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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 19.12.2007
Aktenzeichen: 6 A 406/05
Rechtsgebiete: LVO NRW


Vorschriften:

LVO NRW § 6 Abs. 1
LVO NRW § 52 Abs. 1
Begehrt ein Laufbahnbewerber bei Überschreitung der in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW festgelegten Höchstaltersgrenze von 35 Jahren die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe, kommt ein über die Berücksichtigung zeitlicher Verzögerungen der Einstellung hinausgehender Ausgleich für mögliche kinderbetreuungsbedingte Leistungseinbußen bei der Ablegung der Staatsprüfungen in der Regel nicht in Betracht.
Tatbestand:

Die am 19.10.1962 geborene Klägerin ist als Lehrerin im Angestelltenverhältnis im Dienst des beklagten Landes beschäftigt und begehrt ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Nach dem Hauptschulabschluss besuchte sie die Berufsfachschule für Hauswirtschaft und Sozialwesen und absolvierte eine Ausbildung, die mit der Anerkennung als staatlich geprüfte Masseurin und medizinische Bademeisterin abschloss. Im Anschluss daran war sie einige Monate in ihrem erlernten Beruf tätig und nahm nach vorübergehender Arbeitslosigkeit eine Ausbildung zur Krankenschwester auf, die sie als staatlich examinierte Krankenschwester abschloss. Danach übte sie ihren Beruf als Krankenschwester aus.

Am 29.7.1988 wurde ihr erster Sohn geboren. Daran schloss sich von Juli 1988 bis Juli 1989 eine von der Klägerin als "Erziehungsjahr" bezeichnete Zeit an, während derer sie aushilfsweise als Krankenschwester arbeitete. Ab Februar 1989 besuchte sie das Abendgymnasium und erwarb am 19.12.1991 die Allgemeine Hochschulreife. Von August 1990 bis Februar 1992 arbeitete sie zudem aushilfsweise als Krankenschwester. Am 4.3.1992 wurde ihr zweiter Sohn geboren. Von März 1992 bis September 1993 widmete sie sich ausschließlich der Betreuung ihrer Kinder.

Zum Wintersemester 1993/94 nahm sie das Lehramtsstudium an der Universität Dortmund auf. Am 17.11.1998 legte sie die Erste Staatsprüfung für das Lehramt für die Primarstufe und am 10.11.2000 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Primarstufe, jeweils in den Fächern Sachunterricht (Naturwissenschaft/Technik), Mathematik und Deutsch, ab.

Unter dem 10.12.2000 bewarb sich die Klägerin um Einstellung in den Schuldienst des beklagten Landes und wurde in die Interessentendatei aufgenommen. Nachdem die Klägerin zunächst befristet als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis im Dienst des beklagten Landes beschäftigt war, wurde sie mit Wirkung vom 1.8.2003 auf unbestimmte Zeit als Lehrerin eingestellt.

Bereits mit Schreiben vom 8.5.2002 hatte sie ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe beantragt. Die Überschreitung der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze stehe nicht entgegen, da die erhebliche Verzögerung ihres Studiums darauf beruhe, dass sie zu der Zeit alleinerziehende Mutter von zwei Kindern gewesen sei. Die Bezirksregierung lehnte den Antrag unter Hinweis auf die laufbahnrechtliche Höchstaltergrenze ab. Die Kinderbetreuungszeiten seien nicht allein ursächlich für die Überschreitung der Altersgrenze. Neben der Kinderbetreuung habe sie eine Ausbildung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin sowie zur Krankenschwester gemacht, sei in beiden Berufen tätig gewesen und habe das Abendgymnasium besucht.

Der dagegen eingelegte Widerspruch sowie die anschließend vor dem VG erhobene Klage blieben erfolglos. Die auf den Antrag der Klägerin zugelassene Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Bezirksregierung in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Gemäß den §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 LVO NRW darf als Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a) LVO NRW in das Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Eine Übernahme der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe ist ausgeschlossen. Die Höchstaltersgrenze von 35 Jahren hatte sie bereits am 19.10.1997 und damit mehrere Jahre vor ihrer Einstellung in den sogenannten Vertretungspool zum 20.8.2001 und erst recht vor ihrer Beschäftigung in einem unbefristeten Angestelltenverhältnis zum 1.8.2003 überschritten.

Die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO NRW mögliche Berücksichtigung von Zeiten der Kinderbetreuung rechtfertigt keine andere Entscheidung. Nach dieser Regelung darf die Altersgrenze im Umfang der Verzögerung, höchstens um drei, bei mehreren Kindern höchstens um sechs Jahre überschritten werden, wenn sich die Einstellung oder Übernahme wegen der Geburt eines Kindes oder wegen der tatsächlichen Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren verzögert hat.

Die Klägerin hat zwar wegen der Geburt und der Betreuung ihrer beiden Kinder vor Vollendung des 35. Lebensjahrs erhebliche Verzögerungen ihrer Berufsausbildung und Berufsaufnahme in Kauf genommen. Die Kinderbetreuung war jedoch nicht ursächlich dafür, dass die Klägerin nicht vor Überschreitung der Höchstaltersgrenze eingestellt worden ist.

Eine erste Verzögerung der Ausbildung der Klägerin ergab sich durch die Erziehungszeit im Anschluss an die Geburt ihres ersten Sohnes am 29.7.1988, so dass sie den Besuch des Abendgymnasiums erst im Februar 1989 aufnahm. Nach der Geburt ihres zweiten Sohnes am 4.3.1992 trat eine weitere Verzögerung durch die ausschließliche Betreuung ihrer Kinder von März 1992 bis September 1993 ein. Auch dürfte die erforderliche Kausalität der Kinderbetreuung für die Überschreitung der Altersgrenze nicht durch die zeitweise Tätigkeit der Klägerin als Krankenschwester nach den Geburten ihrer Kinder unterbrochen sein. Denn die Klägerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass sie als alleinerziehende Mutter lediglich an den Wochenenden, häufig auch nur alle 14 Tage, in ihrem alten Beruf als Krankenschwester gearbeitet habe. Ebenso ist es für die Frage der Kausalität unerheblich, dass die Klägerin eine Ausbildung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin sowie zur Krankenschwester absolviert und in diesen Berufen gearbeitet hatte. Denn dieser Umstand war bereits vor dem Verzögerungstatbestand eingetreten. Eine die Ursächlichkeit der Kinderbetreuung in Frage stellende vermeidbare Verzögerung liegt schließlich nicht im Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife nach der Betreuung des ersten Kindes. Auch wenn es sich dabei nicht um einen spezifisch auf den Lehrerberuf zugeschnittenen Teil der (allgemeinen) Schulbildung handelt, ist der Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife zweifellos unverzichtbar für die Aufnahme des Lehrerstudiums, so dass darin keine vermeidbare Verzögerung liegen kann.

Ohne diese Verzögerungszeiten durch die Betreuung ihrer Kinder hätte die Klägerin ihren Vorbereitungsdienst etwa im Februar 1997 beendet gehabt. Gleichwohl verhilft das ihrem Begehren nicht zum Erfolg. Denn kindbedingte Verzögerungszeiten sind nach § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO NRW nur dann relevant, wenn sie zu einer Verzögerung der Einstellung geführt haben. Die Klägerin wäre aber auch ohne die Verzögerungszeiten nicht vor Erreichen der Höchstaltergrenze als Lehrerin in den Schuldienst des beklagten Landes eingestellt worden.

In dem einzigen Auswahlverfahren, das nach dem ohne Kinderbetreuungszeiten anzunehmenden Abschluss der Ausbildung im Februar 1997 und vor Vollendung ihres 35. Lebensjahrs am 19.10.1997 stattgefunden hat, wäre die Klägerin ohnehin nicht zum Zuge gekommen. In dem Auswahlverfahren zum Schuljahr 1997/1998 hätte sie die Einstellungskriterien für Lehrkräfte im Bereich der Primarstufe verfehlt. Das beklagte Land hat mitgeteilt, dass die Klägerin in dem Lehrereinstellungsverfahren im Jahr 1997 unter Zugrundelegung ihres Ergebnisses in der Ersten Staatsprüfung mit 2,1 und in der Zweiten Staatsprüfung mit 1,4 am Verfahren mit 790 Punkten teilgenommen hätte. Mit dieser Punktzahl wäre sie auf Platz 736 gekommen. Das letzte Angebot sei jedoch auf Platz 597 erfolgt. Diese Berechnung hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemeinsam mit dem Vertreter des Beklagten nachvollzogen und im Ergebnis nicht in Frage gestellt.

Die eben beschriebene Ermittlung des hypothetischen Rangplatzes der Klägerin im Auswahlverfahren zum Schuljahr 1997/1998 ist auch zu Recht auf der Grundlage der von ihr in den Staatsprüfungen am 17.11.1998 und am 10.11.2000 tatsächlich erbrachten Gesamtnoten erfolgt. Die Einstufung mit einer besseren Note wegen eventueller Leistungseinbußen durch die parallel zur Ausbildung ebenfalls wahrgenommene Kinderbetreuung kommt für die Klägerin nicht in Betracht. Es kann dahinstehen, ob eine solche Anhebung der Note anhand einer hypothetischen Leistungsermittlung rechtlich zulässig wäre, das heißt unter dem in § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO NRW vorgesehenen Ausgleich für die durch Geburt und Betreuung von Kindern in Kauf genommenen Verzögerungen bei der Einstellung erfasst werden könnte. Jedenfalls ist in aller Regel nicht hinreichend sicher und konkret ermittelbar, mit welcher Gesamtnote der jeweilige Laufbahnbewerber ohne die Wahrnehmung der Kinderbetreuung abgeschnitten hätte. Auch die Klägerin war nicht in der Lage, substantiiert darzulegen, geschweige denn zu beweisen, dass sie ohne die Kinderbetreuung bei den Staatsprüfungen mit einem besseren Gesamtergebnis abgeschnitten hätte. Auch lässt sich keine Regelvermutung aufstellen, dass ein Bewerber ohne die zusätzliche Inanspruchnahme durch die Kinderbetreuung stets besser abgeschnitten hätte, da ein Prüfungsergebnis von einer Vielzahl von Imponderabilien beeinflusst wird, die nicht zuletzt auch ein schlechteres Resultat zur Folge haben könnten.

Ende der Entscheidung

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