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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 30.05.2008
Aktenzeichen: 6 A 310/06
Rechtsgebiete: SchulG NRW


Vorschriften:

SchulG NRW § 57 Abs. 5 Satz 2
Zur Verwaltungspraxis bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe bei Laufbahnbewerbern, die aufgrund erfolgreicher arbeitsgerichtlicher Klagen in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis eingestellt worden sind.

Die bevorzugte Übernahme von sogenannten Vertretungspoollehrern und zeitweise auch von sogenannten EZU-Kräften ist unter Ermessensgesichtspunkten rechtlich nicht zu beanstanden. (Im Anschluss an OVG NRW, Urteil vom 22.9.2006 - 6 A 1755/04 -.)

§ 57 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW, wonach Lehrer in der Regel Beamte sind, ist ein Funktionsvorbehalt, der keine subjektiven Rechte auf Ernennung zum Beamten begründet.


Tatbestand:

Die am 12.7.1969 geborene Klägerin ist als Lehrerin im Angestelltenverhältnis im Schuldienst des beklagten Landes beschäftigt und begehrt ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Sie legte am 2.11.1994 die Erste Staatsprüfung und am 10.10.1996 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Primarstufe ab, jeweils in den Fächern Katholische Religionslehre, Deutsch und Mathematik.

Mit Wirkung vom 29.10.1997 wurde sie im Rahmen des Programms "Geld statt Stellen" als Aushilfsangestellte befristet bis Dezember 1997 in den Schuldienst des beklagten Landes eingestellt. Weitere, jeweils mehrfach verlängerte, befristete Verträge folgten von Dezember 1997 bis Oktober 2002. Die seit dem 6.4.2001 geschlossenen befristeten Arbeitsverträge wurden am 16.7.2002 im gegenseitigen Einvernehmen rückwirkend aufgelöst. Statt dessen wurde die Klägerin aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts I. vom 8.5.2002 rückwirkend vom 7.4.2001 auf unbestimmte Zeit als Lehrerin im Angestelltenverhältnis mit 14 Wochenstunden eingestellt.

Den Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe lehnte die Bezirksregierung B. mit Bescheid vom 21.11.2003 ab. Im Hinblick auf das in Art. 33 Abs. 2 GG und § 7 Abs. 1 LBG NRW verankerte Leistungsprinzip könne keine Übernahme der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe erfolgen, weil sie nicht an einem Lehrerauswahlverfahren teilgenommen und lediglich befristete Arbeitsverträge erhalten habe. Soweit das Arbeitsgericht I. festgestellt habe, dass die im Arbeitsvertrag vom 6.10.2001 vorgenommene Befristung unwirksam sei, kämen der Klägerin keine über die Entfristung hinausgehenden Ansprüche zu.

Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ebenso erfolglos wie die anschließend erhobene Klage.

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung machte die Klägerin geltend, in der Vergangenheit seien Lehrer, die ihre Entfristung erstritten hätten, regelmäßig in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen worden. Außerdem seien zahlreiche schlechter qualifizierte Lehrkräfte über den sogenannten Vertretungspool verbeamtet worden, da diese nicht nach dem Bestenausleseprinzip gewonnen worden seien. Die Klägerin habe in beiden Staatsprüfungen bessere Gesamtnoten erreicht als einige der in den Vertretungspool aufgenommenen Bewerber. Auch könne sie mehrere sogenannte EZU-Verträge vorweisen, die unter Beachtung von Leistungsprinzipien vergeben worden seien. Unabhängig davon folge ein Anspruch auf Verbeamtung aus § 57 Abs. 5 SchulG NRW, wonach Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in der Regel Beamte seien.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe noch sind Ermessensfehler festzustellen, die einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Begehrens begründen könnten.

Die Entscheidung über die Einstellung oder die Übernahme eines Laufbahnbewerbers in das Beamtenverhältnis auf Probe steht im Ermessen des Dienstherrn. Dabei hat sich die Ermessensausübung vorrangig am Prinzip der Bestenauslese zu orientieren (Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG NRW). Die Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Dienstherrn muss den ihm insoweit zustehenden Ermessensspielraum beachten und beschränkt sich daher regelmäßig darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat. Nur ausnahmsweise ist eine anspruchsbegründende Ermessensreduzierung anzunehmen.

In Anwendung dieser Grundsätze ist die ablehnende Entscheidung der Bezirksregierung B. über den Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung ist darauf gestützt, dass die Klägerin in den Jahren 2001 und 2002 weder im landesweiten Auswahlverfahren noch im Verfahren für die Aufnahme in den sogenannten Vertretungspool nach dem Prinzip der Bestenauslese erfolgreich gewesen sei. Sie sei vielmehr nur aufgrund ihrer erfolgreichen arbeitsgerichtlichen Klage auf Entfristung des Beschäftigungsverhältnisses als Lehrkraft in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis eingestellt worden. Eine generelle, das beklagte Land bindende Verfahrensweise, Lehrkräfte nach erfolgreicher Entfristungsklage stets in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, bestehe nicht.

Eine solche Verwaltungspraxis, die in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG einen Anspruch der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe begründen könnte, lässt sich auch im Berufungsverfahren nicht feststellen. Eine in diesem Sinne anspruchsbegründende, selbstbindende Ermessenspraxis setzt eine gleichmäßige tatsächlichen Übung voraus, die von verantwortlicher Stelle - hier dem Ministerium für Schule und Weiterbildung - geduldet oder zumindest gebilligt wird.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.10.1981 - 2 C 19/81 -, DokBer B 1982, 57 und vom 11.2.1982 - 2 C 18/81 -, RiA 1982, 165.

Maßgeblich ist hier insoweit die Ermessenspraxis zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.9.2006 - 6 A 1755/04 -, IÖD 2007, 63.

Das beklagte Land hat zwar in der Vergangenheit nach erfolgreichen arbeitsgerichtlichen Entfristungsklagen in etlichen Fällen beamtenrechtliche Ernennungen außerhalb der regulären Einstellungsverfahren vorgenommen. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass insbesondere zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt eine hinreichend gleichmäßige tatsächliche Übung bestand, Lehrkräfte allein wegen der erfolgreichen arbeitsgerichtlichen Entfristungsklage in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen. Die frühere, offenbar in diese Richtung gehende Verwaltungspraxis, für die auch die Klägerin mehrere Beispielsfälle benennt, ist seit der Entscheidung des Senats vom 6.7.2001 - 6 A 196/01 - sowie den Dienstbesprechungen der Bezirksregierungen vom 29./30.10.2001 aufgegeben worden, mit Verzögerung auch von der Bezirksregierung N. .

Vgl. dazu auch OVG NRW, Urteile vom 21.4.2005 - 6 A 138/04 - und vom 22.9.2006 - 6 A 1755/04 -, IÖD 2007, 63.

Soweit es später im Bereich der Bezirksregierung N. erneut zu Übernahmen in das Beamtenverhältnis auf Probe nach erfolgreichen Entfristungsklagen gekommen ist, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Nach den Angaben des beklagten Landes handelt es sich für den Zeitraum bis Mai 2005 um eine begrenzte Anzahl von sechs Fällen (die Klägerin schildert zwei Fälle), in denen eine zusätzlich auf die Bewährung in der Unterrichtstätigkeit gestützte Übernahme in das Beamtenverhältnis stattgefunden hatte. Wegen der dagegen im Hinblick auf das Erfordernis der Bestenauslese bestehenden Bedenken sowie der abweichenden Verwaltungspraxis der anderen Einstellungsbehörden hat die Bezirksregierung N. nach eigenen Angaben diese Vorgehensweise jedoch wieder aufgegeben.

Ein Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Neubescheidung folgt auch nicht aus der vom beklagten Land zeitweise geübten Verwaltungspraxis, unter bestimmten Voraussetzungen solche Lehrkräfte bevorzugt in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, die im sogenannten Vertretungspool tätig waren. Die Klägerin hat keine Tätigkeit im Vertretungspool wahrgenommen, sondern war als Aushilfsangestellte jeweils an einer bestimmten Grundschule eingesetzt. Sie hat auch kein Einstellungsangebot für den Vertretungspool erhalten, das im Fall der Nichtannahme die Ermessensfehlerhaftigkeit der die Übernahme in das Beamtenverhältnis ablehnenden Entscheidung zur Folge hätte haben können.

Vgl. dazu auch OVG NRW, Urteile vom 21.4.2005 - 6 A 138/04 - und insbesondere vom 23.6.2006 - 6 A 77/04 -.

Das beklagte Land hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin weder im Jahr 2001 noch im Jahr 2002 aufgrund ihrer Ordnungsgruppe sowie ihrer sachlich und örtlich eingeschränkten Einstellungsbereitschaft ein Einstellungsangebot für den Vertretungspool habe bekommen können.

Die bevorzugte Ernennung von Vertretungspoollehrern ist auch unter Ermessensgesichtspunkten rechtlich nicht zu beanstanden. Zum einen war die Auswahl der Lehrkräfte für den Vertretungspool am Leistungsprinzip orientiert, da jeweils die auf den Einstellungslisten bestplatzierten Bewerber, die nach dem landesweiten Lehrereinstellungsverfahren noch zur Verfügung standen, ein Einstellungsangebot erhalten haben. Zum anderen war die bevorzugte Ernennung auch von sachgerechten personalwirtschaftlichen Aspekten getragen, weil auf diese Weise die Attraktivität der vergleichsweise unbequemen Tätigkeit im Vertretungspool erhöht werden konnte und so dringend benötigte, flexibel einsetzbare Lehrkräfte gewonnen werden konnten ("Belohnungscharakter").

Vgl. dazu eingehend OVG NRW, Urteil vom 23.6.2006 - 6 A 77/04 -.

Ein Neubescheidungsanspruch ergibt sich für die Klägerin schließlich nicht aufgrund ihrer vorübergehenden Tätigkeit als sogenannte EZU-Kraft (Erziehungsurlaubsvertretung). Sie kann sich nicht auf den Runderlass des Kultusministeriums NRW vom 5.8.1992 - Z C 5.41-0/2-0 Nr. 88/92 - in Verbindung mit dem Runderlass des Kultusministeriums NRW vom 30.11.1993 - Z B 6.41-0/2-0 Nr. 1335/93 - berufen, wonach EZU-Kräfte bevorzugt verbeamtet wurden. Das folgt schon daraus, dass der Erlass nur bis zum 31.12.1997 galt. Die unbefristete Einstellung der Klägerin erfolgte hingegen erst rückwirkend zum 7.4.2001.

Auch die Altfallregelung, nach der noch im landesweiten Auswahlverfahren für das Schuljahr 1998/99 EZU-Kräfte bevorzugt eingestellt wurden, gibt für die Klägerin nichts her. Sie war nicht - wie von dieser Regelung vorausgesetzt - im Schuljahr 1997/98 durchgängig als EZU-Kraft beschäftigt, sondern war in diesem Zeitraum überwiegend als Aushilfsangestellte im Rahmen des Programms "Geld statt Stellen" tätig. Eine Gleichbehandlung dieser Lehrkräfte mit EZU-Lehrkräften ist nicht geboten. Es ist sachlich gerechtfertigt, die mit einem sogenannten großen EZU-Vertrag (Beschäftigungsumfang mit mindestens halber Pflichtstundenzahl für mindestens ein Jahr) ausgestatteten Lehrkräfte, die nach Abschluss des Auswahlverfahrens aus den verbleibenden Bewerbern nach ihrem Rangplatz ausgewählt wurden, gegenüber anderen Aushilfslehrkräften, die vom jeweiligen Schulamt aufgrund einer bloß schulamtsinternen Liste ausgewählt wurden, zu bevorzugen.

Vgl. zum Vorstehenden ausführlich OVG NRW, Urteil vom 22.9.2006, a.a.O.

§ 57 Abs. 5 Satz 2 SchulG NRW bietet der Klägerin keine Anspruchsgrundlage für die begehrte Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Bei der in dieser Vorschrift enthaltenen Feststellung, dass Lehrerinnen und Lehrer in der Regel Beamtinnen und Beamte sind, handelt es sich um einen - Art. 33 Abs. 4 GG entsprechenden - Funktionsvorbehalt, der keine subjektiven Rechte auf Ernennung zum Beamten begründet.

Vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 26.10.2000 - 2 C 31.99 -, ZBR 2001, 140; OVG NRW, Urteil vom 16.12.1980 - 6 A 1096/80 -, DÖD 1982, 66.

Nichts anderes folgt daraus, dass in dieser Vorschrift - anders als in der vorherigen, am 1.8.2005 außer Kraft getretenen Regelung des § 22 Abs. 3 SchVG - nicht mehr ausdrücklich auf die alternative Möglichkeit hingewiesen wird, Lehrer als Angestellte zu beschäftigen. Der Gesetzgeber hat mit dem Wegfall dieser Formulierung keine inhaltliche Änderung mit Blick auf die Ausgestaltung der Regelung als Funktionsvorbehalt vornehmen, insbesondere keine Anspruchsgrundlage schaffen wollen.

Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung vom 5.5.2004, LT-Drucksache 13/5394, S. 102.

Ende der Entscheidung

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