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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: 3 A 5207/04
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 128
1.) Zur Berücksichtigungsfähigkeit von Fremdfinanzierungskosten im Erschließungsaufwand.

2.) Bei der Berechnung der Fremdfinanzierungskosten ist der Fremdfinanzierungsbetrag um den Betrag von der Gemeinde vereinnahmter Vorausleistungen der Beitragspflichtigen für die betreffende Erschließungsanlage zu mindern. Insofern hat die spezifische erschließungsbeitragsrechtliche Zweckbindung der Vorausleistungen Vorrang vor der tatsächlichen haushaltsrechtlichen Behandlung dieser Zahlungszuflüsse.


Tatbestand:

Der Kläger klagte gegen seine Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag mit der Begründung, die Gemeinde habe bei der Berechnung der Fremdfinanzierungskosten zu Unrecht die Zahlung von Vorausleistungen in Höhe von ca. 280.000 DM unberücksichtigt gelassen. Die Klage hatte in erster Instanz teilweise Erfolg. Das VG billigte zwar die Nichtberücksichtigung der Vorausleistungen, beanstandete aber die von der Gemeinde zugrunde gelegten Zinssätze. Die hiergegen gerichtete Berufung der Gemeinde hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

Gründe:

Die Beteiligten streiten - auch in zweiter Instanz - ausschließlich darum, ob bei der Heranziehung des Klägers zu Erschließungsbeiträgen für die erstmalige Herstellung des M.-----wegs im Rahmen des Erschließungsaufwands zu hohe Fremdfinanzierungskosten in Ansatz gebracht worden sind. Andere Fehler der Veranlagung sind weder von den Beteiligten geltend gemacht oder vom VG aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Die Überprüfung des Senats kann sich daher auf den genannten Streitpunkt beschränken. Sie ergibt, dass nicht - wie geschehen - 102.244,85 DM (= 52.276,96 EURO), sondern nur 4.982,64 EURO, äußerstenfalls aber 19.302,29 EURO an Fremdfinanzierungszinsen in den Erschließungsaufwand eingestellt werden durften. Diese Beträge ergeben sich aus der vorstehend erwähnten Neuberechnung der Fremdfinanzierungszinsen, die der Beklagte mit Schriftsatz vom 8.2.2008 vorgelegt hat und der vom Senat die Prämisse vorgegeben war, dass für Jahre, in denen die Summe der Tilgungen der Gemeinde sowie der von ihr bis dahin vereinnahmten Vorausleistungen der Anlieger die Höhe des für das Straßenbauvorhaben aufgenommenen und noch offenstehenden Kredits erreicht oder gar überstiegen hat, keine Fremdfinanzierungszinsen in den Erschließungsaufwand eingestellt werden dürfen. Hiernach beträgt (bei Übernahme des Rechenwerks des Beklagten im Übrigen) in der vom Senat abgefragten Alternative A der Neuberechnung, bei der die Vorausleistungen als Minderung des Kreditbedarfs für das Straßenbauvorhaben berücksichtigt werden, für diese Behandlung BVerwG, Urteil vom 23.2.2000 - 11 C 3.99 -, BVerwGE 110, 344; Richarz, Noch einmal: Fremdkapitalkosten als beitragsfähiger Erschließungsaufwand, KStZ 2001, 45 (48), und Klausing, Beitragsfähiger Erschließungsaufwand: Fremdfinanzierungskosten, DVBl. 2001, 516 (518), und derselbe, Die Berücksichtigung der Fremdfinanzierungskosten beim beitragsfähigen Erschließungsaufwand, SächsVBl. 1998, 222 (224), und sich damit in vollem Umfang zugunsten der Beitragspflichtigen auswirken, der Erschließungsbeitrag für das Grundstück des Klägers 9.848,93 EURO; in der daneben vom Beklagten ins Spiel gebrachten Alternative B, bei der die Vorausleistungen entsprechend § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB zu 10 % zugunsten der Gemeinde und zu 90 % zugunsten der Beitragspflichtigen berücksichtigt werden, beläuft sich der Erschließungsbeitrag für das Grundstück des Klägers auf 10.487,47 EURO. In beiden Alternativen wird der Betrag, in dessen Höhe das VG die Beitragsfestsetzung des Beklagten hat bestehen lassen (10.929,68 EURO), unterschritten. Zur Rechtfertigung einer Neuberechnung der Fremdfinanzierungszinsen unter der vorgenannten Prämisse ist im Einzelnen auszuführen:

Die Ermittlung des Fremdfinanzierungsbetrages durch den Beklagten begegnet im Ausgangspunkt keinen Bedenken. Die Berechnung (Produkt aus der Summe der Ausgaben und der Fremdfinanzierungsquote des jeweiligen Haushaltsjahres) entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach ist anzunehmen, dass die für eine bestimmte Erschließungsmaßnahme getätigten Aufwendungen - wie alle anderen Investitionen der Gemeinde auch - zu demjenigen Prozentsatz fremdfinanziert sind, der dem Verhältnis der Gesamteinnahmen aus Krediten zu den Gesamtausgaben des Vermögenshaushalts für Investitionen in dem betreffenden Haushaltsjahr entspricht.

So BVerwG, Urteil vom 23.2.2000 - 11 C 3.99 -, a. a. O., und OVG NRW, Urteil vom 22.9.1999 - 3 A 3625/97 -, NWVBl. 2000, 180.

Bei der Berechnung der Fremdfinanzierungskosten ist der jeweilige Gesamt-Fremdfinanzierungsbetrag (d. i. die Summe der auf die einzelnen Ausgabepositionen entfallenden, anhand der Fremdfinanzierungsquote des jeweiligen "Ausgabejahres" ermittelten einzelnen Fremdfinanzierungsbeträge), dessen Verzinsung in den beitragsfähigen Erschließungsaufwand einzustellen ist, nicht nur um vertragsgemäße Tilgungen der Gemeinde und anrechenbare Zuschüsse Dritter, sondern auch um vereinnahmte Vorausleistungen der Beitragspflichtigen in dem jeweiligen Jahr zu vermindern.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.9.1999, a. a. O., mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 23.8.1990 - 8 C 4.89 -, DVBl. 1990, 1408; Richarz, Fremdkapitalkosten als beitragsfähiger Erschließungsaufwand nach dem neuen kommunalen Haushaltsrecht, KStZ 1991, 105 (106), und Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl., § 13 Rn. 17.

Dabei gehen Vorausleistungen nicht nur einmalig (als Zufluss zum Vermögenshaushalt) in die Berechnung der Fremdfinanzierungsquote ein, sondern wirken sich (als Minderung des Kreditbedarfs für die konkrete Erschließungsanlage) auch auf die durch die Anlage ausgelösten Fremdfinanzierungsbeträge des betreffenden Jahres sowie die Höhe der in den Folgejahren der Kreditaufnahme anfallenden Zinsen aus, wenn sich die Fremdfinanzierung eines Straßenbauvorhabens wie in aller Regel und so auch hier über längere Zeiträume erstreckt. Zu Unrecht meint der Beklagte, Vorausleistungen seien hier anders als Tilgungen zu behandeln. Eine solche Differenzierung verbietet sich vielmehr angesichts der Zweckbestimmungen beider Leistungen. Die vertragsgemäßen Tilgungsbeträge mindern den Umfang des (Rest-)Kredits deshalb, weil die gedankliche Gleichbehandlung aller Ausgaben, die der Berechnung des Fremdfinanzierungsaufwandes unter der Geltung des haushaltsrechtlichen Gesamtdeckungsprinzips zugrunde liegt, eine unterschiedliche Behandlung der betreffenden Kostenmassen im Wege eines "Zwei-Konten-Modells" im Ansatz ausschließt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.9.1999 - 3 A 3625/97 -, a. a. O. Die Berücksichtigung der Vorausleistungen - allein - zur Tilgung des speziellen Fremdfinanzierungsaufwandes für das betreffende Straßenbauvorhaben folgt demgegenüber aus der spezifischen erschließungsbeitragsrechtlichen Zweckbindung dieser Zahlungen, die im Bereich der Berechnung des Erschließungsaufwandes den Vorrang vor der Berücksichtigung der tatsächlichen haushaltsrechtlichen Behandlung dieser Zahlungszuflüsse besitzt: Die Vorausleistungen sind, wie gesagt, erschließungsbeitragsrechtlich anlagengebunden. Sie müssen wegen dieser durch das materielle Fachrecht vorgegebenen Zweckbindung speziell für das konkrete Straßenbauvorhaben verwendet werden und gelten als Vorwegerfüllung der künftigen Beitragsschuld der Eigentümer bzw. Erbbauberechtigten der erschlossenen Grundstücke. Demzufolge mindern sie bei der Berechnung des Erschließungsaufwandes den Kreditbedarf für das abzurechnende Straßenbauvorhaben. Insoweit setzt sich das materielle Fachrecht gegenüber den Auswirkungen des allgemeinen haushaltsrechtlichen Gesamtdeckungsprinzips durch, das hier nur - gleichsam hilfsweise - heranzuziehen ist, um Fremdfinanzierungsaufwand zu schätzen, den ein bestimmtes Straßenbauvorhaben ausgelöst hat, ohne dass dieser Aufwand im Haushalt anlagenbezogen erscheint und derart konkret nachvollziehbar gemacht ist. Im Falle der Tilgungsbeträge fallen hierauf bezogene Zinskosten schon von vornherein nicht mehr an, im Falle vereinnahmter Vorausleistungsbeträge sind Zinskosten im jeweiligem Umfang jedenfalls nicht mehr erschließungsbeitragsfähig. Dieses Ergebnis wird hinsichtlich der Vorausleistungen durch die weitere Überlegung bestätigt, dass Vorausleistungen ab ihrem Eingang bei der Gemeinde zu deren Eigenkapital zählen und Eigenkapital der Gemeinde aus der Sicht des Beitragsrechts einer Verzinsung schlechthin entzogen ist.

So BVerwG, Urteil vom 23.2.2000, a. a. O., und OVG NRW, Urteil vom 22.9.1999 - 3 A 3625/97 -, a. a. O.

Dies erkennend, hat die Landesregierung NRW im Übrigen schon unter dem 10.3.1999 (LT NRW Drs. 12/3782) die Kleine Anfrage 1214 der Abgeordneten Heemann zutreffend wie folgt beantwortet:

"Erschließungsbeiträge und Vorausleistungen sind zweckgebunden für den Bau der Straße einzusetzen. Die Gemeinde ist gehalten, sie zur Finanzierung der Kosten für die jeweilige Anlage zu verwenden, deren (voraussichtlicher) Aufwand Grundlage für die Vorausleistungserhebung war. Im Umfang der erhaltenen Vorausleistungen ist die Gemeinde gehindert, Kosten für die Fremdfinanzierung in den beitragsfähigen Aufwand einzubeziehen."

Nach alledem ist der Beklagte durch das angefochtene Urteil nicht beschwert. Die Berufung kann schon deswegen keinen Erfolg haben. Auf die Streitfrage der Anpassung des Zinssatzes bei Veränderungen des Zinsniveaus während des Berechnungszeitraums kommt es unter diesen Umständen nicht an.

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