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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 21d A 4059/06.O
Rechtsgebiete: LBG NRW, StGB


Vorschriften:

LBG NRW § 57 Satz 2
LBG NRW § 57 Satz 3
LBG NRW § 83 Abs. 1
StGB § 21
Eine Vernachlässigung der Dienstaufsicht durch Vorgesetzte kann ggf. unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht oder des "Mitverschuldens" als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden.
Tatbestand:

Der Beamte war bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung als Polizeikommissar beim Bezirksdienst der Polizeiwache B eingesetzt. Das Polizeipräsidium R leitete das förmliche Disziplinarverfahren ein, in dem dem Beamten vorgeworfen wurde, in 11 näher bezeichneten Fällen dienstlich vereinnahmte Gelder für Vollstreckungs- und Erzwingungshaftbefehle vorschriftswidrig nicht bei der Gerichts- oder Stadtkasse eingezahlt, sondern für sich selbst verbraucht zu haben. Das Amtsgericht B verurteilte ihn wegen 11-fachen Verwahrungsbruchs jeweils in Tateinheit mit Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Monaten. Auf die Berufung des Beamten hob das LG E das Urteil auf und verurteilte den Beamten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten; die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Disziplinarkammer befand den Beamten wegen eines Dienstvergehens für schuldig und entfernte ihn aus dem Dienst. Seine auf das Disziplinarmaß beschränkte Berufung verwarf das OVG.

Gründe:

Die Disziplinarkammer hat den Beklagten zu Recht aus dem Dienst entfernt. Es steht fest, dass der Beamte die ihm obliegenden Pflichten nach § 57 Satz 2 und 3 LBG NRW schuldhaft verletzt und ein Dienstvergehen im Sinne des § 83 Abs. 1 LBG NRW begangen hat, indem er sich im innerdienstlichen Bereich in 11 Fällen wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Untreue im besonders schweren Fall schuldig gemacht hat. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Ein Beamter, der durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Der Vertrauensverlust ist anzunehmen, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 2 C 30.05 -, JURIS.

Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.

Vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 8.12.2004 - 2 BvR 52/02 -, NJW 2005, 1344, 1346.

Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (z.B. materieller Schaden). Zudem kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen an, insbesondere auf die Frage, ob es mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder davon abweicht.

Vgl. hierzu eingehend BVerwG, Urteile vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, NVwZ 2006, 469, 471 f.; und vom 22.6.2006 - 2 C 11.05 -, ZBR 2006, 385.

In Anwendung dieser Grundsätze ist das Fehlverhalten des Beamten als ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen im Kernbereich seiner Aufgaben zu bewerten. Der Beamte hat ihm dienstlich anvertrautes Geld für private Zwecke verwendet und damit ein sog. Zugriffsdelikt begangen. Ein Zugriffsdelikt liegt vor, wenn ein Beamter auf Bargeld oder gleichgestellte Werte zugreift und damit den wertmäßigen Bestand unmittelbar verkürzt. Dies ist der Fall, wenn der Beamte dienstlich erlangtes oder anvertrautes Geld unterschlägt. Auf die Art der Gewahrsamserlangung kommt es nicht an.

Vgl. zu einer bei der Deutschen Post AG begangenen Unterschlagung BVerwG, Urteil vom 10.11.1998 - 1 D 103.97 - Buchholz, 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 19; Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., 2003, S. 268, m.w.N.

Die Einstufung als Zugriffsdelikt ist auch unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung.

Vgl. Köhler/Ratz, a.a.O., S. 269 f., m.w.N.

Aufgrund der Schwere dieses Dienstvergehen ist hier die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen. Diese Indizwirkung entfällt jedoch, wenn sich im Einzelfall aufgrund des Persönlichkeitsbildes des Beamten Entlastungsgründe von solchem Gewicht ergeben, dass die prognostische Gesamtwürdigung den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauensverhältnis noch nicht vollends zerstört.

Als durchgreifende Entlastungsgründe kommen vor allem die Milderungsgründe in Betracht, die in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des BVerwG zu den Zugriffsdelikten entwickelt worden sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 2 C 9.06 -, JURIS.

Der Beamte kann sich aber nicht auf einen der anerkannten Milderungsgründe berufen.

Die Disziplinarkammer hat zutreffend das Vorliegen des Milderungsgrundes der Geringwertigkeit der Sache verneint, weil angesichts der zugeeigneten 1.476,33 Euro die Grenze zu einer nicht mehr geringwertigen Sache, die ohne starre Festsetzung bei etwa 50 Euro liegt, vgl. BVerwG, Urteil vom 11.6.2002 - 1 D 31.01 -, NVwZ 2003, 108, 109; OVG NRW, Urteil vom 22.2.2006 - 21d A 2732/04.O -, deutlich überschritten ist.

Ausnahmen von der Entfernung aus dem Dienst sind nach ständiger Rechtsprechung auch möglich, wenn ein weiterer anerkannter Milderungsgrund greift. Das kann der Fall sein bei einem Handeln aus einer unverschuldeten, unausweichlichen wirtschaftlichen Notlage, bei einer einmaligen unbedachten Gelegenheitstat in einer besonderen Versuchungssituation oder wenn die Tat als Folge einer psychischen Zwangssituation des Täters zu werten wäre oder wenn der Täter den Schaden vor Entdeckung wieder gutgemacht oder sich wenigstens dem Dienstherrn offenbart hat.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 3.9.1991 - 1 D 15.91 -, DokBer B 1992, 93; und vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, NVwZ 2006, 469, 471 f.

Von den Ausnahmegründen liegt hier nach Lage des Falles kein Handeln aus einer unverschuldeten, unausweichlichen wirtschaftlichen Notlage vor. Die Erwägungen der Disziplinarkammer haben zutreffend darauf abgestellt, dass der Beamte nach Abzug gepfändeter Lohnanteile einen Betrag von 1.200 Euro ausbezahlt erhielt. Er lebte zum damaligen Zeitpunkt mit seiner neuen Lebensgefährtin in deren Wohnung und zahlte zur Bestreitung der gemeinsamen Lebensunterhaltskosten einen Betrag von 500 Euro. Der notwendige Lebensbedarf war somit während der Tatzeiten in keiner Weise gefährdet. Diesen Ausführungen der Disziplinarkammer ist der Beamte mit der Berufung auch nicht entgegengetreten.

Der Beamte kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Milderungsgrund einer psychischen Ausnahmesituation berufen, der vorliegt, wenn die Tat als Folge einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation des Täters zu werten ist. Eine solche Situation wird in aller Regel hervorgerufen durch den plötzlichen, unvorhergesehenen Eintritt eines Ereignisses, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensverhältnisse des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der seinerseits zu einem für einen derartigen Schockzustand typischen Fehlverhalten des Betroffenen führen kann.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 30.9.1998 - 1 D 97.97 -, JURIS; und vom 9.5.2001 - 1 D 22.00 -, BVerwGE 114, 240.

Hierfür ist aber nichts zu erkennen. Zutreffend hat die Disziplinarkammer herausgestellt, dass die hohe Schuldenlast des Beamten nicht zur Tatzeit unversehens auf ihn zugekommen war, sondern bereits seit vielen Jahren bestand. Mit seiner Berufung greift der Beamte diese Erwägungen auch nicht an. Vielmehr hebt er darauf ab, dass der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung vorliege. Diese Voraussetzung sind aber nicht gegeben.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG lässt die freiwillige, auch nicht durch Furcht vor Entdeckung bestimmte vollständige und vorbehaltlose Wiedergutmachung des Schadens oder wenigstens die Offenbarung des durch den privaten Verbrauch dienstlich anvertrauten Geldes dem Dienstherrn zugefügten materiellen Schadens vor Entdeckung der Tat ausnahmsweise die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses zu.

BVerwG, Urteile vom 5.10.1994 - 1 D 31.94 -, DÖV 1995, 288; und vom 10.1.1996 - 1 D 51.95 -, Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 5.

Nach der ständigen Rechtsprechung reicht allein die bloß abstrakte Möglichkeit, der Schaden oder die Tat werde alsbald dem Dienstherrn offenbar werden, nicht aus, den Entschluss des Beamten zur Offenbarung der Tat als unfreiwillig erscheinen zu lassen. Es muss vielmehr die konkrete Möglichkeit der Aufdeckung des Fehlverhaltens oder deren Folgen bestehen.

BVerwG, Urteil vom 7.2.2001 - 1 D 69.99 -, ZBR 2001, 332.

Als der Beamte seinem Dienststellenleiter das Fehlverhalten in sechs Fällen offenbarte, bestand die konkrete Möglichkeit der Aufdeckung des Fehlverhaltens. Diese Möglichkeit drängte sich nach Lage der Dinge auch dem Beamten auf, so dass sein Verhalten am folgenden Tag nicht mehr als freiwillige Offenbarung, sondern nur noch als Geständnis gewertet werden kann. Richtig ist zwar, dass der Dienststellenleiter noch nicht Einzelheiten eines Fehlverhaltens aufgedeckt hatte und eine plausible Erklärung der vier offenen Sachstandsanfragen erwartete, weil er dem Beamten kein Zugriffsdelikt zum Nachteil des Dienstherrn zutraute. Dies ändert aber nichts daran, dass der Beamte keine plausible Erklärung für die vier angesprochenen Vorgänge hatte und deshalb vor der Entdeckung stand. Dass er anstelle des Geständnisses den Versuch hätte unternehmen können, die Entdeckung durch weitere Straftaten - etwa Urkundenfälschungen in den ihm zur Verfügung stehenden Vorgängen - zu erschweren, ist aus Rechtsgründen ohne Belang. Bei dem hier in Rede stehenden Milderungsgrund geht es darum, dass ein die Höchstmaßnahme ausschließendes Restvertrauen erhalten geblieben ist, wenn sich der Beamte ohne Furcht vor Entdeckung freiwillig offenbart. Diesem Milderungsgrund sind ein Geständnis des Beamten und der Verzicht auf das Fehlverhalten verschleiernde weitere Straftaten nicht gleichwertig. Dass der Beamte von sich aus zwei Fälle offenbart hat, auf die er noch nicht angesprochen worden war, mag für sich gesehen noch dem Merkmal der Freiwilligkeit genügen, ändert aber nichts an der Höchstmaßnahme, weil bereits in den vier ihm vorgehaltenen Fällen die Schadenssumme weit über der Geringwertigkeitsgrenze liegt.

Aus diesem Grund greift auch der Milderungsgrund der Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung nicht ein. Auch dieser Milderungsgrund scheidet regelmäßig aus, wenn der Beamte vor der Wiedergutmachung wegen eines aufgedeckten einschlägigen Fehlverhaltens von seinem Dienstherrn zur Rede gestellt worden ist. Die in einem solchen Fall bestehende Vermutung der Unfreiwilligkeit des Schadensausgleichs kann ausnahmsweise als widerlegt angesehen werden, wenn aufgrund nachvollziehbarer, glaubhafter und überzeugender Erklärungen des Beamten feststeht, dass der Beamte trotz einer bereits erfolgten Aufdeckung von Fehlverhalten nicht die Vorstellung hatte, es bestehe die konkrete Möglichkeit der Aufdeckung weiterer einschlägiger Pflichtwidrigkeiten.

Vgl. BVerwG, a.a.O.

So liegt es hier aus den genannten Gründen aber gerade nicht.

Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung kann auch entfallen, wenn anderweitige Entlastungsgründe vorliegen, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf der Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände. Entlastungsgründe sind bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, NVwZ 2006, 469, 471 f., vom 10. 1.2007 - 1 D 15.05 - und vom 3.5.2007 - 2 C 30.05 und 2 C 9.06 -, jeweils JURIS.

Solche Umstände liegen indessen nicht vor. Es bestehen auch keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vernachlässigung der Dienstaufsicht durch Vorgesetzte. Diese kann unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht oder des "Mitverschuldens" als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände die ausreichende Kontrollmaßnahmen unerlässlich machten, solche aber pflichtwidrig unterblieben oder nur unzureichend durchgeführt wurden.

Vgl. BVerwG, Urteile 17.10.2002 - 2 WD 14.02 -, NVwZ-RR 2003, 366, vom 17.9.2003 - 2 WD 49.02 -, NVwZ-RR 2004, 264 und vom 10.1.2007 - 1 D 15.05 -, JURIS; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.9.1985 - 2 WD 63.84 -, BVerwGE 83, 52.

Solche Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Zwar hatte der Beamte seit vielen Jahren eine hohe Schuldenlast zu tragen, die auch zu Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen führte. Zudem war der Beamte wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zwei Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten. Aufgrund des Urteils des AG G hatte er nach Widerruf der Strafaussetzung sogar eine Freiheitsstrafe zu verbüßen. All dies war dem Dienstherrn auch bekannt, so dass die Annahme von Anhaltspunkten für eine nicht auszuschließende dienstliche Unzuverlässigkeit des Beamten durchaus nahe lag. Allerdings hatte sich der Beamte bei der Verrichtung seines Dienstes nie disziplinarrechtlich auffällig verhalten. Insbesondere war es im Zusammenhang mit ihm dienstlich anvertrauten Vermögenswerten nicht zu Regelverstößen gekommen. Der gute Glaube des Dienstherrn an die Zuverlässigkeit des Beamten muss daher nicht als beeinträchtigt angesehen werden; die Notwendigkeit von Kontrollmaßnahmen musste sich ihm nicht aufdrängen. Es kann daher auch als schlüssig und nachvollziehbar angesehen werden, dass es in dem zu dem förmlichen Disziplinarverfahren angefertigten Ergebnisprotokoll hieß, der Beamte werde künftig zu Beanstandungen keinen Anlass mehr geben. Dass sich der Beamte im Zeitraum der Tatbegehung möglicherweise in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) befand, hatte der Dienstherrn im Übrigen nicht erfahren, so dass sich eine Vernachlässigung der Dienstaufsicht unter diesem Blickwinkel betrachtet nicht ergeben kann.

Ob der Beamte die Tat in einem Zustand der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat, kann letztlich dahinstehen. Im Disziplinarrecht hängt die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab. Aufgrund dessen wird sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden, vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 2 C 30.05 -, JURIS, weil eine eigennützige Verletzung leicht einsehbarer Kernpflichten in Rede steht. In einem solchen Fall muss im Hinblick auf die als selbstverständlich geforderte und ständig eingeübte korrekte Verhaltensweise von dem Beamten erwartet werden, dass er auch bei erheblich verminderter Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit noch genügend Widerstandskraft gegen eine Verletzung dieser Pflichten im Dienst aufbietet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2002 - 1 D 5.02 -, JURIS.

Auch im vorliegenden Verfahren konnte von dem Beamten erwartet werden, dass er bei reduzierter Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit keine Straftaten begeht, deren Unrechtsgehalt leicht einsehbar war. Es musste sich dem Beamten bei der Erledigung und Vollstreckung der Haftbefehle aufdrängen, dass er die Geldzahlungen nicht für eigene Zwecke verwenden durfte. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Gutachtens des Psychologischen Psychotherapeuten P, welches dem Beamten eine "depressive Neurose auf dem Boden einer unreifen Persönlichkeit bei deutlichen Defiziten im Selbstwertgefühl (narzistische Persönlichkeitsstörung)" attestiert hat. Dass der Beamte nicht mehr in der Lage gewesen wäre, den ihm im obliegenden Kernpflichten nachzukommen, bescheinigt der Gutachter dem Beamten nämlich nicht.

Unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des vorliegenden Einzelfalles lassen sich keine gewichtigen durchgreifenden Entlastungsgesichtspunkte feststellen, die ausnahmsweise die Prognose zulassen, dass trotz des Fehlverhaltens noch ein Rest an Vertrauen in die Person des Beamten verblieben ist.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, NVwZ 2006, 469 ff.; und vom 3.5.2007 - 2 C 30.05 und 2 C 9.06 -, JURIS,

Auch wenn unter Berücksichtigung des psychologischen Gutachtens des Psychologischen Psychotherapeuten P der Schluss zu ziehen wäre, der Beamte werde künftig nicht mehr in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen, bleibt ein endgültiger Vertrauensverlust, weil die durch das Fehlverhalten des Beamten (Zugriff auf dienstlich anvertraute Gelder) herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums nicht wieder gutzumachen ist. Im hier relevanten Tätigkeitsbereich wird dem Beamten von seinem Dienstherrn und den Bürgern nämlich ein besonderes Vertrauen in die pflichtgemäße Amtsführung entgegengebracht. Im Übrigen kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und eingehenden Ausführungen der Disziplinarkammer im Rahmen der Gesamtbetrachtung aller be- und entlastenden Umstände verwiesen werden.

Ende der Entscheidung

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