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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 06.09.2005
Aktenzeichen: 6 A 300/04
Rechtsgebiete: GG, LVO


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
LVO § 6 Abs. 1
LVO § 84 Abs. 1
LVO § 84 Abs. 3
Ein Lehrer, der zur Deckung des Unterrichtsbedarfs in einem Mangelfach als Angestellter in den Schuldienst des Landes eingestellt worden ist, ohne die für diese Tätigkeit erforderliche Lehramtsbefähigung zu besitzen, kann sich nach Erwerb einer diesen Mangel kompensierenden Unterrichtserlaubnis nicht auf die Regelungen des Erlasses des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22.12.2000 - 121-22/03 Nr. 1050/00 - (sog. Mangelfacherlass) berufen.

Es ist nicht sachwidrig, dass den von dem Mangelfacherlass erfassten Lehrkräften eine Ausnahme von der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze zugebilligt wird, denjenigen Lehrkräften, die auf der Grundlage des Runderlasses des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung vom 11.1.2001 - 715-41-0/2-10-1/2001 und 624-42.1/20.00-12/2001 - in den Schuldienst des Landes eingestellt worden sind, hingegen nicht.


Tatbestand:

Der im August 1964 geborene Kläger ist im Besitz der Lehramtsbefähigung für die Primarstufe in den Fächern Mathematik, Deutsch und Sachkunde (Naturwissenschaft/Technik). Im Februar 2001 bewarb sich der Kläger um eine Einstellung als Lehrer für die Sekundarstufe I an einer Realschule im Ausschreibungsverfahren für Lehrkräfte in den Mangelfächern Chemie, Englisch, Informatik, Mathematik, Physik und Technik. Das beklagte Land stellte den Kläger dauaufhin als Lehrer im Angestelltenverhältnis für die Zeit vom 11.6.2001 bis 31.7.2002 in den öffentlichen Schuldienst des Landes ein. § 3 des insoweit geschlossenen Arbeitsvertrages lautet:

§ 3

Die Befristung ist darin begründet, dass der Angestellte bisher nicht über die für die unbefristete Unterrichtserlaubnis erforderliche Qualifikation, die Befähigung zum Unterricht in der Sekundarstufe I, verfügt und sich vor Übernahme in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis bewähren soll. Erst nach erfolgter Teilnahme an der vom Arbeitgeber eingerichteten etwa einjährigen Weiterqualifikationsmaßnahme kann dem Angestellten die unbefristete Unterrichtserlaubnis für die Sekundarstufe I erteilt werden. Danach soll die Übernahme in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis erfolgen, wenn auch die Bewährung festgestellt wurde.

Nachdem der Kläger an der Fortbildungsmaßnahme "Mathematik in der Sekundarstufe I" erfolgreich teilgenommen hatte und seine Bewährung mittels dienstlicher Beurteilung festgestellt worden war, wurde er als Lehrer im Angestelltenverhältnis mit voller Pflichtstundenzahl ab dem 1.8.2002 unbefristet in den öffentlichen Schuldienst des Landes eingestellt. Seinen im Juni 2002 gestellten Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis lehnte die Bezirksregierung mit der Begründung ab, der Kläger habe die für eine Verbeamtung maßgebliche Höchstaltersgrenze überschritten. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wies das VG ab. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe noch einen Anspruch darauf, dass das beklagte Land über seinen Antrag auf Einstellung/Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entscheidet.

Eine Verbeamtung des Klägers kommt nicht in Betracht, weil er laufbahnrechtlich überaltert ist und Ausnahmen von der für ihn maßgeblichen Höchstaltersgrenze nicht beanspruchen kann. (wird ausgeführt)

Eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze folgt für den Kläger nicht aus § 84 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LVO in Verbindung mit den Regelungen des Erlasses des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22.12.2000 - 121-22/03 Nr. 1050/00 - (sog. Mangelfacherlass), zuletzt verlängert durch Runderlass vom 16.11.2004 - 211-1.12.03.03-973 - bis zum 31.7.2007. Nach Nr. I.1. des Mangelfacherlasses, mit der die Verwaltungspraxis einer generellen Ausnahme von der Höchstaltersgrenze des § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 LVO eingeführt worden ist, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.11.2003 - 6 B 1596/03 -, wird eine derartige Ausnahme zugelassen u.a. für "Bewerberinnen und Bewerber für das Lehramt für die Sekundarstufe I ... an allgemeinbildenden Schulen mit den Unterrichtsfächern ... Mathematik (und) Technik". Der Kläger fällt nicht unter diese Regelung, weil er die Befähigung für das Lehramt für die Sekundarstufe I nicht besitzt. Zwar verfügt er über die unbefristete Erlaubnis, das Fach Mathematik in der Sekundarstufe I zu unterrichten. Letztere ist aber nicht ausreichend. Zwar folgt dies nicht aus dem - ein weitergehendes Verständnis ermöglichenden - Wortlaut des Mangelfacherlasses; es ergibt sich aber aus seiner praktischen Handhabung. Nach der ständigen Praxis des beklagten Landes, die insoweit maßgeblich ist, wird eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze nach Nr. I.1. des Mangelfacherlasses tatsächlich nur dann zugelassen, wenn ein Bewerber eine der in dieser Regelung aufgeführten Lehramtsbefähigungen besitzt. Das beklagte Land hat insoweit im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt, dass die Ausnahme der Nr. I.1 des Mangelfacherlasses ausschließlich für Bewerber mit dem Abschluss für die Sekundarstufe I, für die Sekundarstufe II oder für beide Lehrämter gelte. Die genannte Verwaltungspraxis ist dem Senat im Übrigen auch aus anderen Verfahren dieser Art - etwa im Bereich der Bezirksregierung D. - bekannt. Das ist in der Berufungsverhandlung anhand der Ausführungen dieser Bezirksregierung in einem ähnlich gelagerten Verfahren näher erörtert worden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des Klägers auf solche Lehrkräfte, die - wie er - Unterricht in dem Fach Informatik erteilen. Denn soweit diesen - wie der Kläger wohl geltend machen will - in Anwendung des Mangelfacherlasses eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze erteilt worden sein sollte, ist nicht erkennbar, dass diese Lehrkräfte nicht im Besitz einer der geforderten Lehramtsbefähigungen waren.

Die sich aus dieser Praxis ergebende Differenzierung zwischen Bewerbern mit der Befähigung für die geforderten Lehrämter und Bewerbern, die - wie der Kläger - nur über eine entsprechende Unterrichtserlaubnis verfügen, ist auch mit Blick auf höherrangiges Recht (Art. 33 Abs. 2 GG) nicht zu beanstanden. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Landesregierung hat ein Konzept zur Sicherung der Unterrichtsversorgung in Mangelfächern erarbeitet, das u.a. in dem vom beklagten Land vorgelegten Runderlasses des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung vom 11.1.2001 - 715-41-0/2-10-1/2001 und 624-42.1/20.00-12/2001 - näher erläutert ist. Danach wird Bewerbern mit der Befähigung für das Lehramt für die Primarstufe die Möglichkeit einer befristeten Einstellung eröffnet, wenn diese sich vertraglich zur berufsbegleitenden Weiterqualifizierung mit dem Ziel des Erwerbs einer unbefristeten Unterrichtserlaubnis in Mangelfächern der Sekundarstufe I verpflichten. Im Anschluss an deren Erteilung sieht der Runderlass vom 11.1.2001 die Übernahme in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis vor. Auf dieser Grundlage ist auch der Kläger zunächst in ein befristetes und nach Erwerb der Unterrichtserlaubnis in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis übernommen worden.

Auch wenn der letztgenannte Erlass dieselbe Zielrichtung hat wie der Mangelfacherlass, nämlich die Sicherung der Unterrichtsversorgung in Mangelfächern, ist es nicht sachwidrig, dass den von dem Mangelfacherlass erfassten Lehrkräften eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze zugebilligt wird, den nach dem Runderlass vom 11.1.2001 eingestellten Lehrkräften hingegen nicht. Letztere besitzen im Unterschied zu den in dem Mangelfacherlass berücksichtigten Lehrkräften die Lehramtsbefähigung für den vorgesehenen Tätigkeitsbereich - Deckung des Unterrichtsbedarfs in der Sekundarstufe I in den in dem Runderlass vom 11.1.2001 genannten Fächern - bei ihrer Einstellung nicht. Sie erwerben eine diesen Mangel kompensierende Unterrichtserlaubnis erst durch die berufsbegleitende Weiterqualifizierung, die ausweislich der Abordnung des Klägers anlässlich seiner befristeten Einstellung wöchentlich einen vollen Arbeitstag umfasst und mit einer Entlastung beim Pflichtstundendeputat einhergeht. Ohne diese Besonderheit bliebe dem betreffenden Personenkreis eine Einstellung in den Schuldienst mangels Erfüllung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen überhaupt vorenthalten.

Wenn das beklagte Land unter diesen Umständen eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze nicht erteilt, lässt sich dem ein sachlicher Grund nicht absprechen. Das gilt um so mehr, als eine andere Handhabung auch der Zielsetzung von Nr. I.2. des Mangelfacherlasses widersprechen würde. Hieraus ergibt sich nämlich, dass der Mangelfacherlass erklärtermaßen nur für die "Gewinnung neu einzustellender Bewerber", d.h. nur für solche Interessenten gilt, die die Qualifikationsvoraussetzungen für die Unterrichtserteilung in den Mangelfächern schon zum Zeitpunkt der Einstellung erfüllen, nicht hingegen für Lehrkräfte, die - wie der Kläger - diese Voraussetzungen erst nach der Einstellung erworben haben.

Ende der Entscheidung

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