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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.05.2007
Aktenzeichen: 6 A 3510/04
Rechtsgebiete: BVO NRW


Vorschriften:

BVO NRW § 3 Abs. 3
1. Keine Beihilfegewährung, wenn dem gesetzlich krankenversicherten Beamten Aufwendungen dadurch entstehen, dass die anstelle von Sachleistungen gewählte Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V hinter den tatsächlichen Kosten für Medikamente zurückbleibt (§ 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BVO in der ab dem 1.1.2000 geltenden Fassung).

2. Die freiwillige Entscheidung für das System der gesetzlichen Krankenversicherung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass für den Beamten vor seiner Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) die Erbringung von Sachleistungen ausgeschlossen war (Beitragsklasse 901).


Tatbestand:

Der Kläger blieb auch nach seinem Eintritt in das Beamtenverhältnis Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Er konnte damals einen heute nicht mehr geöffneten Tarif (Beitragsklasse 901) wählen, bei dem Sachleistungen ausgeschlossen waren und Kostenerstattung für ihn und seine Familie wie bei einer privaten Krankenversicherung gewährt wurde. Die Beiträge bemaßen sich wie bei allen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung nur nach seinem Einkommen. Mit Rentenbezug unterfiel der Kläger der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Er erhielt Medikamente nicht als Sachleistungen, sondern wählte Kostenerstattung. Diese blieb allerdings hinter den tatsächlichen Aufwendungen zurück. Für den verbleibenden Rest erstrebte der Kläger erfolglos die Gewährung einer Beihilfe. Seine darauf gerichtete Klage wies das VG ab. Sein Antrag auf Zulassung der Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Gründe:

Erhält ein Beihilfeberechtigter oder eine berücksichtigungsfähige Person Sach- oder Dienstleistungen (ärztliche Versorgung, Krankenhausbehandlung, Heilmittel usw.), werden keine Beihilfen gewährt, § 3 Abs. 3 Satz 1 Beihilfenverordnung (BVO) in der Fassung vom 16.12.1999 (GV. NRW. S. 673). Nach Satz 2 gelten als Sachleistungen auch an Stelle einer Sach- oder Dienstleistung gewährte Geldleistungen in Fällen, in denen die Geldleistung die entstandenen Aufwendungen - ggf. unter Abzug eines Mengenrabatts der Krankenkasse und dergleichen - deckt.

Soweit der Kläger meint, § 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BVO sei auf ihn nicht anwendbar, trifft das nicht zu. Der Ausschluss solcher Aufwendungen von der Beihilfe, für die Sachleistungen und an deren Stelle tretende Geldzahlungen gewährt werden, ist Ausdruck des das Beihilferecht prägenden Subsidiaritätsprinzips. Der Dienstherr muss nicht fürsorglich mit der Beihilfe eintreten, wenn der Beihilfeberechtigte auf einen anderweitig bestehenden Anspruch auf grundsätzlich vollständige Deckung seines krankheitsbedingten Bedarfs durch Sach- oder Dienstleistungen verzichtet. Personen, die die Möglichkeit hatten, anstelle einer Kostenerstattung Sach- und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, sind damit wirksam von der Beihilfe ausgeschlossen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, BVerwGE 123, 21, zur Beihilfe in Hessen m.w.N.

So liegt es hier. Der Kläger ist Mitglied der KVdR, seine Ehefrau ist dort über ihn familienversichert. Beide haben nach § 2 Abs. 2 SGB V gegen die gesetzliche Krankenversicherung, die für sie die KVdR durchführt, einen Anspruch darauf, dass ihnen die benötigten Medikamente als Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden. Bei der Wahl dieser Leistungsart verblieben ihnen lediglich Aufwendungen in Form von Zuzahlungen, die allen gesetzlich Versicherten zugemutet werden und die nicht beihilfefähig sind (so inzwischen ausdrücklich § 3 Abs. 3 Satz 4 BVO in der seit dem Jahr 2004 geltenden Fassung). Aus eigenem Entschluss haben der Kläger und seine Ehefrau jedoch ihren Bedarf an Medikamenten nicht durch die Entgegennahme der Arzneimittel als Sachleistung gedeckt. Sie haben stattdessen Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt. Bleiben die Erstattungsbeträge hinter den tatsächlich entstandenen Kosten zurück, weil die gesetzliche Krankenversicherung nur Kosten in der Höhe erstattet hat, die ihr selbst entstanden wären, wenn sie die Medikamente als Sachleistungen erbracht hätte, hat der Kläger den ungedeckten Teil der Aufwendungen als nicht beihilfefähig hinzunehmen.

Der Kläger meint hingegen, § 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BVO sei wegen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nur anwendbar, wenn die Mitgliedschaft des Beamten in der gesetzlichen Krankenversicherung (dauernd) freiwillig sei und ihm gleichzeitig nur Sachleistungen zustünden. An diese Voraussetzungen ist jedoch ein zulässiger Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen gesetzlich Versicherter nicht geknüpft. Sie lassen sich nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Krankheitsfall ableiten, wie sie durch die Rechtsprechung ausgeformt ist.

In dem vom Kläger angeführten Urteil des BVerwG heißt es zwar, dass der Beamte der Hilfeleistung des Dienstherrn nicht mehr bedarf, wenn er sich für die "freiwillige Versicherung in der vom Sachleistungsprinzip beherrschten gesetzlichen Krankenversicherung entschieden" hat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.3.1979 - VI C 25.76 -, BVerwGE 57, 336.

Die rechtlichen Schlussfolgerungen, die der Kläger daraus herleiten will, lassen sich dem Urteil jedoch nicht entnehmen. Das BVerwG hat vielmehr herausgestellt, dass allein die Wahl des Versicherungssystems ausschlaggebend dafür ist, in welchem Umfang der Beamte der ergänzenden Fürsorge des Dienstherrn durch Gewährung einer Beihilfe bedarf.

Bei den Leistungssystemen stehen sich die private und die gesetzliche Krankenversicherung gegenüber. Während erstere nach dem privatwirtschaftlichen Versicherungsprinzip arbeitet, sich die Prämie also vor allem nach dem Wagnis und dem vereinbarten Leistungsumfang richtet, folgt die gesetzliche Krankenversicherung in erster Linie sozialen Grundsätzen. Die Versicherungsarten sind daher zwar gleichwertig, aber nicht gleich. Der Beamte kann sich entscheiden, ob er das von der Beihilfe nicht gedeckte Kostenrisiko durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung oder den Beitritt zu einer gesetzlichen Krankenkasse absichert. Hat er die Entscheidung zwischen beiden Versicherungsarten getroffen, sind hiervon die gesamten Vor- als auch die Nachteile der gewählten Form der Eigenvorsorge erfasst.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005, a.a.O.

Der Kläger hat sich bei der Begründung seines Beamtenverhältnisses freiwillig für den Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit für deren System als Ganzes entschieden. Wenn er dem entgegenhält, er habe damals mit der Beitragsklasse 901 nicht das die gesetzliche Krankenversicherung prägende Sachleistungsprinzip gewählt, sondern Sachleistungen seien bei ihm gerade ausgeschlossen gewesen, stellt das die grundsätzliche Entscheidung für das System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Frage. Die von ihm angeführte Entscheidung des BVerwG besagt nicht, dass die Systemwahlentscheidung immer nur dann vorliegt, wenn für den Beamten das Sachleistungsprinzip tatsächlich eingreift. Die Formulierung, dass die gesetzliche Krankenversicherung "vom Sachleistungsprinzip beherrscht" sei, hebt lediglich einen regelmäßigen Unterschied zu der privaten Krankenversicherung hervor, enthält aber keine abschließende Definition. Die sonstigen Eigentümlichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung - etwa die fehlende Abhängigkeit der Beitragshöhe von Risiko und Leistungsumfang - sind nicht weniger als das Sachleistungsprinzip für diese Versicherungsart charakteristisch.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005, a.a.O.

Ausgehend davon hat sich der Kläger durchaus freiwillig für die "vom Sachleistungsprinzip beherrschte gesetzliche Krankenversicherung" entschieden, auch wenn es für ihn und seine Familie zunächst nicht zur Anwendung gelangte. Die Entscheidung des Beamten für die gesetzliche Krankenversicherung erlaubte es ihm, sich innerhalb ihrer satzungsgemäßen Möglichkeiten zu bewegen und dort eröffnete Vorteile, wie etwa Ausnahmen vom Sachleistungsprinzip, für sich zu nutzen. Fallen solche Vorteile später weg und werden sie - wie hier durch Zuzahlungen und dergleichen - relativiert, stellt dies die einmal getroffene Entscheidung für das System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Frage. Die Notwendigkeit, sich zwischen beiden Sicherungssystemen grundsätzlich zu entscheiden, lässt eine Beschränkung der Wahl auf eine bestimmte Tarifvariante nicht zu. Entscheidend ist die Versicherungsart, nicht der im Einzelnen gewählte Tarif.

Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen KVdR mitsamt der seitherigen Leistungserbringung durch Sachleistungen bzw. durch dieser gleichstehende Kostenerstattungen, stellt sich als Fortwirkung seiner freiwilligen Wahl der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Denn die Versicherungspflicht für Rentner tritt nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V nur ein, wenn - wie beim Kläger - vor dem Rentenbezug erhebliche Zeiträume in einer gesetzlichen Krankenversicherung zurückgelegt worden sind.

Auf dem freiwilligen Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung beruht auch die ab dem 65. Lebensjahr eingetretene tatsächliche Unmöglichkeit für den Kläger, die erforderliche Eigenvorsorge nach dem Beginn seines Ruhestandes auf das System der privaten Krankenversicherung umzustellen. Weitere Folge hiervon ist, dass der Kläger durch diese Umstände faktisch gezwungen war, in der KVdR zu bleiben und sich nicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V von der Versicherungspflicht befreien lassen konnte.

Ende der Entscheidung

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