der Dienstunfähigkeit und der vom Gesetzgeber - nicht notwendigerweise einheitlich für alle Beamten - festzusetzenden gesetzlichen Altersgrenze. Soweit der Gesetzgeber eine Altersgrenze festlegt, geht er prinzipiell davon aus, dass das Gleichgewicht zwischen Dienstleistung und Versorgung hergestellt ist.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.1.2005 - 2 C 48.03 -, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht in Bund und Ländern, ES/C II 1 Nr. 14, und vom 27.1.2005 -2 C 39.03 -, a.a.O.

Nach einhelliger Meinung steht dem Anspruch auf amtsangemessene Alimentation im Grundsatz nicht entgegen, dass der aktive Beamte oder Versorgungsempfänger über Vermögen oder - von Ausnahmen abgesehen - über Einkommen verfügt.

Vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 25.11.1980 - 2 BvL 7,8,9/76 -, BVerfGE 55, 207; BVerwG, Urteil vom 27. 1.2005, a.a.O.

Dies betrifft insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung oder sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 5 - 7 EStG), und zwar unabhängig davon, dass auch die Pflege dieser Einkommensquellen mit dem Einsatz von Freizeit verbunden ist (Kontakt mit der Anlageberatung eines Kreditinstituts, Besuch der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, Kontakt mit Mietern und Handwerkern). Es handelt sich hier um Aktivitäten, die die von § 53 Abs. 7 BeamtVG verfolgten Zwecke nicht berühren, weil der Beamte auch während des aktiven Dienstes sein Vermögen verwalten darf, ohne auf eine Nebentätigkeitsgenehmigung angewiesen zu sein (§ 69 Abs. 1 Nr. 1 LBG NRW, § 42 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BRRG). Für eine einschränkende Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" im Zusammenhang mit Gewinnanteilen eines Kommanditisten spricht auch, dass es aus steuerrechtlicher Sicht Gründe geben kann, Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus Kapitalvermögen zu unterscheiden.

Vgl. etwa Bitz in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 15 RdNrn. 23d ff. zu den Mindestkriterien für die Anerkennung der Mitunternehmerstellung.

Dass auf dem Gebiet der Beamtenversorgung eine gleichgerichtete Interessenlage besteht, kann aus den dargelegten Gründen ausgeschlossen werden.

Damit kommt es vor dem Hintergrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 53 Abs. 7 BeamtVG darauf an, ob der Kläger als Kommanditist der KG wie ein Versorgungsempfänger Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit erzielt hat, ob also die Versetzung des Klägers in den einstweiligen Ruhestand dafür ursächlich geworden ist, dass er die in Rede stehenden Einkünfte erzielen konnte. Diese Frage ist nach den Ermittlungen des Beklagten zu seinen Lasten zu beantworten. Eine Erwerbstätigkeit ist mit der Erzielung der Einkünfte nicht verbunden. Nach der eindeutigen Erklärung der Geschäftsführung ist der Kläger weder Mitglied eines Organs der Gesellschaft noch sonst in irgendeiner Form Mitarbeiter oder in sonstiger Art und Weise für die Gesellschaft tätig. Die Gesellschafterversammlung tagt im Normalfall nur einmal im Jahr; der Kläger ist nicht eigenständig vertretungsberechtigt. Damit gleicht das Bild, das die Tätigkeit des Klägers im Rahmen der Gesellschaft vermittelt, im Wesentlichen dem Engagement eines Aktionärs auf einer Hauptversammlung. Dass die Finanzverwaltung zu dem Schluss gelangt ist, der Kläger sei aus Sicht des Einkommensteuerrechts Mitunternehmer, ist im Hinblick auf § 53 Abs. 7 BeamtVG ohne Belang.

Ende der Entscheidung

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